Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 11

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d) Mangelhafte therapeutische Aufklärung

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Zu möglichen Behandlungsfehlern zählt auch eine fehlende oder unzureichende therapeutische Aufklärung.[513] Sie schützt – anders als die Selbstbestimmungsaufklärung[514] – i.d.R.[515] nicht das Selbstbestimmungsrecht des Patienten.[516] Sie soll vielmehr seine für den Heilerfolg erforderliche Kooperationsbereitschaft herstellen oder ihn zwecks Schadensabwehr i.S.e. „Sicherungsaufklärung“ (siehe auch § 630c Abs. 2 S. 1 BGB) vor Selbstgefährdungen bewahren, wie etwa[517] vor der Versäumung eines fristgebundenen Eingriffs.[518] Des Weiteren zählt hierzu die Information über die Dringlichkeit einer angeratenen diagnostischen Maßnahme[519] oder Nachuntersuchung[520] sowie die Unterrichtung des Patienten über die Risiken einer Dehydration nach Entlassung aus dem Krankenhaus.[521] Auch eine unterlassene Unterrichtung nachbehandelnder Ärzte zwecks Sicherung einer sachgerechten Nach- oder Weiterbehandlung fällt hierunter. Auf ein Ansteckungsrisiko für Dritte[522] ist ebenso hinzuweisen wie auf (unsichere) Wirkungen einer Behandlungsmethode oder eines Medikaments.[523]

5. Arbeitsteilung und Vertrauensgrundsatz

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Angesichts fachgebietsbezogener ärztlicher Spezialisierung ist bei der Patientenbehandlung ein arbeitsteiliges Vorgehen nicht nur unvermeidlich, sondern im Interesse einer bestmöglichen Patientenversorgung unerlässlich. Dies gilt nicht nur für fachübergreifendes ärztliches Zusammenwirken im Krankenhaus oder die Zusammenarbeit zwischen Belegarzt und Belegkrankenhaus,[524] sowie bei krankenhausärztlicher Überweisung an niedergelassene Ärzte zur Weiter- oder Mitbehandlung,[525] sondern auch für einen niedergelassenen Arzt, der bei alleiniger Behandlung nichtärztliche Hilfspersonen einschaltet, seinen Patienten an einen anderen Arzt zur Mit- oder Weiterbehandlung überweist oder aus dem Krankenhaus entlassene Patienten zur Weiterbehandlung übernimmt. Aus dieser dem Patienten nützlichen Arbeitsteilung ergeben sich aber auch spezielle Risiken, die aus mangelnder Kommunikation oder Koordination zwischen den beteiligten Personen im Behandlungsprozess resultieren.[526] Hier stellt sich die Frage, inwieweit ein Beteiligter nicht nur für von ihm selbst verschuldete Behandlungsfehler, sondern auch für die anderer Personen zur Verantwortung gezogen werden kann; mit den Worten von Hoyer: Der Organisationsfehler des einen liegt darin, dass er den Kunstfehler des anderen nicht verhindert, unter Umständen sogar durch seinen eigenen Arbeitsbeitrag erst ermöglicht hat.[527]

a) Einschränkung der Fahrlässigkeitsverantwortlichkeit durch den Vertrauensgrundsatz

