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I. Teil: Alkoholismus ist eine körperliche Erkrankung

Die Forschung über Alkoholmissbrauch und Abhängigkeit füllt ganze Bibliotheken. Wissenschaftler haben einen tiefen Blick in den Stoffwechsel von Alkoholikern geworfen und herausgefunden, wo dieser klemmt. Sie haben Gehirn-Aufnahmen von Alkoholikern gemacht und riesige Unterschiede zu Gesunden gefunden.

Genetiker haben sich bis ins Erbgut von Trinkern vorgearbeitet. Hirnforscher konnten zeigen, dass die Hirn-Nerven von Alkoholikern ganz anders gepolt sind als die von Gesunden – und wie Alkohol deren Denken und Gefühle kapert. Die Beweise sind erdrückend: Alkohlabhängigkeit ist eine rein körperliche Erkrankung. Mit der Psyche hat das Ganze nur sehr wenig zu tun.

Die psychologisierte Gesellschaft

„Wir sind eine psychologisierte Gesellschaft“, konstatiert Peter-André Alt, ehemaliger Präsident der Freien Universität Berlin. Alles wird heute mit der Psyche erklärt. Ehestreit, Burnout, Alkoholsucht oder Depressionen – für alles ist der Psychologe und Psychiater zuständig. „Blanker Unsinn“, schießt der Amerikaner Dr. Daniel Amen dagegen.

Er sieht das Ganze pragmatischer. Im Laufe seines Berufslebens hat er mehr als 150.000 Aufnahmen von Gehirnen sogenannter psychisch Kranker gemacht – darunter auch viele Alkoholiker. Sein Fazit: „Wenn dein Gehirn richtig funktioniert, funktionierst auch du richtig. Wenn dein Gehirn Probleme hat, dann hast du auch welche in deinem Leben.“

Amen kenn das Geschäft sozusagen von beiden Seiten: Er ist Psychiater und Radiologe. Sein boshafter Seitenhieb: „Psychiatrie ist die einzige medizinische Disziplin, die niemals das Organ betrachtet, das sie behandelt. Jeder andere Facharzt tut das. Kardiologen, Neurologen, Gastroenterologen – alle sehen sich das genau an. Nur der Psychiater nicht. Der behandelt seine Patienten immer noch nur aufgrund von Verdachtsmomenten und Symptomen.“ Das alles sei nicht besser als ein Ratespiel. Dabei gäbe es diese Möglichkeit heute ja, wettert Amen. Die Psychiater würden sich nur aktiv dagegen wehren. „Diese Gehirnaufnahmen seien etwas für die Forschung, aber nicht für die Diagnostik von Patienten“, hätte er oft genug gehört.

Gucken wir uns mal an, was Amen meint. Die ersten 30 Tage ohne Alkohol sind für einen Trinker oft eine besonders bittere Zeit. Er fühlt sich niedergeschlagen, gefrustet oder antriebslos. „Alles Psyche“, erzählt man heute den frisch Trockenen. Der Wunsch, wieder zu trinken, käme genau daher. Eine Verhaltenstherapie soll helfen.

Dabei gibt es von frisch Trockenen Gehirnaufnahmen, die eine ganz andere Sprache sprechen. Auf unserer Website www.alkohol-ade.com/gehirn finden Sie eine solche Aufnahme. Sie zeigt die Gehirnaktivität eines Trinkers nach 10 Tagen ohne Alkohol, nach drei Wochen und nach 30 Tagen. Sie werden sehen: Am Anfang ist das Gehirn wie ausgeknipst. Mit jeder Woche steigt die Aktivität – und damit logischerweise auch das Wohlbefinden des Betroffenen.

Das Fiese daran: Ein Glas Alkohol würde im dämmernden Gehirn sofort ein wahres Feuerwerk entfachen. Weil der Alkohol auf Knopfdruck die Hirn-Aktivität zurückbringt. Ist es Willensschwäche, da nicht „Nein“ sagen zu können? Treibt da eine nebulöse „Psyche“ zum nächsten Glas? Wohl kaum. Das ist ein sichtbares, knallhartes und körperliches Problem.

