Kitabı oku: «Perry Rhodan Neo Paket 2: Expedition Wega», sayfa 20

Yazı tipi:

14.

Familiengeheimnisse

John Marshall

Die indische Ministerpräsidentin Chitra Singh nickte einem ihrer beiden Begleiter zu, der sich umwandte und die Tür zur Limousine öffnete. Dann streckte sie Mercant die rechte Hand entgegen. »Danke, dass Sie gekommen sind.«

Sie schüttelten sich die Hände und ließen sich zum Hauptgebäude des Palastes fahren. Chitra Singh gab sich zunehmend aufgeschlossener, Marshall fühlte aber, dass der Graben zwischen ihnen nicht schmaler geworden war. Sie schien tatsächlich nur darauf aus zu sein, mehr über die Fantan-Bedrohung zu erfahren, um sich eine militärische Strategie zurechtlegen zu können.

Sie erreichten den Palast. Dutzende Frauen und Männer in Uniformen, Anzügen und traditionellen indischen Gewändern eilten durch die Gänge. Viele blickten neugierig zu ihnen herüber.

Chitra Singh führte sie in ein prunkvoll eingerichtetes Zimmer. Auf einer Tafel türmten sich Früchte und Gebäck in zahlreichen Schüsseln. Daneben thronten edle Glaskaraffen mit kunstvollen silbernen Verzierungen. Neben mehreren Polstersesseln reichte ein massiver Schreibtisch von einer Seite des Raums zur anderen. An der Wand stand ein Bücherregal, das außer dicken Wälzern etliche Statuen von Miniaturelefanten, Bildern und sonstigen privaten Erinnerungsgenständen fasste.

Ob dies Chitra Singhs persönliches Arbeitszimmer ist?, fragte sich Marshall.

Mit einer Handbewegung sandte sie die beiden dunkel gekleideten Begleiter weg. »Hier sind wir ungestört.« Sie deutete auf die Tafel. »Bitte bedienen Sie sich!«

Sie ergriff ein hohes Glas und füllte es mit Fruchtsaft. Mercant tat es ihr nach, während sich Marshall mit Wasser begnügte.

Sie setzten sich in die Polstersessel. Chitra Singh nahm einen Schluck aus ihrem Glas und sagte wie beiläufig: »Schon erstaunlich, welche Ereignisse Rhodan auf dem Mond losgetreten hat, nachdem er auf die Zerstörer der Mondbasis stieß.«

Mercant hob eine Hand. »Die weltweiten Abläufe der letzten Wochen sind eng miteinander verknüpft, das ist klar. Aber Crest als Mörder und Perry Rhodans Handeln als Ursache für das Erscheinen der Fantan anzuprangern, wie es derzeit in gewissen Teilen der Weltpresse geschieht, wird – mit Verlaub – der Wahrheit nicht gerecht.«

Die Ministerpräsidentin winkte ab. »Ich würde mich freuen, wenn wir nach der Beendigung der Fantan-Krise die Gelegenheit hätten, diese Wahrheit gemeinsam zu erörtern. Nun sollten wir den Blick aber auf das Hier und Jetzt richten.« Sie stellte ihr Glas auf einen Beistelltisch. »Sage und schreibe vierzehn Fluggeräte dieser Außerirdischen aus dem Spindelschiff verletzen derzeit die Grenzen des indischen Luftraums. Wenn es nach meinen Generälen gehen würde, hätten wir bereits entsprechend reagiert.«

»Wir sind froh, dass Sie es nicht getan haben«, sagte Mercant. »Wie wir aus der jüngeren Geschichte der USA wissen, birgt ein Präventivschlag meist mehr Risiken als die Kontrolle des Status quo. Mister Marshall und ich sind hier, um für mehr Zeit bei den Verhandlungen mit den Fantan zu bitten.«

Singh beugte sich vor. »Lassen Sie sich nicht täuschen, Mister Mercant. Ich tendiere ebenfalls dazu, die Bedrohung auszuschalten, bevor sie sich entfalten kann.«

»Solange Sie eine Bedrohung nicht genau verstehen, können Sie sie auch nicht ausschalten.«

»Dann sagen Sie mir, womit die indische Nation rechnen muss! Was werden diese Fremden unternehmen?«

Während sich zwischen Singh und Mercant ein Disput über die Sinnhaftigkeit eines Angriffs auf die Fluggeräte eines außerirdischen Volkes entwickelte, richtete John Marshall seine Sinne auf die Gefühls- und Gedankenwelt der Ministerpräsidentin.

