Kitabı oku: «Perry Rhodan Neo Paket 2: Expedition Wega», sayfa 16

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7.

Wega-Spaziergang

Perry Rhodan

Er schaute zurück. Die GOOD HOPE schwebte in wenigen Metern Entfernung als metallischer, kugelförmiger Koloss im Weltall. Einige der Zerstörungen, die der Mutant Iwan Goratschin vor allem in der äußeren Kugelschale angerichtet hatte, prangten noch immer deutlich sichtbar als Verformungen oder von innen abgeschirmte kleine Risse in der Metallhülle.

Das arkonidische Beiboot verblasste jedoch zur Bedeutungslosigkeit angesichts des gigantischen lodernden Balls der Sonne Wega, die aus Rhodans Blickwinkel den Rand des Kugelraumers gerade noch berührte. In Wirklichkeit lag sie Millionen von Kilometern entfernt.

Der Terraner beschleunigte den Kampfanzug. Das Schiff, seine einzige Heimat im Umkreis von fast dreißig Lichtjahren, eine Insel des Lebens, schrumpfte in raschem Tempo zu einem fingernagelgroßen, nur noch zu erahnenden Hauch zusammen – genau das Nichts, das es eigentlich inmitten der unendlichen Weiten des Alls war.

Rhodan wandte den Blick nach vorne, zu seinen Begleitern. Es war vereinbart, dass sie dicht zusammenblieben, maximal fünf Meter voneinander entfernt. Nur er selbst war vor diesem Einsatz bereits mit einem dieser arkonidischen Kampfanzüge geflogen, und doch bildeten diese auch für ihn nicht weniger ein technologisches Wunderwerk als für Darja Morosowa, Anne Sloane und Ras Tschubai.

Auf den ersten Blick waren sie klobig, völlig anders designt als irdische Raumanzüge, und ihnen auf einer grundlegenden Ebene zumindest optisch ähnlich. Ein arkonidischer Kampfanzug wog 50 Kilogramm und lag – solange man ihn nicht per Antigravfunktion flog – schwer auf dem Körper. Das hohe Gewicht resultierte vor allem aus den leistungsstarken Energiespeichern, die unter anderem zeitlich beschränkt einen voll funktionsfähigen Schutzschirm projizieren konnten.

Das integrierte Pulsatortriebwerk ermöglichte darüber hinaus unter irdischen Bedingungen eine Flugreichweite von maximal 20.000 Kilometern. Deshalb war die GOOD HOPE bis auf etwa dreitausend Meter an die Rettungskapsel herangeflogen. Für die Raumanzüge stellte ein Flug dorthin eine Sache von wenigen Augenblicken dar.

Die Anzugpositronik ließ sich intuitiv steuern; zumindest die russische Kosmonautin Darja Morosowa zeigte von Anfang an ein großes Geschick in der Bedienung. Im Fall von Sloane und Tschubai sah es anders aus, sie schienen den nötigen Dreh nicht zu finden. Ihre Kampfanzüge liefen darum per Automatsteuerung synchron mit Rhodans Lenkimpulsen; er dirigierte die beiden Mutanten gewissermaßen durchs All. Erst direkt vor der Rettungskapsel des schiffbrüchigen Wega-Bewohners wollten sie auf selbstständige Steuerung umschalten.

Wenn – oder falls – sie nach Terrania zurückkehrten, würde Rhodan genau überlegen müssen, wen er mit dieser Technologie in praktischen Übungen vertraut machte. Für die Zukunft war es unentbehrlich, ein Team von Spezialisten an seiner Seite zu wissen – Spezialisten auf allen möglichen Gebieten.

»Alles in Ordnung?«, fragte Rhodan seine Begleiter per integriertem Helmfunk.

»Klar«, meldete Darja Morosowa.

Auch Ras Tschubai bestätigte, kurz danach Anne Sloane ebenfalls, allerdings mit zitternder Stimme.

»Wenn dir übel wird, musst du …«

»Nein«, unterbrach die Telekinetin. »Darum geht es nicht.« Sie wies mit ausgestrecktem Arm seitlich an Tschubai vorbei.

Rhodan folgte dem Hinweis – und erstarrte. Dort zog nicht nur der vierte Planet des Systems seine Bahn, eine nach Thoras Auswertung spärlich besiedelte Welt. Er stand so nah, dass sich Tschubais Gestalt komplett wie ein Scherenschnitt von ihm abhob. Neben ihm lag eines der filigranen Schiffe der Verteidigung unter Beschuss.