Ich frage mich, warum man das den Betroffenen nicht genau so erklärt. Diabetiker, Rheumatiker, Asthmatiker – alle unterrichtet man möglichst genau über ihre Krankheit, damit die Betroffenen gut mitarbeiten können, wenn es ums Gesundwerden geht. Nur Alkoholiker lässt man nach wie vor in dem Glauben, aufzuhören sei am Ende doch eine reine Willenssache. Alkoholismus ist aber keine „psychische Erkrankung“. Diabetes heilt man ja auch nicht auf der Couch.

Der Medizinbetrieb ist ein verknöcherter Verein

Die Medizin geht nicht gerne neue Wege, das ist bei der Behandlung von Alkoholikern nicht anders. „Haben wir schon immer so gemacht“ ist unter Ärzten ein schlagkräftiges Argument. Auch die miese Erfolgsquote der gängigen Alkoholikerbehandlung ändert daran nichts. Nur einen von fünf holt man aus der Abhängigkeit. Ein Chirurg, der nur jeden fünften Patienten erfolgreich operiert, wäre für jede bessere OP-Methode dankbar. Bei der Sucht nimmt man die niederschmetternden Ergebnisse achselzuckend hin.

Es dauert in der Medizin sehr lange, bis alte Zöpfe fallen und sich neue Erkenntnisse oder bessere Behandlungsmethoden durchsetzen. Hauptgrund ist die fast mittelalterliche Hierarchie im Medizinbetrieb. „Was der Chef sagt, das stimmt – und da wird auch nicht dran gerüttelt“, ist eine eherne Regel. Wäre sich ein Kreis von grauhaarigen Ärzte-Eminenzen einig: „Die Erde ist eine Scheibe“, dann würde kein Jung-Doktor dagegen das Wort erheben – jedenfalls nicht, bis er nicht selbst eine gewisse Stufe auf der Hierarchie-Leiter erreicht hat. Er würde sonst seine Karriere gefährden.

Es gibt den boshaften Spruch, der medizinische Fortschritt müsse sich biologisch entwickeln. Gemeint ist: Ärzte-Chefs müssen erst wegsterben (oder mindestens in Rente gehen) bevor der Weg für neue Behandlungsmethoden frei wird. Die Medizingeschichte steckt voller Beispiele, bei denen sich die Ärzteschaft lange an alte Ideen klammerte, obwohl die Forschung es schon besser wusste. Magengeschwüre beispielsweise galten früher als seelische Erkrankung, die Patienten landeten auf der Psycho-Couch – ohne dadurch ihr Geschwür loszuwerden. Viele starben an inneren Blutungen, anderen musste der Magen komplett entfernt werden. Trotzdem beharrte die Medizinwelt darauf: Magengeschwüre „kommen aus dem Kopf“.

1983 entdeckten Robin Warren and Barry Marshall das Bakterium Helicobacter pylori als Ursache für Magengeschwüre. Die Ärztewelt hätte erleichtert aufatmen müssen. Immerhin verschwindet der Keim durch simpleAntibiotika und mit ihm die Geschwüre. Eine einfache und wirksame Therapie. Doch weit gefehlt, dass man sich über eine neue Behandlungsmethode freute. Ganz im Gegenteil: Ein Sturm der Entrüstung brach los.

Warren und Marshall hatten es gewagt, als medizinische Nobodys ein Dogma infrage zu stellen. Für die Fachwelt stand fest: Im Magen leben keine Bakterien. Punkt. Der Gegenwind war so stark, dass die beiden Forscher ihre Entdeckung nur unter größten Schwierigkeiten veröffentlichen durften. Doch auch danach kümmerte sich einfach niemand darum. Die Fachwelt ignorierte die neuen Erkenntnisse. Die beiden Wissenschaftler blieben stur und Marshall griff zum Selbstversuch: Er schluckte Helicobacter-Keime, bekam prompt ein Magengeschwür und heilte es mit Antibiotika.

