Kitabı oku: «Perry Rhodan Neo Paket 2: Expedition Wega», sayfa 15

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5.

Erstkontakt

Sid González

Sid González erinnerte sich daran, dass er vor einigen Tagen noch darüber sinniert hatte, ob in dem Spindelraumer womöglich intelligente Pilze auf sie warteten. Das hatte er für eine lächerliche Idee gehalten. Und tatsächlich, genau das war es auch. Aber aus einem ganz anderen Grund als zunächst gedacht: Die Wirklichkeit war viel bizarrer. Denn intelligente Pilze konnte man sich wenigstens noch vorstellen, irgendwie, wenn man genügend Comics kannte. Aber … das hier? Dieses geschuppte Zylinder-Ding?

Da kamen ihm die silbrigen Scheiben schon wieder viel realer vor. Klar, eine Übersetzungsmaschine in dieser Qualität, das wäre vor Kurzem unfassbar gewesen, aber wenn man bedachte, was die Arkoniden vermochten, überraschte einen so schnell nichts mehr. Sid jedenfalls beschloss, seine Übersetzungsscheibe keinesfalls mehr herzugeben.

»Ich habe Ihnen etwas zu sagen!«, sagte, nein, schrie Reginald Bull in diesem Augenblick an seiner Seite den Fremden entgegen. Sid konnte sein Entsetzen, ja, seine Angst förmlich spüren, seit vor wenigen Momenten die ersten Beiboote das Spindelschiff verlassen hatten und in alle Richtungen davongejagt waren. Wahrscheinlich befürchtete Bull, dass diese kleinen Raumer über den Großstädten in Position gingen und anfingen, alles in Schutt und Asche zu schießen.

Sid hingegen kamen diese Leute nicht sonderlich bedrohlich vor. Die Fantan sahen fremdartig und grotesk aus, aber seiner Meinung nach nicht schrecklich oder gefährlich. Nicht wie Monster. Klar, das sagte eigentlich nichts über ihre Gesinnung aus, aber Sid hatte da dieses – Gefühl. Und wenn sie Zerstörung hätten anrichten wollen, warum waren sie dann erst mal mit ihrem Hauptschiff gelandet? Sid empfand vor allem Faszination, und er kam sich vor wie in einem seiner Träume von einer besseren Zukunft.

»Die Erde ist unser Planet!«, fuhr Bull fort. »Wir würden Sie gern als wohlwollende Gäste willkommen heißen, aber was gibt Ihnen das Recht, mit Beibooten …«

»Seien Sie ruhig«, unterbrach ihn eines der Zylindergeschöpfe; dasjenige, das sein Schiff verlassen hatte. Eines der schwarzen Löcher im feingeschuppten Leib weitete sich bei den Worten ein wenig; offenbar der Mund. Hochinteressant, fand Sid. Seine Finger nestelten am Rand der Silberscheibe. Ob er versuchen sollte, einfach in das Raumschiff zu teleportieren? Die Strecke war lächerlich kurz, das müsste doch gelingen. Es war eine irre Vorstellung, einen Blick auf den … Maschinenraum zu werfen, auf den Antrieb, in die Zentrale …

Zwei der sechs Arme des Fantan hoben sich, überkreuzten sich vor der Brust. Dabei zeigten sie eine erstaunliche Beweglichkeit und Dehnbarkeit, gar nicht wie menschliche Arme, sondern als hätten sie ein Dutzend Gelenke oder gar keine Knochen. Sid nannte sie bei sich Tentakel, das war vielleicht nicht völlig korrekt, kam ihm aber passend vor.

