Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 20

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A. Einleitung

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Aufgabe der medizinischen Forschung – im Sinne einer methodengeleiteten Suche nach verallgemeinerbaren Erkenntnissen[1] – ist es, neue (verbesserte) Standards zu entwickeln und für die ärztliche Praxis nutzbar zu machen.[2] Staatliche Regulierung (auch die strafrechtliche) trifft hier auf vielfältig konfligierende Interessen: Die Würde (Art. 1 Abs. 1 GG), das Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Grundrecht der Studienteilnehmer auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), die Forschungs- und Berufsfreiheit der professionellen Akteure (Art. 5 Abs. 3 S. 1, 12 Abs. 1 GG) sowie das Interesse der Allgemeinheit an medizinischem Fortschritt geraten in ein unübersichtliches Spannungsverhältnis und bedürfen – soweit nicht die abwägungsfeste Menschenwürdegarantie betroffen ist – eines möglichst schonenden Ausgleichs, der jedoch stets den grundsätzlichen Primat der Autonomie und Integrität des Individuums zu wahren hat (vgl. dazu etwa Art. 7 S. 2 IPbpR, sowie Ziff. 8, 25 ff. DvH).[3] Die vorbezeichnete Abwägungsnotwendigkeit hat ihren Niederschlag in den zahlreichen Spezialvorschriften gefunden, welche den Bereich der medizinischen Forschung regeln.

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Das Strafrecht der medizinischen Forschung ist akzessorischer Natur; es ist geprägt durch Blankettstraftatbestände (vgl. §§ 95, 96 AMG) und auch dort, wo es auf die Delikte des Kernstrafrechts zurückgreift, in erheblichem Maße abhängig von außerstrafrechtlichen Wertungen. Es weist damit zentrale Merkmale des modernen (Medizin- und Wirtschafts-)Strafrechts auf.[4] Eine Darstellung des Strafrechts der medizinischen Forschung kommt daher nicht umhin, diese außerstrafrechtlichen Wertungen in einem gleichsam „vor die Klammer gezogenen“ Abschnitt zu würdigen.[5] Nach einem kurzen Überblick über die historische Entwicklung des Rechts der medizinischen Forschung (Rn. 3 ff.) sollen daher im Folgenden die für die medizinische Forschung maßgeblichen Rechtsquellen vorgestellt (Rn. 5 ff.) und die verschiedenen Formen ärztlichen Versuchshandelns einer systematischen Betrachtung zugeführt werden (Rn. 20 ff.); darüber hinaus soll die besondere Rolle der Ethikkommissionen bei der Genehmigung medizinischer Forschungsvorhaben thematisiert werden (Rn. 51 ff.). Erst auf dieser Grundlage erscheint sodann eine Auseinandersetzung mit den spezifisch strafrechtlichen Risiken der Forschung am Menschen möglich (Rn. 54 ff.).

B. Historische Entwicklung des Rechts der medizinischen Forschung

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Die Ursprünge der medizinischen Forschung reichen bis weit in die Antike zurück. So wiesen etwa bereits aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. berichtete Giftexperimente einen versuchsartigen Charakter auf.[6] Systematisch angelegte Versuchsreihen begegnen sodann vor allem seit dem 18. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Inokulation von Krankheitserregern. Beispielsweise wurde 1722 in England zum Tode Verurteilten die Möglichkeit eröffnet, an einer Impfung mit Pockenviren teilzunehmen und im Erfolgsfalle begnadigt zu werden.[7] In Preußen machte ein Zirkular des Innenministeriums aus dem Jahr 1891 die Behandlung von Gefangenen mit dem von Robert Koch entwickelten Tuberkulin ausdrücklich von deren Zustimmung abhängig;[8] eine Anweisung des Kultusministeriums aus dem Jahr 1900 unterstellte medizinische Forschungsvorhaben der Aufsicht des Klinikvorstehers, untersagte die Einbeziehung minderjähriger oder aus anderen Gründen geschäftsunfähiger Personen und verlangte eine „sachgemäße Belehrung“ sowie die Zustimmung der Teilnehmer.[9] Den Anlass für die Verabschiedung der letztgenannten Anweisung bildete der Fall des Venerologen Neisser (1855–1916), der 1892 im Rahmen einer Testreihe für ein von ihm entwickeltes Syphilis-Impfserum acht (zum Teil minderjährige) Patientinnen ohne deren Wissen den Syphiliserreger injiziert hatte, woraufhin vier der Frauen an Syphilis erkrankten.[10] Die durch das preußische Kultusministerium erlassene Anweisung vermochte allerdings das Vorgehen der Ärzteschaft bei der Erforschung neuer therapeutischer Verfahren kaum zu beeinflussen, wie beispielsweise die – häufig ohne Zustimmung der Betroffenen oder an Einwilligungsunfähigen vorgenommene – Erprobung des Syphilis-Präparates Salvarsan zu Beginn des Jahrhunderts zeigte.[11]