2005 erhielten Warren und Marshall den Nobelpreis für Medizin. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Obwohl die Fakten auf dem Tisch lagen, dauerte es mehr als 20 Jahre, bis Magengeschwür-Patienten endlich mit Antibiotika behandelt wurden.

Follow the money

Ein Bremsklotz für neue Therapien ist auch das liebe Geld. Das trifft besonders auf die Behandlung von Suchtpatienten zu. Die gängige Alkoholismus-Therapie ist auch Big Business. Gucken wir mal über den großen Teich – denn von dort kommen zumeist die Standards für die Medizin in Europa. In den USA liegen die durchschnittlichen Kosten für eine Behandlung in einer Alkoholklinik bei 400 bis 900 Dollar pro Tag, einen Monat müssen die Betroffenen mindestens bleiben, viele Programme laufen aber auch über ein Vierteljahr. Kosten: bis zu 58.0000 Dollar. Für eine ambulante Therapie rechnen die Institute 100 bis 500 Dollar pro Sitzung ab – und diese können sich über Jahre hinziehen, eine Sitzung pro Woche ist die Regel. Hinzu kommen noch 5.000-7.000 Dollar für eine eventuelle stationäre Entgiftung.

Jährlich erhalten ca. 1,4 Millionen Amerikaner eine solche Behandlung. Setzt man pro Betroffenen durchschnittlich 40.000 Dollar Behandlungskosten an (wobei das nur ein grober Mittelwert ist), klingeln bereits 56 Milliarden Dollar in der Kasse – jedes Jahr aufs Neue. Ein Multimilliarden-Business mit steigender Tendenz. Wachstumsmarkt nennt das die Finanzwelt und reibt sich die Hände. Schon längst hat sie den Markt für sich entdeckt. Seit 2014 kaufen so genannte Private-Equitiy-Firmen gezielt amerikanische Suchtkliniken auf, um sie in einer großen Kette zu vereinen und den Profit zu maximieren. So kaufte allein der Konzern Acadia Healthcare innerhalb von nur sechs Jahren 579 Kliniken.

Auch im deutschsprachigen Raum geben die Krankenkassen jährlich zig Milliarden aus, um Alkoholiker zu behandeln. Auch bei uns gibt es eine ganze Therapieindustrie nur dafür. Kliniken, Ärzte, Psychologen, Sozialtherapeuten – Alkoholismusbehandlung ernährt Zehntausende. Viele Patienten kommen immer wieder, eben weil die Behandlung langfristig so wenig erfolgreich ist. „Drehtür-Patienten“ nennt man sie. Eine sichere Einkommensbasis. Welches Interesse an kürzeren und effektiveren Therapien sollte es also geben?

Auch die Pharmaindustrie spielt natürlich in diesem Spiel eine Rolle. Allerdings ist sie nicht der böse Bube, als der sie so gerne hingestellt wird. Schon seit vielen Jahren forscht sie an Substanzen, die Alkoholismus heilen sollen, einige sind bereits auf dem Markt. Ein Beweis mehr übrigens, worin die eigentliche Ursache dieser Sucht liegt: im Stoffwechsel, in der Biochemie. Sonst würden die Pharmafirmen nicht Millionen in die Forschung stecken.

Allerdings hat Big Pharma es auch nicht leicht. Alkohol wirft den Stoffwechsel so gründlich aus der Bahn, dass eine einzige Pille niemals alles auf einmal wieder ins Lot bringen kann. Interessanterweise basieren übrigens viele pharmazeutische Anti-Alkohol-Präparate auf Nährstoffen, also auf Vitaminen, Mineralstoffen oder Eiweißbestandteilen. An diesen haben Forscher im Labor ein wenig herumgespielt und ein neues Molekül erschaffen, das sich patentieren und mit dem sich deshalb ordentlich Geld verdienen lässt. Auf die zu Grunde liegenden Nährstoffe hingegen gibt es keine Patente – die kann man in vielen Fitness-Läden oder bei Amazon frei kaufen. Wir kommen später noch mal darauf zurück.

