Kitabı oku: «Perry Rhodan Neo Paket 2: Expedition Wega», sayfa 19
12.
Rico:
Das Wesen der Menschen
Wir rollten lange durch die Dunkelheit, und irgendwann endete der zunächst unablässige, etwas einfältige Redeschwall des Fahrers. Diesen Menschenschlag kannte ich, es hatte ihn schon immer gegeben. Von sich selbst überzeugt, dachten sie, sie wären der Nabel des Universums; die Wirklichkeit sah anders aus.
Ich schloss die Augen. Die Ruhe nach all den meist bedeutungslos aneinandergereihten Wörtern tat gut, doch sie währte nicht lange.
»Wo willst du genau hin?«, fragte er mich.
Ich wägte es kurz ab und kam zum Entschluss, dass eine ehrliche Antwort in diesem Fall nichts schaden konnte. »Zum Meer.«
»Zu welchem Meer? Wohin dort?«
»Ich … bin mir nicht sicher.«
»So?«, fragte er, um plötzlich das Thema zu wechseln. »Wie lange warst du in Terrania?«
»Nur kurze Zeit«, wich ich einer konkreten Antwort aus. Wie Takezo wohl reagieren würde, wenn er wüsste, in welchem Zustand ich mich dort aufgehalten hatte? »Wie du weißt, war ich von alldem sehr enttäuscht.«
»Hast du diesen Perry Rhodan gesehen?«
Viel besser. Ich hatte Thora getroffen. Auf der Venus. Aber das ging Takezo nichts an, also gab ich ihm die Antwort, die er wahrscheinlich gerne hören wollte. »Glaubst du im Ernst, der hehre Rhodan hätte persönlich Zeit für einen einfachen Mann wie mich? Dem ist sein Ruhm wohl zu Kopfe gestiegen.«
»Zu Kopfe gestiegen? Wo hast du denn diese alte Redewendung ausgegraben? Das hat mein Großvater immer gesagt, als ich noch ein Kind war, und damals hat ihn meine Mutter schon dafür ausgelacht.«
Mir kam zugute, dass er plötzlich bremsen musste, weil ein gedrungenes Tier über die Fahrbahn huschte. Er fluchte vor sich hin, und danach erwartete er offenbar keine Antwort mehr. Stattdessen fragte er: »Hast du das elende Vieh gesehen?«
Hatte ich, und zwar lange vor ihm. »Nein.«
»Mir ist sowieso schon aufgefallen, dass du einen ziemlich starren Blick drauf hast. Du brauchst wohl eine Brille oder lieber gleich eine Augen-OP. Ist billiger, wenn du es in den richtigen Kliniken erledigst. Ich kann dir eine Adresse besorgen.«
Offenbar war er ein weit besserer Beobachter, als ich gedacht hatte. Vielleicht schätzte ich ihn doch falsch ein. Ich war im Umgang mit diesen Planetenbewohnern etwas aus der Übung. Der starre Blick war schon immer eine Schwachstelle in meiner sonst perfekten Tarnung gewesen, sei es nun als Mensch oder als Arkonide. Mir fielen jedoch gleich zwei gute Erklärungen ein. »Ich bin müde, und die Hitze der Wüste hat mir sehr zu schaffen gemacht.«
»Dann ruh dich ein bisschen aus. In weniger als einer Stunde sind wir in der nächsten Stadt. Eigentlich ist es eher eine Ansammlung von ein paar Häusern. Ein Drecksloch. Es gibt nur einen Laden dort, und der bekommt nur einmal im Monat neue Waren. Immer von mir. Diese mistige Gobi-Tour will sonst keiner durchziehen.« Er grinste, und sein ganzes Gesicht nahm einen Ausdruck an, der ebenfalls weitverbreitet war bei seinem Volk: Gier. Offenbar ließ er sich seine Fahrten gut bezahlen. »Weiter kann ich dich sowieso nicht bringen. Heute bekommst du noch kein Bad im Meer, mein Freund. Du wirst dich neu umschauen müssen nach jemandem, der dich mitnehmen kann.«
»In Ordnung, vielen Dank. Schlaf wird mir guttun.« Erneut schloss ich die Augen. Schlafen würde ich ganz sicher nicht, aber so konnte ich meine volle Konzentration auf die Fragen richten, die mich wirklich beschäftigten.