Alles spielte sich in der gespenstischen Lautlosigkeit des Alls ab. Energetische Entladungen zuckten um den Raumer. Der Schutzschirm flimmerte und flackerte. Blaue Lichtfinger jagten wie die Protuberanzen einer Sonne in die Schwärze, um sofort wieder zu erlöschen.

Rhodan nutzte die Orter des Kampfanzugs. Das tragische Geschehen ereignete sich fast tausend Kilometer weit entfernt. Er hörte den Atem der Telekinetin schwer und laut aus dem Lautsprecher seines Helmmikrofons. »Wir sind in Sicherheit, Anne. Für dieses Schiff sind wir nicht einmal ein Staubkorn.«

»Es sieht so nah aus.«

An den ungetrübten Blick im Vakuum des Alls musste man sich in der Tat zunächst gewöhnen. Dieses Umfeld verwirrte jedes ungeübte Auge, weil es völlig andere Bedingungen schuf als im Inneren der Erdatmosphäre.

Der kleine Rettungstrupp flog weiter. Der Anzugsrechner kannte die Position der Rettungskapsel unter Berücksichtigung seiner Flugbahn genau. Bald tauchte die winzige, allzu zerbrechliche Metallhülle vor ihnen auf.

Ehe sie diese erreichten, wandte Rhodan ein letztes Mal den Blick. Exakt in diesem Augenblick brach der Schutzschirm der beschossenen Einheit. Die längliche Schiffshülle barst unter einer gigantischen Explosion. Flammenspeere tanzten auf der entweichenden Schiffsatmosphäre und erstickten im Vakuum.

Rhodan empfand kaltes Grauen. Dort waren soeben zahlreiche Individuen gestorben. Er jedoch war mit seinen Einsatzpartnern unterwegs, um wenigstens einen einzigen Wega-Bewohner zu retten. Oder vielleicht auch eine Handvoll, falls es mehrere in die Rettungskapsel geschafft hatten. Viele konnten sich nicht darin aufhalten. Sie war ebenfalls eiförmig und maß nur fünf Meter im längeren Durchmesser.

Rhodan entließ Sloane und Tschubai dicht vor der Kapsel aus der gekoppelten Steuerung. Die vier Terraner schwebten im All. Nun zählte nur noch eins: in die Rettungskapsel zu gelangen. Das Rettungsteam stellte direkten Kontakt zueinander her.

»Ras«, sagte Rhodan. »Dein Einsatz.«

Ras Tschubai

Es war alles andere als einfach, im All zu schweben und einen gezielten Teleportersprung vorzubereiten. Dieser sollte zwar nur über eine Entfernung von wenigen Metern führen, aber gleich drei Personen zusätzlich transportieren – von vier arkonidischen Kampfanzügen mit einem Gewicht von insgesamt 200 Kilogramm ganz zu schweigen.

Ras Tschubai versuchte es, aber er versagte. Ihm fehlte die Kraft. Er selbst sprang zwar, doch seine Begleiter blieben zurück.

Verwirrt schaute er sich um. Er stand in einem winzigen Freiraum zwischen Maschinen, Metallblöcken und Aggregatblöcken, die buchstäblich jeden Millimeter der Wände und sogar der Decke bedeckten. Den Durchmesser des Raumes mit den leicht gewölbten Außenwänden schätzte er auf knapp drei Meter.

Den Maßen der kleinen eiförmigen Kapsel in ihrer Gesamtheit zufolge, vermutete der Teleporter, dass dieser Maschinenraum die komplette untere Hälfte der Überlebenseinheit einnahm. Während dort sämtliche Technologie der Rettungseinheit untergebracht war, befand sich über ihm wohl der Notraum, der die Flüchtlinge aufnahm.

Rund um Tschubai herrschte keine künstliche Schwerkraft; erst nach der ersten Orientierungsphase fiel ihm auf, dass er in seinem arkonidischen Anzug keinesfalls auf dem Boden stand, sondern in wenigen Zentimetern Höhe schwebte.

Er schaltete via Anzugsfunk eine Kommunikationsfrequenz zu Perry Rhodan, der sich, noch immer vor der Kapsel, wohl fragte, was mit dem Teleporter geschehen war. »Es tut mir leid. Normalerweise hätte ich es geschafft. Es muss die Situation sein, hier im freien All und – die Aufregung.«

»Du bist im Inneren der Rettungseinheit? Siehst du einen Schiffbrüchigen?«

Tschubai gab kurz Auskunft über den Aufbau dieser Kapsel und seine aktuelle Position.

»Spring in den oberen Raum und sieh nach, ob noch jemand am Leben ist«, bat Rhodan. »Wenn du Hilfe benötigst …«

»… werde ich einen von euch holen. Mit einem einzelnen Begleiter kann ich auf jeden Fall springen.« Sogar jetzt. Er beendete das Gespräch und teleportierte erneut.