Wie der Alkohol unser Denken kapert

Warum laufen viele Alkoholiker direkt nach dem Entzug zur nächsten Tankstelle, um sich wieder ein Bier zu holen? Warum sagen sich viele Menschen im Brustton der Überzeugung: „Das ist mein letztes Glas, ab morgen trinke ich nichts mehr“ – nur, um es am nächsten Tag zu wiederholen? Habe ich ja auch. Jahrelang.

Ich weiß jetzt: Wir sind nicht willensschwach. Der Alkohol hat unsere Hirnchemie gekapert. Alkohol manipuliert die Biochemie in unserem Kopf und stört den Funkverkehr in unserem Gehirn. Er pfuscht Botenstoffen ins Handwerk, die dafür zuständig sind, dass wir Glück empfinden, etwas lernen oder uns entspannen können. Genau das schauen wir uns jetzt genauer an.

Belohnung, Sehnsucht, Freude, Trauer, Schreck, Erinnern und Vergessen. Unser Gehirn ist die Schaltzentrale für Gefühle und Denken. Es klingt ernüchternd, aber all das basiert auf reiner Chemie. So fremd ist Ihnen das wahrscheinlich aber gar nicht. Sicherlich haben Sie schon vom Glücksbotenstoff Serotonin gehört. Davon haben Depressive meist zu wenig und sind deshalb niedergeschlagen und antriebslos. „Adrenalin pur“ hingegen jagt uns den Schreck in die Glieder und den Puls nach oben. Genau von solchen Substanzen wie Serotonin oder Adrenalin ist die Rede. Sie heißen Nervenbotenstoffe oder auch Neurotransmitter. Ohne sie läuft in Körper und Oberstübchen gar nichts. Gäbe es sie nicht, hätten wir keine Gefühle, keine Erinnerung und könnten uns auch nicht bewegen.

Bislang kennt die Forschung etwa 100 Nervenbotenstoffe, von denen jeder eine spezielle Aufgabe im Körper erfüllt. Sind unsere Neurotransmitter ausbalanciert, läuft alles reibungslos und es geht uns gut. Alkohol aber zerstört diese chemische Harmonie. Wir schauen jetzt noch ein wenig genauer hin, damit Sie verstehen, wo und wie der Alkohol seine fatale Wirkung entfaltet.

Nervenbotenstoffe, die chemischen Gefühlskuriere

Unsere Nerven sind keine durchgehenden Kabelstränge. Gäbe es nur Info-Direktverbindungen quer durch den Körper (etwa „Gehirn an Daumen“, „Gehirn an kleinen rechten Zeh“, „Gehirn an linkes Knie“ und so fort) wäre der dazu nötige Nerven-Kabelbaum wohl so dick wie eine tausendjährige Eiche – und wir entsprechend breit. Eher unpraktisch, das Ganze.

Die Natur hat eine sehr platzsparende Lösung erfunden. Nerven haben immer nur eine bestimmte Länge. Das Nervende verzweigt sich wie ein Ast. So entstehen aus einem Nerv ganz viele Enden. Diese können sich mit anderen Nervenden chemisch verkoppeln. Allein unser Gehirn besteht aus ca. 90 Milliarden Nervenzellen. Zwischen ihnen und ihrem unmittelbaren Nerv-Nachbarn klafft ein winziger Spalt, so klein, dass man ihn mit bloßem Auge nicht mal erkennt. Diesen Spalt nennt man Synapse. Knapp eine Billiarde (das ist kein Schreibfehler) Synapsen hat allein unser Gehirn.

Informationen laufen im Nerv wie in einem Stromkabel. Durch den Nerv sausen winzige elektrische Spannungen. Am Nerven-Ende angelangt, muss dieser elektrische Impuls den Spalt zum nächsten Nerv überwinden. Anders können die Information nicht weiterfließen.

Stellen Sie sich die Situation am Nerven-Ende bildlich so vor: Da steht ein Kurier an einer Kaimauer, seine Info muss ans andere Ufer. Deshalb braucht er einen schwimmenden Nachrichten-Überbringer. Genau diesen Fährmanns-Job übernehmen Nervenbotenstoffe.

