Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 38
3. Grenzen und Durchbrechungen des Wettbewerbs
6
Gegen die Anerkennung des Wettbewerbs als strafrechtlich zu schützende Institution könnte allerdings sprechen, dass der Staat nicht selten sogar selbst gestaltend in den Wettbewerb eingreift, indem er wirtschaftspolitische Maßnahmen zur stärkeren Durchsetzung des Wettbewerbsprinzips ergreift, so wenn bestimmte Wirtschaftsbereiche liberalisiert, dereguliert oder privatisiert werden. Hier tritt der Staat nicht mehr als Garant des Wettbewerbs auf, sondern greift intervenierend ein, wenn Märkte vermachtet und erstarrt sind und neuen Wettbewerbern der Marktzutritt erschwert oder unmöglich gemacht wird. Selbst in Zeiten, in denen Wirtschaftsliberalität hoch im Kurs stand, hat sich die Politik nicht auf den Schutz des Wettbewerbs beschränkt, sondern gestaltend Wettbewerbspolitik betrieben. Solche Eingriffe sind erforderlich, da Märkte in der Realität fast nie dem Ideal vollkommener Märkte entsprechen, sondern mehr oder weniger gravierende Marktunvollkommenheiten die Funktionsfähigkeit des freien Wettbewerbs beeinträchtigen.
7
Zu diesen der Durchsetzung des Wettbewerbsprinzips dienenden Eingriffen kommen wirtschafts-, gesellschafts- und sozialpolitisch motivierte staatliche Maßnahmen, die ergriffen werden, wenn die Ergebnisse des Wettbewerbs übergeordneten staatlichen Zielen zuwiderlaufen,[18] so z.B. die Ergreifung von Maßnahmen zur Sicherung oder Schaffung von Arbeitsplätzen. Doch auch solche politischen Einschränkungen des Wettbewerbs müssen sich vor der abwehrenden Funktion der Grundrechte und der Rechtsstaatlichkeit rechtfertigen lassen. Sie sind nur zulässig, wenn die wettbewerbsbeschränkenden staatlichen Maßnahmen gegen einzelne Marktteilnehmer dem Wettbewerb oder einem anderen Belang des Gemeinwohls dienen und die den Eingriff rechtfertigenden Gründe höher zu bewerten sind als die Freiheitsbeschränkungen der Betroffenen.[19] Auch hier muss Richtschnur das Erfordernis des unverfälschten Wettbewerbs bleiben.[20] Deshalb steht der Primat des Politischen der Anerkennung des freien Wettbewerbs als schutzwürdiges Gut nicht entgegen.
8
Angesichts der zahlreichen wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitisch motivierten Ausnahmeregelungen umfasst der rechtliche Rahmen marktwirtschaftlicher Ordnungen – in Deutschland auch als Wirtschaftsverfassung bezeichnet – wesentlich mehr Regeln als der Kernbestand von Privateigentum, Vertrags- und Gewerbefreiheit. Die dadurch entstehenden Durchbrechungen des freien Wettbewerbs werden unterschiedlich bewertet: Wenn man von einem wirtschaftsliberalen, dem Wettbewerb einen Eigenwert zusprechenden Verständnis vom Markt ausgeht, darf der Staat lediglich Hindernisse, die dem freien Wettbewerb entgegenstehen, aus dem Weg räumen.[21] Wer hingegen die öffentliche Meinung als unentbehrlichen Teil eines demokratisch legitimierten politischen Systems und damit als Vernunft der Gesellschaft sieht, die über das Gemeinwohl entscheiden muss, wird sich um den Einfluss politischer Entscheidungen bemühen und für eine gestaltungsfreudige staatliche Planung und Gestaltung plädieren, die eine stabile soziale Ordnung konstituiert. Für ihn ist Wettbewerb eher notwendiges Übel als Systemvoraussetzung der Freiheit. Diese unterschiedliche Einschätzung des freien Wettbewerbs dürfte nicht zuletzt auch für die Zurückhaltung bei der Anerkennung des Wettbewerbs als kriminalstrafrechtlich zu schützendes Gut und die Entscheidung für eine Ausgestaltung der Sanktionstatbestände als Ordnungswidrigkeiten zur Absicherung der staatlichen Ordnung von nicht zu unterschätzender Bedeutung gewesen sein.[22] Allerdings besteht Einigkeit darüber, dass Eingriffe Privater in den freien Wettbewerb grundsätzlich Störfaktoren und deshalb mittels strafrechtlicher Sanktionen zu bekämpfen sind.[23]
4. Aktueller Entwicklungsstand des Wettbewerbsregimes