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Allgemein anerkannt ist seit der Entscheidung der Vereinigten Großen Senate im Jahre 1954[528] die sorgfaltspflichtbegrenzende Wirkung des Vertrauensgrundsatzes im Straßenverkehr, nach dem jeder grundsätzlich auf verkehrsgerechtes Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer vertrauen darf; er muss mithin sein Verhalten nicht darauf einrichten, dass andere sich ordnungswidrig oder unvernünftig verhalten.[529] Dies leitet sich aus dem Gesichtspunkt fehlender unzulässiger Gefahrschaffung infolge erlaubten Risikos her[530] und soll verhindern, dass bei der Bestimmung der eigenen Handlungsweise Sorgfaltspflichtverletzungen anderer stets einzukalkulieren wären.[531] Der Anwendungsbereich des Vertrauensgrundsatzes blieb aber nicht auf das Verhalten im Straßenverkehr beschränkt, sondern führt überall dort zu einer Begrenzung der Sorgfaltsanforderungen, wo gefahrträchtige Handlungen arbeitsteilig vorgenommen werden.[532] Müsste jeder alles Kontrollierbare kontrollieren, so wäre Arbeitsteilung nicht möglich. Stattdessen hat jeder an einem arbeitsteiligen Geschehen Beteiligte nur bestimmte, in seinem Verantwortungsbereich liegende Umstände zu überwachen.[533] Einen wesentlichen Anwendungsfall stellt die ärztliche Heilbehandlung dar,[534] bei der – je nach fehlender oder gegebener Weisungsberechtigung und Weisungsgebundenheit – zwischen horizontaler und vertikaler Arbeitsteilung zu unterscheiden ist. Für beide Fallgestaltungen gilt, dass im Falle der Arbeitsteilung jeder Beteiligte in seinem Zuständigkeitsbereich in eigener Verantwortung tätig ist (Eigenverantwortungsprinzip).[535] Auf dessen Vorgehen lege artis dürfen sich die übrigen am Behandlungsprozess Beteiligten von Rechts wegen grundsätzlich verlassen, da andernfalls (also bei einer unbegrenzten allseitigen Überprüfungs- und Kontrollpflicht) die mit der Arbeitsteilung verbundenen, patientennützlichen Vorteile nicht zu erreichen wären.[536] Ohne den Vertrauensgrundsatz wäre arbeitsteiliges Zusammenwirken nicht zumutbar, da es mit dem Risiko verbunden wäre, unabhängig von persönlichem Fehlverhalten für die Sorgfaltswidrigkeit eines anderen[537] zur Verantwortung gezogen zu werden.[538] Liegen aber Umstände vor, aus denen erkennbar wird, dass ein an der Krankenbehandlung Mitbeteiligter seinen Aufgaben nicht gewachsen ist, so tritt an die Stelle des zuschreibungshindernden Selbstverantwortungsprinzips das – unabhängig von der jeweiligen Fachkompetenz bestehende – Prinzip ärztlicher Gesamtverantwortung für den Patienten. Dieses gebietet, den Patienten vor Schäden zu bewahren, die aus offenkundigen Fehlleistungen eines anderen am Behandlungsprozess Beteiligten (Arzt oder Pflegepersonal) resultieren.[539] Die umfassende Gesamtverantwortung greift umso eher ein, je größer das Risiko eines Behandlungsfehlers und die daraus resultierende Gefährdung des Patienten ist.[540] Letzteres gilt insbesondere für die Mitwirkung von krankenpflegerisch ungeschulten, zuhause behandelten Patienten oder bei deren Versorgung durch Angehörige.[541]

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Des Weiteren trifft die am Behandlungsprozess beteiligten Ärzte die Verpflichtung, Risiken zu minimieren, die sich gerade aus dem Zusammenwirken verschiedener Fachrichtungen ergeben. Diese Koordinierungspflicht gilt insbesondere bei Unverträglichkeit der jeweils verwendeten Methoden oder Instrumente,[542] bspw. dann, wenn bei einer Augenoperation die Anästhesie als Ketanest-Narkose (Zuführung von reinem Sauerstoff in hoher Konzentration) verabreicht wird und der Operateur zum Stillen von Blutungen einen Thermokauter einsetzt, mit dem verletzte Gefäße durch Erhitzung verschlossen werden. Hierbei war es zu einer heftigen Flammenentwicklung gekommen, bei der die Patientin schwere und entstellende Verbrennungen im Gesicht erlitten hatte.[543] Hier rügte der 6. Zivilsenat zurecht, dass „die beteiligten Ärzte sich allein auf die Regelung des eigenen Verantwortungsbereichs beschränkt hätten, ohne untereinander die erforderliche Koordination und Absprache vorzunehmen.“[544]