Diese Neurotransmitter sind die Informations-Transportschiffchen im kleinen Spalt zwischen zwei Nervenzellen. Gelangt ein elektrischer Impuls ans Ende einer Nervenzelle, kickt er einen Neurotransmitter los. Dieser schwimmt durch den Nerven-Zwischenspalt, dockt am nächsten Nerv wieder an und lädt dort seine Information ab. Diese flitzt dann im nächsten Nerv elektrisch weiter. Diese Information kann lauten „Achtung, Gefahr!“ oder auch „alles cool, entspannt euch Jungs“. Da jeder Nerv durch seine Verästelung am Ende enorm viele Nachbarn hat, entsteht so ein ganzes Informationsnetzwerk.

Natürlich muss der Körper dieses chemische Kuriersystem straff organisieren. Würden knapp 100 verschiedene Nervenbotenstoffe in unserem System unkontrolliert herumwerkeln, bräche das schiere Chaos aus. Wenn sie nicht gebraucht werden, parken die Nervenbotenstoffe in Zellen am Ende eines Nervenstrangs. Erst wenn ein Neurotransmitter loslegen soll, darf er seinen Parkplatz verlassen und im Spalt zwischen den Nerven schwimmen. Er dockt am am nächsten Nerv an und übermittelt so seine Information. Damit stellt der Körper sicher, dass nur die Botenstoffe auf Reisen gehen, die gerade gebraucht werden. Nervenbotenstoffe sind im Idealfall immer in einer ausgewogenen Mischung unterwegs.

Jeder dieser chemischen Kuriere hat nicht nur seinen speziellen Parkplatz im Nerv. Hat er ihn verlassen und wandert durch den Nerven-Zwischenspalt, wartet auf der anderen Seite eine ganz spezielle Andockstelle auf ihn, der Rezeptor. Man kann sich diesen vorstellen wie einen speziellen Liegeplatz im Hafen. Jeder Nervenbotenstoff hat seine eigene Andockstelle, seinen Rezeptor, an den nur er passt. Durch dieses von der Natur fein austarierte System trampelt nun der Alkohol und bringt so ziemlich alles durcheinander. Er produziert ein Informationschaos und hinterlässt ein Trümmerfeld.

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: die Macht unserer Hirnchemie

Nervenbotenstoffe sind die Champions unserer Gefühlswelt. Jeder Neurotransmitter hat seinen eigenen Job. Der eine bringt uns Glücksgefühle, der andere Gelassenheit, wieder ein anderer versetzt uns in Angst und Schrecken. Zugegeben: Es klingt ein wenig befremdlich, dass reine Chemie ausmachen soll, was wir als unsere Psyche bezeichnen. Wo die Chemie aufhört und unser Geist anfängt – das mag irgendwann die Wissenschaft herausfinden. Fakt ist aber, dass Neurotransmitter unsere Gefühlswelt bestimmen.

Normalerweise ist unsere Hirnchemie ausgewogen, die einzelnen Botenstoffe halten sich gegenseitig in einer feinen Balance. Nun gibt es aber Substanzen, die manipulieren dieses Gleichgewicht. Sie sorgen dafür, dass einige Neurotransmitter die Oberhand bekommen, andere in ihrer Wirkung abstumpfen oder gar ganz stumm geschaltet sind. Genau so manipuliert der Alkohol. Er pfuscht allen mächtigen Hirnbotenstoffen ins Handwerk.

Die folgenden Kapitel verraten Ihnen, wie er das anstellt. Dann verstehen Sie, warum es Ihnen so schwerfällt, die Finger vom Glas zu lassen.

„Ich freu mich so, ich bin was wert“ – Endorphine und Dopamin

Bestimmt erinnern Sie sich an einen Moment, in dem Sie kräftig gelobt wurden. Oder Sie haben sich für eine Sache mächtig ins Zeug gelegt und einen dicken Erfolg eingefahren. Da haben Sie sich so richtig gut und glücklich gefühlt, richtig? Klar. Das hat Ihnen eine kräftige Extraportion Glücksbotenstoffe beschert. Diese heißen Endorphine und Dopamin.