Das Bild seiner Umgebung wechselte von einem Augenblick auf den nächsten. Statt auf Technologie starrte er in die blaue Fratze eines Toten.

Die Augen standen offen, und die rechte Körperhälfte war vom Hals an abwärts schrecklich verbrannt. Die unversehrt freiliegende Haut war, genau wie das Gesicht, von sattblauer Farbe.

Wie hypnotisiert starrte er auf die Gestalt.

Abgesehen von der Hautfarbe hätte dieser Tote glatt ein Mensch sein können, ein recht wohlgenährter Mann, soweit es sich erkennen ließ. Er saß, gehalten von einem Gurt, der über die Oberschenkel verlief, in einem Sitz, dessen Oberfläche wie billiges graubraunes Plastik wirkte.

Weder Gurt noch Sitz wiesen die geringste Beschädigung auf. Der Blauhäutige musste die schrecklichen Verbrennungen also schon vor Betreten der Rettungskapsel erlitten haben. Ein Wunder, dass er sie lang genug überlebte, um die Rettungseinheit aufzusuchen.

Mühsam riss sich der Teleporter los, schaute jetzt erst nach, wogegen er gestoßen war: die Lehne eines zweiten Sitzes, genau baugleich mit dem der Leiche. Auch dieser war belegt; wohl ebenfalls von einem Toten, sonst hätte sich der Fremde nach dem Auftauchen des Eindringlings längst bemerkbar gemacht. Eine äußere Verletzung konnte Tschubai allerdings nicht feststellen.

Er erfragte bei der Anzugpositronik per Sprachbefehl den Sauerstoffgehalt der Luft in der Rettungskapsel und erfuhr, dass dieser äußerst gering war; es gab ein winziges Leck, kaum stecknadelspitzengroß, durch das die Atmosphäre entwich. Nach Thoras Informationen lebte das Volk der Wega-Bewohner in Sauerstoffatmosphären wie die Menschheit. Vielleicht war dieser Fremde deshalb in der Rettungseinheit kläglich erstickt, während er auf Rettung wartete.

Eine dritte Person gab es nicht in der Rettungskapsel, der letzte Sitz war leer.

»Mission gescheitert«, teilte Tschubai seinen Begleitern mit. »Zwei Außerirdische in der Kapsel, beide sind …« Er brach mitten im Satz ab.

»Ras?«, fragte Anne Sloane. »Was ist mit dir?«

Der sudanesische Teleporter starrte auf die zweite Leiche. Oder auf den Mann, den er für tot gehalten hatte. Die blauen Finger bewegten sich leicht. Ein gehauchtes Wort in unverständlicher Sprache tropfte dem Blauhäutigen über die Lippen. Sein Mund stand halb offen. Die Hand hob sich langsam, wie in Zeitlupe, legte sich auf den Hals. Dabei riss er den Mund noch weiter auf.

Tschubai verstand, dass der Fremde versuchte, Luft zu holen, zu atmen, um nicht endgültig zu ersticken. Wahrscheinlich war er zuvor in einen ohnmachtsähnlichen Zustand gesunken und erst durch Tschubais Auftauchen noch einmal erwacht, ein letztes Mal vor dem schleichenden, qualvollen Tod.

Der Teleporter durfte keine Zeit verlieren, musste alles auf eine Karte setzen. Er nahm Verbindung mit Thora auf. »Geben Sie mir die exakte Position der GOOD HOPE!«

Zum Glück stellte die Arkonidin keine unnötigen Rückfragen. Wahrscheinlich hörte sie an seinem Tonfall, dass es sich nicht um eine Routinefrage handelte. »Ich übermittle die Positionsdaten von nun an laufend an Ihre Anzugpositronik. Es bestehen momentan genau 3129 Meter Entfernung zur Kapsel.«

Drei Kilometer. Eine elend große Distanz. Aber wenn Tschubai dieser Teleportersprung nicht gelang, würde der blauhäutige Fremde sterben. Denn er musste atmen – sofort. Und das konnte er nur an Bord der GOOD HOPE. Wenn er nicht bald dorthin kam, erstickte er kläglich.

Tschubai stellte direkten Körperkontakt her, indem er seine schwarzen Finger auf die blaue Handoberfläche des Fremden legte. Er studierte die genaue, sich sekündlich aktualisierende Positionsanzeige der GOOD HOPE, die die Anzugpositronik an die Innenseite der Sichtscheibe projizierte.