»Aber eins noch«, sagte er. »Du sagst, du willst zum Meer. Zu welchem Meer? Wohin genau?«
Das wusste ich nicht. »Nur zum Meer. Ich habe Sehnsucht danach.«
»Warst du Seefahrer?«
Ich dachte nach, aber ich erinnerte mich nicht. »Nein«, behauptete ich.
»Hast du am Strand gelebt? Dort oft Urlaub gemacht?«
Zu viele Fragen konnten penetrant sein. Merkte er das wirklich nicht? »Urlaub, ja«, log ich deshalb, in der Hoffung, dass sich Takezo damit zufrieden gab. »Bitte lass mich ein wenig schlafen.«
»Gern«, sagte er. »Ich höre derweil den Truckerfunk ab und rede mit den Kollegen. Keine Sorge, ich habe Kopfhörer und schreibe Textnachrichten. Geht alles ganz lautlos.«
»Du musst auf mich nicht solche Rücksicht nehmen.«
»Doch, doch. Du bist mein Gast. Das ist uns Truckern heilig, weißt du? Wir sind so eine Art … weltweite Gemeinschaft.«
Da war ich längst in Gedanken versunken. Die Venus-Station, Thora, meine Zerstörung, die Wiederaktivierung und Regeneration, die unbestimmte Sehnsucht nach dem Meer –das alles musste irgendwie zusammenhängen.
Es gab ein leises Quietschen, als der Truck stoppte, gefolgt von einem pneumatischen Pfeifen.
»Steig aus!« Takezo klang mit einem Mal weitaus weniger freundlich; bislang war er zwar penetrant, aber doch stets höflich gewesen.
»Ich danke …«
»Raus!«
Das gefiel mir gar nicht. Allerdings sorgte ich mich nicht. Selbst wenn er handgreiflich werden sollte, würde ich ihn leicht besiegen. Mit meinen Kräften konnte es kein noch so durchtrainierter Mensch aufnehmen – schon gar kein überalterter Truckerfahrer mit einem Hang zur Geschwätzigkeit.
Dennoch wollte ich einer Konfrontation aus dem Weg gehen. Also öffnete ich die Beifahrertür und versuchte zu erkennen, wo wir uns befanden. Draußen herrschte jedoch tintige Schwärze, in der ich die Konturen einer Mauer lediglich zu erahnen glaubte. »Wie habe ich dich verärgert?«
»Du musst noch viel lernen, du Spinner! In Terrania bei den anderen Träumern wärst du wohl besser aufgehoben gewesen. Was hier in der echten Welt vorgeht, scheinst du noch nicht kapiert zu haben, was?« Plötzlich hielt er eine Pistole in der Hand und richtete sie auf meine Brust. »Na los, raus!«
Ich überschlug meine Chancen. Er fühlte sich sicher mit seiner Waffe, die mich allerdings nicht so schnell außer Gefecht setzen oder töten konnte, wie er glaubte. Außerdem wollte er mich zuerst aussteigen lassen, ein törichter Fehler. Bis er ebenfalls den Truck verlassen hatte, würde ich längst reagiert haben.
In diesem Moment flammte draußen grelles Licht auf. Tatsächlich, eine Mauer. Wir standen im Hinterhof eines heruntergekommen Gebäudekomplexes, wohl einer Art Fabrik mit mehreren Einzelhäusern. Die Dächer waren teils eingestürzt. Aus einem dieser Gebäude quoll ein ganzer Schub Männer wie Ameisen aus ihrem Bau. Sie hielten Brechstangen und Schlagknüppel in den Händen.
