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6. Europäisches Kartellordnungswidrigkeitenrecht

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In der Europäischen Union hat die Kommission gemäß Art. 103 AEUV (ex-Art. 83 EGV) die Kompetenz, für Wettbewerbsverstöße eigenständig Bußgeldtatbestände gegen Unternehmen einzuführen und so ein eigenes Sanktionssystem zu schaffen. Hiervon hat sie bereits im Jahre 1962 durch Verabschiedung der Verordnung Nr. 17/62 Gebrauch gemacht,[112] die in Art. 15 für schuldhafte Zuwiderhandlungen sowohl gegen Mitwirkungspflichten als auch gegen das Kartell- und Missbrauchsverbot der Art. 81, 82 EGV die Verhängung gemeinschaftsrechtlicher Geldbußen vorsah. Auf dieser Grundlage entwickelte die Kommission, in Anlehnung an das US-amerikanische Sanktionssystem, ein Unternehmensbußgeldsystem mit extrem hohen Geldbußen, das vorrangig der Abschreckung und der Gewinnabschöpfung dienen sollte.[113] Das EG-Kartellrecht stellt das am weitesten entwickelte Sanktionssystem des Gemeinschaftsrechts bereit[114] und konnte zunächst ausschließlich von der Kommission unter der gerichtlichen Kontrolle des EuGH angewandt werden. Damit war für Verstöße gegen das europäische Kartellrecht eine einheitliche Rechtslage in der gesamten Europäischen Union gewährleistet. Als die Europäische Gemeinschaft jedoch im Jahre 2003 die Verordnung Nr. 17/62 durch die neue Verordnung 1/2003 ersetzte,[115] um eine angesichts der Osterweiterung erforderlich gewordene Dezentralisierung der Rechtsanwendung auf dem Gebiet des Kartellrechts sowie im Bereich des kartellrechtlichen Sanktionsrechts zu erreichen, verzichtete die Kommission bewusst auf eine Harmonisierung der nationalen Kartellsanktionen und hielt es für ausreichend, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, ihr je eigenes Sanktionssystem auch auf Rechtsverstöße gegen das EG-Kartellrecht zu erstrecken.[116] Diese rechtspolitische Entscheidung läuft sowohl der weltweiten Tendenz zur Kriminalisierung von Kartellverstößen im Sinne von (kriminal-)strafrechtlichen Sanktionen für natürliche Personen[117] als auch internationalen Forderungen nach wirksamen Sanktionen zur Bekämpfung von Kartellen zuwider, die insbesondere von der OECD erhoben werden.[118] Auch das „International Competition Network“ (ICN), das sich seit dem Jahre 2001 als weltweites Netzwerk von Wettbewerbsbehörden etabliert hat und auf einer informellen Ebene die Weiterentwicklung und Ausbreitung guter wettbewerbspolitischer Praktiken fördern möchte,[119] spricht sich für eine Kriminalisierung schwerwiegender Wettbewerbsverstöße aus.[120] Hierbei ist zwischen zwei Gesichtspunkten zu unterscheiden: zum einen, wie das Verbandssanktionsrecht auszugestalten ist,[121] und zum anderen, ob und inwieweit natürliche Personen für von ihnen zu verantwortende Kartellverstöße mit (strafrechtlichen) Sanktionen bis hin zum Freiheitsentzug zu belangen sind.

II. Die Entwicklung des Wettbewerbsstrafrechts

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Das Wettbewerbsstrafecht des StGB im 26. Abschnitt hat sich im Wesentlichen in drei Stufen entwickelt. Zu nennen sind das erste und zweite Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997 bzw. vom 20. November 2015, mit denen die Strafbarkeit wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen und die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr geregelt wurden, sowie das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen vom 30. Mai 2016, das die Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen regelt.

1. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen

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Einen Sonderfall der Kartellbildung stellen Submissionsabsprachen dar, die eine lange Reformdiskussion aufweisen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Bauwirtschaft die Einführung einer solchen Strafvorschrift zu verhindern versuchte.[122]

a) Rechtsentwicklungen vom 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts

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Submissionsabsprachen im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen waren schon vor Beginn des Industriezeitalters bekannt. Für Preußen enthielt die Königliche Verordnung vom 14. Juli 1797 eine Regelung, die alle Verträge und Verabredungen, welche die Absicht verfolgten, Mitbewerber bei „öffentlichen Subhastationen und Auktionen“ durch Vorteilsversprechen von der Abgabe ihres Gebotes oder vom weiteren Mitbieten zurückzuhalten. Unter dem Einfluss des französischen Code Pénal von 1810, der in Art. 419 Zusammenschlüsse mit dem Ziel, einen Gewinn zu erzielen, der sich nicht aus dem natürlichen Spiel von Angebot und Nachfrage ergibt, unter Strafandrohung stellte, wurde in Preußen ein solcher Straftatbestand eingeführt, und zwar nahezu zeitgleich mit der Einführung von Ausschreibungen als Mittel der öffentlichen Beschaffung im 19. Jahrhundert. Da zunächst versteigerungsähnliche Lizitationen als Mittel der öffentlichen Beschaffung eingesetzt wurden, brachte § 72 prStGB von 1851[123] eine entsprechende Ausweitung auf „Lizitationen“. Dieser Straftatbestand des § 72 prStGB wurde bis in die 1930er Jahre angewandt.

b) Rechtsentwicklungen im 20. Jahrhundert

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Die Bestrebungen, eine strafrechtliche Regelung einzuführen, finden sich auch in der Folgezeit in allen strafrechtlichen Reformentwürfen vom Beginn des 20. Jahrhunderts an. Dabei stand durchweg der Schutz des Vermögens der Öffentlichen Hand im Vordergrund, denn man strebte eine Sicherstellung der optimalen Verwendung des Steueraufkommens an.[124] Die Große Strafrechtskommission stand bei ihren Beratungen Ende der 1950er Jahre unter dem Eindruck des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen von 1957, in dem auf die Einführung von Straftatbeständen verzichtet worden war, und forderte die Kriminalisierung der Submissionskartelle für den Bereich des öffentlichen Vergabewesens.

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Die höchstrichterliche Rechtsprechung kann auf eine wechselhafte Geschichte verweisen: Während das Reichsgericht in der Ausschaltung des Wettbewerbs durch die Anbieter einen Vermögensschaden i.S.d. Betrugstatbestandes bejaht hatte,[125] hat der BGH im Jahr 1961 die gegenteilige Position vertreten und die Verhinderung der Abgabe ungünstigerer Angebote noch nicht als Schaden gewertet. Voraussetzung eines Schadens sei, dass die aufgrund des manipulierten Angebots erbrachte Leistung weniger Wert sei als die Gegenleistung des Auftraggebers.[126] Dieser Nachweis konnte aber in der Praxis kaum geführt werden, da die Einlassung, man habe den Preis so knapp wie möglich kalkuliert, ausreichte, um einen Vermögensschaden zu verneinen.[127]

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In den 1970er Jahren hat sich dann auch die Strafrechtslehre für eine Teilkriminalisierung des GWB ausgesprochen[128] und für Submissionsabsprachen den zusätzlichen Gesichtspunkt des Vermögensschutzes und die Nähe zum Betrug hervorgehoben. Gesetzestechnisch und von der inhaltlichen Bewertung her war eine Neubewertung im Bereich der Submissionsabsprachen geboten, zumal diese sich infolge des gezielten Einsatzes von Täuschungsmitteln in unmittelbarer Nähe zum Betrugstatbestand befinden und jedenfalls einen entsprechenden Handlungsunwert aufweisen.[129] Eine Reform war auch insoweit nahe liegend, als die intensive und langjährige Verfolgungs- und Ahndungstätigkeit der Kartellbehörden es nicht vermocht hatte, die weite Verbreitung von Submissionsabsprachen entscheidend einzuschränken.[130] Deshalb wurde bereits in § 175 des Alternativ-Entwurfs eines Strafgesetzbuchs die Strafbarkeit von Submissionsabsprachen – unter tatbestandlicher Hervorhebung des Erfordernisses einer Täuschungshandlung – gefordert.[131]