Der Teleporter konzentrierte sich. Jede noch so kleine Abweichung vom Ziel würde für den anderen den sofortigen Tod bedeuten. Ungeschützt im Vakuum des Alls konnte keiner überleben. Das Innere der GOOD HOPE jedoch bot diesem Fremden eine Chance.

Alles oder nichts. Tschubai versuchte sämtliche Kraft zu bündeln – und teleportierte.

8.

Besun

Skelir

Der Mensch mit dem kurzen roten Flaum betonte, dass es in seiner Kultur eine Frage der Höflichkeit wäre, fremden Gesprächspartnern seinen Namen mitzuteilen. »Mein Name ist Bull«, sagte er im Anschluss, »Reginald Bull.«

Danach hörte Skelir die Bezeichnungen Eric Manoli und Sid González, doch er gönnte diesen Individuen nur einen beiläufigen Blick. Nur das Kind zog sein Interesse auf sich, das unvollständige Mädchen, so fremd und doch ihm ähnlich. Genauso falsch wie er. »Sue Mirafiore«, stellte es sich vor.

»Als Zeichen unseres guten Willens wollen wir diesem Brauch auf Ihrer Welt folgen, auch wenn er ineffektiv und eigentlich indiskutabel ist.« Nach dieser für ihn typisch umständlichen Einleitung offenbarte Jenves seine Identität. »Neben mir sehen Sie meinen Stallwache-Kollegen Skelir.«

»Können wir mehr von diesem Schiff sehen, ehe wir uns weiter unterhalten?«, fragte der Mensch namens Bull.

Skelir erkannte an der Art, wie Jenves die Schuppen rund um die Höröffnung sträubte, dass er auch diesen Wunsch erfüllen wollte, und ergriff rasch das Wort. »Diese Halle ist speziell für Besucher gedacht. Wir würden die nötigen Formalitäten gerne hier erledigen.«

»Sollen wir weiter hineinspringen?«, fragte der Terraner namens Sid González, ein jämmerlich dürres Ding, das noch schlechter aussah als seine Begleiter.

Bull drehte seine hässliche Kopfsektion in raschem Rhythmus von der linken zur rechten Schulter und zurück. Laut den kulturellen Studien, die der Landung der SREGAR-NAKUT vorausgegangen waren, stellte dies eine für Fantan-Verhältnisse unnötig umständliche Geste der Verneinung dar.

Derweil fragte sich Skelir, was der Jungmensch namens González mit seinen Worten auszudrücken versuchte. Springen? Überhaupt war er sich über den Status dieses Terraners nicht im Klaren. Ein Kind schien er nicht zu sein, aber auch kein ausgereifter Mensch. Offenbar befand er sich in einem Zwischenstadium, das der Fantan-Mittelreife entsprach.

Skelir wollte nicht länger darüber nachdenken. Er richtete seine Sehlöcher auf Sue Mirafiore aus und weitete sie. »Du bist unvollständig«, brachte er den Kern all seiner Empfindungen auf den Punkt. »Dir fehlt etwas.«

Sue hob ihre rechte Hand und legte sie auf den Stumpf des linken Armes, der dicht unterhalb der Schulter endete. Offenbar versuchte sie, die Versehrung damit vor den Blicken der Fantan zu verbergen, obwohl ohnehin Kleidung den kümmerlichen Überrest verbarg, als könne man es nicht sowieso augenblicklich bemerken. Ihr ganzes Gesicht schien zu versteinern, als sie sagte: »Ja.« Danach gab es ein leicht zischendes Geräusch, als sie den Atem ausstieß. Keine Sekunde später fügte sie hinzu: »Aber zum Glück fehlt mir nur eine Gliedmaße.«

Skelir nahm verblüfft zur Kenntnis, dass Sue der emotionalen Analyse des Translators zufolge zwar Verärgerung, aber nicht Abscheu zeigte. »Eine interessante Antwort.« Das Mädchen hatte schnell begriffen und erkannt, dass Skelir ebenfalls verstümmelt war. Nicht selbstverständlich, wo sie doch im Umgang mit Fremdvölkern nicht geübt war und aufgrund ihrer Fremdartigkeit ein Fantan für sie wie der andere aussehen musste. Derartige Ignoranz stellte er gerade bei humanoiden Völkern immer wieder fest.

»Wie hast du deinen Arm verloren?«, fragte er.

In Sues Gesicht zuckte es. Ein leise knirschendes Geräusch drang aus dem geschlossenen Mund.

»Das ist eine Frage, die sie nicht beantworten will und kann!«, rief der Jungmensch namens Sid González.

»Es tut nichts zur Sache!«, behauptete auch Reginald Bull.