Endorphine schießen die Stimmungslage direkt in den Himmel. Endorphin ist ein zusammengesetztes Wort aus „endogen“ (also körpereigen) und Morphin. Morphine – das sagt Ihnen was. Morphium ist eine der mächtigsten Drogen überhaupt. Natürlich produziert unser Körper nicht so viel davon, dass es zum Rausch reicht.

Endorphine sind Glücksgefühls-Auslöser. Sie unterdrücken auch Schmerzen und helfen dem Körper, mit starker Belastung umzugehen. Vielleicht haben Sie schon mal von dem sogenannten Runner’s High gehört. Das sind glücksartige Rauschzustände von Extremsportlern. Unter starker körperlicher Belastung produziert der Körper reichlich Endorphine, um mit der Situation klarzukommen.

Auch Alkohol lässt den Körper eine Extraportion Endorphine ausschütten. Gelangt er ins Blut, öffnen sich die Endorphin-Parkplätze in den Nervenzellen und die Glücksgefühls-Botenstoffe gehen auf die Reise. Auf einmal schwimmen deshalb viele Endorphine in den Nervenzwischenräumen herum und lösen Glücksgefühle aus. Chemisch getriggert durch den Alkohol. Deshalb macht er happy. Das Glücksgefühl aus dem Glas. Wie verführerisch.

Stehen die Endorphine auf Höchststand, setzt der Alkohol gleich noch einen drauf und flutet unser Nervenkostüm mit einem zweiten Glücklichmacher: dem Botenstoff Dopamin. Dieser ist ein echtes Multitalent. Er belohnt uns mit einem Gefühl der Zufriedenheit. Gleichzeitig ist Dopamin dafür zuständig, dass wir etwas lernen und uns etwas merken können.

Lassen Sie sich das bitte auf der Zunge zergehen: Alkohol duscht das Hirn mit einer Extraportion Dopamin, das uns ein Gefühl von Belohnung und ausgefüllter Zufriedenheit beschert. Gleichzeitig ist Dopamin aber auch dafür zuständig, dass wir uns sehr genau daran erinnern, wer der Auslöser für das Glücksgefühl war: der Alkohol. Nicht lange, und das Gehirn hat ganz fest abgespeichert: Alkohol macht glücklich.

Das Ganze entzieht sich Ihrem Bewusstsein. Diese Verkoppelung von Alkohol und Glücksgefühl ist eine chemische Verdrahtung in Ihrem Gehirn – und damit fest eingebrannt. Diese Verbindung können Sie auch mit stärkster Willenskraft nicht lösen. Die fatale Verkettung spielt sich dann auch noch in einer Hirnregion ab, die entwicklungsgeschichtlich schon uralt ist. In ihr tummeln sich auch unsere Urinstinkte. In diesem Hirnteil spielen sich so grundlegende Bedürfnisse ab wie Hunger, Überlebens- oder Fortpflanzungstrieb.

Genau da ist bei Ihnen der Drang nach Alkohol gelandet. Alkohol ist dem Gehirn dann genauso wichtig wie Sex oder Essen. Schlimmstenfalls sogar noch wichtiger.

Hier ein Wort an die Angehörigen von Alkoholikern. Vielleicht haben Sie sich schon oft gefragt: „Warum kann er/sie den Alkohol mir zuliebe nicht sein lassen?“ Sie kennen jetzt die Antwort. Liebe, Beziehung, Partnerschaft – das sind alles Dinge, die sich in unserem bewussten Denken abspielen. In einer Hirnregion, die deutlich später entstanden ist. Es ist aber ein Instinkt, der Ihren Partner oder Angehörigen treibt. Instinkt geht nun mal über Verstand. Leider.

