Kitabı oku: «Alkohol adé», sayfa 3
Das verdammte Suchtgedächtnis
„Dieses Bierchen habe ich mir verdient.“ Oder: „Den Wein gönne ich mir jetzt.“ Sich etwas verdient haben, sich etwas gönnen, sich mit Alkohol belohnen: Es grüßt Ihr Dopamingedächtnis. Belohnung, Zufriedenheit und Alkohol sind im Trinker-Kopf chemisch fest verkettet – und zwar in einem Hirnbereich, der mit rationalem Denken nichts zu tun hat und Ihrem Willen nicht zugänglich ist. Dieser Hirnbereich ist für grundlegende Dinge zuständig, für Instinkte.
Das geht noch viel weiter. Wer regelmäßig in der gleichen Kneipe Alkohol trinkt, bringt es kaum über sich, dort irgendwann nur eine Limo zu bestellen. Allein der Ort ist für das Gehirn zu fest mit dem Glücks-Kick durch Alkohol verknüpft. Der Schritt durch die Kneipentür weckt die Erwartung eines emotionalen Höhenfluges. Glücks-Erwartungen durch Alkohol, die befriedigt werden wollen. Auch Gerüche, Geschmäcker oder allein schon Tageszeiten können den Drang danach auslösen. „Es wird Abend – jetzt ein Bier.“
Klingt bekannt? Eben.
Die andere Seite der Medaille: Ihr Suchtgedächtnis hat genauso fest intus, dass sich auch Frust und Stress durch Alkohol in Luft auflösen – so meint es jedenfalls. Auf der Festplatte des Urzeitgehirnes sind zwei Dinge fest eingebrannt: Freude wird durch Alkohol zum Feuerwerk, Frust und Unwohlsein verstummen – man fühlt sich wieder wohl. Auch dafür hat das Dopamin gesorgt. Noch mal, zum Mitschreiben: Diese blödsinnige Verkettung sitzt in dem Teil des Gedächtnisses, der für Instinkte zuständig ist – und der rationalem Denken verschlossen bleibt.
Das bedeutet praktisch: Egal ob Freude oder Frust, Alkohol muss instinktiv sein. Instinkte sind mächtig. Übermächtig. Sie beginnen zu ahnen, wo die Crux liegt. Regt sich der Instinkt „jetzt ein Glas“, zieht Ihr Verstand in der Regel den Kürzeren. Das ist ein Kampf David gegen Goliath. Lassen Sie aber den Kopf nicht hängen. Der biblische David hat am Ende ja auch gewonnen.
Goliath war ein wahres Monster. Der Alkohol ist auch eines. Eigentlich ein schönes Bild. Bleiben wir dabei. Umbringen können Sie das Alkohol-Monster nicht. Sie können aber viel dafür tun, es schlafen zu lassen. So lange es sich nicht rührt, hat Ihr Verstand die Oberhand – und Sie können bewusst nichts trinken. Wir kommen später noch einmal ausführlicher auf das Monster-Bild zurück.
Opium im Hirn – durch einen chemischen Betriebsunfall
Die Glücksdusche aus dem Glas – dazu gibt es sogar noch eine Steigerung. Durch einen chemischen Betriebsunfall beim Alkohol-Abbau kann im Gehirn ein opiumähnlicher Stoff entstehen. Ja, Opium. Sie haben richtig gelesen. Denn um den Alkohol abzubauen, benutzt der Körper eine Substanz, die er eigentlich auch für den Dopaminstoffwechsel braucht. Zwei chemische Vorgänge konkurrieren also um ein und dieselbe Substanz. Der Körper gibt der Alkoholentgiftung den Vortritt. Auf der Strecke bleibt das Dopamin. Es bleibt halb fertig liegen.
Das halb fertige Dopaminmolekül wiederum schließt sich mit anderen zusammen. Es entsteht eine Substanz mit dem unglaublichen Namen Tetrahydropapaverolin, kurz THP. Dieses THP kommt auch in der Natur vor: Aus ihm baut die Mohnpflanze das Opium. Im Körper wirkt THP wie Morphium. Opium, Morphium und Heroin sind chemische Geschwister. Genau das bildet sich im alkoholbenebelten Gehirn.