b) Grenzen des Vertrauensgrundsatzes

aa) Erkennbares Fehlverhalten Dritter

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Keine strafbarkeitseinschränkende Wirkung entfaltet der Vertrauensgrundsatz dann, wenn dem Vertrauen auf richtiges Verhalten anderer erkennbar die Grundlage entzogen ist. Dies ist bspw. im Bereich des Straßenverkehrs dann der Fall, wenn für den Täter das verkehrswidrige Verhalten oder die Verkehrsuntüchtigkeit eines anderen Verkehrsteilnehmers deutlich erkennbar ist.[545] Diese Konstellation, in der das grundsätzlich schutzwürdige Vertrauen in sorgfaltsgemäßes Verhalten Dritter infolge konkreter Verdachtsmomente erschüttert ist,[546] kommt in dem Bereich arbeitsteiliger Patientenbehandlung eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu; ein Beispiel aus der Rechtspraxis:[547] Zwar darf ein nur für die Durchführung der Operation (Testovarektomie, d.h. die Entfernung einer Zwitterdrüse, die die Funktion von Eierstock und Hoden vereint) hinzugezogener Chirurg darauf vertrauen, dass der zuweisende Arzt (Direktor einer medizinischen Universitätsklinik) die Operationsindikation zutreffend gestellt hat. Dies gilt aber dann nicht mehr, wenn sich intraoperativ ein Befund (hier: normale weibliche Anatomie) ergibt, der ihm Anlass geben muss, an der Richtigkeit der Indikation zu zweifeln.[548] In den deutlichen Worten des für die Arzthaftung zuständigen 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs: „Für einen vergleichbaren Sachverhalt hat der Senat (…) zu den Anforderungen an einen Hausarzt entschieden, dieser dürfe sich zwar im Allgemeinen darauf verlassen, dass die Klinikärzte seine Patienten richtig behandelt und beraten haben, und dürfe meist auch auf deren bessere Sachkunde und größere Erfahrung vertrauen. Anders sei es aber dann, wenn der Hausarzt ohne besondere weitere Untersuchungen auf Grund der bei ihm vorauszusetzenden Kenntnisse und Erfahrungen erkennt oder erkennen müsse, dass ernste Zweifel an der Richtigkeit der Krankenhausbehandlung und der dort seinen Patienten gegebenen ärztlichen Ratschläge bestehen. … Kein Arzt, der es besser weiß, darf (…) sehenden Auges eine Gefährdung seines Patienten hinnehmen, wenn ein anderer Arzt seiner Ansicht nach etwas falsch gemacht hat oder er jedenfalls den dringenden Verdacht haben muss, es könne ein Fehler vorgekommen sein. Das gebietet der Schutz des dem Arzt anvertrauten Patienten.“[549]