Skelir nahm es hin; dann würde er seine Geschichte ebenfalls nicht berichten. Allerdings hoffte er, demnächst ungestört mit Sue sprechen zu können. Ekelerregend, und doch …

Er zog sich aus dem Gedankenstrudel. Ein Treffen ließ sich zweifellos einrichten. Wer sollte ihn schon daran hindern? Für den Moment wandte er sich an den Mann, der sich als Bull bezeichnete. »Sie sind also der Anführer der Menschen, dass Sie sich hier zum Redeführer aufschwingen?«

»Ja«, antwortete dieser, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern.

Der Fantan machte sich einen Spaß daraus, weitere Fragen zu stellen, als würde es ihn tatsächlich interessieren. »Wohin führen Sie sie?«

Diesmal zögerte Reginald Bull, suchte offenbar nach einer Antwort, die ihm passend erschien.

Ehe er sie fand, warf Skelir nach: »Was ist Ihr Titel, erhabener Anführer der Humanoiden, die sich Terraner nennen?«

Bull legte die Hände zusammen, verschränkte die Finger ineinander. »Systemadmin…«, flüsterte er, schüttelte den Kopf und sagte entschlossen: »Großadministrator.«

»Wie groß?«, hakte Skelir sofort nach.

»Was soll der Unfug?«, rief Sid González. »Diese Fragen sind lächerlich!« Funken tanzten vor seinem Körper. Es sah aus, als würden sie direkt aus seinen Fingerspitzen sprühen.

Eine höchst interessante Entdeckung. Mit einer beiläufigen, für die Menschen zweifellos undeutbaren Geste wies Skelir seinen Partner Jenves darauf hin. Dieser deutete ihm, dass er es ebenfalls bemerkt und bereits eine energetische Messung veranlasst hatte. Auf dieses Ergebnis war der Fantan gespannt. Schließlich musste man während einer Stallwache vieles bedenken und mit allem rechnen.

»Darf ich noch einmal die Bitte äußern, in weitere Teile des Schiffes eingelassen zu werden?«, fragte Reginald Bull. »Oder, wenn das nicht gewünscht ist, nun auch Ihnen einige Fragen stellen zu dürfen. Etwa, warum die SREGAR-NAKUT auf der Erde gelandet ist und wieso Beiboote ausgeschwärmt sind. Wir wissen nichts über das Volk der Fantan und …«

»In Ordnung«, unterbrach Skelir, der keinerlei Lust empfand, sich mit solchem Unsinn zu beschäftigen. Was glaubten diese Besun überhaupt, wer sie waren? Musste etwa ein Bovir-Kalb erklärt bekommen, weshalb man es schlachtete? Oder fragte der Gelbkohl nach dem Grund, warum man ihn aß? Reginald Bull hatte mit seinen Worten allerdings selbst einen akzeptablen Ausweg formuliert, ohne es zu bemerken. »Wir werden Ihnen unser Schiff zeigen.«

Kam es ihm nur so vor, oder sah Bull durchaus zufrieden aus?

Reginald Bull

Bull war zufrieden; unter diesen Umständen wertete er es als akzeptablen Erfolg, den Fantan mit einem einfachen Trick dazu gebracht zu haben, sie durch das Schiff zu führen. Dieser Skelir hatte genau nach dem Strohhalm gegriffen, den Bull ihm hingehalten hatte.

Was der Alien eine Halle für Besucher genannt hatte, stellte angesichts der Gesamtgröße dieses Spindelraumers wohl eher eine Art kleinen, ungenutzten Lagerraum dar. Stumpfgraue Metallwände bildeten das Innere eines Würfels mit einer Kantenlänge von etwa sechs Metern.

Im Boden vor dem Außenschott gab es tiefe Kratzer, als wären Tierkrallen mit einer solchen Gewalt darübergeschrammt, dass sie sich sogar in das Metall bohrten. Das Einzige, was Bulls Aufmerksamkeit sonst noch auf sich zog, war der Übergang in die eigentlichen Schiffsbereiche; eine Tür ohne sichtbaren Öffnungsmechanismus. Dorthin führten die beiden Fantan ihre Besucher.

Die Tür wich automatisch zurück, als Skelir sich ihr näherte, und gab den Blick auf einen Zwischenraum frei. »Dies ist ein Schleusenraum, der der Dekontaminierung dient«, erklärte Jenves. »Sie werden davon nichts spüren. Sämtliche Besun geht aus naheliegenden Gründen durch eine entsprechende Schutzvorrichtung.«

»Was ist Besun?« Bull erhoffte sich auf seine Frage keine Antwort. Nach der kurzen Zeit ihres bisherigen Kontakts war bereits überdeutlich, dass dieser Begriff für die Fantan zentrale Bedeutung besaß; mehr noch, es kam ihm vor wie der Dreh- und Angelpunkt ihrer gesamten Existenz. Wie nicht anders erwartet, ignorierten die beiden Außerirdischen die Worte völlig.