Offenbar musste ich tatsächlich noch viel über das Wesen der Menschen lernen. Takezo war erstens alles andere als freundlich und zweitens nicht so einfältig, wie er sich gab. Er hatte sich Verstärkung geordert. Das war mir entgangen. Auch einer biomechanischen Hybridexistenz wie mir unterliefen Fehler.
Es würde nicht einfach werden, dieser Situation zu entkommen. Ich stieg aus. »Was wollt ihr von mir?«
Takezo lachte nur. »Die Hände schön nach oben!«
Diesen Gefallen tat ich ihm. Ich musterte unauffällig die Umgebung. Die anderen umringten mich im Halbkreis, während hinter mir der Truck stand. Jenseits der Männer ragte das Gebäude auf, daneben die Einfahrt, der sich rundum die Mauer anschloss. Es gab nur eine Möglichkeit.
Ich drehte mich um, ging in die Knie, stieß mich ab, schnellte in die Höhe und packte die Oberkante des Trucks. Binnen einer Sekunde zog ich mich auf das Dach.
»Wie hat er …« – »Das gibt's nicht!« – »Scheiße, habt ihr …« Sie plapperten durcheinander. Sollten sie. Ihre Verblüffung kostete sie nur Zeit.
Ich sprang auf der anderen Seite wieder nach unten und spurtete los, der Mauer entgegen. Dahinter wartete hoffentlich die Freiheit. Ich würde improvisieren müssen. Die Mauer ragte fünf Meter hoch auf, eine Strecke, die auch ich nicht mit einem Sprung überwinden konnte. Ich musste klettern, und genau in diesem Punkt lag die Schwachstelle meines in Sekundenschnelle entworfenen Notfallplans – die Mauer war zu glatt.
Eine andere Lösung musste her. Ich warf mich herum. Die Meute stürmte mir entgegen. Einer lachte: Takezo.
Vielleicht half mir das Überraschungselement. Ich ging zum Gegenangriff über, hastete auf den ersten Angreifer zu. Der hob mit einem Knüppel aus, ließ ihn durch die Luft pfeifen. Ich blockte den Angriff, packte den Arm, drehte mich. Das hässliche Geräusch eines brechenden Knochens, die Finger öffneten sich, und ich entwand dem schreienden Mann die Schlagwaffe.
Eine Faust schmetterte in meine Magengrube. Gleichzeitig trat mir jemand die Beine weg. Ich mochte ein besserer Kämpfer sein als sie, außerdem stärker … aber ihre Überzahl raubte mir jede Chance. Die Auseinandersetzung fand ein Ende, ehe sie richtig begann.
Sie nahmen mir den Knüppel weg, schlugen auf mich ein. Einer kniete sich auf meine Beine, andere hielten meine Arme fest.
»Weg«, brüllte jemand. Eine Lücke bildete sich zwischen den Schlägern, die mich umringten. Ein Mann tauchte darin auf; sein rechter Arm hing wie ein nutzloses Etwas an ihm herab, der Unterarm war an einer Stelle seltsam abgeknickt. Die Finger zitterten. Seine Züge waren schmerzverzerrt, am Hals standen die Sehnen weit heraus. »Du Arschloch!« Er trat mir in die Seite, ich wollte mich zusammenkrümmen, doch die anderen hielten mich. Er beugte sich über mich, rotzte mir einen Batzen Schleim ins Gesicht.
»Hör auf«, sagte Takezo. »Wir brauchen ihn noch.«
»Wieso?«, brüllte ich ihm entgegen. »Was wollt ihr von mir?«
In diesem Moment gellten drei Schüsse.
13.
