Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 13

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e) Qualitätssicherung und Risikomanagement

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Mittels der – inzwischen den Leistungserbringern im Gesundheitswesen sozialgesetzlich (§ 135a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 bzw. § 137 Abs. 1d SGB V) aufgegebenen – Qualitätssicherung[704] wird der Erkenntnis, dass ärztliches Handeln unvollkommen sein kann, ebenso wie der Befürchtung Rechnung getragen, dass die Bemühungen um Kostendämpfung zu unkontrollierten Qualitätseinbußen führen könnten. Letztlich soll mit Hilfe qualitätssichernder Maßnahmen – die auch als Instrument zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit begriffen werden – ärztliches Handeln besser kontrolliert[705] und die Patientensicherheit erhöht werden.[706] Soweit hierbei für den Regelfall „Handlungsanweisungen“ zur Durchführung einer medizinischen Behandlung aufgestellt werden, so können diese Clinical Pathways[707] als Beispiel für eine gewisse compliancebedingte Prozeduralisierung des Strafrechts[708] angesehen werden.

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Die Anwendung dieser Instrumente zur Qualitätssicherung – sie können dem Bereich der Criminal Compliance[709] zugeordnet werden[710] – dürfte zur Folge haben, dass durch ihre Etablierung und Fortschreibung die Zahl möglicherweise eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit auslösender Vorkommnisse gesenkt wird.[711] Das Fehlen dieser Instrumente (oder ihre Unvollkommenheit) begründet aber – ungeachtet der für nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser sozialrechtlich bestehenden Pflicht zum Risikomanagement[712] – nicht per se einen Sorgfaltsmangel i.S.d. strafrechtlichen Fahrlässigkeit.[713] Entscheidend für eine Strafbarkeit nach §§ 222, 229 StGB ist die schadensursächliche Verletzung von Organisationspflichten.[714] Es ist allerdings zu erwarten, dass die Instrumente des Qualitätsmanagements zu allgemein höheren Organisationsstandards beitragen und sie dann bei patientenschädigendem Unterschreiten mittelbar doch zu einer Ausweitung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit führen werden.[715]

II. Einschränkung ärztlicher Fahrlässigkeitsstrafbarkeit

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Angesichts der Schadensträchtigkeit ärztlichen Handelns gibt es vielfache Überlegungen zur Einschränkung der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit, um sowohl dem Schuldgrundsatz als auch dem Verhaltnismäßigkeitsprinzip (Strafe als ultima ratio) Genüge zu tun: Strafe sollte auf schwerwiegende, rechtsgutsschädliche Verstöße gegen soziale Normen beschränkt sein.[716] Auch bei einer Schädigung des Patienten ist ein deutlicher „Puffer“ zwischen einem (allenfalls zivilrechtliche Rechtsfolgen auslösenden) Unglück und einem zu sanktionierenden Unrecht zu ziehen.

1. Vorschläge de lege ferenda

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Insoweit findet sich eine Reihe von – hier keiner vertiefenden Betrachtung zu unterziehenden – Vorschlägen mit unterschiedlichem Ansatz: Übereinstimmend soll eine Strafbarkeit zumindest bei nur leicht fahrlässigem Verhalten entfallen,[717] wobei diese Restriktion entweder auf bestimmte Tätigkeitsfelder (insbesondere das ärztliche Handeln[718]) beschränkt wird[719] oder generell[720] gelten soll.