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In der Folgezeit forderte die Sachverständigenkommission zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität im Jahre 1975 die Einstufung bestimmter schwerer GWB-Verstöße als Straftaten und schlug einen besonderen Straftatbestand für die unlautere Beeinflussung der öffentlichen und privaten Vergabe von Aufträgen vor.[132] Die vom Bundesjustizministerium geplante Umsetzung dieser Empfehlung durch den Referentenentwurf eines 2. Gesetzes zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität scheiterte jedoch am Widerstand der Bauwirtschaft und ihrer Verbände sowie des Bundesministeriums für Wirtschaft und führender Vertreter des Bundeskartellamts.[133]

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Eine grundlegende Änderung auf dem Gebiet des Strafrechts trat durch die „Rheinausbau“-Entscheidungen des BGH zum Submissionsbetrug[134] ein.[135] In den beiden „Rheinausbau“-Entscheidungen Anfang der 1990er Jahre erklärte der BGH den Betrugstatbestand auf Submissionsabsprachen für grundsätzlich anwendbar, obwohl nach der Feststellung eines Sachverständigen zwischen der Bauleistung des vom Kartell herausgestellten Anbieters und der vom öffentlichen Auftraggeber geleisteten Bezahlung kein Missverhältnis bestand. Der Schaden wurde darin gesehen, dass der mit dem Anbieter vereinbarte Preis „höher als der erzielbare Wettbewerbspreis“ gewesen sei. Der erzielbare Wettbewerbspreis wurde also an die Stelle des klassischen Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung gesetzt.

c) Einführung des § 298 StGB durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997

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Anlass für eine erneute Diskussion über die Einführung eines Spezialstraftatbestandes waren neben spektakulären Submissionsabsprachen der Bauwirtschaft[136] vor allem Probleme, die beim Nachweis des Betrugsschadens auftraten.[137] Zwar hat der BGH in den beiden sog. „Rheinausbau“-Entscheidungen Mitte der 1990er Jahre die frühere Rechtsprechung aufgegeben,[138] nach der die Verhinderung der Abgabe günstigerer Angebote noch keinen Vermögensschaden begründete,[139] und Submissionsabsprachen als Betrug bewertet[140] und damit eine erweiternde Anwendung des § 263 StGB ermöglicht.[141] Die hieran geknüpften Erwartungen einer verstärkten Strafverfolgung der Submissionsabsprachen haben sich in der Praxis jedoch nicht erfüllt,[142] da die Tatgerichte weiterhin erhebliche Schwierigkeiten hatten, einen Schaden des Ausschreibenden festzustellen.[143] Deshalb hat der Gesetzgeber die Effektivität der durch den BGH eröffneten Möglichkeit, Submissionsabsprachen durch die Bestrafung als Betrug zu bekämpfen, als gering eingeschätzt und mit § 298 StGB einen eigenständigen Straftatbestand zum Schutz des Wettbewerbs unter Verzicht auf das Erfordernis eines Vermögensschadens eingeführt. Mit dem neuen Straftatbestand des § 298 StGB hat die jahrzehntelang geführte Diskussion über die Strafbarkeit des Submissionsbetrugs einen (vorläufigen) Abschluss gefunden.[144]