Der Fremde kam auf den drei Tentakeln, die er momentan als Beine benutzte, ein wenig näher. »Wir sind bereit, mit Besun zu reden.«

»Besun?«, fragte Reginald Bull. »Falls Sie telepathisch in meinen Gedanken gelesen haben, ist Ihnen ein Fehler unterlaufen. Mein Name ist Bull, nicht Besun.«

Der Fantan antwortete mit einem blubbernden Laut, der Sid verblüffend an etwas erinnerte, was er aus seiner Kindheit kannte. Er sah dieses Tier wieder vor sich, einen Straßenköter, wenn er sich nicht täuschte; sein Bellen hatte wie das Lachen eines heiseren Mannes geklungen. Und wie dieser Laut des Zylinderwesens, das sich auf den Beintentakeln einige Zentimeter in die Höhe reckte. »Eine absonderliche Überlegung, Bull. Besun ist Besun. Ihr Name ist etwas völlig anderes. Kommen Sie in die SREGAR-NAKUT.«

»Das ist die Bezeichnung des Spindelschiffes?«, fragte Sid, was ihm einen scharfen Blick von Bull einbrachte. Sid musste kein Telepath sein, um zu verstehen, was Reginald Bull ihm mitteilen wollte: Lass mich reden.

Also ging die kleine Gruppe los, an der Spitze Bull und Tatjana Michalowna, gefolgt von Eric Manoli. Sid und Sue, die sich, ob bewusst oder unbewusst, stets an seiner Seite hielt, folgten ihnen in geringem Abstand.

»Wir müssen vorsichtig sein«, flüsterte der ehemalige Bordarzt der STARDUST. Obwohl es für Bulls Ohren bestimmt war, hörte Sid es ebenfalls. Und über die Silberscheiben verstanden die Fantan wahrscheinlich auch jedes Wort.

Diese Vermutung behielt Sid jedoch für sich. Er verspürte nicht die geringste Lust, erneut eine Verwarnung einzufangen. Außerdem war Manolis Hinweis ohnehin eine Binsenweisheit; wenn diese Aliens auch nur ein wenig Verstand besaßen, würden sie sich nicht über diese Worte wundern. Oder? Vielleicht dachten sie in völlig anderen Kategorien als die Menschheit; womöglich begriffen sie überhaupt nicht, was ihr Auftauchen für die Bewohner dieses Planeten bedeutete.

Der Fantan stand nur noch einige Schritte entfernt. Bull sah ihn mit entschlossenem Blick an. »Nun kennen Sie meinen Namen. Wie lautet der Ihre?«

»Jenves«, antwortete das fremde Wesen. »Lassen Sie uns den Austausch in unserem Schiff fortführen. Aber sie nicht.« Er deutete mit einem ausgestreckten Tentakel auf Tatjana Michalowna.

Der Vormarsch der fünf Terraner stockte. »Wieso?«, fragte Bull. »Sie gehört zu uns. Wir können sie nicht einfach zurücklassen. Sie ist nicht ohne Grund ein Teil meiner Gruppe, die …«

»Keine Diskussion! Sie ist nicht Besun«, lautete die wenig hilfreiche Antwort.

Warum übersetzten die Silberscheiben sonst alles, aber dieses eine Wort nicht? Sid dachte einen Moment an eine Fehlfunktion dieser Translatortechnologie, ehe ihm in den Sinn kam, dass es womöglich kein entsprechendes Wort in ihrer Sprache gab. Mit Fragen wie diesen würden sich wohl bald klügere Köpfe als er auseinandersetzen müssen. Dies war bestimmt nicht das letzte Verständigungsproblem, das auf die Menschheit zukam.

Was mochte es bedeuten? Die Russin war also nicht Besun, die anderen, einschließlich er selbst, aber schon? Um Frauen und Männer ging es sicher nicht, sonst wäre Sue ebenfalls der Zutritt verweigert worden. Oder sahen die Fantan in Sue ein Kind, keine Frau? Konnte ja auch sein, dass sie gar nicht verstanden, was eine Frau von einem Mann oder einem Kind unterschied. Diese beiden Aliens jedenfalls wirkten nicht männlich oder weiblich. Möglicherweise waren sie ja eingeschlechtliche Kreaturen wie Regenwürmer, die sich auf völlig andere Art und Weise vermehrten. So genau kannte Sid sich da nicht aus, aber er hatte davon mal etwas in einem Science-Fiction-Film gesehen.

