Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 23
E. Die Rolle der Ethikkommissionen bei der Genehmigung medizinischer Forschungsvorhaben
51
Ethischen Bedenken gegen die Durchführung medizinischer Forschungsvorhaben soll durch die Prüfungstätigkeit der Ethikkommissionen Rechnung getragen werden. Die Funktionen der Ethikkommissionen liegen auf verschiedenen Ebenen; zu ihren Aufgaben zählt der Schutz der Patienten und Probanden, die Beratung der Forscher, die Wahrnehmung von Verkehrssicherungspflichten und – aus einer übergeordneten Perspektive – die Gewährleistung des Vertrauens in die Integrität der medizinischen Forschung.[180]
52
Vorschriften, welche die Einbeziehung von Ethikkommissionen in die Entscheidung über die Genehmigung von Forschungsvorhaben vorsehen, finden sich in zahlreichen medizinischen Spezialnormen (vgl. §§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 1 AMG; §§ 20 Abs. 1 S. 1, 22 MPG a.F. bzw. §§ 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Abs. 1 MPDG; § 15 Abs. 1 MBO-Ä; §§ 31 Abs. 4 Nr. 5, 36 StrlSchG). Zusätzlich richten Krankenhäuser und Universitäten eigene Ethikkommissionen ein, zu deren Aufgaben neben dem Schutz von Patienten und Probanden und der Beratung der Forscher auch der Schutz der Forschungseinrichtung vor möglichen negativen Folgen rechtlich und ethisch bedenklicher Forschung zählt.[181] Nachdem in den USA seit den 1960er Jahren zunehmend mit der Einrichtung sog. Institutional Review Boards auf die Aufdeckung von Missständen im Bereich der medizinischen Forschung reagiert wurde, entstanden in den 1970er Jahren auch in Deutschland erste Ethikkommissionen. Verbindlich vorgeschrieben wurde ihre Konsultation zunächst im ärztlichen Berufsrecht und sodann 1994 in der 5. Novelle zum Arzneimittelgesetz, die den Beginn eines Forschungsvorhabens erstmalig von der zustimmenden Bewertung einer Ethikkommission abhängig machte.[182] Aktuell schreibt § 40 Abs. 1 S. 2 AMG vor, dass der Sponsor mit der klinischen Prüfung eines Arzneimittels bei Menschen nur beginnen darf, wenn neben der Genehmigung der zuständigen Bundesoberbehörde auch eine zustimmende Bewertung der zuständigen Ethikkommission vorliegt.[183] Der Verstoß gegen diese Vorschrift ist gemäß § 96 Nr. 11 AMG strafbewährt. Über die Einbindung der ursprünglich als Organe der Selbstregulierung geschaffenen Ethikkommissionen in die staatliche Forschungsaufsicht wird seit langem intensiv diskutiert.[184]
53
Einige Neuerungen für die Arbeit der Ethikkommissionen wird die Implementierung der VO (EU) Nr. 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln mit sich bringen. Nach der in Art. 2 Abs. 2 Nr. 11 der Verordnung aufgenommenen Definition handelt es sich bei einer Ethikkommission um ein in einem Mitgliedstaat eingerichtetes unabhängiges Gremium, das gemäß dem Recht dieses Mitgliedstaats eingesetzt wurde und dem die Befugnis übertragen wurde, Stellungnahmen für die Zwecke dieser Verordnung unter Berücksichtigung der Standpunkte von Laien, insbesondere Patienten oder Patientenorganisationen, abzugeben. Da nicht alle nach Landesrecht gebildeten Ethikkommissionen in Deutschland einen Patientenvertreter in ihren Reihen hatten, war es erforderlich, deren Zusammensetzung durch nationales Recht neu zu regeln.