Vernunft und Gewissen
Ras Tschubai
»Sie … Sie sind doch diejenigen, die das Licht zurückbringen!«
Diese Worte des blauhäutigen Ferronen ließen an Bord wohl alle ebenso verwirrt zurück wie Ras Tschubai. Sofort erinnerte sich der sudanesische Teleporter an die eigenartige Formulierung des Notrufs, der sie ins Wega-System geführt hatte.
Echsen haben uns gefunden. Sie werden das System überrennen! Dunkelheit verdrängt das Licht! Du lebst länger als die Sonne, heißt es. Eile herbei! Kerlon.
Auch dort war die Rede von Licht – genauer von Dunkelheit, die dieses Licht verdrängte. Und nun behauptete dieser Chaktor, die Besatzung der GOOD HOPE wäre gekommen, um das Licht zurückzubringen? Jenes Licht, das zuvor von Finsternis – von diesen Topsider-Echsen in ihren Kriegsschiffen – ausgelöscht worden war?
Das war eine Rolle, in der sich Tschubai ganz und gar nicht wohlfühlte. Es klang ihm zu sehr nach einer mystischen Hoffnung der Ferronen, die in den Menschen nun gottgleiche, herbeigesehnte Retter erwarteten. Je länger er darüber nachdachte, umso mehr wuchs die Überzeugung, dass er sich in dieser Einschätzung nicht täuschte.
Perry Rhodan schwieg derweil, wechselte Blicke mit Thora. Nicht zum ersten Mal glaubte Tschubai, eine besondere Vertrautheit zwischen diesen einander so fremden Wesen zu spüren. So andersartig sie einander sein mochten, der Mensch und die Arkonidin, sosehr ähnelten sie sich letztlich in der Art zu denken und Verantwortung zu übernehmen. Sie waren beide geborene Führungspersönlichkeiten mit starken Charakteren; dass sie aneinanderstießen und sich gegenseitig schliffen, konnte niemand überraschen, der auch nur über etwas Menschenkenntnis verfügte.
»Wir können nicht bleiben!«, rief Tschubai in die Stille, und es war ihm gleichgültig, ob ihm das Recht zustand, eine solche Behauptung zu äußern. Gab es an Bord der GOOD HOPE überhaupt eine Hierarchie, die dagegensprach? Sie waren überhastet aufgebrochen, ein Team von Gefährten, die in den ewigen Weiten des Alls aufeinander angewiesen waren. Rasch hatten sich die Menschen auf vertrauliche Anreden geeinigt. Und wenn er, Tschubai, die Position des Mahners übernehmen musste, dann sollte es eben so sein. »Man braucht uns auf der Erde!«, ergänzte er.
Chaktor erhob sich, stand zum ersten Mal seit seiner Ankunft in der GOOD HOPE aus eigener Kraft. »Sie haben mir das Leben gerettet, als Sie mich hierher gebracht haben.« Er verschränkte die Hände, streckte sie dem Teleporter entgegen. »Ohne Sie wäre ich inzwischen tot, elendig erstickt. Ihre Haut ist wie die Nacht. Als ich Sie sah, glaubte ich, Sie seien ein Bote der Finsternis, die endgültig mich und mein Volk mit sich reißt. Aber trotz Ihrer schwarzen Haut gehören Sie zu denen, die das Licht bringen. Ich fühle es. Ich weiß es! Sie dürfen nicht gehen.«
Die Erwähnung seiner Hautfarbe versetzte dem Sudanesen einen Stich. Auf der Erde war er mehrfach deswegen angefeindet worden. Ein im Grunde lächerlicher Konflikt, der jedoch immer wieder hochpeitschte, alle paar Jahre irgendwo auf der Erde neue und brutale Blüten trieb. Menschen mit weißer Haut oder schwarzer – wo lag der Unterschied? Er schaute sich um. Einige Terraner, dunkel und hellhäutig. Eine Arkonidin, kühl und bleich, mit albinotisch roten Augen und weißem Haar. Ein Ferrone mit blauer Haut. Sie alle waren vereint, sie alle verstanden einander und dachten ähnlich.