»Wir warten auf Ihre Entscheidung«, blieb der Fantan unerbittlich. »Sie sind willkommene Gäste. Diese Frau nicht.«

»Ich gehe in das Schiff«, rief Sid impulsiv. Diese einmalige Gelegenheit durfte er sich nicht entgehen lassen, auch wenn ihm bei der Vorstellung durchaus mulmig zumute war.

»Wir folgen Ihnen alle und akzeptieren Ihre Bitte.« Sid bewunderte Reginald Bulls gelungene Wortwahl. Indem er den Befehl hinsichtlich der Russin Michalowna als eine Bitte bezeichnete, deutete er die Situation völlig um. Das Ergebnis war zwar dasselbe, die Interpretation aber eine ganz andere. »Tatjana, geh zurück nach Terrania. Wir werden bald voneinander hören.«

Die Russin schaute ihn an und nickte langsam. Sid fragte sich, ob Bull ihr gleichzeitig eine konzentrierte gedankliche Botschaft übermittelte, die sie telepathisch in seinem Verstand lesen sollte. Sie drehte sich um und marschierte mit weit ausladenden Schritten zurück zur Stadt.

Sid und die drei anderen gingen an dem Fantan vorbei. Der Außerirdische roch nach herben Kräutern und irgendwie – ölig. Der Junge mochte es nicht. Der zweite Fremde, der bislang reglos im Schott des Spindelschiffs gestanden hatte, gab den Weg frei, und die kleine Gruppe betrat das Schiff, eine exotische, unbekannte Welt.

Etwas berührte Sid erst am Arm, dann an der Hand: Sues Finger. »Ich habe Angst«, flüsterte das Mädchen ihm zu.

Seine Antwort überraschte ihn selbst: »Ich auch.«

Skelir

Obwohl Skelir sich fürchtete, hoffte er, gehen zu dürfen.

Während sich Jenves und Rokarn als Erstversorger um die Abgesandten dieser Planetenbewohner kümmerten, saß er etliche Decks höher in dem kleinen Kasinoraum und spielte um sein Schicksal. Mit etwas Pech musste er Rokarns Platz einnehmen und sich um die Betreuung und Lieferung kümmern.

Jenves, den Bedauernswerten, hatte es auf jeden Fall getroffen; sein Befehl lautete, in der SREGAR-NAKUT zu bleiben. Aber das letzte Besun-Boot im großen Hangar stand kurz vor dem Aufbruch und wartete noch auf einen Passagier. Es blieb nur die Frage, ob Rokarn oder Skelir auf die Jagd nach Besun gehen durfte. Der andere würde mit Jenves zurückbleiben und lästige Formalitäten erledigen müssen.

»Dein Einsatz, bitte«, schnarrte die blecherne Stimme der alten Positronik. »Das Wahlspiel beginnt.«

»Bin ich nicht schon genug gestraft?«, antwortete Skelir und wusste genau, wie die seelenlose Maschine auf diese allgemein gehaltene Beschwerde reagieren würde. Und richtig, er täuschte sich nicht.

»Eine Verkrüppelung verändert die Pflichten eines Fantan nicht, solange er voll einsatzfähig bleibt. In deinem Fall trifft dies zu. Der Verlust von zwei Extremitäten schränkt dich nicht ein, einfache Dienste kannst du nach wie vor reibungslos abwickeln.«

»Ja! Ich verstehe. Die Regeln sind mir bekannt, also hör auf!« Bei Skelir weiteten sich die Schuppen am Hinterleib, wenn er dieses phrasenhafte Geschwätz vernahm. Er hatte es schon tausend Mal gehört. Manchmal wünschte er der Positronik, dass sie erleben musste, wie es sich anfühlte, verstümmelt zu werden! Zu dumm, dass eine Maschine derlei nicht durchmachen konnte einschließlich sämtlicher Schmerzen und Gefühle und der Qual, die im weiteren Leben wartete –und inklusive der Angst vor dem, was zugleich als Einziges seine Selbstverachtung ein wenig minderte: Besun.