Unter der Schale der Verärgerung über die Einmischung der Gesandten aus Terrania in indische Belange, spürte der Telepath, dass Chitra Singh sich sehr um ihr Volk sorgte – aber auch um sich selbst und ihre Familie. Seit den veränderten politischen Verhältnissen und dem Auftauchen der Fantan übten das Militär und die höchsten Repräsentanten der indischen Regierung extremen Druck auf ihre Anführerin aus. Indien sollte Stärke zeigen und nicht tatenlos darauf warten, bis es zu spät war.

Marshall erkannte, dass Chitra Singh eine rechtschaffene Frau war, die stichhaltigen Argumenten gegenüber nicht abgeneigt war. Blieb nur die Frage, wie sie die Ministerpräsidentin erreichen konnten.

Derweil verdüsterte sich das Gesprächsklima zwischen Singh und Mercant weiter. »Ich verbitte mir die Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes«, sagte sie mit kühler Stimme. »Mir ist bewusst, dass Sie kein Diplomat sind, Mister Mercant. Aber es bedarf einer gehörigen Portion Frechheit, in den Rashtrapati Bhavan zu kommen und zu meinen, die indische Regierung zu einem Handeln zwingen zu können!«

»Ich will und kann Sie nicht zwingen …«, begann Mercant, wurde aber sogleich wieder von Singh unterbrochen.

»Ich habe Sie empfangen in der Hoffnung, dass Sie mir zusätzliche Informationen geben können. Wenn hinter dem Arkoniden Crest tatsächlich ein ganzes Sternenreich steht, sollte er mit den Fantan eigentlich vertraut sein. Aber stattdessen versuchen Sie mir Befehle zu erteilen! Nennen Sie mir einen triftigen Grund, weshalb ich die eingedrungenen Flugobjekte nicht abschießen lassen soll!«

Chitra Singh hob den rechten Zeigefinger und richtete ihn auf Mercant. Ihre tiefschwarzen Augen schienen zu blitzen. Marshall erinnerte es an eine Szene eines bekannten Hollywood-Films über die dramatische Winterschlacht des Kaschmir-Krieges. Im nächsten Augenblick blinzelte er überrascht. Die Szene, an die er sich zu erinnern glaubte, kam in diesem Film gar nicht vor! Woher …

Sein Blick fiel auf das Bücherregal. Auf den meisten Bildern waren die beiden Kinder der Ministerpräsidentin abgebildet. Sie lachten in die Kamera, posierten mit bekannten Persönlichkeiten der Weltpolitik oder saßen strahlend auf einem indischen Arbeitselefanten, der den Rüssel um einen Baumstamm schlang. Dazwischen lagen eine Armeepistole und ein Neunmillimetergeschoss mit Taktikspitze auf einem schlichten weißen Tuch.

Marshalls Blick haftete sich wieder an die Ministerpräsidentin. Was wusste er über ihre Vergangenheit? Während des Kaschmir-Krieges hatte sie eine Division befehligt. Gerüchten zufolge war ihr rollender Kommandoposten inmitten der berühmt gewordenen Winterschlacht am Fuße des K 2 abgeschossen worden. Mehrere Tage hatte sie als verschollen gegolten, bevor sie sich mithilfe eines pakistanischen Marschier-Exoskelettes zurück zu ihren Truppen durchschlug.

Diese Geschichte hatte kurz vor ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin Indiens der gesamten Welt viel zu reden gegeben, wobei allen Seiten klar gewesen war, dass die Gerüchte in erster Linie durch die Propaganda der beiden verfeindeten Länder gestreut worden waren. Kurze Zeit später hatte der ernsthafte Friedensprozess zwischen Indien und Pakistan eingesetzt. Der Abnutzungskrieg, der die beiden Länder ständig näher an einen heißen Atomkrieg gedrängt hatte, wurde gestoppt, ein Stillhalteabkommen unterzeichnet.

John Marshall versank erneut in Chitra Singhs Gedankenwelt, fühlte in sie hinein.

Er sah die Szene im Winterkrieg, die ihm bereits zuvor begegnet war. Keine Filmszene, sondern Erinnerungen. Aber sie stammten nicht von ihm selbst.

Er sah Eis und Schnee, einen zugefrorenen Bach, aufkommenden Sturm und einen schmerzhaften Sturz – fühlte klirrende Kälte. Samtbraune Finger bluteten aus mehreren Schrammen und kratzten verzweifelt über Felsen, um sich irgendwie in Sicherheit zu bringen.