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Erhebliches öffentliches Aufsehen erregte sodann der Lübecker Impfskandal, in dessen Verlauf im Februar 1930 aufgrund eines unreinen Bacillus-Calmette-Guérin-Vakzins 77 der 256 mit dem Impfstoff inokulierten Kinder an Tuberkulose verstarben. Im Nachgang zu diesem Skandal, der eine breite juristische und politische Aufarbeitung nach sich zog,[12] erließ das Reichsministerium des Innern im Jahr 1931 (freilich schon zuvor auf den Weg gebrachte) „Richtlinien für neuartige Heilbehandlung und für die Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen“.[13] Die Richtlinien, die der Wiederherstellung des öffentlichen Vertrauens in die Forschung am Menschen dienen sollten, verlangten eine sorgfältige Risiko-Nutzen-Abwägung und setzten voraus, dass neue Heilmethoden „in ihrer Begründung und ihrer Durchführung mit den Grundsätzen der ärztlichen Ethik und den Regeln der ärztlichen Kunst und Wissenschaft im Einklang stehen“. Normiert wurde auch ein grundsätzlicher Vorrang der Forschung an Tieren, die Verpflichtung zur Aufklärung der Probanden sowie eine Dokumentationspflicht; wissenschaftliche Versuche an Minderjährigen wurden stark eingeschränkt.[14] Im denkbar größten Kontrast zu den skizzierten Bemühungen um eine regulatorische Einhegung der medizinischen Forschung standen die verbrecherischen und menschenverachtenden Experimente in der Zeit des Nationalsozialismus, von denen u.a. der 1946–1947 vor dem 1. Amerikanischen Militärtribunal durchgeführte Nürnberger Ärzteprozess Zeugnis ablegt.[15] Erst die Reform des Arzneimittelgesetzes im Jahr 1976 implementierte sodann die umfassende klinische Prüfung als Voraussetzung für die Arzneimittelzulassung in das AMG. Das gesteigerte Interesse an einer sicheren Arzneimittelversorgung speiste sich ausweislich der Gesetzesbegründung maßgeblich aus den Erfahrungen im Zusammenhang mit dem sog. Contergan-Skandal.[16]

C. Für die medizinische Forschung bedeutsame Rechtsquellen

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In Deutschland ist die medizinische Forschung in einer Reihe von Spezialgesetzen normiert; eine Regelung der Materie in einem umfassenden Gesetz existiert – anders als etwa in der Schweiz[17] – nicht. Dabei liegt die Gesetzgebungszuständigkeit für den Bereich der Forschung überwiegend beim Bund, während sich auf der Ebene des Landesrechts v.a. Regelungen zur Berufsausübung finden. Neben den spezialgesetzlichen Vorschriften gelangen in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch die allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts, des Strafrechts und des öffentlichen Rechts zur Anwendung.[18] Begrifflich wird die medizinische Forschung in der Deklaration von Helsinki, der Strahlenschutzverordnung und in § 15 der Musterberufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte erwähnt, während das Arzneimittelgesetz sowie in der Vergangenheit auch das Medizinproduktegesetz (nunmehr: Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz[19]) – thematisch enger – von der „klinischen Prüfung“ sprechen. Die Biomedizinkonvention des Europarates erwähnt in Art. 15 die „wissenschaftliche Forschung im Bereich von Biologie und Medizin“; ihr drittes Zusatzprotokoll betrifft die „biomedizinische Forschung“.[20]