Einige Forscher sind der Meinung, dass starke Alkoholiker eben durch diesen chemischen Betriebsunfall eigentlich zusätzlich opiumabhängig sind. Ohne es zu wissen oder zu wollen. Was das für den Ausstieg aus dem Alkohol bedeutet, kann man sich unschwer ausmalen.
Die Spirale abwärts
Alkohol lässt die Hirnbotenstoffe sprudeln, die glücklich und zufrieden machen. Trotzdem werden Alkoholiker auf Dauer immer unzufriedener, grantiger, fühlen sich leer und unausgefüllt – und müssen immer mehr trinken, um dem zu entkommen.
Der Grund: Der Körper schottet sich gegen die ständigen Glücksboten-Duschen ab. Er hat es nun mal gerne ausgewogen, und was zu viel ist, ist zu viel. Einmal Euphorie durch Alkohol? Schön. Zweimal? Meinetwegen. Wer sich aber regelmäßig mit Alkohol den Glücks-Kick verschafft, dem macht der eigene Körper einen Strich durch die Rechnung. Mit einem Trick.
Sie erinnern sich: Jeder Nervenbotenstoff hat seine spezielle Andockstelle, seinen Rezeptor. Nur wenn er da anlegen kann, entfaltet er auch seine Wirkung. Flutet beispielsweise zu lange zu viel Dopamin den Körper, weil der ständige Alkohol es in die Höhe treibt, spielt der Körper Hafenmeister. Er macht immer mehr Dopamin-Andockstellen einfach dicht. Medizinisch gesprochen: Er reduziert die Dopaminrezeptoren. Es sind dann schlicht weniger davon da.
Der Alkoholiker muss also immer mehr trinken, damit Dopamin noch den letzten Hafen findet und er seinen Glücks-Kick empfindet. Irgendwann aber fährt der Körper dann auch noch die Dopaminproduktion selbst herunter. Das bedeutet, man hat einfach weniger davon im Körper.
Entscheidet sich der Alkoholiker dann eines schönen Tages, nicht mehr zu trinken, nimmt das Drama seinen Lauf: Sein Dopaminsystem liegt in Schutt und Asche. Der Körper produziert nicht mehr genug davon. Dopamin-Andockstellen sind nur noch spärlich vorhanden und selbst die wenigen bleiben teilweise unbesetzt. Das Funksystem für Motivation, Belohnung und Zufriedenheit ist verstummt, die Leitung ist tot.
Die Folge: Der Betroffene fühlt sich ständig unzufrieden, gelangweilt, gefrustet und leer. Viele werden auch launisch und aggressiv. Freunde und Familie von frisch Trockenen können ein Lied davon singen. Diesen Dauerfrust soll der Betroffene nun aushalten – und hört gleichzeitig ständig die Sirenengesänge seines Urahnen-Gehirns: „Ein Schluck, und Dir geht es wieder prima.“
Das folgende Posting stammt aus einem Internetforum. Sie werden jetzt verstehen, was dem jungen Mann eigentlich fehlt:
„Hallo Leute. Ich wollt mal fragen, wie das bei euch ist. Bin seit vier Wochen trocken, aber irgendwie ist fast jeder Tag mies. Ich habe null Bock auf nix, manchmal kriege ich den ganzen Tag den Hintern nicht vom Sofa. Alles nervt irgendwie. Hänge dann den ganzen Tag im Internet rum. Als meine Freundin mich neulich deshalb angemacht hat, bin ich ausgeflippt und hab sie angebrüllt. Seitdem ist hier echt schlechte Stimmung. Die meinte, ich würde mich immer noch so asi benehmen wie mit Alk. Manchmal denke ich, ich sollte wieder saufen, dann wäre alles wieder rund. Kennt das noch jemand? Wie kriegt ihr das hin? Ich bin im Moment echt voll gefrustet.“
Wir sind erst am Anfang des ganzen Elends, das der Alkohol in der Hirnchemie anrichtet. Sie werden jetzt aber schon eines unterschreiben können: Die Finger nicht mehr vom Glas zu bekommen, ist ein biologisches Problem, kein psychisches.
Die gute Nachricht ist: Der Flurschaden, den der Alkohol im Gehirn angerichtet hat, repariert sich auch wieder.