Umso schwerer fielen Tschubai die nächsten Worte. »Wir müssen zurück«, betonte er ein weiteres Mal, ehe er den Blick zu Perry Rhodan wandte. Dieser ging zu Thora und flüsterte ihr etwas zu, das der Sudanese nicht hören konnte.
Rhodans Hand wies auf das schematische Hologramm, das nach wie vor die Truppenbewegungen im Wega-System verfolgte und auf dem immer wieder Symbole für Ferronen-Schiffe erloschen. Im Gegenzug verschwand so gut wie keine Einheit der angreifenden Topsider.
Als Tschubai ebenfalls den Blick dorthin wandte, entdeckte er ein Detail, das sich mit schmerzhafter Intensität in seinen Verstand bohrte. Er wusste, dass er es lange nicht würde vergessen können, obwohl – oder gerade weil – es sich nur um einige unpersönliche Symbole handelte, die ihre Position in einer Darstellung aus projizierten Lichtpunkten veränderten.
Ein Ferronen-Symbol raste auf das eines Topsider-Schiffes zu. Sie kollidierten. Völlig unspektakulär flackerten beide Zeichen und erloschen. Dort draußen im All hatte soeben die Mannschaft – oder der Kommandant – eines Raumers voller intelligenter Individuen beschlossen, auf Kollisionskurs zu gehen und ein Schiff der Feinde mit in den Tod zu reißen. Ferronen waren gestorben – und Topsider. Auch diese Echsenwesen waren sicher keine Monster, obwohl sie entsetzliche Taten begingen.
Tschubais Finger zitterten.
»Wir können nicht ignorieren, was hier geschieht«, sagte Perry Rhodan. »Mein Verstand sagt mir, dass wir gehen müssen, dass du recht hast, Ras. Doch die Vernunft ist in diesem Fall nicht alles! Mein Gewissen stellt eine ganz andere Forderung. Wir bleiben.«
Perry Rhodan
Wir bleiben.
Rhodans Worte sorgten für Schweigen in der Zentrale. Er wusste, dass sie möglicherweise den Tod für sie alle bedeuteten. Wenn Thora überhaupt mitspielte. Sie hatte die Macht, die GOOD HOPE aus dem System zu steuern und in einem Transitionssprung zurück zur Erde zu bringen. Sie musste sich Rhodans Entscheidung nicht beugen.
Doch zu seiner Überraschung widersprach sie nicht. Die Arkonidin drehte nicht einmal den Kopf, um ihn anzusehen. Stattdessen starrte sie auf die virtuellen Bildschirme. Sie wandte sich sogar weiter ab, dass er nur noch ihren Rücken sah und das weiße Haar, das über ihre Schultern floss.
»Ich wusste es!«, rief Chaktor. »Sie sind die, auf die wir warten.«
Das sind wir nicht, dachte Rhodan, sprach es aber nicht aus. Er musste später mit dem Ferronen darüber sprechen. Falls es ein Später gab. Wenn sie nicht alle in dieser Schlacht zerrieben wurden und von der GOOD HOPE nur eine kurzlebige, alles vernichtende Explosion blieb; ein unscheinbarer Lichtreflex im All, der nur ihre Atome zurückließ.
Es war schlicht unmöglich, dass das Volk der Ferronen auf einige Terraner wartete. Sie hatten den Abgrund zwischen ihren Heimatgestirnen nur überwunden, weil ihnen das halb zerstörte Beiboot eines außerirdischen Volkes in die Hände gefallen war, weil es außerdem zwei Arkoniden unter ihnen gab, von denen immerhin Thora in der Lage war, die GOOD HOPE zu steuern.
Zu seiner Erleichterung sah Rhodan, dass Tschubai nickte. Offenbar begriff der Teleporter, warum er die Entscheidung getroffen hatte, im Wega-System zu bleiben. Es war aus einem Bauchgefühl heraus geschehen. Verstand und Gefühl redeten in diesem Fall mit völlig unterschiedlichen Sprachen. Letztlich war Rhodan seinem Gewissen gefolgt, nicht der Logik oder dem Überlebenstrieb.