[185] Seit Ende 2016 müssen sich die Ethikkommissionen gemäß § 41a AMG registrieren;[186] Vorgaben für ihre Zusammensetzung enthält § 41a Abs. 3 Nr. 2 AMG. Gemäß § 41 AMG n.F. muss die Stellungnahme der Ethikkommission, die von der zuständigen Bundesoberbehörde gemäß § 41 Abs. 3 S. 1 AMG n.F. maßgeblich zu berücksichtigen ist, ein klares Votum zur Vertretbarkeit der Durchführung der klinischen Prüfung sowie eine entsprechende Begründung enthalten.[187] Aufgrund der verkürzten Fristen und des Prinzips der stillschweigenden Genehmigung, wird die Gefahr einer negativen Beeinflussung der Qualität der Entscheidungen gesehen.[188] Vorschriften zur Beteiligung der Ethikkommission enthält schließlich auch das Strahlenschutzgesetz (vgl. §§ 31 Abs. 4 Nr. 6, 36 StrlSchG).[189]
F. Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Risiken der medizinischen Forschung
54
Auf dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen sollen nunmehr die straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Risiken der medizinischen Forschung in den Blick genommen werden. Dabei bietet sich eine Differenzierung an, die am Forschungsobjekt und an der gewählten Forschungsmethode anknüpft. Im Vordergrund sollen die Vorschriften des Kern- und Nebenstrafrechts stehen, die von den weniger eingriffsintensiven Tatbeständen des Ordnungswidrigkeitenrechts lediglich flankiert werden.
I. Arzneimittelforschung mit Erwachsenen
55
Den Ausgangspunkt der Betrachtung bildet die Arzneimittelforschung mit Erwachsenen, die gewissermaßen den Grundfall des medizinischen Forschungseingriffes bildet und die größte praktische Bedeutung besitzt.[190] Der bislang dem AMG zugrunde liegenden Systematik folgend, ist dabei zwischen gesunden und kranken Probanden sowie zwischen einwilligungsfähigen und einwilligungsunfähigen Probanden zu unterscheiden.
1. Gesunde, einwilligungsfähige Personen
56
Wie beim individuellen Heilversuch (dazu Rn. 31 ff.) entfaltet auch beim Forschungseingriff vor allem die unangemessen riskante und die nicht konsentierte Behandlung strafrechtliche Relevanz. Anknüpfungspunkte für einen strafrechtlichen Vorwurf können sich danach zum einen aus einem unvertretbaren Verhältnis zwischen eingriffsspezifischen Risiken und zu erwartendem Nutzen und zum anderen aus Aufklärungs- und Einwilligungsmängeln ergeben, welche die Wirksamkeit der Zustimmung des Probanden beeinträchtigen. Darüber hinaus vermögen auch Verstöße gegen prozedurale Sicherungsmechanismen wie z.B. Genehmigungserfordernisse oder Qualifikationsanforderungen eine Strafbarkeit des Prüfers zu begründen. Wie bereits dargelegt (vgl. Rn. 41 ff.), haben die bei der Durchführung klinischer Prüfungen zu beachtenden formellen und materiellen Anforderungen in den (noch) geltenden §§ 40, 41 AMG eine spezialgesetzliche Regelung erfahren. Die Einhaltung dieser Vorgaben ist auch bei der strafrechtlichen Bewertung von Forschungseingriffen zu berücksichtigen, die im Rahmen einer klinischen Prüfung vorgenommen werden.[191] Dabei ist zwischen den nebenstrafrechtlichen Tatbeständen in § 96 Nr. 10 und 11 AMG und den Vorschriften des Kernstrafrechts zu unterscheiden, die neben denen des AMG anwendbar bleiben.[192] In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Körperverletzung (§§ 223 ff., 229 StGB[193]), bei tödlichem Ausgang auch eine solche nach den Tötungsdelikten (§§ 211 ff., 222 StGB). Hinzu tritt zukünftig die Strafvorschrift des § 96 Nr. 21 AMG n.F., die Verstöße gegen bestimmte, enumerativ aufgezählte Vorgaben der VO (EU) Nr. 536/2014 mit Strafe bedroht.