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Die Einführung des neuen Straftatbestandes des § 298 StGB wurde durch Änderungen im GWB flankiert. So sah § 82 GWB (bis zur 6. GWB-Novelle § 81a GWB) eine ausschließliche Zuständigkeit der Kartellbehörden für die Festsetzung der Verbandsgeldbußen vor. Die Regelung des § 81 Abs. 2 GWB a.F., die weiterhin eine Geldbuße bis zur dreifachen Höhe des Mehrerlöses vorsah, wurde durch die 7. GWB-Novelle[145] sowohl formal als auch inhaltlich abgelöst (§ 81 Abs. 4 GWB).[146] Auf das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption von 13. August 1997 ging zudem § 81 Abs. 3 S. 2 GWB a.F. zurück, der eine Verlängerung der Verjährungsfrist für Ordnungswidrigkeiten vorsah. Die damals eingeführte Verjährungsfrist wurde im Rahmen der 7. GWB-Novelle beibehalten und findet sich nunmehr in § 81 Abs. 8 S. 2 GWB.[147]

d) Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 20. November 2015

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Zum 26. November 2015 ist mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption (KorrBekG) vom 20. November 2015[148] eine Änderung des § 298 StGB insofern eingetreten, als der Begriff der „gewerblichen Leistungen“ durch den der „Dienstleistungen“ ersetzt wurde, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung einherging.[149]

2. Strafbarkeit der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr

a) Der Straftatbestand des § 12 UWG

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Der Straftatbestand des § 12 UWG wurde im Jahre 1909 zur Bekämpfung des Schmiergeldunwesens im Wirtschaftsleben[150] eingeführt.[151] Bei der Ausgestaltung dieser Strafvorschrift orientierte sich der Gesetzgeber am englischen Recht, das im Prevention of Corruption Act von 1906 eine „corruptly“ begangene Handlung forderte,[152] und verlangte, um dies zum Ausdruck zu bringen, nicht ein „pflichtwidriges Verhalten des Angestellten“, sondern ein „unlauteres Verhalten des Angestellten“ gegenüber Mitbewerbern und erteilte damit ersten Reformbestrebungen, die eine Ausrichtung an der Pflichtwidrigkeit des Handelns von Angestellten oder Beauftragten gegenüber ihrem Geschäftsherrn vorsahen, eine Absage. Sodann wurde § 12 UWG durch das EGStGB vom 2. März 1974[153] den Strafvorschriften der §§ 332 Abs. 1, 334 Abs. 1 StGB angepasst, um Auslegungsdivergenzen zu vermeiden und klarzustellen, dass der Vorteil eine Gegenleistung für die Bevorzugung darstellen muss. Außerdem entfiel die frühere Subsidiaritätsklausel.

b) Einführung des § 299 StGB durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13. August 1997

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Die Neuregelung der Angestelltenbestechung und -bestechlichkeit wurde maßgeblich durch Vorgaben der Europäischen Union angestoßen.[154] Dabei war die Europäische Union bestrebt, sich an den strafrechtlichen Vorgaben internationaler Organisationen wie der OECD, des Europarats, der UN usw. zu orientieren, wie insbesondere ein Blick auf die Korruptionsbekämpfung im privaten Bereich belegt.[155] Auf diese Weise konnte erreicht werden, dass jedenfalls in den westlichen Industriestaaten ein international anerkannter Strafrechtsstandard zur Bekämpfung der Korruption angestrebt wird und teilweise bereits verwirklicht wurde.