Plötzlich – wie aus dem Nichts – erbebte das Eis unter den Schritten einer Schreitdrohne. Nein! Kein Roboter – es handelte sich um einen Pakistani in einem Marschier-Exoskelett. Eine Maschinenpistole richtete sich auf sie. Dann sah sie seine Augen.

»Ich kann Ihnen einen Grund sagen, weshalb Sie die Fantan nicht angreifen sollen«, sagte Marshall heiser. »Weil auch Sie einst verschont wurden. Von Asif Akram, dem Mann, der inzwischen Pakistan regiert. Seither herrscht Friede zwischen zuvor unversöhnlichen Feinden.«

Er hob die Hand und deutete auf die Kinderfotos. »Und sogar noch mehr.«

Chitra Singh sah ihn entgeistert an. »Woher … woher wissen Sie das?«

»Weshalb haben Sie Ihr Geheimnis Ihren Völkern nie verraten? Hätte dies den Friedensprozess nicht weiter beschleunigen können?«

Die Ministerpräsidentin schüttelte verwirrt den Kopf. »Es hätte uns angreifbarer gemacht. Und mein Mann …« Chitra Singh straffte sich. Sie gewann ihre professionelle Distanz zurück. »Wie auch immer Sie zu dieser Geschichte gekommen sind, Mister Marshall, Sie dürfen sie niemals jemandem weitererzählen.«

Allan D. Mercant sah zuerst verwirrt, schließlich langsam verstehend zwischen Marshall und der Ministerpräsidentin hin und her.

»Sie haben unser beider Wort«, versicherte Marshall.

Im selben Moment wurde die Tür aufgerissen. Ein Mann in Uniform und schwarzem Turban stürzte herein. »Ein Fantan ist soeben in Position gegangen und landet!«

»Wo?«, rief die Ministerpräsidentin.

»Im Roten Fort!«

Skelir

Der Anblick beeindruckte Skelir. Nicht weit von einem Fluss namens Yamuna entfernt, erstreckte sich eine gigantische, rechteckige Festungsanlage aus rotem Sandstein. Den Angaben der Positronik zufolge maß das Fort einen Kilometer in der Länge, die Hälfte in der Breite. Die Mauer erreichte eine Höhe zwischen 18 und 34 Metern, in unregelmäßigen Abständen ragten Türme darin auf.

Ein guter Platz, um Besun zu sammeln.

In dem Fort hätte sogar die SREGAR-NAKUT landen können. Vielleicht hätte sie eines der kleineren Gebäude unter sich zermalmt, aber mit etwas Schwund musste man rechnen. Allerdings wäre es um diesen weißen, reich verzierten Palast im Innengelände schade gewesen.

Massen der Planetenbewohner wälzten sich durch die Anlage und die Zufahrtswege. Skelir suchte einen geeigneten Landeplatz für seinen Einpersonengleiter; der Einfachheit halber im Inneren des Forts. Dort gab es zweifellos das interessanteste Besun. Vielleicht eine der zwiebelförmigen Kuppeln des Palastes?

Als er sich dem Boden entgegensenkte, rannten die Menschen rundum schreiend davon. Sie rissen die Arme hoch, deuteten auf das Fluggerät.

Skelir stieg aus. Um die Planetenbewohner scherte er sich nicht; sollten sie tun und lassen, was sie wollten, er hatte Besseres zu tun. Er fühlte die Erregung, einen der seltenen Momente, aus denen er Stärke und Kraft schöpfte, der ihn zu einem normalen Fantan werden ließ. Wenigstens in seiner Illusion.

Am Rand einer grünen Wiesenfläche reihten sich schnurgerade winzige Häuser auf. Skelir ging darauf zu. Bald erkannte er seinen Irrtum. Es handelte sich nicht um Gebäude im eigentlichen Sinn, sondern um Aufbauten aus Holz und Plastik, teils mit Rädern, und mit einem Dach aus billigem Stoff, wohl um die Sonne abzuhalten.

Interessant.

Hinter jedem dieser Bauten standen Menschen. Verkäufer, vermutete Skelir, die ihre Waren feilboten. Die Besucher der Fortanlage flanierten in langen Reihen an den Aufbauten vorbei. Zumindest, bis sie auf den Fremden aufmerksam wurden, der sich ihnen näherte. Es roch intensiv nach tausend Düften, verwirrender noch als in der Pflanzensektion der SREGAR-NAKUT.

Überall gellten Schreie, rannten Menschen davon. Doch nicht alle reagierten so. Viele blieben stehen, starrten ihn an, hoben kleine Geräte vor sich, metallische Dinge, kaum so groß wie ihre Hand.