»In diesem Fall, wenn du die Bestimmungen kennst«, tönte es vom Spieltisch, »deinen Einsatz, bitte.«

Skelir dachte einen Augenblick daran, das Akustik-Ausgabefeld zu zertrümmern. Aber was hätte das geändert? Über seinen Einsatz hatte er im Vorfeld lange nachgedacht. Er spekulierte hoch, versuchte aber gleichzeitig, den potenziellen Verlust am möglichen Nutzen abzuwägen. »Besun Nummer 22-Nullsechs-74 aus meinem persönlichen Besitz«, eröffnete er mit seinem ersten und zugleich einzigen Spielzug.

»Rokarn hat bereits 03-Elf-77 geboten.« Eine Sekunde Pause. Die Auswertung lief. »Damit hast du verloren. Ich informiere Rokarn, dass er das Schiff im letzten Boot verlassen darf. Du wirst mit Jenves die aktuelle Notbesatzung an Bord bilden und dich um die Abgesandten der Planetenbewohner kümmern.«

Skelir ließ sich auf all seine vier verbliebenen Gliedmaßen nieder und nutzte sie als Beine. Na wunderbar. Die Angst verschwand augenblicklich, aber zufrieden war er trotzdem nicht. Die leidige Pflicht fiel mal wieder ihm zu. Und das ausgerechnet mit Jenves, der nicht gerade der angenehmste und amüsanteste aller möglichen Partner war.

Aber das Wahlspiel hatte entschieden, daran gab es nichts zu rütteln. Die Stallwache fiel ihnen beiden zu. Skelir beschloss, das Beste daraus zu machen. Ein wenig Optimismus schadete nicht.

Er verließ den Kasinoraum und machte sich auf den Weg. Den Korridor so leer und verlassen vorzufinden verstärkte seine Trübsal, weil es ihn daran erinnerte, dass fast alle anderen bereits unterwegs waren. Eine neue Welt, eine neue Spielwiese, herrliche Möglichkeiten für Besun.

Die Beleuchtung im gesamten Raumer stand auf Notbetrieb, auch in diesem Zentralkorridor herrschte dämmriges Halbdunkel. Erst als Skelir in den Bereich des ersten Sensors trat, flammte Helligkeit rund um ihn auf. Der Korridor verlief schnurgerade, der verkrüppelte Fantan blickte in dunkle Abschnitte vor ihm, die im Zwielicht verschwanden.

Bald erreichte er den Lageplatz einiger kleiner flugfähiger Transportroboter; praktische Überbleibsel ihres vorletzten Besuchs der Welt. Man hatte sämtliche alten Einmann-Schwebeplattformen zur raschen Fortbewegung im Schiff damit ersetzt.

Skelir versuchte sich an den Namen der Herkunftswelt zu erinnern, doch er wollte ihm partout nicht einfallen. Jedenfalls waren die Nischen der Reinigungsroboter von den Bauarbeitern an Bord extra modifiziert worden, sodass die Transportroboter dort Platz fanden. Dostis – so hatten die Erfinder dieser vorletzten Welt die kleinen Maschinen genannt, das wusste er noch genau. Aber wie hieß doch gleich der Planet?

Egal.

Er bestieg einen Dosti und ließ sich in den Passagiersitz sinken. In diesem Bereich waren einige Modifikationen nötig gewesen, um die Einheiten den Bedürfnissen eines Fantan anzupassen, aber das war hervorragend gelungen. »Besucherhalle«, nannte er sein Ziel und schaltete mit einer routinierten Bewegung sowohl die Wärmefunktion als auch den Pflegemodus ein.