Der Schleuseneingang schloss sich hinter ihnen, ein leiser Summton erklang gleichzeitig mit einem intensiven bläulichen Lichtblitz, und der Ausgang zischte zur Seite. Dahinter erstreckte sich ein Korridor, der das glatte Gegenteil der so genannten Besucherhalle bildete.

Pflanzen wucherten in tausend Behältnissen; mit Blättern, wie Bull sie nie zuvor gesehen hatte. Blau, rot, gelb, sogar ein tiefes Schwarz, vermischt mit leuchtendem Weiß und einer Farbe – Bull wusste nicht, ob er es überhaupt so nennen sollte –, die sich seiner Wahrnehmung entzog und ihn schwindeln ließ.

Dazwischen leuchteten Blüten hell wie eine Neonröhre. Als sich Sid zu einer dieser grellen Blumen beugte, erlosch diese und nahm eine stumpfgraue Färbung an, wirkte wie verdorrt. Sogar einige graue Flocken schwebten wie Asche in die Tiefe.

Sue seufzte enttäuscht. Der Anblick schien sie verwirrend schwer zu treffen.

»Gefällt dir die Scheue Sternenkämpferlilie?«, fragte Skelir. »Es gibt nur noch wenige Exemplare.«

Das Mädchen sah erschrocken aus, packte Sid und zerrte ihn mit sich einen Schritt zurück. Einen Lidschlag später erstrahlte das Grau der Blütenblätter erneut in leuchtender Helligkeit.

»Sie ist hübsch«, erwiderte Sue. »Bezaubernd schön.« Langsam streckte sie die Hand aus, und diesmal erlosch die Blume bei der Annäherung nicht, sondern öffnete ihren Blütenkelch noch weiter. Plötzlich erklang ein heller, singender Ton wie von einem im Wind klingenden Glockenspiel, und Blütenstaub tanzte in der Luft.

Sue lächelte.

»Komm zurück«, forderte Eric Manoli. »Wir wissen nicht, ob …«

»Die Sternenkämpferlilie ist nicht gefährlich«, behauptete Sue.

Skelir eilte zu ihr und packte sie mit einer seiner Armextremitäten. Er zog sie mit sich, doch Sue sträubte sich, lehnte sich dagegen auf. Als der Fantan ruckartig fester an ihr zerrte, stolperte das Mädchen und fiel mit dem Armstumpf gegen den feingeschuppten Zylinderleib. Sue ächzte und wand sich im Griff des Außerirdischen.

Da war bereits Sid heran und hob drohend seine Stimme: »Lassen Sie sie los!«

»Sid«, sagte Bull scharf, der sich nur zu gut vorstellen konnte, wie der Junge in plötzlichem Zorn mit bloßen Fäusten auf den Fantan losging – falls er nicht sogar ein Messer oder eine ähnliche Waffe mit an Bord geschmuggelt hatte. Bei Sid wusste man nie. Eine derartige Eskalation musste er um jeden Preis vermeiden. »Bitte, Skelir, wir wollen keinen Ärger.«

Der Außerirdische löste seine Umklammerung und entfernte sich von Sue. »Es besteht keine ernsthafte Gefahr. Die Scheue Sternenkämpferlilie kann durch ihren hypnotischen Blütenstaub allerdings allzu leicht eine verzaubernde Wirkung ausüben. Vor allem sensible Gemüter humanoider Völker sprechen darauf an. Wir sind dafür jedoch nicht empfänglich.«

»Warum haben Sie sie dann an Bord?« Sids Frage klang wie eine Anklage.

Bull kannte die Antwort schon, bevor er sie hörte. »Besun«, sagte Jenves erwartungsgemäß.

Danach schwiegen alle und gingen weiter. Sie passierten eine breite, leer stehende Wandnische. Die verschiedenen Pflanzen rundum verströmten die unterschiedlichsten Düfte, die sich zu einem sinnverwirrenden Potpourri mischten. Mal süß wie nach Schokolade, mal unangenehm wie ranzige Butter oder verdorbener Fisch.

»Wie hat er sich angefühlt, als du auf ihn gefallen bist?«, hörte Bull Sid flüstern.