9
Beim Wettbewerb handelt es sich um einen offenen, dynamischen und evolutiven Prozess.[24] Daher ist es notwendig, den gegenwärtigen Entwicklungsstand des Wettbewerbsregimes zu bestimmen, wenn heute die Frage nach der Schutzwürdigkeit des Wettbewerbs gestellt werden soll.[25] Für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten ist die europäische Rechtslage maßgebend. Diese ist durch einen Übergang vom Organisationsrecht der Kartelle in den Mitgliedstaaten zum Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb in der Europäischen Union gekennzeichnet, zu dem sich die europäische Wirtschaftsverfassung in Art. 4 Abs. 1 EGV bekennt: Die Staaten der Europäischen Union sahen vor ihrem Beitritt in der Regel in Kartellen keine Fremdkörper, sondern Ausprägungen der unvermeidlichen Eigengesetzlichkeit des Spätkapitalismus.[26] Deshalb versuchten die Regierungen, Kartelle für ihre wirtschaftspolitischen Zwecke zu nutzen. Diese Zwecke zeichneten sich durch große Vielfalt und Beliebigkeit aus. Es wurde als legitim betrachtet, durch Wettbewerbsmaßnahmen konjunkturelle und strukturelle Krisen zu bekämpfen, Rationalisierungen und Wachstum zu fördern, Arbeitsplätze durch staatliche Eingriffe zu sichern und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Kartelle wurden deshalb auch „Kinder der Not“ genannt, wenngleich sie nicht geeignet waren, die den Krisen zugrunde liegenden Anpassungsprobleme zu lösen.[27]
10
Die wettbewerbsrechtlichen Regeln der Europäischen Union beruhen auf der entgegengesetzten ordnungspolitischen Entscheidung: Sie sollen den durch die Öffnung der Märkte in der Zollunion ermöglichten Wettbewerb gegen private Wettbewerbsbeschränkungen sichern. Für diese Zielsetzung ist in den Verhandlungen, die zum Vertrag von Rom geführt haben, maßgeblich von der deutschen Delegation plädiert worden.[28] Damit stellt der unverfälschte Wettbewerb ein originäres, unionsrechtlich fundiertes Rechtsgut der Europäischen Union dar. Angesichts der oben aufgezeigten grundlegenden Bedeutung des Wettbewerbs als Motor höchster ökonomischer Leistungsfähigkeit, der dem Ziel der funktionellen Einkommensverteilung, der Lenkung des Angebots durch Nachfrage, der optimalen Kombination der Produktionsfaktoren und der Produktionskapazität an außerwirtschaftliche Daten und der Durchsetzung des technischen Fortschritts dient,[29] und dies bei größtmöglicher Freiheitssicherung, ist es geboten, den freien Wettbewerb zunehmend in den Schutzkanon des modernen Wirtschaftsstrafrechts der nationalen und supranationalen Rechtsordnungen aufzunehmen.[30]
5. Notwendigkeit der Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen
11
Ob die Möglichkeit besteht, aus der Bestimmung des Wettbewerbsbegriffs ein normatives Leitbild der Wettbewerbspolitik zu entwickeln, ist angesichts der Vielgestaltigkeit von Wettbewerbsprozessen in der modernen Wirtschaft sehr fraglich. Letztlich bleibt nur die Möglichkeit, normativ festzulegen, welche Verhaltensweisen als wettbewerbsbeschränkend gelten sollen, weil nach den gemachten Erfahrungen von ihnen typischerweise besondere Gefahren für die Wettbewerbsordnung ausgehen. Die wichtigste wettbewerbspolitische Folgerung, die hieraus gezogen wird, ist die Erforderlichkeit der Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen.[31] Dies ist aber Aufgabe des Strafrechts, wenn es sich um Rechtsverstöße mit hoher Sozialschädlichkeit handelt. Diese Voraussetzungen sind bei schwerwiegenden Kartellverstößen in einem auf dem freien Wettbewerb beruhenden Wirtschaftssystem erfüllt. Welche Rechtsverstöße als schwerwiegend anzusehen sind, ist im Prozess der Rechtsanwendung offenbar geworden, weil Beschränkungen des Wettbewerbs auch dessen Funktionen indizieren können. Deshalb ist es erforderlich, unter Rückgriff auf die Rechtsentwicklung die schwerwiegenden Wettbewerbsbeeinträchtigungen herauszuarbeiten und zu bestimmen.