I. Völkerrecht

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Das Völkerrecht enthält eine Vielzahl von Normen, die sich mit der medizinischen Forschung befassen.[21] Den historischen Ausgangspunkt bildet der von dem aus drei Richtern bestehenden Gericht des Nürnberger Ärzteprozesses aufgestellte Nürnberger Kodex, der zwar unter dem Eindruck der während der Herrschaft der Nationalsozialisten durchgeführten grausamen Menschenversuche entstand, aber durchaus auch künftigen, für ethisch vertretbar erachteten Forschungsvorhaben den Weg ebnen sollte. Aus heutiger Sicht sind die Regelungen des Kodex teilweise zu strikt, zum Teil aber auch zu permissiv formuliert; ihre Aussagekraft ist daher limitiert.[22] Eine ungemindert aktuelle Bedeutung kommt demgegenüber etwa dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) zu, der von der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1973 ratifiziert wurde und den Rang eines (einfachen) Bundesgesetzes hat. Ausgehend vom Verbot der Folter und grausamer, unmenschlicher sowie erniedrigender Behandlung oder Strafe verlangt Art. 7 S. 2 IPbpR die freiwillige Zustimmung der Teilnehmer an medizinischen und wissenschaftlichen Versuchen.[23]

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Bei der Biomedizinkonvention handelt es sich um ein 1997 vom Europarat verabschiedetes Rahmenübereinkommen. Völkerrechtliche Verbindlichkeit erlangt das Abkommen nur für diejenigen Staaten, die es unterzeichnet und ratifiziert haben.[24] Da man den Schutz, den die Konvention Einwilligungsunfähigen einräumt, für unzureichend erachtete, wurde sie von Deutschland bislang nicht gezeichnet; als Referenzrahmen kann ihr allerdings durchaus Bedeutung im europäischen Rechtsetzungsverfahren zukommen.[25] Derzeit existieren vier Zusatzprotokolle, welche die Konvention für unterschiedliche medizinische Teilbereiche konkretisieren und detailliertere Vorschriften, beispielsweise zur Aufklärung der Forschungsteilnehmer, enthalten.[26]

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Standes- und berufsrechtliche Überzeugungen der Ärzteschaft zur medizinischen Forschung[27] sind in der 1964 vom Weltärztebund verabschiedeten und seitdem mehrfach revidierten Deklaration von Helsinki (DvH) normiert.[28] Inzwischen liegt die DvH in einer im Rahmen der 64. Generalversammlung des Weltärztebundes im Oktober 2013 in Fortaleza verabschiedeten zehnten Fassung vor.[29] Ziel der Deklaration von Helsinki ist es, die Qualität der Forschung und eine ausreichende Qualifikation der Forscher sicherzustellen.[30] Sie entfaltet zwar keine unmittelbare rechtliche Bindungswirkung in Deutschland; ihre Bedeutung als allgemeiner ethischer Referenzstandard sollte jedoch nicht unterschätzt werden,[31] und das Berufsrecht der Ärzteschaft nimmt sie in § 15 Abs. 3 MBO-Ä (bzw. in den wortgleichen Bestimmungen der Berufsordnungen der Landesärztekammern) in Bezug.[32] Zu berücksichtigen ist etwa auch, dass Ziff. 36 der DvH empfiehlt, Berichte über Forschungsprojekte, die den Grundsätzen der Deklaration zuwiderlaufen, von der Veröffentlichung auszuschließen. Richten sich maßgebliche Fachzeitschriften hiernach, so ist die Präsentation von Forschungsergebnissen, die unter Verstoß gegen Grundsätze der Deklaration gewonnen wurden, gegenüber der Öffentlichkeit zumindest stark erschwert.