Der nächste Stimmungstorpedo: Angriff auf das Glückssystem
Gelassenheit und innere Harmonie. Das Glück des Augenblicks genießen können. Die Welt in wohligen Farben sehen, Freude empfinden und positiv in die Zukunft schauen. Motiviert in den Tag starten. Das alles beschert uns ein Hirnbotenstoff, von dem Sie vielleicht sogar schon gehört haben: Serotonin. Es ist das Salz in der Suppe unseres Gefühlslebens. Fehlt Serotonin, schlagen Angst und Depressionen zu. In schlimmen Fällen plagen die Betroffenen Selbstmordgedanken.
Sie ahnen es bereits: Alkohol manipuliert auch das Serotonin-System. Er verpasst ihm einen Kickstart. Dabei zieht der Alkohol alle Register. Er regt den Körper an, mehr Serotonin auszuschütten. Gleichzeitig macht er die Serotonin-Andockstellen im Hirn besonders empfindlich und empfangsbereit. Er sorgt also doppelt für ein wahres Serotonin-Feuerwerk. Kein Wunder, dass Alkohol „glücklich“ macht. Jedenfalls, solange er wirkt. Lässt seine Wirkung nach, ist auch die gute Laune wie weggeblasen – jedenfalls bis zum nächsten Glas. Trinkt man zu oft und zu viel, läuft das gleiche Programm ab, wie Sie es auch schon vom Dopamin kennen: Der Körper streikt gegen das Serotonin-Dauerfeuer und regelt das System herunter. Er schließt Serotonin-Andockstellen und drosselt die Serotoninproduktion. Das körpereigene Frohsystem bekommt schwere Schlagseite. Immer mehr Alkohol ist nötig, um überhaupt noch Glück empfinden zu können.
Auf Dauer geht ohne Alkohol allerdings nicht nur das Glücksempfinden verloren, was schon schlimm genug ist. Ohne permanenten Nachschub wird es noch grausamer. Die Betroffenen quälen dann graue Gedanken und Depressionen, Angst und Panikattacken können sich einstellen. Sie fühlen sich leer, traurig, hoffnungslos, plagen sich mit Zukunftsängsten, schlafen schlecht, ziehen sich von Familie und Freunden zurück und sehen nur noch wenig Sinn im eigenen Dasein. Ein jammervolles Leben, das scheinbar nur noch durch Alkohol wieder lebenswert wird. Dabei verschlimmert jeder Rausch die Lage weiter.
Kein Zweifel: Dopamin und Serotonin sind die Königsklasse unserer Gefühls-Botenstoffe. Es gibt noch einen Dritten im Bunde. Dieser Neurotransmitter beruhigt nicht nur den Geist, sondern ist auch für körperliche Entspannung zuständig. Natürlich wirft Alkohol auch ihn aus der Bahn.
Entspannung aus dem Glas
Ein kräftiger Schreck oder Stress setzen Körper und Geist unter Hochspannung. Auch das stammt aus alten Zeiten: Wen ein Raubtier angriff, der musste in Sekundenbruchteilen auf Hochtouren laufen – sonst hatte er leider schlechte Karten. Ist der Stress vorbei, brauchen wir eine beruhigende Signalsubstanz, die Aufregung und Anspannung wieder abpfeift. Dieser natürliche Stress-Stopper nennt sich GABA. Das ist eine Abkürzung für „Gamma-Aminobutyric Acid“, auf Deutsch wäre das die Gamma-Aminobuttersäure. Aber Schluss mit Fremdworten. Merken Sie sich GABA, das reicht völlig.
GABA stimmt die Welt von Dur auf Moll. Eine tiefe Meditation beispielsweise steigert den GABA-Spiegel im Blut um bis zu ein Drittel. Leider aber ist in unserer hektischen Welt Entspannung häufig Mangelware. Wie praktisch wäre da doch so eine Extra-Portion GABA auf Knopfdruck. Einfach zum Runterkommen.