6. Strafrechtlicher Schutz der Institution des freien Wettbewerbs und der Lauterkeit des Wettbewerbs
12
In den letzten Jahrzehnten hat der straf- und bußgeldrechtliche Schutz des Wettbewerbs in den Industriestaaten Europas erheblich an Bedeutung gewonnen.[32] Zu nennen sind straf- und verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen bzw. Geldbußen, die im Falle von Rechtsverstößen gegen das Kartellrecht,[33] das Recht des unlauteren Wettbewerbs, das Verbraucherschutzrecht und das Vergaberecht verhängt werden. Die Straftatbestände reichen von Kartellstraftatbeständen, die einige wenige Staaten kennen,[34] über den Submissionsbetrug, der seit dem 19. Jahrhundert in vielen Staaten strafbewehrt ist, bis zur unlauteren Werbung und zur Bestechung und Bestechlichkeit im privaten Verkehr und im Gesundheitswesen. Dabei ist eine Ausweitung der Strafbarkeit festzustellen, die nicht zuletzt auf Rechtsakte der Europäischen Union zurückzuführen ist.[35] In diesen Rechtsakten wurden die Mitgliedstaaten zur Einführung oder Verschärfung strafrechtlicher bzw. verwaltungsstrafrechtlicher Sanktionen zum Schutz des Wettbewerbs verpflichtet, so dass insgesamt eine Annäherung des strafrechtlichen Schutzes des Wettbewerbs in der Europäischen Union in diesem Bereich erreicht worden ist.
13
Der wettbewerbliche Schutz des 26. Abschnitts des StGB hat in der Literatur in systematischer Hinsicht eine dahingehende Ausdifferenzierung erfahren, dass der Straftatbestand Wettbewerbsbeschränkender Absprachen nach § 298 StGB eher die Institution des freien Wettbewerbs als Ordnungsprinzip schützt, während die Bestechlichkeit und Bestechung nach §§ 299, 299a, 299b StGB, da die lauterkeitsrechtlichen Maßstäbe angewendet werden, vorzugsweise die Lauterkeit des Wettbewerbs zum Schutzprogramm erheben.[36] Dennoch liegt die Gemeinsamkeit des Wettbewerbsschutzes in der Verhinderung einer Wettbewerbsverfälschung durch Missachtung des wettbewerblichen Regelwerks und in der Ersetzung des Leistungswettbewerbs durch den unerwünschten Nichtleistungswettbewerb.[37] Die Dualität des Wettbewerbsschutzes durch § 298 StGB einerseits und durch §§ 299 ff. StGB andererseits in Anlehnung an die Schutzzweckdiskussion beim GWB und beim UWG[38] kann nicht konsequent durchgehalten werden, da zum einen auch das UWG den Wettbewerb als solchen schützt und zum anderen das GWB neben dem Wettbewerb als Institution auch dem Schutz der Freiheit der Wettbewerber und der Verbraucher dient.[39] Daher ist es durchaus konsequent, dass der Gesetzgeber die Tatbestände der „Wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen“ und der „Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr“ im 26. Abschnitt des StGB als spezielle Straftatbestände zum Schutz des freien und lauteren Wettbewerbs loziert hat. Konsequenterweise verzichten beide Straftatbestände auf den Eintritt eines Schadens und stellen bereits das tatbestandliche Verhalten, das den Wettbewerb zu beeinträchtigen geeignet ist, unter Strafandrohung. Denn die „abstrakten Gefährdungsdelikte (sind) das typische, dem Wesen des überindividuellen Rechtsguts entsprechende Mittel der Gesetzestechnik“.[40]
III. Europarechtliche und internationale Vorgaben für den strafrechtlichen Schutz des Wettbewerbs
1. Vorgaben auf dem Gebiet der wettbewerbswidrigen Absprachen über Ausschreibungen
14
Der Schutz des Vergabewettbewerbs und des Erhalts des freien Marktzugangs bzw. der Marktöffnung ist nicht nur ein nationales Ziel, sondern – als Voraussetzung eines funktionsfähigen Binnenmarktes in der Europäischen Union – auch der Europäischen Union. Diese hat ihre damalige Kompetenz im Rahmen der dritten Säule (Art. 29 ff. EUV a.F.) zur Harmonisierung auf dem Gebiet der Bekämpfung der Korruption und der Organisierten Kriminalität genutzt, um die Einführung eines Straftatbestandes „Betrügerisches oder unfaires wettbewerbsbeschränkendes Verhalten bei öffentlichen Ausschreibungen auf dem Gemeinsamen Markt“ vorzuschlagen.