Dopamin ist ein allmächtiger Botenstoff. Manche Forscher sagen, dass er spielentscheidend für das Überleben unserer Spezies war. Stellen wir uns vor: Einer unserer Vorfahren tobt durch den Urwald auf der Suche nach etwas Essbarem. Ihm knurrt kräftig der Magen. Er sieht einen Busch mit roten Beeren, den er noch nicht kennt. Er macht sich über die Früchte her – und ist begeistert. Sie sind zuckersüß und machen satt. Das ist dann gleich eine Mehrfach-Dopamindusche: schmackhafte Nahrung, ein voller Magen und der Erfolg, etwas zu essen gefunden zu haben. Sofort klickt es im Hirn: Unser Urahn merkt sich sehr genau, wie der Beerenstrauch aussieht – denn er bedeutet ja einen vollen Magen und Glücksgefühle. Gut für ihn, denn Nahrung sichert Überleben.

Unser Vorfahre tobte den Beeren hinterher – und Sie heute dem Alkohol. Die Triebfeder ist exakt dieselbe. Den mächtigen Befehl dazu löst noch immer der gleiche Nervenbotenstoff aus: Dopamin. „Das macht glücklich, das muss ich haben.“

Endorphine und Dopamin machen nicht nur glücklich. Sie übermitteln auch das Gefühl, belohnt worden zu sein. Das funktioniert auch beim Alkohol. „Diesen Drink habe ich mir jetzt verdient.“ Wie oft haben Sie das schon gedacht, gesagt oder gehört? Eigentlich ist das ja widersinnig, oder? Wieso ist ein Glas Alkohol für uns mehr „Belohnung“ als ein Glas frisch gepresster Orangensaft?

Jetzt verstehen Sie aber, wer da eigentlich wirklich spricht: Das Dopamin, das Belohnungssystem unseres Körpers. Alkohol katapultiert das Dopamin im Blut künstlich nach oben. Übrigens spielen auch viele andere Drogen genau an diesen Hirnbotenstoffen herum. Sie lassen sie kurzfristig in den Himmel schießen. Sogar Spielsucht lässt sich so erklären.

Spielsucht und „Black Friday“: reine Dopaminsache

Rauschen die Münzen aus dem Automaten, löst das Glücks- und Belohnungsgefühle aus. Endorphine und Dopamin betreten die Bühne. Bei Spielsüchtigen passiert das sogar ohne Jackpot. Forscher haben herausgefunden, dass bei ihnen die Endorphin/Dopamin-Dusche überdies größer ist, während sie noch um den Gewinn bibbern. Kommt dieser dann tatsächlich, fällt der Kick sogar kleiner aus als während der Wartezeit darauf.

Das Zittern bis zum Gewinn wird zum Kick-Faktor. „Vorfreude ist die schönste Freude“, sagt man. Jetzt verstehen Sie auch, warum: Das Dopamin hat seinen großen Auftritt. Genau dieses Gefühl der Vorfreude läuft bei Spielsüchtigen Amok und sie verzocken im Zweifelsfall auch noch den letzten Groschen.

Dopaminkicks machen sich auch Marketingexperten zu Nutze. Das sogenannte Neuromarketing ist unter ihnen der letzte Schrei. Damit zieht man Ihnen Geld für Dinge aus der Tasche, die Sie eigentlich gar nicht brauchen. Bekanntestes Beispiel ist der „Black Friday“, der größte Verkaufshype der Weltgeschichte. Mit Werbe-Trommelfeuer wird er wochenlang ins Bewusstsein gedroschen. Der Appell an Ihre Urinstinkte: „Sei schnell, dann wartet fette Beute, du wirst dich belohnt fühlen, weil du ein ganz tolles Schnäppchen ergattern konntest.“

Öffnen sich die Ladentüren, flimmern jedes Jahr die gleichen Bilder über den Fernseher: Menschen stürmen hysterisch die Geschäfte, quetschen sich dabei fast zu Tode – nur, um dann zufrieden mit Dingen nach Hause zu gehen, die sie sonst vielleicht nie gekauft hätten. Die Beute ist erjagt, die Erwartung befriedigt, man fühlt sich belohnt, das Dopaminsystem ist happy. Wer nicht nur am Black Friday, sondern sogar 365 Tage im Jahr zwanghaft auf Einkaufstour ist, den hat die Kaufsucht im Griff. Alles reine Dopaminsache.

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
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ISBN:
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