bb) Eigenes „verkehrswidriges“ Verhalten

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Eine weitere Einschränkung soll der Vertrauensgrundsatz dadurch erfahren, dass sich auf ihn nicht berufen kann, wer sich selbst „verkehrswidrig“ verhält.[550] Mit dieser Formulierung sind zwei sachlich verschiedene Aussagen verbunden:[551] Zum einen bezeichnet sie eine Ausnahme vom Vertrauensgrundsatz für die Fälle, in denen verkehrswidriges Verhalten der Erwartung sachgerechten Handelns anderer die Grundlage entzieht, weil es Fehlreaktionen zu provozieren geeignet ist oder solche bereits erkennbar sind. Wer andere durch verkehrswidriges Verhalten in eine gefährliche Lage bringt, darf sich nicht darauf verlassen, dass diese die von ihm heraufbeschworenen Gefahren meistern werden. Zum anderen wird mit der Formulierung lediglich die Konsequenz aus der nur sorgfaltspflichtbegrenzenden Funktion des Vertrauensgrundsatzes gezogen. Sie enthält dann die an sich selbstverständliche Aussage, dass im Vertrauen auf sorgfältiges Handeln anderer nicht sorgfaltswidrig gehandelt werden darf:[552] So kann ein die Medikation anweisender Krankenhausarzt sich nicht dadurch entlasten, dass seine offenkundige Fehl-Anweisung von der Stationsschwester bei gehöriger Aufmerksamkeit unschwer hätte erkannt und hierdurch der Tod des Patienten hätte verhindert werden können. Dies bedeutet freilich nicht, dass der sorgfaltswidrig Handelnde auch für solche Folgen seines Verhaltens einstehen muss, die erst durch das Hinzutreten fremder, nach dem Vertrauensgrundsatz außer Betracht zu lassender Sorgfaltswidrigkeiten eintreten. In Abwandlung des eben genannten Beispiels: Der Patient erlitt eine schwere Gewebeschädigung, da die intravenös zu setzende Spritze anweisungswidrig von einer Lernschwester verabreicht und paravenös gesetzt wurde; für diese Nekrose war die vom Stationsarzt angeordnete Fehl-Medikation unerheblich. Würde man demgegenüber allein aus einer Sorgfaltspflichtverletzung pauschal einen Ausschluss des Vertrauensgrundsatzes herleiten wollen, so liefe dieses Überspielen sonst gültiger Zurechnungsvoraussetzungen auf eine unzulässige Sanktionierung eines versari in re illicita als Reaktion auf eine nicht erfolgsrelevante Sorgfaltspflichtverletzung hinaus.[553]

c) Horizontale Arbeitsteilung

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Die moderne Medizin ist durch fachgebietsspezifische Spezialisierung und versorgungsstufenbezogene Differenzierung geprägt.[554] Die fachgerechte Patientenbehandlung verlangt nach Spezialisierung einerseits, hinreichender Koordination der arbeitsteilig Zusammenarbeitenden andererseits. Hierbei wird die Behandlung des Patienten auf verschiedene Personen aufgeteilt,[555] die ihre Tätigkeit jeweils weisungsfrei von anderen in fachlicher Gleichordnung ausüben.[556] Horizontale Arbeitsteilung liegt auch dann vor, wenn die weisungsfrei Zusammenwirkenden nicht über den gleichen Ausbildungsstand oder das gleiche Maß an Fachkompetenz verfügen.[557] Die horizontale Arbeitsteilung wird durch Einzel- und Eigenverantwortung jedes Beteiligten geprägt, der für die fachgerechte Erledigung seines eigenen Aufgabenbereiches verantwortlich ist.[558] Bei Bock finden sich instruktive Beispiele aus den Bereichen der interdisziplinären Zusammenarbeit[559] im stationären[560] und ambulanten Bereich[561] sowie zur Zusammenarbeit zwischen Fachärzten für Allgemeinmedizin und anderen Fachärzten bzw. niedergelassenem Arzt und Krankenhausarzt[562] sowie bei der Hinzuziehung eines Konsiliarius[563] oder dem Einschalten eines (Krankenhaus-)Apothekers.[564]

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Die Sorgfaltspflichten arbeitsteilig zusammenwirkender Mediziner beziehen sich nicht nur auf eigene Behandlungsmaßnahmen. Sie erstrecken sich auch auf die Organisation ihrer Zusammenarbeit, um patientenschädlichen Risiken der Arbeitsteilung entgegenzuwirken. Hierzu zählt auch die hinreichende Bestimmung der Zuständigkeitsbereiche, um gerade in Grenzbereichen Überschneidungen und Lücken in der ärztlichen Betreuung zu vermeiden.[565] Zu den Sorgfaltspflichten gehört auch die Festlegung eines behandlungsführenden Arztes, der die Koordination sowie den Kommunikationsfluss gewährleistet und ggf. positive Kompetenzkonflikte entscheidet.[566] Jeder mitwirkende Arzt ist verpflichtet, das eigene Verhalten mit demjenigen der Kollegen derart abzustimmen, dass die fachgerechte medizinische Versorgung des Patienten gewährleistet ist. Diese Koordinationspflicht[567] gilt nicht nur für die Information des Kollegen bspw. über den festgestellten Befund, über spezielle Gesundheitsrisiken des jeweiligen Patienten oder über bereits eingeleitete Therapiemaßnahmen. Sie verlangt auch eine Abstimmung zwischen mehreren an einer Heilmaßnahme beteiligten Ärzten – bspw. Anästhesist und Operateur[568] – in solchen Fällen, in denen sich die Gefährdung des Patienten gerade aus dem Zusammenwirken mehrerer Ärzte bzw. einer Unvereinbarkeit der von ihnen angewendeten Methoden oder Instrumente ergibt.[569]