[41] Der vorgeschlagene Straftatbestand war allerdings insofern enger als § 298 StGB, als er außer einer rechtswidrigen Absprache zwischen Unternehmen alternativ Verheimlichung der Absprache, Versprechen oder Gewährung eines Vorteils als Gegenleistung für die pflichtwidrige Auftragsvergabe oder sonstiges kollusives Zusammenwirken mit dem Verantwortlichen der Vergabestelle forderte.[42] Dieser Entwurf eines Rahmenbeschlusses, der im Übrigen § 298 StGB inhaltlich weitgehend entsprach,[43] ist jedoch nicht umgesetzt worden und entfaltet deshalb keine rechtliche Verbindlichkeit für die Mitgliedstaaten der EU.[44] Seit der Vorlage des Entwurfs des Rahmenbeschlusses sind in diesem Bereich keine weiteren Fortschritte zu verzeichnen,[45] obwohl das Europäische Parlament und der Rat durch Richtlinien Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftaten und Strafen im Bereich der Auftragsvergabe gemäß Art. 83 Abs. 2 AEUV festlegen können.
2. Vorgaben auf dem Gebiet der Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr
15
Auch die Korruptionsbekämpfung ist zu einem internationalen Thema geworden,[46] mit dem sich u.a. der Europarat,[47] die Europäische Union, die UNO[48] und die OECD[49] befasst haben und weiterhin befassen.[50] Die in diesem Rahmen erhobenen kriminalpolitischen Forderungen reichen teilweise sehr weit und haben ein energisches und konsequentes Vorgehen der Staaten bei der Bekämpfung der internationalen Korruption zum Ziel. Allerdings kann die Korruption in die öffentliche und die private Korruption unterteilt werden.[51] Die öffentliche Korruption beeinflusst die Staatsgewalt bei der Ausübung ihrer hoheitlichen Tätigkeit, während die private Korruption eine Wettbewerbsbeeinträchtigung darstellt. Entsprechend werden beide Korruptionsformen auf völkerrechtlicher und nationaler Ebene unterschiedlich behandelt, obwohl der Ablauf grundsätzlich identisch ist. Auf völkerrechtlicher Ebene stellt die private Korruption eher einen Randbereich dar, der allerdings in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat.[52] So hat der Europäische Rat am 22. Dezember 1998 eine Gemeinsame Maßnahme betreffend die Bestechung im privaten Sektor[53] erlassen, in der die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die Angestelltenbestechlichkeit und -bestechung unter Strafandrohung zu stellen. Dabei wird das Erfordernis einer Unrechtsvereinbarung statuiert und die Einbeziehung von Drittzuwendungen in den Anwendungsbereich der Strafgesetze gefordert. Die Gemeinsame Maßnahme spricht neben den Wettbewerbsverzerrungen auch die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung Dritter an, bezieht sich also auch auf Wettbewerbs- und Konkurrentenschutz sowie auf den Verbraucherschutz. Die Gemeinsame Maßnahme wurde durch den Rahmenbeschluss von 22. Juli 2003 aufgehoben.
16
Die Gemeinsame Maßnahme stimmt inhaltlich mit dem Korruptionsübereinkommen des Europarates vom 27. Januar 1999[54] überein, das in Art. 7 und 8 die Bestechung im privaten Sektor, und zwar Bestechungsverhalten „im Geschäftsverkehr“, nicht nur im Wettbewerb, unter Strafe gestellt wissen will, wenn der „ungerechtfertigte Vorteil“ der Vornahme oder Nichtvornahme einer Handlung „unter Verletzung der Pflichten“ des Bestochenen dient. Allerdings soll nach dem Europaratsübereinkommen nur eine Verletzung der Pflichten des Vorteilsnehmers sanktioniert werden, so dass der strafrechtliche Schutz des § 299 StGB, der auch die Mitbewerber umfasst, weiter reicht als das Übereinkommen. Hinzu kommt das von Deutschland unterzeichnete Zusatzprotokoll zum Strafrechtsübereinkommen des Europarates über Korruption.[55]
17
Auch das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption vom 31. Oktober 2003,[56] das am 14. Dezember 2005 in Kraft getreten ist, enthält in Art. 21 eine Art. 2 des EU-Rahmenbeschlusses und den Art. 7 und 8 des Strafrechtsübereinkommens des Europarates über Korruption vom 27. Januar 1999 entsprechende Regelung, die an die Pflichtverletzung des Angestellten anknüpft.[57] Die Regelung des Art. 21 ist jedoch unverbindlich, da seinem Wortlaut nach lediglich die „Einführung eines Straftatbestandes in Erwägung zu ziehen ist“.