Skelir eilte auf einen der Planetenbewohner zu, der ein solches Werkzeug oder Instrument, oder was immer es sein mochte, in der Hand hielt. Es war eine Frau mit langem schwarzem Haar. Skelir nahm sie nur am Rande wahr, als er ihr das Gerät abnahm. Ein – Pad, wenn er sich recht an die Informationen erinnerte, die er wie alle Fantan vorab studiert hatte. Diese Menschen nutzten es für allerhand Dinge. Auf dem Bildschirm zeigte sich ein Bild von ihm, Skelir, wie er an dem ersten hölzernen Verkaufsstand vorüberging.

Er nahm das Pad mit sich. Die Menschenfrau stand mit offenem Mund da und schwieg. Er ignorierte sie, wandte sich ab und ging auf den weißen Palast mit den Zwiebelkuppeln zu. Weite Torbogen zogen seinen Blick auf sich.

Bevor er dieses prächtige Gebäude erreichte, entdeckte er etwas, das seine Aufmerksamkeit fesselte. Ein kleines Haus, gefertigt aus demselben rötlichen Gestein wie die gewaltige Mauer rundum. Nur war es geradezu winzig, kaum höher als einer der Menschen, und es bot höchstens zwei, vielleicht drei von ihnen Platz in seinem Inneren, wenn sie dicht beieinanderstanden.

Höchst merkwürdig.

Er ging darauf zu. Jemand verließ es. Ein Mann. Wassertropfen fielen von seinen Fingern zu Boden. Der Mensch sah ihn, wankte einen Schritt zurück, stieß mit dem Rücken gegen die Tür, die noch einen Spaltbreit offen stand, und rannte panisch davon.

Skelir packte das Türblatt, ehe es zufallen konnte, und zog es weiter vor. Im Inneren des Häuschens gab es einen winzigen Vorraum, von dem zwei Türen abzweigten. Ehe der Fantan Zeit fand, sich näher damit zu beschäftigen, bemerkte er, dass sich ihm zwei Menschen näherten. Sie hielten Steine in der Hand, hoch erhoben – schlagbereit. Sie wollten ihn tatsächlich angreifen!

Diese Narren.

Skelir trug einen Betäubungs-Handstrahler bei sich. Er zielte routiniert und schoss. Zuerst knallten die Steine auf den Boden, danach die beiden Menschen.

Er widmete sich wieder dem kleinen Gebäude. Es gab Wichtigeres als ein paar Planetenbewohner ohne Sinn und Verstand.

John Marshall

»Was tut er?« Chitra Singh klang fassungslos. Das Knattern des Hubschraubers übertönte ihre Frage fast.

Marshall überlegte sich eine passende Antwort, um Worte für diesen bizarren Anblick zu finden, doch Allan D. Mercant kam ihm zuvor und gab eine völlig nüchterne Beschreibung. »Der Fantan steht vor einem Toilettenhäuschen und scheint davon sehr angetan zu sein.«

»Das sehe ich auch!« Die indische Ministerpräsidentin legte die Stirn an die Sichtscheibe neben ihrem Passagiersitz. »Aber ich … ich dachte …«

»Ich weiß«, sagte Marshall. »Man könnte mit allem rechnen, wenn ein Außerirdischer in einer historischen, kulturell unermesslich bedeutsamen Fortanlage landet – aber nicht damit.«

Bilder von Fantan gingen inzwischen um die ganze Welt, seit in Afrika das erste Foto eines der Aliens geschossen worden war. Dennoch starrte Marshall das zylinderartige Wesen an und konnte sich von dem fremdartigen Anblick nicht losreißen.

Der Hubschrauber setzte zwanzig Meter von dem Außerirdischen entfernt auf, gleichzeitig mit einer zweiten Maschine, der sofort ein Dutzend schwer bewaffneter Soldaten entströmte. Marshall war extrem erleichtert gewesen, als Chitra Singh ihn und Mercant gebeten hatte, sie zu begleiten; das militärische Aufgebot gefiel ihm weniger, zumal er schon aus der Luft gesehen hatte, dass etliche Panzer dem Roten Fort entgegenjagten.

»Wir werden versuchen, mit dem Außerirdischen in Kontakt zu treten«, sagte er. »Ich kann Sie nur bitten, die Soldaten fernzuhalten. Der Fantan stellt keine Gefahr dar.«

Die nächsten Sekunden straften seine Behauptung Lügen. Zwei Inder rannten auf den Alien zu, mit Steinen in den Händen. Diese selbst ernannten Helden konnten alles verderben! Der Fantan schaltete sie beiläufig mit einem Schuss aus einer Handwaffe aus.