Sie ahnen es bestimmt: Alkohol werkelt auch im GABA-System herum. Das berühmte Entspannungsglas ist chemisch gesehen nichts anderes als ein GABA-Ersatz. Alkohol hat eine sehr interessante Eigenschaft: Er passt an die Nerven-Andockstelle, die eigentlich ausschließlich für GABA reserviert ist. Medizinisch gesprochen: Alkohol passt an den GABA-Rezeptor. Auch wenn er da überhaupt nichts zu suchen hat. Alkohol segelt unter falscher Flagge, hat aber den gleichen Effekt wie der entspannende Nervenbotenstoff selbst. Der Nerv kann nicht unterscheiden, ob an ihm nun GABA oder das trojanische Pferd Alkohol angedockt hat. Es ist ihm auch herzlich egal. Er bekommt das Signal „GABA-Hafen belegt, alles auf Ruhe schalten, bitte weitersagen“ – und das macht er dann auch. Deshalb entspannt Alkohol. Nebenbei: Es gibt noch eine andere Substanz, die ebenfalls am GABA-Hafen andocken kann: Diazepam, besser bekannt als Valium.
Überflutet Alkohol die GABA-Andockstellen, knallt dem ungeübten Trinker schon bald der Kopf auf den Tisch – er schläft einfach ein. Sind viele GABA-Rezeptoren alkoholbesänftigt und funken laut: „Entspannung“, kommt der Sandmann im Sauseschritt. Übrigens: Wenn alle GABA-Rezeptoren bis auf den letzten Platz besetzt sind, können Chirurgen ihre Arbeit tun. So wirken Narkosemittel.
Der Alkoholtrainierte hingegen ist auch nach mehreren Gläsern noch putzmunter. Will er sich entspannen, muss immer mehr Alkohol her, um den Effekt zu erzielen. Der Grund ist derselbe, den Sie auch schon vom Dopamin und Serotonin kennen: Der Körper toleriert die Dauertrance nicht und wehrt sich. Er beginnt, GABA-Andockstellen dicht zu machen. Deshalb haben Trinker weniger GABA-Häfen, an die der Alkohol andocken und seine entspannende Wirkung entfalten kann. So vertragen Alkoholiker auch Mengen, nach denen jeder andere bereits halb bewusstlos wäre. Wer weniger GABA-Andockstellen hat, weil er ständig zu viel trinkt, bekommt auf Dauer ein Problem: Wo keine GABA-Andockstelle mehr ist, kann der Nerv auch nicht mehr „Entspannung“ funken. Das natürliche Bremssystem des Körpers funktioniert nicht mehr.
Glycin, der GABA-Bruder
Ein weiterer Entspannungsbotenstoff des Körpers ist das Glycin. Sie haben es jetzt schon so oft gelesen, es lohnt kaum, das Ganze noch einmal zu wiederholen. Es ist wieder das gleiche Spiel: Wieder kitzelt der Alkohol die Glycin-Wirkung auf Höchststände und entspannt deshalb zunächst. Wieder hält der Körper irgendwann dagegen – und auch dieses Nervenbotenstoff-System bekommt schwere Schlagseite.
Nun haben Sie von GABA und Glycin vielleicht noch nie vorher gehört und zweifeln, ob diese beiden Nervenbotenstoffe denn wirklich so wichtig sein können. Doch, können sie.
Ein Extrembeispiel verdeutlicht das. Wundstarrkrampf, auch bekannt als Tetanus – das sagt Ihnen etwas. Wen die Krankheit erwischt, der windet sich unter fürchterlichen Krämpfen, schlimmstenfalls bis in den Tod. Der Grund: Bakteriengifte verhindern, dass der Körper GABA und Glycin freisetzt. Den Muskeln der Betroffenen fehlen die Entspannungskommandos. Sie krampfen so stark, dass manchmal dabei sogar Knochen brechen.
Vom wachen Geist zum Nervenwrack: Glutamat
Der Entspannungsbotenstoff GABA hat einen natürlichen Gegenpart: das Glutamat. GABA und Glutamat sind wie Ebbe und Flut. Während GABA bremst, drückt Glutamat aufs Gaspedal. Betritt Glutamat die Bühne, steht unser Nervenkostüm auf „Achtung!“.