Sue zögerte mit einer Antwort. »Ölig«, sagte sie schließlich, aber sie klang nicht sonderlich überzeugt. »Wie eine Schlange.«

»Schlangen sind trocken und rau.«

Sue atmete tief durch. »Dann eben so, wie ich mir eine Schlange vorstelle.«

Irgendwann endete die Reihe der Pflanzengefäße, und mit einem Mal waren die Wände selbst von einer Art Farn überwuchert. Die Blätter bedeckten über viele Meter weit nahezu die komplette Fläche, nur vereinzelt lugte das Metall hindurch. In diesem Bereich roch die Luft frisch, fast, als würde man am Meer stehen. Nur der salzige Geschmack auf den Lippen fehlte.

Skelir, der vorausging, wandte sich plötzlich zur Seite, und eine Tür, die Bull zuvor nicht bemerkt hatte, wich leise zischend beiseite. »Treten Sie ein.«

Die kleine Gruppe folgte der Aufforderung, und im nächsten Moment glaubte sich Reginald Bull in ein bizarres Wunderland versetzt. Sie standen in einer Lagerhalle, ähnlich dem Raum, über den sie in das Schiff geschleust worden waren; allerdings bedeckten Regale die Wände, und auf fast jedem Zentimeter des Bodens erstreckten sich gläserne Vitrinen. Dazwischen blieb nur wenig Freiraum, gerade breit genug für den Zylinderleib eines Fantan.

»Das gibt's nicht!«, raunte Sid, und Reginald Bull glaubte mit einem Mal endgültig zu verstehen, was das mysteriöse Wort Besun bedeutete.

Skelir

Während die vier Terraner den Raum betraten, ging eine Nachricht ein, und die Botschaft stürzte Skelir in weitere Verwirrung.

Rokarn meldete sich über Bordfunk und implantiertem Empfänger bei ihm; eben jener Rokarn, gegen den er das Wahlspiel verloren hatte. »Es gibt immer noch Verzögerungen beim Start des letzten Boots. Genauer gesagt: Es ist vollständig defekt durch einen Verschleißfehler im Antrieb. Als Alternative steht nur ein Einmannboot ohne automatische Steuerung zur Verfügung. Stufe vier erforderlich.«

Mehr musste er nicht sagen, Skelir verstand auch so. »Da du nur über Stufe drei verfügst …«

»… verzichte ich auf meinen Platz und übernehme die Stallwache. Du stehst nun in meiner Schuld.«

Das beurteilte Skelir zwar anders, aber das behielt er für sich. Mit Rokarn ließ sich nicht diskutieren. Außerdem wusste er nicht, ob er es als Glücksfall sehen sollte, denn sofort kehrte die Angst zurück. Dennoch musste er keinen Augenblick nachdenken und zögerte nicht mit der Antwort. »Ich nehme dein Angebot an. Von nun an teilst du dir mit Jenves die Verantwortung für die Sicherheit der Besun-Besucher

»Von Sicherheit war nie die Rede.«

Skelir dachte an das Mädchen Sue und ihren Armstumpf. »Neue Anweisung«, behauptete er.

Rokarn fragte nicht weiter nach, sondern unterbrach die Verbindung. Für ihn war es einfach. Seine Weltsicht lief in klaren, geordneten Bahnen ab. Er wusste nicht, was es bedeutete, verstümmelt zu werden und Besun ebenso zu fürchten wie zu achten und zu begehren. Skelir ließ zu, dass Jenves an ihm vorüberging und wie die vier Menschen die Halle betrat. Er hingegen blieb zunächst stehen.

Es galt, alles genau abzuwägen. Wie sollte es weitergehen? Mit dieser Situation, mit dem Mädchen Sue Mirafiore? Er legte sich einen Plan zurecht und trat entschlossen vor die Besucher. »Die Bedingungen der Stallwache haben sich geändert. Ich werde kurz die SREGAR-NAKUT verlassen. Jenves, mein Stellvertreter steht fest. Rokarn wird meinen Platz übernehmen, bis ich zurück bin.«

Der Mensch namens Reginald Bull stand mit ausgebreiteten Armen vor den ersten Vitrinen. »Was soll das alles hier? Und wie kommen Sie dazu, Beiboote auszuschicken? Was planen Ihre Leute? Ich will eine Antwort!«

»Sie vergessen, wer und was Sie sind!«, rügte Skelirs Stallwache-Partner.

»So? Wer und was bin ich denn?« Er blickte seine Begleiter an. »Vielleicht sollten wir das Schiff verlassen!«

»Halten Sie das wirklich für möglich?« Jenves gab einen Befehl, und ein Kampfroboter trat aus der Nische am gegenüberliegenden Ende der Halle. Er musste seine Waffen nicht aktivieren – die Botschaft war auch so deutlich genug.