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Bei dieser Zusammenarbeit gilt der oben (Rn. 85 ff.) dargestellte Vertrauensgrundsatz: Die Beteiligten dürfen sich grundsätzlich auf die fehlerfreie Mitwirkung des Kollegen aus der anderen Fachrichtung verlassen.[570] Andernfalls wäre jeder Mitwirkende gezwungen, seine Aufmerksamkeit auf die korrekte Arbeit der anderen Beteiligten zu richten (soweit er dies überhaupt zu beurteilen vermag),[571] statt sich auf seine eigene Arbeit zu konzentrieren, womit die Vorteile der Arbeitsteilung hinfällig würden.[572] Eine gegenseitige Überwachungspflicht besteht nicht.[573] Diese Entlastung von eigener Verantwortlichkeit endet aber dann, wenn offensichtliche Qualifikationsmängel[574] oder Fehlleistungen erkennbar werden, da dann keine Gewähr mehr dafür besteht, dass auch der Kollege des anderen Fachgebiets seine Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt erfüllt.[575]

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Der Vertrauensgrundsatz kann mithin dann keine Anwendung finden, wenn dem Vertrauen auf richtiges Verhalten anderer erkennbar die Grundlage entzogen ist,[576] sobald also Umstände erkennbar sind, die ernsthafte Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der Vor- oder Zuarbeiten des Kollegen begründen. Diese Begrenzung des Vertrauensgrundsatzes greift nicht nur dann ein, wenn der Arzt die Fehlleistung des Kollegen tatsächlich erkennt, sondern bereits dann, wenn diese Fehlleistung für ihn erkennbar war. Da aber keine gegenseitige Überwachungspflicht besteht, wird – um die patientennützlichen Vorteile der Arbeitsteilung nichts aufs Spiel zu setzen – zu verlangen sein, dass insoweit konkrete Verdachtsmomente für eine Fehlbehandlung vorliegen, mithin ernsthafte Zweifel am Vorgehen lege artis bestehen oder bestehen müssten. Für die Frage der Erkennbarkeit sind hierbei die Anforderungen zugrunde zu legen, die an einen Facharzt in entsprechender Situation zu stellen sind.[577] Infolge der dem (mit-)behandelnden Arzt gegenüber dem Patienten obliegenden Schutzpflicht hat er dann den Patienten vor einer Fehlleistung seines Kollegen zu bewahren bzw. nicht in blindem Zutrauen auf korrektes fremdes Handeln selbst den Patienten zu schädigen.[578] Tut er dies nicht, so kommt infolge seiner – nun nicht mehr vom Vertrauensgrundsatz zurückgedrängten – Gesamtverantwortung (Rn. 85) für die Gesamtheit der in verschiedenen Händen liegenden ärztlichen Tätigkeiten Fahrlässigkeitsstrafbarkeit in Betracht, und zwar entweder als Begehungstäter (Beispiel: Ein niedergelassener Arzt setzt die von den Fachärzten des Krankenhauses fälschlich angeordnete, erkennbar schädliche Medikamentation fort[579]) oder als Unterlassungstäter (Beispiel: Der Anästhesist hindert den Chirurgen nicht an der Durchführung des Eingriffs, obwohl dieser infolge Erschöpfung oder Krankheit erkennbar nicht mehr zur Einhaltung des Facharztstandards in der Lage ist).