2. Vorschläge zur gegenwärtigen Rechtslage

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Während die Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht[721] eine Restriktion der Behandlungsfehlerhaftung ablehnt,[722] finden sich in der Literatur auch de lege lata zahlreiche Vorschläge,[723] um die unter dem Gesichtspunkt hinreichender Bestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) ohnehin keineswegs unproblematische Fahrlässigkeitsstrafbarkeit[724] im Wege zulässiger verfassungskonformer Auslegung[725] zu legitimieren. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie Strafbarkeit nur dann vorsehen, wenn der prospektive Fahrlässigkeitstäter ex ante klar hätte erkennen können, wo die Grenze des für ihn erlaubten Risikos liegt und die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit beginnt:[726] Während Schlüchter[727] sich dafür ausgesprochen hat, nur bei offensichtlicher und rücksichtsloser Überschreitung des erlaubten Risikos zu bestrafen, soll nach Mikus[728] die offene Verhaltensnorm des Fahrlässigkeitsdelikts durch rechtliche Regelungen oder hinreichend präzise gesellschaftliche Verhaltenserwartungen konturiert werden;[729] bei Lebensbereichen hingegen, bei denen dies nicht der Fall sei, bestünde für den Handelnden ein Beurteilungsspielraum: Von ihm könne dann nicht ein einzig richtiges, sondern eben nur ein verantwortungsbewusst vertretbares Verhalten verlangt werden.[730] Zu einer Restriktion der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gelangt auch Duttge[731] mittels des von ihm präferierten fahrlässigkeitsspezifischen „Veranlassungsmoments“: Für ihn ist Gegenstand des Vorwurfs ein Zuwiderhandeln gegen das Verbot, trotz individuell erkennbaren triftigen Anlasses von dem Verhaltensverlauf in Richtung Rechtsgutsbeeinträchtigung nicht oder nicht rechtzeitig Abstand genommen zu haben.[732] Auf der Grundlage dieser hier nur angedeuteten Überlegungen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in bestimmten Lebensbereichen (etwa im Straßenverkehr, aber eben auch bei ärztlicher Tätigkeit) angesichts ihrer „Schadensgeneigtheit“[733] auch für den gewissenhaftesten Bürger auf die längere Sicht betrachtet Fehlhandlungen geradezu unvermeidlich sind. Diese Fehlleistungen sind – isoliert betrachtet – zwar je für sich vermeidbar, können aber auch dem grundsätzlich sehr sorgfältig Agierenden unterlaufen und sind aufs Ganze der Lebensführung betrachtet unvermeidlich: Lebenslange maschinenhafte Präzision kann und darf[734] die Rechtsordnung nicht verlangen.[735] Würde diesem Gesichtspunkt nicht materiell-strafrechtlich[736] Rechnung getragen, dann liefe dies auf eine das Strafrecht letztlich diskreditierende[737] verschämte Zufallshaftung[738] hinaus. Wie bei der Produkthaftung[739] kommt auch bei der strafrechtlichen Arzthaftung für Behandlungsfehler eine strafbarkeitsbegründende Orientierung an einer vorstrafrechtlichen Verhaltensordnung nur dann in Betracht, wenn sie auch unter dem Blickwinkel eines strafbewehrten Rechtsgüterschutzes als angemessene Freiheitsverteilung begriffen werden kann: Die strafrechtliche Sorgfaltspflicht dient der Zurechnung strafrechtlicher Verantwortlichkeit für die Folgen grob sozialwidrigen Verhaltens, während das Zivilrecht im Allgemeinen bei Schadensfällen auf den Ausgleich von Vermögensschäden abzielt[740] und überdies auch von einer durch wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (der Waren-Produzenten bzw. des Krankenhausbetriebs) sowie Versicherbarkeit des Schadensrisikos geprägten Risikozuschreibung ausgeht.

3. Weiterführende Überlegungen

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In diese Richtung gilt es weiter zu überlegen.[741] Legitimierender Hintergrund für derartige Erwägungen kann eine von Gössel[742] zur Fahrlässigkeitsrestriktion angestellte Überlegung sein: In bestimmten Tätigkeitsfeldern (z.B. im Straßenverkehr oder bei der Heilbehandlung) hat es letztlich der Einzelne, dessen Handlung vom Ansatz her als angemessenes Mittel zur Erreichung eines sozialnützlichen „Gesamtbetriebszweckes“ anzusehen ist, nicht mehr in der Hand, stets durch eigenes Verhalten seine Bestrafung zu vermeiden,[743] es sei denn, er würde entsprechende risikoträchtige, gesamtgesellschaftlich aber als nützlich (oder gar unerlässlich) erachtete Tätigkeiten völlig unterlassen. Deshalb sollten jedenfalls typischerweise fehleranfällige Verhaltensweisen, die Teil einer gesamtgesellschaftlich trotz ihres Risikopotentials für nützlich eingestuften und deshalb als akzeptabel angesehenen „Betriebstätigkeit“ sind, auch bei einer leicht fehlerhaften Einzelhandlung („kann jedem einmal passieren“) nicht mehr als eine rechtlich missbilligte Gefahrschaffung eingestuft werden. Auf diese Weise wird der Widerspruch zwischen einer auf Nutzen-Kosten-Kalkulation beruhenden gesellschaftlichen Risikoakzeptanz des „Gesamtbetriebes“ (hier: Heilbehandlung) und der Sanktionierung einer hierfür vorauszusetzenden, unvermeidlich aber fehlerträchtigen Mitwirkung Einzelner an eben diesem „Betrieb“ vermieden.[744] Auch verstößt dieser restriktive Ansatz angesichts des ausgeuferten zivilrechtlichen Arzthaftungsrechts nicht gegen ein aus verfassungsrechtlichen Schutzpflichten hergeleitetes sog. Untermaßverbot zum Schutze der Grundrechtsgüter Leib und Leben des Patienten.[745]