57
Im Kernstrafrecht werden der Forschung mit gesunden einwilligungsfähigen Probanden zunächst durch das in § 216 StGB normierte Verbot der Tötung auf Verlangen Grenzen gezogen. Das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Probanden, ihn zu töten, zieht danach nicht die Straflosigkeit des Prüfers, sondern lediglich eine Privilegierung der Tötung gegenüber den §§ 211 ff. StGB nach sich.[194] Während es sich hierbei eher um einen theoretischen Fall handeln dürfte, kommt der Vorschrift des § 228 StGB, nach der die mit Einwilligung der verletzten Person vorgenommene Körperverletzung rechtswidrig ist, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt, durchaus praktische Bedeutung zu. Die Rechtsprechung stellt in diesem Zusammenhang in Übereinstimmung mit der hL grundsätzlich auf die Intensität des tatbestandlichen Rechtsgutsangriffes ab; dabei sollen in erster Linie der Umfang der vom Opfer hingenommenen körperlichen Misshandlung oder Gesundheitsschädigung und der Grad der damit verbundenen Leibes- oder Lebensgefahr maßgeblich sein.[195] Die Grenze zur Sittenwidrigkeit sei danach jedenfalls dann überschritten, wenn bei vorausschauender objektiver Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Tat der Einwilligende durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht werde.[196] Nur ausnahmsweise soll eine Kompensation des auf dieser Grundlage getroffenen Sittenwidrigkeitsurteils durch einen positiven Handlungszweck in Betracht kommen; dies wird insbesondere bei lebensgefährlichen ärztlichen Eingriffen angenommen, die zum Zwecke der Lebenserhaltung vorgenommen werden. Medizinisch indizierte Eingriffe verstoßen daher nicht gegen die guten Sitten.[197] Die vorstehend skizzierten Maßstäbe sind grundsätzlich auch bei der Bewertung medizinischer Forschungseingriffe zu berücksichtigen;[198] allerdings erfährt das Sittenwidrigkeitsurteil nach § 228 StGB bei der klinischen Prüfung eine eigenständige Konkretisierung durch die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG (bzw. zukünftig Art. 28 Abs. 1 lit. a der VO (EU) Nr. 536/2014) getroffene spezialgesetzliche Regelung der Risiko-Nutzen-Abwägung: Sind bei einem Forschungseingriff nach dem insofern maßgeblichen objektiven ex ante-Urteil[199] „die vorhersehbaren Risiken und Nachteile (der klinischen Prüfung) gegenüber dem Nutzen für die Person, bei der sie durchgeführt werden soll (…), und der voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde ärztlich vertretbar“,[200] so scheidet eine Bewertung des Eingriffes als sittenwidrig i.S.d. § 228 StGB aus.[201] Umgekehrt erscheint bei einem negativen Ergebnis der nach § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG bzw. Art. 28 Abs. 1 lit. a der VO (EU) Nr. 536/2014 vorzunehmenden Güterabwägung auch die Annahme der Sittenwidrigkeit gemäß § 228 StGB vorgezeichnet.[202]
58
Die vorstehend skizzierte Akzessorietät ist auch ansonsten für das Verhältnis der kernstrafrechtlichen Delikte gegen Leib und Leben zu den Vorschriften des AMG und der VO (EU) Nr. 536/2014 kennzeichnend: So führt etwa die Einhaltung der in §§ 40, 41 AMG bzw. §§ 40a, 40b AMG n.F. und Art. 28 ff. der VO (EU) Nr. 536/2014 normierten probandenschützenden Vorgaben im Bereich der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit[203] dazu, dass die Durchführung der Studie grundsätzlich als Eingehung eines erlaubten Risikos zu bewerten ist,[204] während bei einem Verstoß gegen die vorbezeichneten Vorschriften auch die Schwelle der rechtlich missbilligten Gefahr überschritten wird. Für die Strafbarkeit des Prüfers ist dann allerdings noch genauer zu erörtern, ob auch die übrigen Zurechnungsvoraussetzungen (insbesondere der Pflichtwidrigkeits- und der Schutzzweckzusammenhang[205]) gegeben sind.[206] Schließlich erfahren die allgemeinen Grundsätze, nach denen sich die Wirksamkeit der Einwilligung in Körperverletzungen gemäß §§ 223 ff. StGB bestimmt,[207] für den Bereich der klinischen Prüfung eine Konkretisierung durch die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 AMG (bzw. zukünftig in § 40b AMG n.F. und Art. 29 der VO (EU) Nr. 536/2014) normierten Anforderungen an die Aufklärung und die Einwilligung des Probanden.[208]