»Keine Gefahr?«, wiederholte die Ministerpräsidentin Marshalls letzte Worte. »Was, wenn er das ganze Fort in die Luft jagen wird?«

»Wieso sollte er?«, konterte Mercant.

»Er hat zwei Menschen erschossen! Ich kann nicht mehr einfach nur zusehen!«

Der ehemalige Homeland-Security-Agent zeigte ein undeutbares Lächeln. »Sie sind nicht tot. Er hat sie nur betäubt.«

»Was macht Sie so sicher?«

»Die Art, wie sie gefallen sind. Die Tatsache, dass es kein Blut gibt. Ich habe eine ähnliche Waffe arkonidischer Bauart schon gesehen.«

Die Abgesandten aus Terrania und die indische Ministerpräsidentin gingen während dieser Worte Seite an Seite näher zu dem außerirdischen Besucher, den reglosen Möchtegern-Helden – und dem Toilettenhäuschen. Eine Traube von Menschen bildete sich in kreisförmigem Abstand um den Fantan. Die Soldaten schufen eine Gasse, durch die Marshall und seine beiden Begleiter gehen konnten.

Er kam nicht umhin, diese gesamte Situation als das Seltsamste anzusehen, was er jemals erlebt hatte. »Mein Vorschlag wäre, dass Ihre Militärkräfte dafür sorgen, dass Allan und ich ungestört mit dem Fantan reden können. Halten Sie weitere Angreifer aus der Menge zurück.«

»Reden?« Chitra Singh deutete auf das bizarre Zylinderwesen. »In welcher Sprache? Klingonisch?«

Einen Augenblick war Marshall völlig verwirrt, ehe er verstand, dass sie wohl versucht hatte, die Situation durch einen Scherz zu entspannen. »Sie wissen, was Klingonisch ist?«

»Heghlu'meH QaQ jajvam«, sagte sie. »Ich mag alte Fernsehserien. Und ehe Sie fragen – es gibt ein Science-Fiction-Revival in Indien, und das nicht erst, seit Rhodan auf dem Mond gelandet ist.«

»Was bedeutet dieser Satz?«, fragte Mercant.

Marshall wusste es; Sid hatte diese markante Formulierung einige Male zitiert, als sie noch gemeinsam im Pain Shelter lebten. Ein Klassiker. »Heute ist ein guter Tag zum Sterben«, übersetzte er.

»Das sollten wir nicht allzu wörtlich nehmen«, forderte Mercant.

Die Ministerpräsidentin erteilte über ein Funkgerät, das sie direkt mit dem Anführer der Soldaten verband, die entsprechenden Befehle. Zu dritt und unter dem Schutz eines Dutzends Maschinenpistolen der neuesten Generation gingen sie weiter. Wenn Marshalls Vermutung stimmte, dass die schwarzen Löcher im oberen Körperbereich die Sinnesorgane dieses Wesens waren, schaute der Fantan ihnen entgegen.

»Wir möchten mit Ihnen reden«, rief Mercant. »Wenn Sie wünschen …« Er sprach den Satz nicht zu Ende.

Das fremdartige Zylinderwesen kam auf drei Beinen auf sie zu – und ging, ohne sich einmal umzudrehen, an ihnen vorbei.

»Passieren lassen!«, befahl Chitra Singh in das Funkgerät ihren Soldaten. »Wir beobachten und lassen ihn gewähren, solange er niemanden gefährdet!«

So sahen sie zu, wie der Außerirdische sein kleines Fluggerät bestieg und damit aufstieg. Er schwebte zu dem Toilettenhäuschen. Aus der Unterseite des Beiboots schoss plötzlich ein gleißend heller Energiestrahl.

Ein kollektiver Schrei ging durch die Menge. Einzelne warfen sich herum, doch statt zu fliehen, kollidierten sie mit ihren Hintermännern und rissen diese zu Boden.

Es ereignete sich jedoch weder eine Explosion noch sonst etwas, das auch nur einen einzigen Menschen gefährdet hätte. Stattdessen hob sich das gesamte Toilettenhäuschen aus seiner Verankerung und schwebte in dem energetischen Strahl bis dicht unter das Beiboot. Dieses stieg weiter hoch, beschleunigte und verschwand.

Die Ministerpräsidentin brachte es auf den Punkt: »Was in aller Welt will dieses Wesen mit einem Toilettenhäuschen?«

Auf diese Frage konnten die beiden nicht antworten. Eines allerdings stand fest: An die Fantan durfte man keine bekannten Maßstäbe anlegen.

John Marshall bekam Kopfschmerzen.