Der Dosti flog los, während kühler Wasserdampf, gelenkt von variablen Düsen, Skelirs feine Schuppen säuberte. Winzige Symbiontentiere, kaum bakteriengroß, sorgten für eine perfekte Durchblutung. Die alte Weisheit, die viel Besun mit vielen Annehmlichkeiten gleichsetzte, entsprach durchaus der Wahrheit.

Vor ihm erhellte sich ein neuer Bereich des Korridors. Weil Skelir schnell vorankam, sprang Beleuchtung um Beleuchtung in raschem Rhythmus an, wenn er in die jeweilige Sensorerfassung hineinflog, bis der Dosti schließlich in einen Vertikalschacht einschwebte. Die Antigravwirkung zog ihn tiefer, bis zur untersten Ebene.

Noch im Schacht beendete der Transportroboter die Reinigung und schaltete für wenige Sekunden in den Rüttelmodus. Skelir erhöhte die Intensität und genoss diesen letzten Moment der Ruhe, ehe er sich mit diesen – wie hießen sie doch gleich – Terranern auseinandersetzen musste.

So nannten sich die Bewohner wohl erst seit Kurzem, aber diese Bezeichnung tauchte in unendlich vielen Funk- und Nachrichtenbotschaften auf. Der ganze Planet stand geradezu kopf, und die lächerlichen Einzelstaatenregierungen befeindeten sich in einem unüberschaubaren Netzwerk an Intrigen und offenen Konflikten gegenseitig. Dennoch hielten sich die Bewohner dieser Welt für etwas Besseres, und das nur, weil sie ein wenig Arkonidentechnologie zum Spielen gefunden hatten. Stümper! Die Fantan waren ihnen weit voraus.

Auf dem Schweberoboter verließ Skelir den Antigravschacht, raste der Besucherhalle entgegen und übernahm kurz vor dem Ziel die Steuerung selbst. Er bugsierte die Maschine in die letztmögliche Nische mitten im Pflanzenareal, stieg ab, streckte sich und staunte erneut darüber, wie gut eine Dosti-Reinigung tat. Er fühlte sich frisch und belebt, und es kam ihm sogar so vor, als würden seine Schuppen die ätherischen Öle in der Luft besser aufnehmen als sonst.

Vor der Schleuse, die in die Besucherhalle führte, wartete bereits Rokarn. »Möge dir viel Besun beschieden sein«, zitierte dieser die alte Segnungs- und Höflichkeitsfloskel, allerdings in einem Tonfall, der genau das Gegenteil ausdrückte. Die nächsten Worte klangen da wesentlich ehrlicher: »Wird auch Zeit, dass du auftauchst! Ich darf nicht gehen, ehe du mich ablöst.«

»Ich kenne die Regeln!« Skelir kam sich vor, als müsste er sich schon wieder mit der seelenlosen Schiffspositronik auseinandersetzen, was seine Laune um einiges trübte. »Es ging nicht schneller. Wo ist Jenves?«

»Na, wo wohl? In der Halle, bei den anderen.«

»Fünf dieser Menschen sind an Bord, richtig?«

»Vier. Eine war nicht Besun.«

»Warum hat mich niemand darüber informiert?«

Rokarns Sehmulden schrumpften zusammen. »Woher soll ich das wissen? Ich verschwinde jetzt.«

»Möge dir viel …«

»Ja, ja.« Der andere eilte davon und bestieg, ohne um Erlaubnis zu bitten, den Dosti, den sich Skelir für den Rückweg geparkt hatte. Auf ihn warteten die herrlichsten Abenteuer.

Ganz im Gegensatz zu Skelir. Aber er würde das Beste aus seiner Situation machen und nicht an den Abscheu denken, den er vor sich selbst empfand. Skelir, das verkrüppelte Etwas, das sich vor dem fürchtete, was jeden Fantan im Grunde seines Wesens bestimmte.

Er durchquerte die Schleuse, die stets für die nötige Dekontaminierung sorgte, wenn Besun von draußen ins Schiff kam.