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Auf Basis dieser Überlegungen können dann allerdings die sich immer stärker verästelnden, insbesondere auf Chancengleichheit im Arzt-Patienten-Verhältnis (mittels Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten[746]) abzielenden Judikate der Zivilrechtsprechung nicht pauschal übernommen werden. Sicherlich kommt Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nicht in Betracht, wenn schon aus zivilrechtlicher Sicht kein Sorgfaltsverstoß vorliegt.[747] Umgekehrt besteht aber diese Akzessorietät – ungeachtet eines hiermit verbundenen Gewinns an Rechtssicherheit[748] – unter dem Blickwinkel von Verhältnismäßigkeitsprinzip[749] und Schuldgrundsatz[750] keineswegs.[751] Dem steht auch nicht der Grundsatz der „Einheit der Rechtsordnung“ entgegen: Die Rechtsordnung ist in einzelne Gebiete ausdifferenziert, die die auftretenden Interessenkonflikte nach den ihr jeweils zugewiesenen Funktionen und Aufgaben zu lösen haben; Einheit der Rechtsordnung kann deshalb nur als Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung verstanden werden. Sie gebietet keine sachwidrige Gleichbehandlung der Rechtsfolgen eines Sachverhaltes in verschiedenen, von ihrem Aufgabenbereich her abweichenden Regelungsbereichen.[752]

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Zukünftig sollte die gebotene Haftungsbegrenzung bereits de lege lata durch eine sinnvolle Beschränkung ärztlicher Sorgfaltspflichten bewerkstelligt werden.[753] Dies wird – wenn auch leider nur vereinzelt – sogar im zivilrechtlichen Arzthaftungsrecht praktiziert:[754] So ist bei der Diagnose-Stellung (Rn. 82) dem Arzt ein Beurteilungs- und Bewertungsspielraum eingeräumt;[755] ein Behandlungsfehler wird erst dann angenommen, wenn dem Arzt bei seiner Fehldiagnose ein evidenter Irrtum unterläuft, so dass seine Fehlinterpretation als unvertretbar einzustufen ist.[756] Dieser ärztliche Spielraum sollte – den über den ärztlichen Tätigkeitsbereich hinausreichenden Vorschlag von Mikus[757] aufgreifend – allgemein bei der Heilbehandlung[758] anerkannt werden: Immer dann, wenn der Handelnde mangels normativer Leitlinie letztlich zu eigener Entscheidung aufgerufen ist, handelt er nicht sorgfaltswidrig, wenn sein Verhalten als (zwar nicht optimal, aber noch) vertretbar einzustufen ist. Unvertretbar wäre erst ein unverantwortliches Handeln.[759] Damit dürfte eine gewisse Nähe zu dem von der zivilrechtlichen Arzthaftung her bekannten (und dort zur Beweislastumkehr hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität führenden[760]) Institut des groben Behandlungsfehlers erreicht sein, der bislang strafrechtlich allenfalls im Rahmen der Strafzumessung sowie der Art der Verfahrenserledigung eine Rolle spielt.[761] Für die Annahme eines derartigen schweren Behandlungsfehlers genügt es nicht, dass ein ärztliches Verhalten vorliegt, wie es einem hinreichend befähigten und allgemein verantwortungsbewussten Arzt zwar zum Verschulden gereicht, aber doch passieren kann; es muss vielmehr ein Fehlverhalten vorliegen, das aus objektiver ärztlicher Sicht bei Anlegung des für einen Arzt geltenden Ausbildungs- und Wissensmaßstabes nicht mehr verständlich und verantwortbar erscheint,[762] weil ein solcher Fehler dem behandelnden Arzt aus dieser Sicht „schlechterdings nicht unterlaufen darf“.[763] Dieser Bereich dürfte sich – auch angesichts einer Konkretisierung durch zivilrichterliche Fallgruppenbildung – einigermaßen rechtssicher bestimmen lassen.

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Stellt man bei der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit wegen eines Behandlungsfehlers auf eine gravierende ärztliche Pflichtverletzung ab, so würde eine Überlegung nutzbar gemacht, die auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Judikat aus dem Jahre 2010[764] zugrunde gelegt hat: Eine zur Verfassungswidrigkeit führende Unbestimmtheit des § 266 StGB wurde nur deshalb verneint, weil Unklarheiten über seinen Anwendungsbereich durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung ausgeräumt werden können. Diese höchstrichterlich aufgegebene Nachjustierung des Untreuestrafrechts legt allgemein gesprochen dem Strafrechtsanwender die verfassungsrechtliche Pflicht auf, relativ unbestimmt formulierten Tatbeständen im Wege der Normkonkretisierung schärfere Konturen zu verleihen.[765] Hierbei ist darauf zu achten, keine Fälle zu erfassen, denen es unter Berücksichtigung des subsidiären Charakters des Strafrechts an Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit mangelt.[766] Dies sollte nicht nur beim Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht (Rn. 130 ff.),[767] sondern auch beim Behandlungsfehler beherzigt werden.