18
Die Gemeinsame Maßnahme, die keine Anordnung der Verbindlichkeit für die Mitgliedstaaten enthielt, wurde durch den auf einer Initiative Dänemarks beruhenden Rahmenbeschluss 2003/568/JI des Rates vom 22. Juli 2003 zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor[58] aufgehoben. Dadurch sollte nach den Erwägungsgründen sichergestellt werden, dass in allen Mitgliedstaaten sowohl die Bestechung als auch die Bestechlichkeit im privaten Sektor unter Strafe gestellt wird; auch juristische Personen sollen für diese Straftaten haftbar gemacht werden können. Die verhängten Strafen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.[59] Da der Rahmenbeschluss die Mitgliedstaaten zur Umsetzung verpflichtete, wurde damit zugleich ein effizienteres Vorgehen gegen die Bestechung im privaten Sektor durch den Zwang zur Harmonisierung der entsprechenden Strafvorschriften erreicht. Inhaltlich unterscheidet sich der Rahmenbeschluss 2003/568/JI von der Gemeinsamen Maßnahme 98/742/JI vor allem darin, dass er erhöhte Anforderungen an die Sanktionshöhe stellt: Art. 4 Abs. 2 verpflichtet zu einer Mindesthöchststrafe von zwischen einem Jahr und drei Jahren Freiheitsstrafe. Demgegenüber ließ die Gemeinsame Maßnahme 98/742/JI die Art der Sanktion weitgehend offen, sofern diese nur wirksam, angemessen und abschreckend war. Nur in schweren Fällen sollten auch Freiheitsstrafen vorgesehen werden, die zu einer Auslieferung führen können (Art. 4 Abs. 1 der Gemeinsamen Maßnahme 98/742/JI). Als weiteren markanten Unterschied verpflichtet der Rahmenbeschluss 2003/568/JI in Art. 3 die Mitgliedstaaten, Anstiftung und Beihilfe zu einer der in Art. 2 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI definierten Handlungen unter Strafandrohung zu stellen. Darüber hinaus verlangt der Rahmenbeschluss von den Mitgliedstaaten die Einführung eines Berufsverbots, wenn der Sachverhalt eindeutig auf das Risiko schließen lässt, dass die Person ihre Position oder Tätigkeit für Bestechung oder Bestechlichkeit missbrauchen könnte (Art. 4 Abs. 3). Dadurch soll der Gefahr einer weiteren zukünftigen Bestechung bzw. Bestechlichkeit entgegengewirkt werden, so dass der präventive Charakter dieser Maßnahme überwiegt. Die Verantwortlichkeit juristischer Personen und ihre Sanktionierung richten sich nach Art. 5 und 6. Die erforderlichen Maßnahmen mussten bis zum 22. Juli 2005 in nationales Recht umgesetzt werden (Art. 9 Abs. 1). Wenn ein Mitgliedstaat Strafvorschriften kennt oder einführt, die über den Rahmenbeschluss hinausgehen, ist dies mit dem Rahmenbeschluss vereinbar, da dieser kein Stand-Still-Gebot enthält.[60] Da die Korruption auch ausdrücklich im Straftatenkatalog des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl Erwähnung findet, ist eine Auslieferung wegen einer Handlung nach Art. 2 des Rahmenbeschlusses 2003/568/JI aufgrund des den Europäischen Haftbefehl beherrschenden Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung unter erleichterten Voraussetzungen möglich.