Gleich darauf sah er zum ersten Mal einen Menschen von Angesicht zu Angesicht. Wobei deren Angesichter durch extreme Hässlichkeit glänzten wie bei sämtlichen humanoiden Lebensformen. Arkoniden waren da auch nicht besser, besaßen aber meistens immerhin den Anstand, große Teile ihres widerlichen Schädels mit langen Haaren zu verdecken.

Anders diese Menschen. Vor allem derjenige, der sich offenbar als Anführer betrachtete. Er trug auf dem Kopf nur einen roten Flaum, ähnlich wie bei einem neugeborenen Vogel, nur weniger flauschig. Eigentlich mochte Skelir ja Vögel; eins dieser Tiere war sein allererstes Besun gewesen. Aber dieser Terraner war ihm gleich unsympathisch.

Sein Blick wanderte weiter zu dem kleinsten der Planetenbewohner. Er stockte. Den typisch humanoiden Merkmalen zufolge war dies ein weibliches Kind, aber es unterschied sich von seinen Begleitern. Ihm fehlte etwas.

Genau wie mir … Er, Skelir, besaß nur vier Extremitäten, dieses Mädchen nur einen Arm, anders als die übrigen Menschen mit ihrem hässlichen Körperaufbau, der sich in der Leibesmitte längs spiegeln ließ.

Was er mit dieser Erkenntnis anfangen sollte, wusste er noch nicht, aber es weckte sein Interesse an diesem Mädchen. Und seinen Abscheu.

Vielleicht war es doch gut, dass er das Wahlspiel verloren und zur Stallwache bestimmt worden war.

Vielleicht war es besser, als in einem Boot über den Planeten auszuschwärmen.

Vielleicht fand er genau hier das beste Besun seines Lebens.

6.

Rico:

Erinner- und Erneuerung

Ich verleibte mir den Kadaver des Dschiggetai vollständig ein. Anders als im Fall der Insekten gelang mir nur eine Verwertung von knapp über 97 Prozent, aber ich war zufrieden. Zurück blieb etwas Staub aus den knöchernen Bestandteilen, denen ich jegliche Feuchtigkeit und durch einfache Materieumwandlung auch Aminosäuren und Ballaststoffe entzog.

Die körperliche Regeneration schritt gut voran. Die Autoreparaturmechanismen mussten nur noch auf niedrigem Niveau arbeiten, das meiste lief nun, einmal angestoßen, wie von selbst. Die biologischen Fremdstoffe wandelten sich zu Fleisch, wie es zu einem Menschen gehörte. Das interne Aderngeflecht bildete sich in weiten Teilen bis zum feinsten Netz aus. Die Verbindung mit dem Lungensystem stand kurz vor dem Abschluss.

Im Bereich des organischen Gehirnanteils fehlte noch die Feinjustierung, doch das war nicht anders zu erwarten gewesen. Hier lag die größte Schwierigkeit, da die zugrundeliegende Struktur höchste Komplexität besaß.

Ich blieb zunächst reglos mitten im Wüstensand stehen.

Der Erinnerungsspeicher brachte eine Fülle von Informationen aus der Tiefe zum Vorschein: Manche bezeichnen die öden Steinwüsten der Gobi als han-hai, was so viel bedeutet wie trockener See. Die ausgetrockneten Sandgebiete werden in der heimischen chinesischen Sprache Shamo genannt, weshalb sich in der jüngsten Generation ein Sprachwandel andeutet, der die Gobi nach diesem Wort benennt. Ein Verbund aus Lokalhistorikern und Sprachwissenschaftlern setzt sich dafür ein, dass die Regierung diese Bezeichnung nicht offiziell anerkennt. Sogar die Namen der maßgeblichen Professoren tauchten aus der Tiefe des Vergessens auf.

Unwesentlich.