III. Ausblick: Entsprechende Restriktion strafbewehrter ärztlicher Aufklärungspflichten

1. Hypothetische Einwilligung im Zivilverfahren

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Sowohl im Bereich zivilrechtlicher als auch strafrechtlicher ärztlicher Verantwortlichkeit kommt neben der Zurechnung von Behandlungsfehlern auch etwaigen Aufklärungsmängeln besondere Bedeutung zu. Diese führen zu einer Haftung bzw. Strafbarkeit infolge rechtswidriger Körperverletzung, da die Einwilligung des Patienten in diesen Fällen unwirksam ist.[768] Immer höher geschraubten ärztlichen Aufklärungslasten[769] soll mit dem Rechtsinstitut der hypothetischen Einwilligung gegengesteuert werden.[770] Dieses Institut knüpft daran an, dass ein nicht hinreichend aufgeklärter Patient ggf. auch bei einer den rechtlichen Anforderungen genügenden Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte. Auf diese Weise kann – so der Ausgangspunkt im Zivilrecht[771] – möglicherweise dem Vorbringen des Patienten, der Arzt habe seine Aufklärungspflicht verletzt – einem Ersatz für vermutete, aber nicht hinlänglich beweisbare Behandlungsfehler[772] – begegnet werden. Die Erfolgsaussichten einer entsprechenden Schadensersatzklage wegen Körperverletzung sind größer, als wenn der Patient sein Begehren auf einen Behandlungsfehler stützen würde: Ein Patient, der sich als Opfer eines ärztlichen Behandlungsfehlers sieht, muss vom Ansatz her sowohl die ärztliche Sorgfaltspflichtverletzung als auch die Voraussetzungen der haftungsbegründenden und -ausfüllenden Kausalität darlegen und ggf. beweisen. Insoweit helfen ihm in Bezug auf die Kausalität zwischen Sorgfaltspflichtverletzung und eingetretener Gesundheitsbeschädigung auch die Grundsätze des Anscheinsbeweises zumeist nicht weiter, da dieser nicht in Betracht kommt, sobald vom beklagten Arzt die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des vom Patienten angeführten typischen Geschehensablaufs dargetan wird.[773] Günstiger ist die Position des Patienten nur im Falle eines groben Behandlungsfehlers; hier kehrt sich die Beweislast für die schadensbegründende Kausalität zulasten des Arztes um.[774] Im Bereich strafrechtlicher Verantwortlichkeit kommen derartige Beweisverschiebungen zulasten des Täters von vornherein nicht in Betracht.

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In Arzthaftungsprozessen,[775] in denen der Patient eine nicht hinreichende Aufklärung geltend macht, pflegt ärztlicherseits die entlastende Behauptung aufgestellt zu werden, der Patient hätte dem Eingriff auch dann zugestimmt, wenn er hinreichend aufgeklärt worden wäre. Für die hiermit geltend gemachte hypothetische Einwilligung trifft den Arzt die Darlegungs- und Beweislast, an deren Erfüllung allerdings strenge Anforderungen gestellt werden, um das Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht zu unterlaufen:[776] Es ist Sache des Arztes nachzuweisen, dass die medizinische Indikation kaum eine andere Entscheidung zuließ, als sich dem Eingriff zu unterziehen. Dem kann der Patient dann aber noch mit dem substantiierten Bestreiten entgegentreten, er hätte sich auch bei Erteilung der gebotenen ärztlichen Informationen in einem echten Entscheidungskonflikt befunden, ob er sich dem Eingriff unterziehen wolle oder nicht.[777]

2. Hypothetische Einwilligung im Strafverfahren

a) Übernahme dieser Rechtsfigur

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Die Übernahme dieser im zivilrechtlichen Arzthaftungsrecht entwickelten (und dort keineswegs unumstrittenen[778]) Rechtsfigur erfolgte ab 1995 in mehreren Entscheidungen des 4. und 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs.[779] Die hypothetische Einwilligung soll sogar dann zum Einsatz kommen können, wenn der Patient bewusst über den Operationszweck getäuscht wurde.[780] Umgekehrt bezieht sich dieses Einwilligungssurrogat – jedenfalls ohne weitergehende Aufklärung – nur auf eine lege artis vorgenommene Behandlung.[781] In der Literatur findet diese Rechtsprechung mit unterschiedlichen dogmatischen Konstruktionen durchaus Unterstützung.[782] Vereinfacht gesprochen werden die für die objektive Zurechnung auf Tatbestandsebene entwickelten Zurechnungskriterien (Pflichtwidrigkeitszusammenhang) auf die Ebene der Rechtswidrigkeit übertragen,[783] da – in den Worten Kühls[784]eine korrekte Aufklärung nichts gebracht hätte.