Vielleicht haben Sie den Namen Glutamat schon mal gehört und sind verwirrt. So heißt auch ein Geschmacksverstärker in Lebensmitteln, der immer mal wieder für negative Schlagzeilen sorgt. Beide sind verwandt, aber nicht dasselbe. Den natürlichen Neurotransmitter Glutamat nennen Chemiker auch Glutaminsäure – den künstlichen Geschmacksverstärker dagegen Mononatriumglutamat. Für beide hat sich der Begriff Glutamat eingebürgert, es ist also nur eine verwirrende Namensgleichheit. Sprechen wir hier von Glutamat, ist der körpereigene Botenstoff gemeint.
Bewegung, Aufmerksamkeit, Wachsamkeit, Konzentration. Das ist Glutamat-Revier. Wer ein ausgewogenes GABA- und Glutamatsystem hat, der kann sich gut konzentrieren, ist aufmerksam und hellwach – kann sich danach aber genauso wieder beruhigt entspannen.
Auch wenn es schon fast langweilig wird: Natürlich ahnen Sie es. Alkohol wirft auch dem Glutamatsystem einen Stock zwischen die Beine. Er knipst die Glutamat-Andockstellen einfach aus. Da kann so viel Glutamat im Nervensystem herumschwimmen, wie es will – wenn es nicht andocken kann, kann es auch nicht wirken.
Jetzt haben wir einen miesen Doppeleffekt. Alkohol tut so, als wäre er GABA und entspannt. Gleichzeitig schaltet er das Glutamatsystem auf stumm und unterdrückt die nötige Gegenspannung und Wachsamkeit. So erzeugt er eine künstliche Tiefenentspannung – solange der Alkohol durch die Adern fließt.
Kaputte Bremse und durchgetretenes Gaspedal
Der Körper hat es aber nun mal immer gerne ausgeglichen. Ein Alkohol-Nirvana lässt er auf Dauer nicht zu. Er schließt nicht nur die Andockstellen für das beruhigende GABA, sondern erhöht gleichzeitig die Anzahl der Häfen für das erregende Glutamat. Die Folge: Unter Alkohol-Dauerberauschung sprießen Glutamat-Andockstellen wie eine Blumenwiese im Frühling.
Das Ganze ist dann ein Teufelskreis: Zu wenige Andockstellen für GABA verhindern die Entspannung – dafür sind aber viel zu viele Häfen für das Glutamat vorhanden, das die Erregung auslöst. Der Körper gerät in einen Zustand der ständigen Anspannung, kann aber nicht mehr runterfahren. Die schnelle Lösung: Alkohol, der GABA imitiert und das Glutamat in Schach hält. Fällt der Alkohol dann weg, wird es übel. Ein Kfz-Mechaniker würde über ein solches Nervenkostüm sagen: „Das Gaspedal ist voll durchgedrückt, aber die Bremse klemmt.“ Dieses wild gewordene Auto soll nun ein Alkoholiker einzig und allein mit seiner Willenskraft aufhalten, wenn er trocken werden will. Finde den Fehler.
Das war jetzt recht viel Theorie, zugegeben. Aber jetzt verstehen Sie, warum regelmäßige Trinker irgendwann nur noch mit Alkohol entspannen können. Im Extremfall werden sie dann fahrig, rast- und ruhelos. Manchen beginnen die Hände zu zittern, Schlafstörungen und Schweißausbrüche stellen sich ein. Das sind die sichtbaren Zeichen des verschobenen GABA-Glutamin-Systems – und das ist es, was man landläufig als körperliche Abhängigkeit bezeichnet.
Der Grund ist ein Nervenbotenstoff-System, das aus der Bahn geschossen ist. Vom Prinzip her nichts anderes als auch beim Dopamin oder Serotonin. „Psychisch“ sind die Antriebslosigkeit oder Depressionen in der ersten Zeit ohne Alkohol aber genauso wenig wie Zittern oder Schwitzen.
Durch das wild gewordene Glutamat-System entstehen im schlimmsten Fall die gefürchteten Krampfanfälle, wegen derer ein schwerer Alkoholiker viel besser in der Klinik entgiftet. Dort hält man diese Anfälle mit Medikamenten unter Kontrolle. Auch wer noch nicht so tief in der Sucht steckt, kämpft vor allem in der ersten Zeit ohne Alkohol heftig mit der Schieflage im Glutamat- und GABA-System. Der Körper steht unter Dauerstress. Selbst 24 Stunden im Bett liegen bringt dann nichts. Der biochemische Stress sorgt für Daueranspannung. Eine blöde Situation, wenn gleichzeitig das Suchtgedächtnis zirpt: „Nur ein Gläschen und du hast Frieden.“
Willensschwäche? Wohl kaum. Eher ein massives Stoffwechsel-Problem.