59
Neben den kernstrafrechtlichen Vorschriften der §§ 211 ff., 223 ff. StGB finden je nach dem Charakter des Forschungsvorhabens verschiedene Regelungen des Nebenstraf- und Ordnungswidrigkeitenrechts Anwendung.[209] Von praktischer Bedeutung waren dabei bereits in der Vergangenheit v.a. § 96 Nr. 10 und 11 AMG, die als Blankettnormen Verstöße gegen die §§ 40, 41 AMG sanktionieren und dabei als abstrakte Gefährdungsdelikte ausgestaltet sind.[210] § 96 Nr. 10 AMG richtet sich primär an den Prüfer[211] und bedroht die Durchführung einer klinischen Prüfung i.S.d. § 4 Abs. 23 AMG mit gesunden Probanden mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe, wenn
- | die vorhersehbaren Risiken und Nachteile der klinischen Prüfung gegenüber dem Nutzen für die Person, bei der sie durchgeführt werden soll, und der voraussichtlichen Bedeutung des Arzneimittels für die Heilkunde ärztlich nicht vertretbar sind (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG), |
- | das Arzneimittel aus einem gentechnisch veränderten Organismus oder einer Kombination von gentechnisch veränderten Organismen besteht oder solche enthält und nach dem Stand der Wissenschaft im Verhältnis zum Zweck der klinischen Prüfung unvertretbare schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit Dritter zu erwarten sind (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2a AMG),[212] |
- | gegen die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 3, Abs. 2 und Abs. 2a AMG normierten Anforderungen an die Aufklärung und Einwilligung des Probanden verstoßen wurde, |
- | der Proband auf gerichtliche oder behördliche Anordnung in einer Anstalt untergebracht ist (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AMG), |
- | die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 AMG normierten Anforderungen an die Qualifikation des Prüfers nicht eingehalten werden, |
- | keine dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechende pharmakologisch-toxikologische Prüfung des Arzneimittels durchgeführt worden ist (§ 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG), |
- | keine den Anforderungen gemäß § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 8, Abs. 3 AMG genügende Probandenversicherung abgeschlossen wurde oder |
- | gegen die Vorschriften für die klinische Prüfung bei Minderjährigen gemäß § 40 Abs. 4 AMG verstoßen wurde.[213] |
60
Darüber hinaus pönalisiert das Sonderdelikt[214] des § 96 Nr. 11 AMG den Beginn der klinischen Prüfung eines Arzneimittels durch den Sponsor entgegen § 40 Abs. 1 S. 2 AMG. Da die Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB gemäß Art. 1 Abs. 1 EGStGB auch im Nebenstrafrecht Anwendung finden, sind nur vorsätzliche Verstöße gegen § 96 Nr. 10, 11 AMG strafbar (vgl. § 15 StGB).[215] Die fahrlässige Begehung einer in § 96 Nr. 10 und 11 AMG bezeichneten Handlung wird demgegenüber in § 97 Abs. 1 Nr. 1 AMG lediglich als Ordnungswidrigkeit eingestuft;[216] gleiches gilt nach § 97 Abs. 2 Nr. 9 AMG für Verstöße gegen die in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 AMG normierte Informationspflicht und nach § 97 Abs. 2 Nr. 31 AMG für Verstöße gegen die auf der Grundlage des § 42 Abs. 3 AMG erlassene GCP-Verordnung. Die Strafbarkeit nach § 96 Nr. 10, 11 AMG steht zu einer Strafbarkeit nach den allgemeinen Körperverletzungs- und Tötungsdelikten in Tateinheit;[217] hingegen wird bei gleichzeitigem Vorliegen einer Straftat und einer Ordnungswidrigkeit nach § 97 AMG nur das Strafgesetz angewendet (vgl. § 21 Abs. 1 S. 1 OWiG).