Erst glaubte Skelir, dass sich der Haarflaum auf Bulls Schädel aufplusterte, doch dann erkannte er, dass stattdessen lediglich das Gesicht des Menschen eine dunklere Färbung annahm, was im Zusammenspiel mit der ebenfalls roten Behaarung eine eigenartige Gesamtwirkung ergab. »Was soll das bedeuten?«, brüllte Bull, offenbar ein leicht erregbarer Mann. »Sie bedrohen uns? Sie halten uns gefangen?«

»Sie sind Besun.«

Bulls hässliches Gesicht verdunkelte seine Farbe in ein noch intensiveres Rot. »Ich kann es nicht mehr hören!«

»Soll ich …«, begann der Jungterraner Sid González.

»Ruhig, Sid«, unterbrach Eric Manoli. »Und du auch, Reg! Niemand bedroht uns hier unmittelbar. Ich bin sicher, das alles basiert auf einem Missverständnis. Nicht wahr?«

Vor dem Körper des Jungterraners tanzten für einen Augenblick Funken einen sirrenden Reigen. Sie verwehten, noch ehe sie den Boden berührten; nur ein oder zwei schienen noch schwerelos darauf zu hüpfen. Ein höchst seltsames Phänomen. Man sollte es im Auge behalten. Erst das Mädchen Sue, nun das. Dieser Planet, den seine Bewohner bis vor Kurzem schlicht Erde genannt hatten, hielt ausgesprochen interessante Überraschungen bereit.

»Sie dürfen sich im Schiff frei bewegen«, erklärte Jenves. »Fast überall. Dass es gewisse private Bereiche gibt, bleibt davon unberührt. Das wäre in einem Ihrer Gebäude zweifellos nicht anders.«

Skelir amüsierte sich über die Wortwahl seines Stallwache-Partners. Private Bereiche. Als ob ihnen daran etwas liegen würde! Es zeigte aber, dass sich Jenves – genau wie er selbst – gut vorbereitet hatte. In den meisten Subkulturen der Bewohner dieses Planeten spielte das Konzept der Privatsphäre eine große Rolle. Es war ihnen geradezu heilig, wenngleich sie in ihren Informationsnetzwerken zunächst gar nicht diesen Eindruck erweckten. Ein seltsames, widersprüchliches Volk.

Jenves' wohlgewählte Worte fruchteten. Bulls Erregung klang offenbar ab, und die anderen verhielten sich ruhig. Eric Manoli legte eine Hand auf die Schulter des jungen González. Das Mädchen Sue stand von Skelir aus gesehen hinter diesen beiden.

»Erkunden Sie das Schiff«, schlug Jenves vor. »Der Roboter wird Sie begleiten, um Ihnen behilflich zu sein, sollten Sie auf Probleme stoßen.«

»Ein hilfreicher Kampfroboter.« Bull gab einen knurrenden Laut von sich. »Diese Fantan-Leute scheinen eine ähnliche Begabung zu besitzen wie unsere Politiker. Man kann alles auf zwei Arten darstellen.«

»Das Schiff jedoch dürfen Sie nicht verlassen«, ergänzte Skelir und musterte unablässig Sue Mirafiore. Die übliche Angst wühlte in ihm wie bei jeder Besun-Jagd, aber auch das ebenso bekannte Wohlbehagen darüber, dass er sich trotz seiner verachtenswerten Verkrüppelung wenigstens während der Jagd wie ein vollwertiger Fantan verhielt. Und diesmal gesellte sich eine dritte Empfindung hinzu. Er wollte Sue nicht zurücklassen, sich nicht von ihr trennen, ehe er ihr nicht ihr – Geheimnis entrissen hatte.

Aber ihm blieb keine andere Wahl. »Ich kehre bald zurück.« Er wandte sich ab.

»Warten Sie!«, rief Bull. »Solange Sie beide hier sind, Skelir, gilt es noch etwas zu klären. Sie sind doch unsere – Betreuer. Was unternehmen die Beiboote, die in alle Richtungen ausgeschwärmt sind? Es ist wichtig, dass ich darüber Bescheid weiß und die Information auch weitergeben kann. Sonst besteht für Sie die Gefahr, dass die Führer der Nationen unserer Welt unangemessen reagieren.«

»Gefahr für uns?« Skelir staunte erneut über diese Menschen. Ein bemerkenswertes Volk, in der Tat, auch nach so vielen besuchten Planeten. »Sie beurteilen es völlig falsch. Aber ich danke Ihnen für Ihre Besorgnis.«

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Yaş sınırı:
18+
Litres'teki yayın tarihi:
11 kasım 2024
Hacim:
1515 s. 10 illüstrasyon
ISBN:
9783845333847
Telif hakkı:
Bookwire
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