b) Bedenken

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Der Eingemeindung dieser zivilrechtlichen Rechtsfigur in die strafrechtliche Entscheidungsfindung stehen beträchtliche Bedenken[785] entgegen:[786]

aa) Grundsätzliche Problematik

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Sicherlich ist beim Fahrlässigkeitsdelikt als (tatbestandliches) Haftungskorrektiv anerkannt, dass die Zurechnung eines vom Täter herbeigeführten Erfolges dann entfällt, wenn dieser Erfolg auch bei Einhalten pflichtgemäßer Sorgfalt eingetreten wäre.[787] Diese Erwägung kann aber nicht einfach auf die hypothetische Annahme hinreichender Aufklärung übertragen werden: Ein durch Fehlen hinreichender Aufklärung bewirkter Ausschluss rechtfertigender Einwilligung stellt eben – anders als der tatbestandliche Sorgfaltsmangel beim Fahrlässigkeitsdelikt – keinen Umstand dar, der die generelle Unerlaubtheit eines vom Täter gesetzten Risikos berührt. Liegen die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes nicht vor, so ändert dies ja nichts an der objektiven Erfolgszurechnung, da feststeht, dass der Arzt, der seinen Patienten ohne wirksame Einwilligung operierte, das Risiko für das geschützte Rechtsgut unerlaubt erhöht hat.[788] In der Formulierung Puppes:[789] Die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes bewirken den Erfolg nicht, sie heben das Unrecht des Erfolges auf. Die Beziehung zwischen den Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes und dem Taterfolg ist eben nicht kausaler, sondern wertender Natur.

bb) Kein Fall rechtmäßigen Alternativverhaltens

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Stuft man die hypothetische Einwilligung konstruktiv nicht als Rechtfertigungsgrund, sondern als Zurechnungsausschluss infolge rechtmäßigen Alternativverhaltens ein,[790] so liegt der Einwand auf der Hand, dass bei derartiger Berücksichtigung keineswegs nur das pflichtwidrige Verhalten des Täters durch sein fiktiv sorgfaltsgemäßes ersetzt würde: Dann wäre nämlich nur die fehlerhafte Aufklärung durch eine korrekt durchgeführte zu ersetzen. Zur Straflosigkeit kann man nur dann gelangen, wenn zusätzlich durch die Annahme einer zustimmenden Entscheidung des Patienten der zur Entscheidung stehende Sachverhalt dergestalt verändert wird, dass ein außerhalb des konkreten Tatgeschehens liegender Verlauf (Opfermitwirkung in Form der Zustimmung) hinzugedacht wird.[791]

cc) Unterschiedliche Beweisanforderungen

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Überdies ist die hypothetische Einwilligung im Zivilrecht in ein austariertes Geflecht von Darlegungs- und Beweislastregeln eingebettet.[792] So genügt es bspw. zur Rückverlagerung der Beweislast auf den Arzt im Falle eines nicht (mehr) ansprechbaren oder verstorbenen Patienten, dass in casu bei ihm ein echter Entscheidungskonflikt ernsthaft in Betracht kam. Dem Strafrichter hingegen wäre es verwehrt, möglicherweise überzogene Anforderungen an die tatsächlichen Anforderungen eines Zurechnungsausschlusses bzw. Rechtfertigungsgrundes im Wege einer Beweislastverteilung zu Lasten des ärztlichen Täters zu korrigieren, da dem der in-dubio-pro-reo-Grundsatz entgegenstünde. Hinzu kommen ohnehin nicht unerhebliche Beweisprobleme angesichts möglicher Attributionsfehler des als Zeugen zu befragenden Patienten, dessen Erinnerung an seine damalige Entscheidungssituation zumeist durch das Ergebnis des ärztlichen Eingriffes beeinflusst sein dürfte. Ohnehin erscheint eine nachträgliche Feststellung, wie sich ein Patient vor dem Eingriff entschieden hätte, schon deshalb kaum möglich, da niemand verlässlich sagen kann, wie er sich in einem Konflikt entschieden hätte, in dem er gar nicht gestanden hat.[793]

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