Und noch mehr Stress: Kortisol
Auch wenn er so tut, als wäre er ein Entspannungsmittel: Alkohol stresst den Körper. Glutamat-Dauerfeuer ist für uns Anspannung pur. Unter dieser Dauerbelastung schüttet der Körper Kortisol aus. Das Hormon ist dafür da, den Stoffwechsel schnell auf Höchstleistungen zu trimmen – denn Stress bedeutete für unsere Urahnen Überlebenskampf.
Kortisol verengt die Blutgefäße, erhöht den Herzschlag und den Blutdruck. Gleichzeitig lässt es den Blutzuckerspiegel steigen. So steht in Gehirn und Muskeln schnell ausreichend Energie für Kampf oder Jagd zur Verfügung. Kortisol ist ursprünglich dafür da, im Augenblick großer Anspannung den Stress sogar noch zu steigern. Volle Konzentration auf eine Sache, dafür sorgt Kortisol.
Eigentlich ja eine gute Idee. Kortisol macht hellwach – allerdings nur für Dinge, die mit der unmittelbaren Gefahr in Verbindung stehen. Um volle Konzentration nur auf das Wichtigste zu garantieren, schaltet Kortisol alle Hirnaktivitäten ab, die nicht nötig sind, um die Situation zu überstehen. Kortisol blockiert das höhere Denkvermögen sowie das Gedächtnis. Fragen Sie mal einen Leistungssportler, ob er während eines Wettkampfes nebenbei noch Matheaufgaben lösen oder ein Lied auswendig lernen kann. Kann er nicht. Weil Kortisol das verhindert.
Kortisol ist auch Feind Nummer eins aller Menschen mit Prüfungsangst: Ihr Körper schüttet wegen der Aufregung so viel Kortisol aus, dass die Betroffenen am Ende manchmal nur noch stur auswendig Gelerntes wiedergeben können. Sämtliches weitergehende Denken funktioniert in dem Moment nicht mehr. Normalerweise fällt der Kortisolspiegel im Körper natürlich wieder, sobald eine Gefahr oder Stress-Situation vorbei ist. Nicht aber bei dem, der zu viel Alkohol trinkt.
Forscher haben herausgefunden, dass im Blut von Alkoholikern bis zu ein Drittel mehr Kortisol herumschwimmt als normal – und zwar auf Dauer. Praktisch bedeutet das: Der Körper ist in einem 24-Stunden-Stressmodus. Wer so in Stresshormonen badet, kann sich weder ordentlich konzentrieren noch erholsam schlafen. Ohne ordentlichen Nachtschlaf fängt der neue Tag schon mies an – man ist kaputt und gestresst. Da kommt er dann wieder vorbeigesprungen, der Alkoholteufel: „Ein Glas und du fühlst dich besser!“ Psycho-Problem? Wohl kaum.
Sie wissen jetzt: Alkohol schüttelt Ihre Hirnchemie kräftigst durcheinander. Je länger Sie schon trinken, umso größer ist der Salat. Dabei beeinträchtigt der Alkohol noch viel mehr Nervenbotenstoffe als die, die Sie jetzt kennen gelernt haben. Es gibt insgesamt über 100 davon. Am Ende ist das Durcheinander so groß, dass gefühlt nur noch der Alkohol alles wieder ins Lot bringen kann.
Erinnern Sie sich an das Monster des Suchtgedächtnisses? Etwas weiter vorn haben wir schon mal über das Instinkt-Monster Goliath gesprochen. Denken Sie mal weiter: Das Chaos im Nervenbotenstoff-System führt dazu, dass man sich einfach nur miserabel fühlt. Goliath Alkohol schiebt Überstunden: Ständig funkt das Urzeitgedächtnis „bitte trinken, damit ich mich wieder wohl fühle, damit der Frust, der Stress, die Niedergeschlagenheit verschwindet“. Die Hirnchemie läuft Amok. Sie stecken in einer biochemischen Falle.
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