15.

Rico:

Die Queen

Takezo und seine Kumpane erstarrten. Der Lärm der drei Schüsse verhallte im Hinterhof. Dem Geräusch nach stammten sie aus einem langläufigen Gewehr. Die Reaktion meiner Gegner ließ darauf schließen, dass diese Entwicklung sie ebenso überraschte wie mich.

Das verlieh mir völlig neue Möglichkeiten. Ich wartete ab, bereit, jede Chance zur Flucht sofort zu nutzen. Es interessierte mich nicht, mit welchen Schwierigkeiten Takezo nun kämpfen musste, wer ihn anfeindete und warum er mich überhaupt in diese Falle gelockt hatte.

Mich zog es zum Meer. Mit dieser Rotte aus Lastwagenfahrern und Schlägern würde ich mich keine Sekunde länger abgeben als nötig. Allerdings konnte es gut sein, dass ich vom Regen in die Traufe kam und nun erst recht selbst in Schwierigkeiten steckte.

Meine Gegner versperrten mir die Sicht. Der Mann mit dem gebrochenen Arm drehte sich langsam um; ich sah seine Knie zittern.

»Weg von ihm!«, gellte eine Stimme zu uns herüber. Es handelte sich um eine Frau, das stellte ich zweifelsfrei fest, und sie klang, als wäre sie es gewohnt, Befehle zu erteilen. »Sofort!«

Ich konnte sehen, wie Takezos Hand nach der Waffe tastete, die unter dem Hosenbund klemmte. »Was willst du von uns? Warum mischst du dich ein? Was wir hier tun, geht dich …« Die restlichen Worte wurden ihm durch einen erneuten Schuss von den Lippen gerissen.

»Weg von ihm, klar? Das war meine letzte Kugel dicht über eure Köpfe. Die nächste geht ein bisschen tiefer, und ich kann verdammt gut zielen! Und du, alter Mann, wirf deine Waffe weg, aber schön weit!«

Takezo gehorchte. Die Pistole flog in hohem Bogen davon, blieb in der Nähe des Trucks liegen. Drei der Schläger hasteten zur Seite, unter ihnen derjenige, dem ich den Arm gebrochen hatte. Das wirkte wie eine Initialzündung. Einen Moment später kamen meine Beine frei, danach löste sich der Klammergriff um meine Arme.

Ich setzte mich auf. Meine biologischen Anteile hatten einigen Schaden genommen, aber nichts Irreparables; selbst gewöhnliche Menschen kämen mit solchen Beschädigungen zurecht.

»Ihr anderen braucht wohl eine Extraeinladung?«

»Nein«, rief einer der Letzten, die noch vor mir standen. Gebückt, die Hände vor den Kopf gehoben, als könnte er damit eine Kugel aufhalten, stolperte er zur Seite. Ich erhaschte einen kurzen Blick in sein totenbleiches Gesicht.

Eine Frau grinste mich an. Sie sah jung aus; erstaunlich jung für ein derart überlegenes Auftreten und um so selbstsicher mit einer Schusswaffe umgehen zu können. »Na los, komm mit!« Sie winkte mit dem Lauf der Waffe. »Du brauchst vor mir keine Angst zu haben.«

Ein letztes Mal drehte ich mich zu dem alten Takezo um, den ich für einen harmlosen, freundlichen Fahrer gehalten hatte. Der Schritt seiner Hose glänzte nass. Tropfen klatschten zu Boden. Offenbar konnte er zwar andere bedrohen, ertrug es aber nicht, wenn man den Spieß umdrehte.

»Eins noch«, sagte meine Retterin. »Wenn ihr auf die Idee kommt, uns zu verfolgen, werde ich euch als Erstes nicht den Kopf wegpusten, sondern die Teile, in denen bei Typen wie euch der Verstand sitzt.« Sie senkte den Gewehrlauf ein wenig.

Ich eilte zu ihr. Wir verließen den Hinterhof und hasteten durch die Einfahrt. Davor wartete ein Geländewagen mit offenen Türen. Sie drückte mir das Gewehr in die Hand und schwang sich auf den Fahrersitz. »Queen«, sagte sie mit tiefer, unnatürlich klingender Stimme. »Starten!«

Das Auto reagierte auf die Identifizierung und den Startbefehl. Der Motor sprang knatternd an. Ich stieg ebenfalls ein, schlug die Tür zu, und wir fuhren los. Dabei hielt ich die Einfahrt zum Hinterhof, der mir beinahe zum Verhängnis geworden wäre, so lange wie möglich im Auge. Weder Takezo noch einer seiner Kumpane ließ sich blicken.