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Bestimmungen zum Zulassungsverfahren bei klinischen Arzneimittelprüfungen finden sich in den ICH-Richtlinien (International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use). Die Vorschriften gehen auf die Zusammenarbeit von europäischen, amerikanischen und japanischen Regulierungsbehörden mit Experten der Pharmaindustrie zurück und sollen zu einer Harmonisierung wissenschaftlicher und technischer Aspekte der Zulassung in den vorerwähnten Regionen beitragen.[33] Die Richtlinien des gemeinsam von der WHO und der UNESCO errichteten Council for International Organizations of Medical Sciences (sog. CIOMS-Richtlinien) dienen der Koordination der wissenschaftlichen Interessen der internationalen biomedizinischen Gemeinschaft.[34] Schließlich ist noch die ICTRP-Initiative (International Clinical Trials Registry Platform) der WHO zu erwähnen. Sie basiert auf einer Resolution aus dem Jahr 2005, zielt auf eine Standardisierung klinischer Verfahren sowie die Sicherstellung transparenter Strukturen ab und sieht die Vergabe einer weltweit gültigen Referenznummer (Universal Trial Reference Number) vor.[35]

II. Europarecht

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Von der Regulierung der klinischen Forschung durch die Europäische Union geht oftmals – nicht zuletzt vermittelt über die Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung nationaler Umsetzungsakte[36] – ein starker Einfluss auf die Rechtsanwendung in Deutschland aus. Deshalb ist im Folgenden kurz auf den Inhalt der maßgeblichen europarechtlichen Regelungen einzugehen.[37]

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Aktuelle rechtspolitische Bedeutung kommt vor allem der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/20/EG[38] zu, die nach der zwischenzeitlich erfolgten Feststellung der Funktionsfähigkeit des EU-Portals durch die Europäische Kommission am 31. Januar 2022 an die Stelle der vorerwähnten Richtlinie treten wird.[39] Die VO (EU) Nr. 536/2014 gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten, wobei durch entsprechende Öffnungsklauseln Spielräume für die nationale Ausgestaltung eröffnet sind.[40] Einen wesentlichen Grund für die Unterbreitung eines Regelungsvorschlages durch die Europäische Kommission bildete der stetige Rückgang klinischer Studien innerhalb der EU, der u.a. auf die divergierende Umsetzung der EU-Richtlinie 2001/20/EG in den Mitgliedstaaten zurückgeführt wurde.[41]

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Vor diesem Hintergrund zielen die mit der Verordnung verabschiedeten Änderungen vor allem auf Vereinheitlichungen und Erleichterungen des Genehmigungsverfahrens ab.[42] Während beispielsweise der Sponsor einer klinischen Prüfung in Deutschland seinen Antrag bislang sowohl an die Arzneimittelbehörde als auch an die Ethikkommission richten und mit beiden Institutionen über die von diesen für erforderlich erachteten Modifikationen verhandeln muss (vgl. §§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 und Abs. 2 AMG), sieht die Verordnung die Einrichtung eines zentralen EU-Einreichungsportales vor, das als kommunikative Schnittstelle für das Genehmigungsverfahren fungieren soll (vgl. Art. 80). Die Kommunikation findet somit zukünftig nicht zwischen dem Antragsteller und einzelnen Institutionen statt; vielmehr erhalten alle Beteiligten ihre Informationen durch das EU-Portal. Hierdurch soll ermöglicht werden, dass ein Antrag gleichzeitig an mehrere Mitgliedstaaten übermittelt wird.[43] Vor allem nichtkommerziellen Sponsoren multizentrischer klinischer Prüfungen dürfte die Abwicklung des Informationsverkehrs über das EU-Portal entgegenkommen, da hierdurch die Ansammlung und Umwälzung von Papierbergen vermieden werden kann.[44] Zudem soll das Genehmigungsverfahren mithilfe strenger und knapp bemessener Fristenregelungen deutlich beschleunigt werden;[45] hinzu kommen Instrumente wie die stillschweigende Genehmigung nach Fristablauf sowie die Fiktion der Antragsrücknahme durch Schweigen (Art. 8 Abs. 6, 5 Abs. 5 UAbs. 4).[46] Um mehr Transparenz zu schaffen, soll eine öffentlich zugängliche EU-Datenbank[47] eingerichtet werden, die sämtliche relevante Daten bezüglich der klinischen Prüfung (einschließlich der Prüfungsergebnisse und des Studienabschlussberichtes) umfasst, sofern es sich nicht um personenbezogene oder anderweitig geheimhaltungsbedürftige Daten handelt (vgl. Art. 81).[48]