Es musste mir gelingen, die relevanten Informationen aus der Masse herauszufiltern. Wahrscheinlich würde das erst mit der Aktivierung meines Biohirns und der synchronen Verknüpfung der Speichereinheit möglich werden. Darauf setzte ich meine Hoffnung, die sich auf vorherige Erfahrungen stützte.

Einige Stunden vergingen, und ich verwandelte die Helligkeit und Wärme der Sonne in Energie. So produzierte ich mit dem internen Kreislauf der Nebenkammer im robotischen Herzen Sauerstoff. Dieser verteilte sich über das neue Adern- und Nervengeflecht in die Speicherdepots. Noch konnte ich die Aktivität der einzelnen biologischen Zellen allerdings nicht zünden. Die Analyse ergab, dass ein grundlegender Stoff auf molekulargenetischer Ebene fehlte.

Ich dachte nach. Han-hai, der trockene See. Es gab in der Gobi an einigen Stellen tatsächlich Seen. Salzseen. Der momentan bekannteste auf diesem gesamten Planeten war zweifellos der Goshun-See, den die vom Mond zurückkehrende STARDUST als Landebahn genutzt hatte. Ein solcher Salzsee enthielt mit etwas Glück exakt die Grundstoffe, die ich zur vollständigen Regeneration benötigte.

Der Goshun-See selbst kam nicht infrage; die Gefahr, dort entdeckt zu werden, war zu groß. Aufgrund der Position der momentan für ein menschliches Auge nicht sichtbaren Sterne bestimmte ich meinen exakten Standort und machte mich auf den Weg. Der nächstgelegene Salzsee war ein winziges, namenloses Etwas mit 0,02 Quadratkilometern Oberfläche. Mehr als ausreichend. Ob ich dort finden konnte, was ich benötigte, würde sich allerdings erst noch zeigen.

Ich marschierte los und hob unterwegs einige Steine auf, deren Materie ich nutzte, um metallische Innereien zu verfeinern. Drähte gewannen an Stabilität. Ein trockenes Gebüsch, das wohl seit Jahren dahintrieb, lieferte atomare Masse, die ich in Energie umwandelte. Der Prozess meiner Neuschöpfung ging zufriedenstellend voran.

Es wurde Abend, und es wurde Morgen, ein neuer Tag, und aus dem Dunkel schälte sich mit einem Mal ein Erinnerungsfetzen, dem ich größere Bedeutung zumaß als anderen: der Planet Venus, eine Anlage, genannt die Zuflucht. Dort erwachte ich zum ersten Mal nach – nach einer unbestimmten Zeit. Als Arkonide getarnt trat ich der Frau namens Thora und ihrer Begleiterin Tamika gegenüber.

Vor mir tauchte der winzige Salzsee auf. Ob ich hier das Leben und seine Bestandteile fand, die ich benötigte?

Das Wasser glitzerte rötlich und grün unter der starken Sonnenstrahlung. Ich tat den ersten Schritt in den See und fühlte etwas, das mich zutiefst verwirrte – einen Beweis dafür, dass die Justierungen meiner biotechnischen Hybridexistenz noch lange nicht vollendet waren: Ein scharfer Schmerz durchzuckte mich, ausgehend von meinen Füßen, genauer gesagt, von den Fußsohlen.

Ich trat zurück, setzte mich an das steinige Ufer und schaute auf die Quelle des Schmerzes. Ein tiefer Schnitt spaltete Haut und Fleisch, das sich gerade erst gebildet hatte. Da in den mittlerweile vollständig angelegten Adern noch kein Blut floss, ging keine wertvolle Biomasse verloren.

Bedächtig berührte ich die Verletzung. Das Fleisch fühlte sich warm an vom ständigen Kontakt mit dem überhitzten Boden und feucht vom salzigen Wasser des Sees. Ich drückte die Wundränder zusammen, das Heilungssystem verband sie rasch miteinander. Mit leisem Schmatzen quoll etwas eitrige Flüssigkeit hervor.