Ich verbuchte es als Erfahrung und schwor mir, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Auf zweiter Bewusstseinsebene begann ich, meine internen Aufzeichnungen des alten Mannes zu analysieren, um nach Anzeichen für seine Kriminalität zu suchen. Hätte ich nicht bemerken müssen, dass er mich in eine Falle lockte? Eigentlich kannte ich die Bewohner dieses Planeten recht gut, aber er hatte mich überrascht. Seit Perry Rhodans Vorstoß zum Mond war allerdings eine neue Ära angebrochen, und solche Zeitenwechsel brachten stets neue Verhaltensweisen dieses Volkes zum Vorschein. Die Wehen der neuen Zeit zwangen die Menschen, Entscheidungen zu treffen und sich zur einen oder anderen Seite zu bekennen.

»Queen?«, fragte ich, während die interne Analyse lief. Königin. »Das ist dein Name, mit dem du dich bei deinem Autocomputer identifizierst?«

Ihre Kiefer bewegten sich. Sie kaute einen Kaugummi. »Viele nutzen Nicknames, das ist nichts Besonderes.«

»Wie soll ich dich nennen?«

Daraufhin schien sie kurz nachzudenken. »Queen gefällt mir.«

»Du kannst Rico zu mir sagen.«

Sie zögerte kurz. »Im Ernst?«

»Viele benutzen Nicknames«, wiederholte ich ihre Worte.

Das schien ihr zu gefallen. Sie lachte glockenhell, während der Wagen über die schlechten Straßen dieser Kleinstadt am Rand der Gobi rumpelte – oder durch die Gassen dieses Dreckslochs, wie Takezo es bezeichnet hatte. Die Häuser blieben bald hinter uns zurück und mit ihnen die Episode, die mich fast in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht hätte. Stellte sich nur die Frage, wie es mit meiner Retterin, Queen, weitergehen sollte.

Eine weite Ebene voll Gestein und kargem, gedrungenem Gebüsch breitete sich vor uns aus. In diesem Gelände würden wir es rasch bemerken, wenn uns Takezo und seine Kumpane verfolgten. Ich rechnete allerdings nicht damit. Queens Auftritt hatte sie in verschüchterte Feiglinge verwandelt, die die Kontrolle über ihre Blase verloren.

Bei der Erinnerung daran fiel mir etwas ein, was ich nicht verstanden hatte. »Was meintest du mit deiner letzten Drohung?«, fragte ich. »Wo sitzt bei diesen Männern der Verstand?«

Sie drehte den Kopf zu mir, grinste breit. Ihre Zähne blitzten weiß hervor. »Das ist nicht dein Ernst.«

Ich zuckte die Schultern, wie es ein Mensch in dieser Situation wohl getan hätte.

Sie kaute kurz auf ihrer Unterlippe und zwinkerte. Ihre Augen waren hellblau, die Brauen eine dünne Linie. »Du hast Glück gehabt, dass ich dich gefunden habe.«

»Ich habe mich für die Rettung noch nicht bedankt. Wieso hast du …«

»Reden wir nicht drüber. Es gibt Dinge, die kann man auch später noch besprechen. Hätte ich dich nicht da rausgeholt, würden dich diese Kerle nun an die Regierung verkaufen. Sie können Geld immer gebrauchen, und das wäre ein gutes Zubrot für sie gewesen. So was geschieht bestimmt nicht zum ersten Mal hier am Rand der Gobi.«

Ich verstand nicht, worauf sie hinauswollte. Wusste sie etwa, wer – was – ich war? Die Regierungen dieser Welt würden zweifellos jeden Preis für einen wie mich bezahlen. Nur dass es solche wie mich nicht gab; ich war einzigartig. Es gab nur einen Rico. Aber zu dieser Annahme, dass sie meine Identität kannte, passte ihre Behauptung nicht, derlei Entführungen und Geschäfte wären schon des Öfteren passiert.

»Du begreifst es nicht, richtig?«, fragte Queen.

Weil es sicher nicht mehr nötig war, das Gewehr in den Händen zu halten, verstaute ich es in dem kleinen Freiraum zwischen Sitz und Ausgangstür. »Leider nicht.«

Sie drückte einen Knopf am Armaturenbrett, und ihr Fenster fuhr herunter. Ploppend spuckte sie den Kaugummi hinaus. »Wieso sie dich verkauft hätten?« Ihre Kiefer mahlten noch immer, als wäre der Kaugummi noch im Mund. Dabei hob sie beide Mundwinkel zu einem frechen Grinsen. Der Fahrtwind durch das geöffnete Fenster ließ ihre Haare flattern. »Na, sieh dich doch an, Mister Rico. Du bist ein hübscher Junge.«

»Aber das … was?« Die Bemerkung ließ mich sprachlos zurück.