61
Durch das 4. AMG-ÄndG haben auch die Strafvorschriften in § 96 Nr. 10 und 11 AMG eine redaktionelle Anpassung an die Änderungen in den §§ 40 ff. AMG n.F. erfahren. Darüber hinaus finden sich strafbewehrte Verstöße gegen Vorschriften, die nicht mehr im AMG, sondern in der VO (EU) Nr. 536/2014 geregelt sind, zukünftig in § 96 Nr. 21 AMG n.F.[218]
62
Die örtliche Anwendbarkeit des § 96 AMG alter und neuer Fassung richtet sich nach dem Strafanwendungsrecht des StGB; dort sind für den vorliegend erörterten Zusammenhang insbesondere § 7 Abs. 2 und § 9 StGB von Bedeutung. Danach kann sich ein deutscher Sponsor oder Prüfer, der im Ausland eine klinische Prüfung durchführt, die den Voraussetzungen der §§ 40 ff. AMG bzw. der VO (EU) Nr. 536/2014 nicht entspricht, gemäß § 96 Nr. 10, 11, 21 AMG strafbar machen, wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB; sog. passives Personalitätsprinzip[219]). Für den Tatbeteiligten, der die Studie im Ausland durch eine Tätigkeit im Inland unterstützt, gilt das Strafbarkeitsrisiko gemäß § 96 Nr. 10, 11, 21 AMG hingegen selbst dann, wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist (§ 9 Abs. 1 StGB für die Mittäterschaft und § 9 Abs. 2 S. 2 StGB für die Teilnahme).[220]
63
Eine Sonderstellung nehmen bei Arzneimittelstudien Schwangere ein. Nicht zuletzt die Erfahrungen mit dem teratogenen Potential von Thalidomid (Contergan®) haben die Gefahren eines Ausschlusses dieser Personengruppe von der Forschung aufgezeigt. Studien mit Schwangeren könnten dazu beitragen, den Umlauf von Arzneimitteln zu verhindern, deren schädliche Wirkung auf den Fetus ansonsten unerkannt bleiben würde. Zudem begünstigt der uneingeschränkte Ausschluss Schwangerer von der Teilnahme an Arzneimittelstudien Unsicherheiten in Bezug auf die Medikamentengabe. Notwendig und wünschenswert erscheint daher eine Forschung mit Schwangeren, die der besonderen Vulnerabilität[221] dieser Personengruppe Rechnung trägt.[222] In Deutschland ist die Arzneimittelforschung an Schwangeren bislang noch nicht ausdrücklich geregelt.[223] Art. 33 der VO (EU) 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln lässt die Forschung mit Schwangeren jedoch zukünftig unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen zu.[224] Ähnlich enthielt § 20 Abs. 5 Nr. 4 MPG a.F. bislang für die Medizinprodukteforschung eine (in § 41 Nr. 4 MPG a.F. strafbewehrte) restriktive Regelung, welche u.a. die Subsidiarität der Forschung mit Schwangeren hervorhob;[225] einschlägig ist insofern nunmehr Art. 66 der Medizinprodukte-VO (EU) 2017/745.[226] Radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung dürfen zum Zweck der medizinischen Forschung gemäß § 137 Abs. 1 S. 1 StrlSchV nicht an einer schwangeren Person angewendet werden. Die Verpflichtung, bei der Durchführung klinischer Prüfungen mit stillenden oder schwangeren Frauen besondere Vorsicht walten zu lassen, ergibt sich auch aus Art. 33 der VO (EU) Nr. 536/2014. Die Leibesfrucht ist überdies durch das Kernstrafrecht geschützt; so sind, je nach Konstellation, die §§ 218 ff. StGB einschlägig, die den Abbruch der Schwangerschaft regeln.[227]
2. Einschlägig erkrankte Personen
64