Ich hatte einen dummen Fehler begangen. Der Grund des Salzsees bestand aus scharfkantigen Kristallen. Eigentlich brauchte ich Schuhe als Schutz, doch derlei einfache Hilfsmittel standen mir nicht zur Verfügung. Die benötigten Salzkrebse würde ich allerdings eher in der Mitte des Sees finden, wo das Wasser weiter in die Tiefe reichte. Also blieb mir keine Wahl. Ich achtete darauf, das Schmerzzentrum zu blockieren, und ging in den See hinein.

Abruf Informationsspeicher Rico, Neuaktivierungsphase: Der Salzkrebs, oder auch Artemia Salina, ist das einzige höhere Lebewesen, das in einem Salzsee existieren kann. Er wird ein bis zwei Zentimeter groß und verfärbt sich je nach Salzgehalt immer mehr ins Rötliche. In Form von mehrzelligen Zysten kann er inaktiv mehrere Jahre in trockener, sauerstofffreier Umgebung überleben. Auch bekannt als Seeäffchen.

Das Fleisch hing in Lappen von meinen Fußknochen, was jedoch nicht weiter störte. Es würde sich leicht regenerieren. Viel wichtiger war, dass ich die nötigen Salzkrebse tatsächlich fand und sie mir dutzendfach einverleiben konnte. Einige Zystenstöcke lieferten die benötigten Grundsubstanzen des Lebens in reichhaltiger Form.

In meinen Schnittstellen zwischen Biomasse und Technologie speicherte ich sie ab, umschloss sie mit einer luftdichten Hülle und schuf immer wieder ein kleines Vakuum. Die Lebensenergie der Salzkrebse existierte nun in ihrer besonderen biologischen Nische, die diese Tierart einmalig machte. Eine ungewöhnliche, aber effektive Art, Informationen über die biotechnischen Verteiler laufen zu lassen: halb lebendig, halb tot. Halb Maschine, halb Lebewesen. So wie ich.

Nun besaß ich alle Grundstoffe. Zufrieden verließ ich den Salzsee, schaute meiner Heilung zu und schloss die noch offenen Körperkreisläufe. Das organische Gehirn aktivierte sich und verschmolz mit der Speichereinheit. Das Herz begann zu schlagen und pumpte frisch gebildetes Blut durch die Adern.

Die erste Frage, die ich mir am Beginn meiner neuen Existenz gestellt hatte, klärte sich binnen eines einzigen Lidschlags: Ich war jemand. Ich dachte, also war ich. Ich besaß nicht nur einen Namen, sondern war eine Person. Ein Konglomerat aus Technologie und Biologie, aus Maschine und Lebewesen: Rico.

In der nächsten Sekunde vervollständigte sich meine Erinnerung an die Zeit nach dem Erwachen in der Venus-Zuflucht. Mit der Arkonidin Thora war ich zur Erde gekommen – zurück zur Erde. Ich hatte ihr geholfen und war dabei getötet worden. Desaktiviert. Zerstört. Am Ende gab es nur noch meine verschmorten Einzelteile, die schließlich in dem Wüstenversteck landeten.

So klar jedoch all dies vor meinem geistigen Auge lag, damit endete es. Mein Gedächtnis blieb fragmentarisch und unvollständig. Was war vorher gewesen? Wie war ich in die Venus-Zuflucht gelangt? Ich wusste wieder, dass ich eine Verpflichtung erfüllen musste, dass diese von entscheidender Bedeutung war, für mich und … ihn. Darin lag der eigentliche Zweck meiner Existenz.

Aber ich konnte diese Aufgabe und ihre Zielsetzung nicht benennen. Je länger ich darüber nachdachte, desto mehr verschwamm alles. Aber gleichzeitig wuchs eine Sehnsucht in mir. Es zog mich zum Meer. Dort wartete meine Erfüllung.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
18+
Litres'teki yayın tarihi:
11 kasım 2024
Hacim:
1515 s. 10 illüstrasyon
ISBN:
9783845333847
Telif hakkı:
Bookwire
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