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Die Strafvorschrift des § 299 StGB wurde durch Art. 1 Nr. 3 des Korruptionsbekämpfungsgesetzes vom 13. August 1997[156] eingeführt.[157] Dabei übernahm der Gesetzgeber die Vorschrift des § 12 UWG hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen in § 299 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB nahezu unverändert. Während jedoch § 12 UWG in Abs. 1 die aktive Bestechung und in Abs. 2 die passive Bestechung (Bestechlichkeit) regelte, ist in § 299 StGB a.F. der Tatbestand der Bestechlichkeit in Abs. 1 dem der aktiven Bestechung in Abs. 2 vorangestellt worden. Inhaltlich wich § 299 StGB von § 12 UWG nur insoweit ab, als die passive Bestechung um die Annahme, das Fordern und Sich-versprechen-Lassen von Drittvorteilen erweitert wurde. Der Tatbestand der aktiven Bestechung der Wettbewerbsvariante ist identisch mit § 12 Abs. 1 UWG. Da mit der Einstellung des Straftatbestandes in das Strafgesetzbuch eine weitergehende inhaltliche Änderung nicht beabsichtigt war, wird bei der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Zusammenhang mit den Regelungen des UWG weiterhin zu berücksichtigen sein.[158] Erklärter Anlass für die Übernahme der Vorschrift des § 12 UWG in das Strafgesetzbuch war die Absicht des Gesetzgebers, dadurch generalpräventive Wirkung zu erzielen. Es sollte in der Bevölkerung das Bewusstsein geschärft werden, dass es sich auch bei der Korruption im geschäftlichen Bereich um eine Kriminalitätsform handelt, die nicht nur die Wirtschaft selbst betrifft, sondern Ausdruck eines allgemein sozialethisch missbilligten Verhaltens ist.[159] Entsprechend dem Anliegen des Gesetzgebers, ein wirksames und umfassendes Instrument zur Bekämpfung der Korruption zu schaffen,[160] wurden auf der Rechtsfolgenseite erhebliche Veränderungen vorgenommen: Die Erhöhung des Regelstrafrahmens im Höchstmaß auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren sollte der Kritik an der früher sehr milden Strafdrohung – Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr – Rechnung tragen,[161] ohne jedoch die Höhe der Strafdrohungen des Amtsträgerstrafrechts mit seinem Rechtsgut der Lauterkeit des öffentlichen Dienstes zu erreichen. Für besonders schwere Fälle der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr sieht § 300 StGB einen Regelstrafrahmen von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vor. Das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption von 1997 hat das Strafantragserfordernis des § 22 UWG a.F. relativiert. Nunmehr ist die Verfolgung von Amts wegen bei besonderem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung möglich (§ 301 Abs. 1 StGB). Durch den Verweis des § 302 StGB auf § 73d StGB für Taten, bei denen der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande gehandelt hat, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, wurde die Anordnung des Erweiterten Verfalls der für die Tat erworbenen oder durch sie erlangten Gegenstände zwingend vorgesehen. Dieser Verweis wurde durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 aufgehoben.[162] Gleiches gilt für die in § 302 Abs. 2 StGB a.F. für die in den Fällen des § 299 Abs. 2 StGB a.F. mögliche Vermögensstrafe,[163] die im Wege der Gesetzesnovelle zur Korruptionsbekämpfung gestrichen wurde.

c) Schutz des ausländischen Wettbewerbs durch das EU-Rechtsinstrumente-Ausführungsgesetz vom 22. August 2002

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Eine weitere Reform des Straftatbestandes wurde durch die Gemeinsame Maßnahme der Europäischen Union (98/742/JI) vom 22. Dezember 1998 (Z.B.JI) betreffend die Bestechung im privaten Sektor[164] sowie durch das Europarat-Übereinkommen zur strafrechtlichen Bekämpfung der Korruption von 1999 angestoßen. § 299 StGB wurde mit dem EU-Rechtsinstrumente-Ausführungsgesetz vom 22. August 2002[165] um einen Absatz 3 ergänzt, nach dem die beiden vorausgehenden Absätze auch für den ausländischen Wettbewerb gelten.

d) Einführung der Pflichtverletzungsvariante des § 299 StGB durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption von 20. November 2015

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Das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption von 20. November 2015 arbeitete diese Ergänzung des § 299 Abs. 3 StGB in den Text der Absätze 1 und 2 ein und fügte ihnen eine Nr. 2 an, welche die Pflichtverletzung des Angestellten oder Beauftragten gegenüber dem Unternehmen beim Bezug von Waren oder Dienstleistungen unter Strafe stellt. Dadurch wurden der Rahmenbeschluss 2003/568/JI des Rates der EU von 22. Juli 2003, das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption von 31. Oktober 2003[166] und das Europarats-Übereinkommen in nationales Recht umgesetzt. Außerdem wurde eine Gesetzeslücke geschlossen, die darin lag, dass z.B. ein Kreditsuchender Schmiergeld bezahlt, um den Bankangestellten zur Kreditvergabe ohne Kreditwürdigkeitsprüfung zu bewegen, und ausreichend Kreditmittel zur Verfügung stehen oder keine unmittelbaren Mitbewerber um Kredite vorhanden sind.[167]

3. Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen

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Als Ausgangspunkt der jüngeren wissenschaftlichen Diskussion um die „Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen“ können Überlegungen Pragals aus dem Jahr 2005[168] gelten, demzufolge das „flächendeckend und unverhohlen betriebene ‚Bestechungsmarketing‘“ der Pharmahersteller zu Gunsten niedergelassener Vertragsärzte den Straftatbestand des § 299 StGB erfülle: Der niedergelassene Vertragsarzt handele als (gesetzlicher) Vertreter der Krankenkasse und sei damit „Beauftragter“ i.S.d. § 299 StGB.[169] Das gilt gleichermaßen für die Fragestellung, ob Vertragsärzte Amtsträger i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB und damit Täter der Vorteilsannahme bzw. Bestechlichkeit (§§ 331, 332 StGB) sein können.

a) Rechtsprechung zur strafrechtlichen Verantwortung des Vertragsarztes

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Die Diskussion um die Strafbarkeit der Vertragsärzte erlangte in der Folgezeit eine neue Qualität, als sie auch von Strafgerichten aufgenommen wurde. Aufsehen erregte bereits das bloße obiter dictum des OLG Braunschweig,[170] der niedergelassene Vertragsarzt sei als „Schlüsselfigur der Arzneimittelversorgung“ durch die Krankenkassen deren Beauftragter i.S.d. § 299 StGB. Dieser Beschluss ebnete den Weg für zwei erstinstanzliche Verurteilungen niedergelassener Vertragsärzte u.a. wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) durch das AG Ulm[171] und das LG Hamburg[172] im Jahr 2010, die in Vorlagebeschlüsse des 3.[173] und 5.[174] Strafsenats an den Großen Senat für Strafsachen im Jahr 2011 mündeten. Der 3. Strafsenat vertrat dabei die Auffassung, dass niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Ärzte bei der Verordnung von Hilfsmitteln als Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB oder jedenfalls als Beauftragte der gesetzlichen Krankenkassen einzuordnen seien. Der 5. Strafsenat hatte auf die Darlegung einer eigenen Rechtsauffassung verzichtet. Der Große Senat für Strafsachen gab in seinem Beschluss vom 29. März 2012[175] eine klare, restriktive Antwort auf die vorgelegten Auslegungsfragen: „Ein niedergelassener, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassener Arzt handelt bei der Wahrnehmung der ihm in diesem Rahmen übertragenen Aufgaben […] weder als Amtsträger i.S. des § 11 Abs. 1 Nr. 2c StGB noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen i.S. des § 299 StGB.“ Niedergelassene Vertragsärzte nähmen keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, sondern übten ihre behandelnde Tätigkeit als Angehörige eines freien Berufes im Rahmen eines zivilrechtlichen Behandlungsverhältnisses aus und unterlägen nicht dem bestimmenden Einfluss der Krankenkasse. Auch sei der Vertragsarzt nicht Beauftragter der Krankenkassen, weil er mit Blick auf die relevanten Regelungen des SGB V nicht als Vertreter der Krankenkassen tätig werde und auch das Gebot der Wirtschaftlichkeit nur ein Teilaspekt im Rahmen seiner Verpflichtung insbesondere gegenüber seinen Patienten bleibe.[176] Gleichwohl appellierte der Große Senat für eine verstärkte Kriminalisierung der Korruption im Gesundheitswesen indem er die „[…] grundsätzliche Berechtigung des Anliegens, Missständen […] mit Mitteln des Strafrechts effektiv entgegenzutreten,“ hervorhob.[177]