Für die Forschung mit einschlägig erkrankten Personen – d.h. mit solchen Personen, die an der Krankheit leiden, zu deren Behandlung das zu erprobende Medikament dienen soll – gelten zum Teil abweichende Vorschriften.[228] In diesem Zusammenhang ist vor allem auf die Modifikation hinzuweisen, welche die in § 40 AMG normierten Anforderungen an die Durchführung klinischer Studien im (noch) geltenden Recht durch § 41 AMG erfahren. Dabei liegt eine wesentliche Einschränkung der für gesunde einwilligungsfähige Personen geltenden Regelungen darin, dass in § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AMG – anders als in § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AMG – fremdnützige Forschung ausschließlich beim Nachweis eines direkten Nutzens für die Gruppe der einschlägig erkrankten Personen (des sog. Gruppennutzens, vgl. Rn. 28, 30) gestattet ist.[229] Daneben ist bei dem hier in Rede stehenden Personenkreis selbstverständlich auch die eigennützige Forschung unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen erlaubt (vgl. § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AMG). In der VO (EU) 536/2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln findet sich die Bezugnahme auf den Gruppennutzen in den Regelungen zur Durchführung klinischer Prüfungen mit nicht einwilligungsfähigen Personen (Art. 31 Abs. 1 lit. g ii), mit Minderjährigen (Art. 32 Abs. 1 lit. g ii) sowie mit schwangeren und stillenden Frauen (Art. 33 lit. b ii, vgl. Rn. 30).
65
Die strafrechtliche Bewertung der Forschung mit einschlägig erkrankten Personen richtet sich zunächst nach den Regelungen zum Heilversuch (ausf. Rn. 31). Danach kommt bei mangelhafter Aufklärung oder Behandlungsfehlern eine Verantwortlichkeit des behandelnden Arztes nach den Delikten gegen Leib oder Leben (§§ 211 ff., 223 ff. StGB) in Betracht. Zu beachten ist auch hier, dass § 216 StGB die Tötung auf Verlangen grundsätzlich mit Strafe bedroht;[230] jedoch wird die sog. indirekte Sterbehilfe, bei der mit dem Willen des Betroffenen schmerz- bzw. leidensmindernde Maßnahmen mit lebensverkürzender Wirkung vorgenommen werden, mit unterschiedlicher dogmatischer Begründung vom Anwendungsbereich des § 216 StGB ausgenommen.[231] Bei der Einwilligung in eine mit dem Heilversuch verbundene Körperverletzung ist die in § 228 StGB gezogene Grenze der Sittenwidrigkeit zu beachten, die nach der von der h.M. verwendeten Formel jedenfalls bei Eingriffen überschritten wird, durch die der Betroffene in eine konkrete Todesgefahr gerät.[232] Von Bedeutung für den vorliegenden Kontext ist allerdings die oben (Rn. 57) erwähnte Ausnahme, die für den Fall gemacht wird, dass die Todesgefahr im Rahmen eines ärztlichen Eingriffes eingegangen wird, der seinerseits zum Zwecke der Lebenserhaltung vorgenommen wird; hier wird der Zweck der Behandlungsmaßnahme ausnahmsweise als geeignet angesehen, die Bedeutung der erheblichen Gefährdung zu kompensieren.[233] Für die klinische Prüfung erfährt das Sittenwidrigkeitsurteil i.S.d. § 228 StGB wiederum eine Konkretisierung durch die im AMG bzw. in der VO (EU) 536/2014 vorgesehene Risiko-Nutzen-Abwägung. Im Rahmen von Studien gegen Krebserkrankungen kann aufgrund der potenziellen Wirkung bzw. gravierenden Nebenwirkungen der Chemotherapeutika bereits in Studie I eine Anwendung an gesunden Probanden ausscheiden; hier ergeben sich erhebliche Belastungen für die teilnehmenden Patienten, auf die im Rahmen des Aufklärungsgesprächs eingegangen werden muss.[234]