d) Vertikale Arbeitsteilung

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Sie ist durch Weisungsberechtigung einerseits, Weisungsgebundenheit der Angewiesenen, denen die selbstständige Wahrnehmung von Aufgaben[580] übertragen wurde, andererseits gekennzeichnet. Ein derartiges Über-Unterordnungsverhältnis besteht sowohl bei der ärztlichen Zusammenarbeit (z.B. zwischen Chefarzt/Oberarzt/Assistenzarzt[581]) als auch im Verhältnis von behandelndem Arzt und dem ihm zuarbeitenden nichtärztlichen medizinischen Personal (wie etwa OP-Schwester, Hebamme[582] oder Pflegepersonal[583]).

aa) Fahrlässigkeitsstrafbarkeit des Anweisenden (Delegierender)[584]

(1) Leitungsverantwortlichkeit

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Werden einzelne Tätigkeiten zulässigerweise[585] auf weisungsgebundene Hilfspersonen übertragen, so ist der die Behandlung leitende Arzt dafür verantwortlich, dass diese für ihre Aufgaben fachlich hinreichend qualifiziert sind.[586] Er muss erkennbare Mängel durch besondere Anleitung und Überwachung ausgleichen sowie ungeeignete Personen von der Behandlung fernhalten.[587] Ferner muss er den sich auch hier aus der Zusammenarbeit mehrerer Personen ergebenden Gefahren von Kommunikations- und Koordinationsmängeln entgegenwirken, weil die Zulässigkeit von Arbeitsteilung die Verständigung zwischen den beteiligten Personen voraussetzt.[588] Da der Anweisende diejenigen Gefahren – soweit ihm möglich – auszuschalten hat, die erst durch die Verteilung der heilkundlichen Tätigkeit auf mehrere Personen entstehen,[589] muss er seine Anweisungen klar und verständlich, unter Umständen auch schriftlich geben.[590] Auch hat er durch genaue Aufgabenverteilung und sonstige geeignete Maßnahmen (z.B. Eintragungen im Krankenblatt) für das sachgemäße Ineinandergreifen der einzelnen Tätigkeiten zu sorgen.[591]

(2) Überwachungspflichten

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Jedoch ist der Delegierende, solange nicht besondere Umstände die Zuverlässigkeit einer Hilfsperson generell oder im konkreten Fall (etwa wegen Übermüdung[592]) in Frage stellen, nicht verpflichtet, besondere Vorsorge gegen denkbare Sorgfaltsmängel zu treffen,[593] da eine Pflicht zur lückenlosen Überwachung die – ja auch patientennützliche – Arbeitsteilung auch hier zum Erliegen brächte.[594] Der Anweisende darf also, wenn nicht besondere Umstände diesem Vertrauen entgegenstehen, auf die Sorgfalt, Umsicht, fachliche Qualifikation und Gewissenhaftigkeit seiner Hilfskräfte angesichts ihrer eigenen unmittelbaren Primärverantwortlichkeit vertrauen.[595] Insoweit genügen (sind aber umgekehrt auch erforderlich[596]) regelmäßige stichprobenartige Überprüfungen.[597] Die Intensität der Überwachungspflichten hängt ab von der Schwierigkeit der Aufgabe, den mit ihr verbundenen Risiken sowie vom konkreten (Weiter-)Bildungsstand des Angewiesenen.[598] Sobald jedoch konkrete Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Erfüllung der übertragenen Teilaufgabe sichtbar werden, besteht trotz der Delegation[599] die Pflicht zur sofortigen schadensvermeidenden Intervention.[600] Dies gründet darauf, dass im hierarchischen Verhältnis fachlicher Über- bzw. Unterordnung das schadensfreie Gelingen der Aufgabe mit all ihren Einzelmaßnahmen – ungeachtet des Vertrauensgrundsatzes – grundsätzlich in der Alleinverantwortung des Weisungsberechtigten liegt (Prinzip der Allzuständigkeit).[601]

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