»Wir können zunächst nichts ausrichten«, fuhr er fort. »Zumindest sieht es so aus. Aber wir bleiben deswegen nicht untätig. Wir haben Chaktor an Bord geholt. Nun ist es an der Zeit, den nächsten, ebenso logischen Schritt zu gehen.«
Nun sah Thora doch noch auf. Sie wirbelte herum, dass ihre Haare flogen. »Sie wollen einen Topsider gefangen nehmen?«
Rhodan nickte. »Mit Ihrer Hilfe, ja. Halten Sie es für möglich?«
Thoras rote Augen tränten vor Erregung. »Wenn es Schiffbrüchige in Überlebenskapseln gibt, wie in Chaktors Fall, sollte es machbar sein.«
»Solange ich von meinem Schiff aus beobachten konnte«, sagte der Ferrone, »ist nur eine einzige Einheit der Echsen zerstört worden. Ohne Überlebende.«
»Sie haben einen eigenen Raumer befehligt?«, fragte Rhodan.
»Ich war Kommandant, ja«, erwiderte der Ferrone düster. »Wir wurden getroffen. Die Rotation fiel aus. Es gab keine Schwerkraft mehr an Bord.«
»Sie kennen die künstliche Schwerkraft nicht wie wir«, erklärte Thora, die diese Information offenbar aus den Orterergebnissen gewonnen hatte. »Ihre Schiffe rotieren um die eigene Längsachse, um Anziehungskraft zu erzeugen.«
Chaktor legte die überkreuzten Arme an den Oberleib. »Überall gab es Explosionen. Wir trieben durch die Zentrale. Viele schmetterten wegen des plötzlichen ersten Schubs und der Druckwellen der Detonationen gegen Wände, Decke und Arbeitsstationen und brachen sich alle Knochen. Feuer loderte überall! Ich … ich habe nur überlebt, weil einer meiner Offiziere auf mich geschleudert wurde und eine Flammenlohe abbekam, die sonst mich getötet hätte.«
»Ich habe ihn gesehen«, meldete sich Ras Tschubai zu Wort. In seiner Stimme spiegelte sich Entsetzen. »In Ihrer Rettungskapsel, richtig?«
Chaktors gesamter Leib zitterte. »So ist es.«
Die Erzählung erschütterte auch Rhodan, doch es galt, keine Zeit zu verlieren. Er musste das Gespräch zurück zum eigentlichen Thema lenken. »Ich kenne dank Ihnen eine Sichtweise dieser Schlacht.«
»Ich verstehe«, erwiderte der Ferrone. »Nun wollen Sie die andere hören.«
»Ich muss es. Das ist einer der Gründe, warum wir einen Topsider in unsere Gewalt bringen müssen. Der zweite ist noch wichtiger. Wenn wir Ihrem Volk helfen wollen, gilt es zu ergründen, was die Echsenwesen antreibt.«
Thora stimmte ihm zu, während ihre Finger weiter über die Schaltflächen huschten. Es schien ihr spielend zu gelingen, sich zugleich auf ihre Aufgabe und das Gespräch in der Zentrale zu konzentrieren. »Es ist von essenzieller Bedeutung, seinen Gegner zu kennen. Nur dann kann man ihn besiegen.«
»Finden Sie eine topsidische Rettungskapsel?«
»Nicht von hier aus«, lautete die niederschmetternde Antwort. »Wenn wir einen schiffbrüchigen Topsider aus dem All fischen wollen, müssen wir tiefer in das System eindringen. Näher an die umkämpften Gebiete, zu den Brennpunkten der Schlacht.«
Mitten in die Höhle des Löwen, und das auch noch freiwillig, dachte Rhodan. »Tun Sie es!«
Thora gab einige Befehle ein. »Wir sind bereits unterwegs.«
Auf einem Hologramm der Außenbeobachtung verfolgten alle in der Zentrale – Menschen, die Arkonidin, der Ferrone –, wie sich die GOOD HOPE voranschob. Sie rasten dicht an einem Pulk aus topsidischen Schiffen vorüber, die eine große Orbitalstation des sechsten Planeten unter Beschuss genommen hatten.