3. Vorgaben auf dem Gebiet des Kartellordnungswidrigkeitenrechts durch die ECN+-Richtlinie
19
Am 11. Dezember 2018 hat der europäische Gesetzgeber in Ergänzung zur VO 1/2003 die bis zum 4. Februar 2021 umzusetzende Richtlinie (EU) 1/2019 (sog. ECN+-Richtlinie) erlassen, mit der gewährleistet werden soll, „dass die nationalen Wettbewerbsbehörden über die Garantien im Hinblick auf die Unabhängigkeit, über die Ressourcen und die Befugnisse im Bereich der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und der Verhängung von Geldbußen verfügen, die sie benötigen, um die Artikel 101 und 102 AEUV wirksam anzuwenden, sodass der Wettbewerb im Binnenmarkt nicht verfälscht wird und den Verbrauchern und Unternehmen keine Nachteile entstehen durch nationale Gesetze und Maßnahmen, die die wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften durch die nationalen Wettbewerbsbehörden verhindern“ (Art. 1 Abs. 1).[61] Damit waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihr nationales Kartellsanktionsrecht dem Recht der Europäischen Union anzupassen.[62] Zur Erreichung dieser Ziele enthält die ECN+-Richtlinie Vorgaben, welche die Unabhängigkeit und die technischen, finanziellen und personellen Ressourcen der nationalen Wettbewerbsbehörden sicherstellen sollen (Kap. III, Art. 4 und 5). Darüber hinaus enthält die Richtlinie Regelungen zu den Befugnissen der nationalen Wettbewerbsbehörden (Kap. IV, Art. 6 bis 11) sowie zu Geldbußen und Zwangsgeldern (Kap. V, Art. 12 bis 15) und zur Kronzeugenbehandlung (Kap. VI, Art. 16 bis 22). Schließlich finden sich dort Vorgaben zur Amtshilfe, die gestärkt werden soll (Kap. VII, Art. 23 bis 26), zur Verjährung (Kap. VIII, Art. 27) sowie allgemeine Bestimmungen, u.a. zur Rolle der nationalen Wettbewerbsbehörden vor den nationalen Gerichten (Kap. IX, Art. 28 bis 31).[63] Während die Vorgaben zur institutionellen Grundsicherung der nationalen Wettbewerbsbehörden, zu deren Ermittlungs- und Entscheidungsbefugnissen sowie zu den Kronzeugenregelungen in Deutschland wenig Umsetzungsbedarf nach sich gezogen haben – inzwischen wurde die Kronzeugenregelung durch die zehnte GWB-Novelle auf eine gesetzliche Grundlage gestellt –, stellte sich bezüglich der Übernahme des Unternehmensbegriffs[64] die Frage, ob die bisherige Gesetzeslage ausreicht, die im Ergebnis dieselben Fälle wie das EU-Kartellrecht erfasst (Rn. 34). Die Richtlinie macht in Erwägungsgrund 46 diesbezüglich unmissverständlich deutlich, dass der Begriff „Unternehmen“ i.S.d. Art. 101 und 102 AEUV, der im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union anzuwenden ist, als eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen ist, auch wenn es sich um mehrere juristische oder natürliche Personen handelt. Nach Art. 13 Abs. 5 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass für die Zwecke der Verhängung von Geldbußen gegen Muttergesellschaften sowie rechtliche und wirtschaftliche Nachfolger von Unternehmen der unionsrechtliche Begriff des Unternehmens angewandt wird.[65] Beachtenswert – sowohl im europäischen als auch im nationalen Kontext – ist die Änderung der Richtlinie in Bezug auf den Höchstbetrag der Geldbuße: Nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie soll der Höchstbetrag nunmehr „mindestens“ 10 % des weltweiten Gesamtumsatzes im vorausgegangenen Geschäftsjahr betragen, so dass sowohl das bisherige Verständnis der 10 %-Grenze als Kappungsgrenze als auch als Bußgeldobergrenze hinfällig zu sein scheinen.[66] Praktische Bedeutung haben zudem die Regelungen zur Amtshilfe und zum gerichtlichen Bußgeldverfahren, nicht zuletzt weil Art. 30 der Richtlinie eine Rollenverschiebung mit sich bringt und die Kartellbehörden deshalb auch weiterhin Verfolgungsbehörden sein müssen.[67] Damit wird das Europäische Kartellbußgeldrecht die nationalen Kartellsanktionssysteme maßgeblich prägen und die Tendenz der nationalen Kartellbehörden, sich am Unionsrecht zu orientieren, noch weiter verstärken.