Meine verwirrende Retterin lehnte sich im Sitz nach hinten und lenkte mit ausgestreckten Armen. Lachend streckte sie die Rechte aus, legte sie auf meine Schulter und kniff zu. »Nur ein Witz, okay?« Der Wagen rumpelte durch ein Schlagloch und zog zur Seite. Sie packte das Lenkrad schnell mit beiden Händen. »Aber einmal in deine verträumten Augen zu schauen genügt, um dich zu verraten.«

Meine Augen. Der starre Blick. Also wusste sie es doch?

»Du kommst aus Terrania, richtig? Von Rhodan? Ihr sternverrückten Träumer seid alle gleich. Man erkennt euch aus zehn Metern Entfernung, wenn man einmal weiß, wonach man zu suchen hat.«

Das war es also. Dass die Queen doch keine so gute Beobachterin war, wie sie zu sein glaubte, verschwieg ich ihr. Möglicherweise würde sie irgendwann ihren Irrtum erkennen. »Du hast recht.« Ich fragte mich, ob das Lügenspiel, das zuletzt Takezo und ich, jeder auf seine Art, gespielt hatten, erneut von vorne losging.

»Die Regierung will Leute wie dich, und unter der Hand zahlen die Geheimdienste ordentliche Preise, heißt es. Man braucht natürlich die richtigen Verbindungen, aber das dürfte bei diesem Pack nicht das Problem gewesen sein. Wenn sie dich erst mal in den Fingern haben, quetschen dich die Mächtigen in diesem Land nach allen Regeln der Kunst aus. Glaub mir, du hättest verraten, was du weißt.«

Das bezweifelte ich allerdings.

»Die Regierung will um jeden Preis Rhodans Geheimnis ergründen«, fuhr Queen fort. »Ich übrigens auch. Aber dazu lasse ich keine Leute entführen, die Terrania den Rücken zukehren.«

»Stattdessen rettest du sie, ehe sie von anderen verkauft werden.«

Sie schnalzte mit der Zunge. »Du bist mein Erster, aber ich bin bislang sehr zufrieden mit dir.« Sie bremste etwas ab, drehte sich zu mir. »Wie schon gesagt, du bist ein hübscher Junge.«

Meine Retterin wurde mir unheimlich. Was war das für eine Frau? Hatte sie den Verstand verloren? Spielte sie mit mir, oder war das hier tatsächlich ihre Art, an Informationen über Terrania und Perry Rhodan zu gelangen? Ich stand in ihrer Schuld, daran gab es keinen Zweifel, aber ich wusste noch nicht, ob ich mich diesem Maßstab irdischer Ethik beugen sollte.

Ich schaute nur geradeaus – mein starrer Blick, dachte ich erneut. Irgendwann drehte sie sich deshalb ebenfalls nach vorne und konzentrierte sich auf die Fahrt. Nach einer Minute fragte sie unvermittelt: »Wohin willst du eigentlich, mein Freund Rico?«

»Ich weiß nicht.«

»Das glaube ich dir nicht. Jeder Mensch will irgendwohin. Schließ die Augen und horch in dich hinein. Spüre dein Herz und deine Sehnsucht, und erzähle mir nicht, dass du das nicht kennst. Also, Rico – wohin zieht es dich? Tief in dir drin?«

Ich folgte ihrer Aufforderung und schloss die Augen, obwohl es gar nicht nötig gewesen wäre. In der Dunkelheit glaubte ich fast, eine Bewegung zu sehen. Es war nicht möglich, aber als ich mich darauf konzentrierte, vermeinte ich, Geräusche zu hören. Laute, wie sie in diesem Geländewagen, der über schlechte Straßen rumpelte, nicht erklingen konnten. Das Rauschen von Wellen, die sich am Strand brechen.

Ich öffnete die Augen und sah weiße Gischt. Nur einen unendlich kurzen Augenblick lang, in dem absolute Perfektion lag. »Es zieht mich zum Meer«, sagte ich.

»Gut«, sagte Queen. Ihre Finger trommelten fröhlich auf dem Lenkrad. »Das können wir einrichten.« Der Motor röhrte auf, als sie Gas gab.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
18+
Litres'teki yayın tarihi:
11 kasım 2024
Hacim:
1515 s. 10 illüstrasyon
ISBN:
9783845333847
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi: