Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 19
3. Ratio legis
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Ein derartiges Verständnis dieser Vorschrift dürfte die Ärzteschaft kaum dazu motivieren, ihrer Informationspflicht aus § 630c Abs. 2 S. 2 BGB nachzukommen.[1204] Dies stünde aber im Widerspruch zur Intention des Gesetzgebers, der durch diese Informationspflicht ja gerade die Patientenrechte stärken wollte.[1205] Deshalb ist der Anwendungsbereich von § 630c Abs. 2 S. 3 BGB nicht mit dem der Regelung des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO gleichzusetzen. Er ist vielmehr vom Ansatz her so zu bemessen, dass die vom Behandelnden erteilten Informationen nicht als Anknüpfungspunkt für Ermittlungen genutzt werden dürfen.[1206] Ferner ist eine umfassende Fernwirkung dergestalt anzuerkennen, dass alle in der Offenbarung des Behandelnden enthaltenen Informationen als Urteilsgrundlage auszuscheiden haben. Dieses Ergebnis lässt sich durch mehrere Argumente stützen: Zunächst ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Einfügung der Worte „zu Beweiszwecken“ überhaupt eine Einschränkung zum Ausdruck bringen wollte. In der Gesetzesbegründung wird hierauf nämlich gar nicht eingegangen. Das legt ein redaktionelles Versehen nahe. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber schon in der Entwurfsbegründung[1207] ausdrücklich klargestellt hat, dass der Arzt vor unmittelbaren[1208] straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Nachteilen bewahrt werden soll. Wenn die Erfüllung der Informationspflicht aus § 630c Abs. 2 S. 2 BGB aber (mittelbar) ursächlich für eine Verurteilung werden kann, dann stellt diese Verurteilung einen unmittelbaren Nachteil für den Arzt dar. Die Urteilsfolgen sind nicht weniger beeinträchtigend, wenn die vorgeschriebene Informationserteilung sie nur mittelbar möglich gemacht hat. Auch der Vergleich mit der Regelung des § 97 Abs. 1 S. 3 InsO und ihrer Interpretation ist keineswegs zwingend. Jene Vorschrift wurde im Gesetzentwurf nämlich noch gar nicht in Bezug genommen. Dies geschah erst in der Stellungnahme[1209] des Bundesrates. Dies sollte aber nicht die grundsätzliche Reichweite der Vorschrift konkretisieren, sondern lediglich die Einbeziehung der Angehörigen im Sinne des § 52 Abs. 1 StPO in ihren Anwendungsbereich begründen.
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Gegen dieses Ergebnis kann allerdings angeführt werden, dass ein gut beratener Arzt durch eine möglichst frühzeitige und umfassende Offenbarung sich praktisch seiner Bestrafung entziehen kann.[1210] Diese goldene Brücke sollte ihm aber – jedenfalls grundsätzlich (s. Rn. 202) – im Interesse des Patientenwohles[1211] eröffnet werden. Das Strafrecht kennt auch in anderem Zusammenhang Konstellationen, in denen nachträgliches Verhalten den Weg aus der Strafbarkeit selbst dann ermöglicht, wenn der Erfolg schon eingetreten ist. Zu denken ist bspw. an die strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht oder die Möglichkeiten zur tätigen Reue im Strafgesetzbuch.[1212]
4. Berücksichtigung hypothetischer Ermittlungsverläufe
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Allerdings ist es auch in vorliegender Konstellation zulässig, hypothetische Ermittlungsverläufe zu berücksichtigen. Zwar bleibt die erteilte ärztliche Auskunft als unmittelbares Beweismittel unverwertbar. Auch dürfte angesichts des von § 630c Abs. 2 S. 3 BGB verfolgten Schutzzwecks (Stärkung des Patientenwohls) eine Fernwirkung dieses Beweisverwertungsverbotes anzunehmen sein, da andernfalls der Arzt durch seine Pflicht zur Auskunft zu seiner eigenen Überführung beigetragen hätte. Hätte dieses Beweismittel (bspw. die Patientenakte[1213]) aber auf einem – hypothetisch bleibenden – Ermittlungsweg zulässig erlangt werden können, so spricht doch vieles dafür, dass der Arzt durch seine Auskunft nicht eine Beweiskette blockieren kann, die unabhängig von seiner Auskunft von den Ermittlungsbehörden erfolgreich hätte geknüpft werden können.[1214] Um aber die Fernwirkung des Beweisverbots nicht zum bloßen Lippenbekenntnis werden zu lassen, sind mit Beulke[1215] für die Wahrscheinlichkeit dieses hypothetischen Ermittlungsverlaufs diejenigen Anforderungen zu verlangen, die an die Gewissheit des Richters für eine Verurteilung zu stellen sind: Eine Verwertung darf also nur dann erfolgen, wenn der Richter zu der Überzeugung gelangt, dass das fragliche Beweismittel nach menschlichem Ermessen sowieso erlangt worden wäre (bspw. im Falle eines schweren Behandlungsfehlers mit bereits zu Tage getretenen Gesundheitsbeeinträchtigungen, für die nicht nur aus Patientensicht keine andere Erklärung als ein ärztlicher Behandlungsfehler in Betracht kam).
5. Weiterreichende Wirkung
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Zweifelhaft ist auch, ob das Beweisverwendungsverbot außerhalb des Straf- und Bußgeldrechtes Wirkung entfaltet. Behandlungsfehler haben für einen Arzt auch in anderen Zusammenhängen erhebliche Bedeutung. In diesem Bereich sind die Folgen der in § 630c Abs. 2 S. 3 BGB statuierten Aufklärungspflicht noch gänzlich ungeklärt.[1216] Deshalb wird zu Recht kritisiert, dass der Gesetzgeber diese Frage nicht geklärt hat.[1217] Sie ist von erheblicher Bedeutung, weil hierin existenzbedrohende Gefahren für den Arzt liegen können.[1218] Dabei ist die zivilrechtliche Haftung noch das geringere Problem, da dieses Risiko durch die Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt werden kann.[1219] Zu denken ist aber an berufsgerichtliche oder beamtenrechtliche Verfahren, Disziplinar- und Zulassungsentziehungsverfahren bei der Kassenärztlichen Vereinigung oder sogar ein Approbationsentziehungsverfahren durch die Approbationsbehörde.[1220] Würde das Beweisverwertungsverbot nach § 630c Abs. 2 S. 3 BGB hier keine entsprechende Anwendung finden, dann wäre der damit bezweckte Schutz der Patientenrechte weitgehend ausgehöhlt,[1221] da ein Arzt durch eine Offenbarung kaum seine berufliche Zukunft riskieren wird, nur um sich lediglich vor einer i.d.R. vergleichsweise eher überschaubaren straf- oder bußgeldrechtlichen Sanktion zu schützen.
6. § 135a Abs. 3 S. 1 SGB V
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Eine § 630c Abs. 2 S. 3 BGB entsprechende Formulierung findet sich in § 135a Abs. 3 S. 1 SGB V für Meldungen und Daten aus (insbesondere krankenhaus-)einrichtungsinternen und einrichtungsübergreifenden Risikomanagement- und Fehlermeldesystemen („dürfen im Rechtsverkehr nicht zum Nachteil des Meldenden verwendet werden“).[1222] Insoweit hat der Gesetzgeber allerdings ausdrücklich eine Verwendung dieser Informationen – etwa aus einem gemäß § 135a Abs. 2 Nr. 2 SGB V einzurichtenden patientenorientierten Beschwerdemanagement – ausnahmsweise zugelassen, soweit die Verwendung zur Verfolgung einer Straftat, die im Höchstmaß mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist und auch im Einzelfall besonders schwer wiegt, erforderlich ist und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. In Bezug auf fehlerhafte Heilbehandlungen kann diese Ausnahme somit in Fällen einschlägig sein, in denen eine infolge unwirksamer Patienteneinwilligung (Aufklärungsfehler) strafbare vorsätzliche Körperverletzung i.S.v. § 223 StGB vorliegt, die dann zurechenbar zum Tode des Patienten (§ 227 StGB) oder zu einer schweren Folge i.S.d. § 226 StGB geführt hat.
Ausgewählte Literatur
Weiteres, beitragsübergreifend zitiertes Schrifttum im Literaturverzeichnis des Bandes
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Michael Lindemann
§ 53 Medizinische Forschung
A. Einleitung1, 2
B. Historische Entwicklung des Rechts der medizinischen Forschung3, 4
C. Für die medizinische Forschung bedeutsame Rechtsquellen5 – 19
I. Völkerrecht6 – 9
II. Europarecht10 – 14
III. Nationales Recht15 – 19
D. Systematisierung der verschiedenen Formen versuchsweiser ärztlicher Behandlung20 – 50
I. Standardbehandlung, Heilversuch und Forschungseingriff21 – 26
1. Abgrenzung zwischen Heilversuch und Standardbehandlung22
2. Abgrenzung zwischen Heilversuch und Forschungseingriff23 – 26
II. Die Risiko-Nutzen-Abwägung als zentrale Zulässigkeitsvoraussetzung für Versuchsbehandlungen27 – 30
III. Rechtliche Anforderungen an die Durchführung von Heilversuchen31 – 33
IV. Zulässigkeitsvoraussetzungen der Arzneimittelprüfung34 – 46
1. Phasen einer klinischen Prüfung36 – 40
2. Rechtliche Rahmenbedingungen nach dem AMG und der VO (EU) Nr. 536/201441 – 46
V. Besonderheiten bei nichtinterventionellen Studien 47 – 49
VI. Sonderformen der Forschung am Menschen50
E. Die Rolle der Ethikkommissionen bei der Genehmigung medizinischer Forschungsvorhaben51 – 53
F. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Risiken der medizinischen Forschung54 – 118
I. Arzneimittelforschung mit Erwachsenen55 – 76
1. Gesunde, einwilligungsfähige Personen56 – 63
2. Einschlägig erkrankte Personen64 – 67
3. Einwilligungsunfähige68 – 76
a) Eigennützige Forschung im Rahmen einer Notfallsituation72 – 75
b) Forschung mit Demenzkranken76
II. Arzneimittelforschung mit Minderjährigen77 – 84
III. Forschung mit Leichen und Leichenteilen85 – 92
1. Strafbarkeit gemäß § 303 StGB89
2. Strafrechtlicher Totenschutz aus § 168 StGB90, 91
3. Grundsätzliche Zulässigkeit von Leichenversuchen?92
IV. Umgang mit Körpermaterialien93 – 95
V. Genetische Forschung und molekulare Medizin96 – 99
VI. Stammzellforschung100 – 115
1. Zulässige Stammzellgewinnung102, 103
2. Stammzellgewinnung aus Embryonen in Deutschland104 – 106
3. Import von Stammzellen107 – 111
4. Klonen zu Forschungszwecken112 – 115
VII. Korruptionsstrafrechtliche Risiken im Kontext der Humanforschung116 – 118
G. Ausblick119
Ausgewählte Literatur