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Die Verordnung sieht eine Reihe von Übergangsbestimmungen vor (Art. 98); sie entfaltet ihre Geltung erst sechs Monate, nachdem die Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union ihre Überzeugung von der vollständigen Funktionsfähigkeit des Clinical Trials Information System (CTIS) kundgetan hat (vgl. Art. 99 UAbs. 2 i.V.m. Art. 82 Abs. 2). Nachdem das Management Board der Europäischen Arzneimittelagentur (European Medicines Agency, EMA) am 21. April 2021 ein positives Votum abgegeben hat und die erforderliche Mitteilung der Kommission am 31. Juli 2021 im Amtsblatt veröffentlicht worden ist, sind die Geltungserlangung der Verordnung und die Freischaltung des CTIS für den 31. Januar 2022 vorgesehen.[49] Zur Umsetzung der mit der Verordnung verbundenen Änderungen in das nationale Recht hat der Bundesgesetzgeber bereits am 20. Dezember 2016 das Vierte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (4. AMG-ÄndG)[50] verabschiedet. Ein Teil der Vorschriften dieses Gesetzes ist am 24. Dezember 2016 in Kraft getreten; andere Neuregelungen treten erst zu dem Zeitpunkt in Kraft, in dem die VO (EU) 536/2014 Geltung erlangt.[51] Auch die sog. GCP-Verordnung (ausf. dazu Rn. 18) wird mit der Geltungserlangung der VO (EU) 536/2014 für die in deren Anwendungsbereich fallenden klinischen Prüfungen ersatzlos entfallen;[52] dies gilt nicht für klinische Prüfungen mit Blut- und Gewebezubereitungen, auf die sowohl das AMG in seiner bisherigen Fassung als auch die GCP-Verordnung bis zum 23. Dezember 2024 weiterhin Anwendung finden wird (vgl. § 148 Abs. 3 AMG n.F.).[53] Bis zum Inkrafttreten der Neuregelungen richtet sich die Zulassung klinischer Prüfungen weiterhin nach dem AMG und der GCP-Verordnung in ihrer derzeitigen Fassung, die im hier behandelten Zusammenhang maßgeblich auf die Umsetzung der bereits erwähnten EU-Richtlinie 2001/20/EG zurückgeht.[54] Als Umsetzungsakte sind die einschlägigen Vorschriften im Lichte dieser Richtlinie auszulegen.[55]

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Von Bedeutung für den Bereich der medizinischen Forschung ist des Weiteren Art. 3 Abs. 2 EUGrCh. Die Vorschrift schreibt den in der oben (Rn. 5, 7) erwähnten Biomedizinkonvention des Europarates dokumentierten bioethischen Grundkonsens[56] dahingehend fort, dass im Rahmen der Medizin und der Biologie die freie Einwilligung des Betroffenen nach vorheriger Aufklärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Einzelheiten (lit. a), das Verbot eugenischer Praktiken (lit. b), das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen (lit. c) sowie das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen (lit. d) zu beachten sind. Die Regelung bildet damit eine Schranke u.a. für die in Art. 13 EUGrCh gewährleistete Forschungsfreiheit.[57]