66
Die Gabe von Placebos wird zwar von den einschlägigen Regelwerken nicht kategorisch ausgeschlossen,[235] ist jedoch bei kranken Personen nicht unproblematisch, da der Arzt mit der Übernahme der Behandlung in eine Garantenstellung i.S.d. § 13 StGB gegenüber dem Patienten eintritt,[236] die eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung oder Totschlags durch Unterlassen begründen kann, wenn die Nichtgabe des Verums eine Gesundheitsschädigung oder den Tod des Patienten zur Folge hat (vgl. Rn. 31). Mit Ulsenheimer[237] ist hier im Grundsatz danach zu differenzieren, ob ein Standardmedikament vorhanden ist: Da den Prüfer nach zutreffender Ansicht keine Garantenpflicht zur Verabreichung des Testpräparates trifft,[238] kommt eine (Unterlassungs-)Strafbarkeit aus den Körperverletzungs- und Tötungsdelikten lediglich bei einer Vorenthaltung des (indizierten) Standardmedikaments in Betracht. Da § 630e Abs. 1 S. 1 BGB den Behandelnden dazu verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären, erstreckt sich die Aufklärungspflicht nach zutreffender Ansicht sowohl bei der klinischen Arzneimittelprüfung als auch bei der Placebogabe im Rahmen der Individualtherapie auch auf den möglichen Placeboeinsatz.[239] Der teilweise in diesem Zusammenhang befürwortete[240] Rekurs auf eine mutmaßliche Einwilligung des Patienten scheidet hingegen aufgrund der Möglichkeit der Einholung einer aktuellen Einwilligung regelmäßig aus.[241] Hervorzuheben ist des Weiteren der bereits weiter oben (Rn. 38) angesprochene Grundsatz, dass die Probanden durch den Verzicht auf das Verum keinen Schaden erleiden dürfen;[242] insofern verlangt insbesondere Ziff. 33 DvH einschränkend, dass Patienten „keinem zusätzlichen Risiko eines ernsten oder irreversiblen Schadens ausgesetzt werden (dürfen), welches sich daraus ergibt, dass sie nicht die nachweislich beste Maßnahme erhalten haben“.[243] Im Schrifttum wird allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass auch bei Annahme einer Garantenpflichtverletzung häufig der Kausalitäts- bzw. Vorsatznachweis Probleme bereiten wird.[244] Die Weigerung der Verantwortlichen eines Pharmaunternehmens, ein noch nicht zugelassenes Arzneimittel für einen individuellen Heilversuch im Rahmen eines sog. Compassionate Use Programmes zur Verfügung zu stellen, ist nicht strafbewährt; sie stellt insbesondere keine unterlassene Hilfeleistung gemäß § 323c StGB dar.[245]
67
Im Nebenstrafrecht sind bei der Beurteilung einer Strafbarkeit des Prüfers nach der derzeit (noch) geltenden Fassung des § 96 Nr. 10 AMG die in § 41 AMG vorgenommenen Modifikationen der von § 96 Nr. 10 AMG in Bezug genommenen Regelungen des § 40 AMG zu berücksichtigen.[246] Die VO (EU) 536/2014 formuliert in Art. 31 ff. nur noch besondere Anforderungen für die Durchführung von klinischen Prüfungen mit Einwilligungsunfähigen, Minderjährigen sowie schwangeren und stillenden Frauen.