Schweißperlen standen auf Rhodans Stirn. Er hörte Alexander Baturin ächzen, erhaschte einen Blick auf dessen bleiches, fahriges Gesicht.
»Ich wähle bewusst diesen Weg«, sagte Thora mit konzentrierter Stimme. Völlig ruhig schwebten ihre Hände über einer virtuellen Schaltfläche. »Wir bleiben energetisch so unauffällig wie möglich. Die Topsider sind beschäftigt. Drei Ferronenschiffe nähern sich. Das wird die Echsen ablenken. Sie haben Besseres zu tun, als nach unbekannten Schiffstypen Ausschau zu halten oder einen Orterreflex zu beobachten, der sich ihnen nicht nähert.«
Die feindlichen Schiffe entdeckten sie nicht. Thora positionierte die GOOD HOPE hinter dem Ortungsschatten eines Mondes der sechsten Welt, die die Riesensonne umkreiste.
Rhodan verfolgte auf einem Hologramm, wie eine gigantische Explosion die Orbitalstation zerriss. Brennende Teile von mehreren Dutzend Metern Durchmesser jagten in alle Richtungen, wurden teilweise von der Anziehungskraft des Planeten eingefangen und stürzten durch die Atmosphäre in die Tiefe. Wenn sie in bewohntem Gebiet einschlugen, konnten sie entsetzliche Zerstörungen anrichten.
Die Orter arbeiteten auf Hochtouren, suchten nach topsidischen Schiffbrüchigen.
Doch die Suche blieb erfolglos. Nach einigen Minuten gab die Arkonidin auf. »Die Überlegenheit der Angreifer ist zu groß! Wie Chaktor erwähnt hat, gibt es fast keine zerstörten Topsider-Raumer. In dieser Hölle dort draußen werden wir nichts finden.«
»Thora, wir …«, begann Rhodan, doch sie unterbrach ihn scharf.
»Nirgends treiben Rettungskapseln! Vielleicht haben ihre Schiffe nicht einmal welche, wer weiß das schon. Auf diesem Weg können wir nicht mehr über die Topsider erfahren. Verstehen Sie? Uns sind Grenzen gesetzt, die wir nicht überschreiten können, sosehr wir es möchten. Es gibt keinen Weg!«
Rhodans Atem ging schwer. Ob es ihm gefiel oder nicht, was immer sein Gewissen sagte – er musste kapitulieren. »Also sind wir gezwungen, uns doch zurückzuziehen«, entschied er. Erneut widersprach Thora seinem Befehl nicht. »Dies ist keine endgültige Kapitulation! Wir geben nicht auf, aber momentan bleibt uns nur, die Flucht anzutreten. Wir müssen mit Crest reden und erfahren, was sich auf der Erde inzwischen abspielt. Aber wir kehren zurück zur Wega. Dies ist noch lange nicht vorbei!«
Im selben Moment ächzte Thora, ebenso wütend wie erschrocken. »Ein weiterer topsidischer Verband ist soeben materialisiert! 60 Raumer, davon zehn 800-Meter-Truppentransporter! Sie alle stehen viel zu nah!«
»Was bedeutet das?«, rief Alexander Baturin.
»Wir können das System nicht mehr unbemerkt verlassen«, antwortete die Arkonidin. »Wir sind gefangen.«
Gleichzeitig jagten die 60 neuen Topsiderschiffe los, um das letzte Aufgebot der Ferronen zu vernichten …