III. Nationales Recht

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Auf nationaler Ebene gewährleistet Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre. Dabei bildet die Wissenschaftsfreiheit[58] den Oberbegriff, dem Forschung und Lehre zugeordnet sind; er umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG „vor allem die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffinden von Erkenntnissen, ihrer Deutung und Weitergabe“.[59] Die zahlreichen spezialgesetzlichen Regelungen auf dem Gebiet der medizinischen Forschung greifen nicht unerheblich in die Wissenschaftsfreiheit ein; eine Rechtfertigung für derartige Eingriffe kann sich aus den immanenten Schranken der Grundrechte sowie anderen Werten von Verfassungsrang ergeben. Für den vorliegenden Kontext sind insofern v.a. die Menschenwürdegarantie (Art. 1 Abs. 1 GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) relevant.[60] Dabei ist der Konflikt zwischen verfassungsrechtlich geschützten Grundrechten unter Rückgriff auf weitere einschlägige verfassungsrechtliche Bestimmungen und Prinzipien sowie auf den Grundsatz der praktischen Konkordanz durch Verfassungsauslegung zu lösen.[61]

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Sind von der medizinischen Forschung Minderjährige betroffen, so ist auch das in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte Elternrecht tangiert.[62] Gemäß §§ 1626, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB obliegt die Personensorge beiden Elternteilen; sie hat sich stets am Wohl des Kindes zu orientieren (vgl. § 1627 S. 1 BGB). Vor diesem Hintergrund scheidet eine Einwilligung in die Teilnahme an ausschließlich fremdnütziger Forschung aus.[63] Als gesetzliche Vertreter sind die Eltern befugt, für das Kind die Einwilligung in ärztliche Heileingriffe zu erklären, sofern hierin kein Sorgerechtsmissbrauch zu sehen ist. Die elterliche Entscheidungsbefugnis wird allerdings sukzessive von der zunehmenden Grundrechtsmündigkeit des heranwachsenden Minderjährigen überlagert (vgl. Rn. 79).

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Die bedeutendste einfachgesetzliche Rechtsquelle für den Bereich der medizinischen Forschung bildet das Arzneimittelgesetz, das v.a. in seinen §§ 40 ff. detaillierte Regelungen für die Durchführung klinischer Prüfungen enthält. Keine Anwendung finden die in Rede stehenden Vorschriften auf nicht-interventionelle Prüfungen i.S.v. § 4 Abs. 23 S. 3 AMG, auf den individuellen Heilversuch sowie auf den sog. Off-Label-Use, d.h. den Einsatz von Arzneimitteln außerhalb des zugelassenen Gebrauchs.[64]

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Erwähnenswert ist überdies die Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen (GCP-Verordnung). Der Zweck dieser Verordnung, die in Umsetzung der EU-Richtlinie 2001/20/EG entstanden ist[65] und ihre Rechtsgrundlage in § 42 Abs. 3 AMG findet, besteht nach § 1 Abs. 1 GCP-V darin, die Einhaltung der guten klinischen Praxis bei der Planung, Durchführung und Dokumentation klinischer Prüfungen am Menschen und deren Berichterstattung sicherzustellen, um so zu gewährleisten, dass die Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen der betroffenen Person geschützt werden und die Ergebnisse der klinischen Prüfung glaubwürdig sind. Bei klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln, die aus einem gentechnisch veränderten Organismus oder einer Kombination von gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder solche enthalten, ist darüber hinaus gemäß § 1 Abs. 2 GCP-V der Schutz der Gesundheit nicht betroffener Personen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge bezweckt. Zum Wegfall der GCP-Verordnung mit der Geltungserlangung der VO (EU) 536/2014 vgl. bereits oben Rn. 13.

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Weitere gesetzliche Regelungen zu Einzelfragen der medizinischen Forschung finden bzw. fanden sich (in der Vergangenheit) im Medizinproduktegesetz (nunmehr: Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz[66]) sowie im Strahlenschutzgesetz und in der Strahlenschutzverordnung. Das Berufsrecht der Ärzteschaft widmet sich der medizinischen Forschung in § 15 MBO-Ä (bzw. in den entsprechenden Bestimmungen der Berufsordnungen der Landesärztekammern).

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