Kitabı oku: «Perry Rhodan Neo Paket 2: Expedition Wega», sayfa 3
Sie passierten eine Handvoll weiterer Baugruben sowie drei bereits in Handarbeit fertiggestellte Gebäude – sie erinnerten Julian an die windschiefen Behausungen, die er vor einigen Monaten in einem Slum außerhalb von Lhasa gesehen hatte – und betraten schließlich die innere Stadt.
Die Hitze fiel augenblicklich von ihnen ab, abgelöst von einer angenehmen Kühle. Julian legte den Kopf in den Nacken. Er sah keinen Himmel. Es schien, als liefen die Wände schräg nach außen, ähnlich wie die eines Trichters. Zusammen bildeten sie ein geschlossenes Dach über der Stadt.
»Die Häuser absorbieren die Wärme des Tages und halten die Stadt kühl«, sagte Julio. »Nachts kehrt sich der Prozess um, und die Häuser geben die gespeicherte Wärme ab. Es wird selbst im Sommer ungemütlich kalt in der Wüste hier.«
»Davon können wir ein Lied singen«, warf Mildred ein.
»Das kann ich mir denken.«
Julio führte sie in das Zentrum. Überall auf den Straßen waren Menschen. Die Chinesen schienen in der Überzahl, aber Julian kam es so vor, als wäre jede ethnische Gruppe, jede Nation der Erde in Terrania vertreten. Und überall saßen die Menschen zusammen und diskutierten, Tablets auf dem Schoß.
»Wir versuchen, arkonidisches Wissen zu knacken«, erläuterte Julio. »Reginald Bull hat es geschafft, einen Teil der Datenbestände dieser Positronik zu kopieren, die die Arkoniden in die STARDUST eingebaut haben. Es sind nur Bruchstücke. Aber jeder Krümel von ihrem Tisch kann für uns unermesslich wertvoll sein.«
Schließlich erreichten sie den Fuß des Stardust Towers. Das Erdgeschoss war ein offener Raum ohne Wände. Meterdicke Säulen stellten das Fundament dar, auf dem der Turm ruhte. Im Erdgeschoss standen Tische verstreut.
»Die Anlaufstelle für frisch Eingetroffene und Koordinationsstelle für Arbeitseinsätze«, sagte Julio. »Hier bekommt ihr eine Aufgabe und einen Platz zum Schlafen. Geht einfach an einen freien Tisch. Ihr seht ja, hier ist gerade nicht viel los.«
»Etwas anachronistisch, nicht?«, sagte Mildred. »Euer TerraNet sollte die Koordination problemlos regeln können.«
»Tut es auch. Wenn der Verbund nicht gerade hängt – wir sind in der frühen Betaphase, wenn überhaupt. Außerdem gibt es Dinge, die man immer noch am besten von Angesicht zu Angesicht regelt. Wie das hier.« Er griff sich an die Armbinde. »Ihr wollt doch Terraner sein, oder?«
»Ja!«, antworteten beide im Chor.
»Dann los!« Julio klappte das Visier herunter. »Wenn ihr mich jetzt entschuldigt? Ich werde gebraucht …« Mit einem »Wir sehen uns!« machte er kehrt und verschwand in der Menge.
Als die Nacht anbrach, saßen Julian und Mildred auf einer Bank, die man aus einer ausgedienten Munitionskiste improvisiert hatte, und aßen ihre erste Mahlzeit: eine Schale Reis und Sojasauce. Wasser hatte es keines gegeben. Sie tranken ihre letzten eigenen Vorräte. Um sie herum kauerten ausgetrocknete Büsche. Der Platz war als Park designiert, einer von vielen, die sich in der inneren Stadt Terranias verbargen.
Sie waren erschöpft. Im Stardust Tower hatte man ihnen Armbinden und Headsets gegeben und die Aussicht, morgen zur Arbeit eingeteilt zu werden. Den übrigen Tag hatten sie damit verbracht, ziellos durch die Stadt zu spazieren, die reale Stadt Terrania mit ihren Träumen in Übereinstimmung zu bringen. Mildred schien es zu gelingen. Doch Julian selbst … Die Sorge um seinen Vater ließ ihn nicht los. Immer noch keine Spur.
Er schaltete den Pod aus, ärgerlich über sich selbst. Er hatte sich von seinem Vater losgesagt, um seinen Träumen zu folgen, nicht? Nun war er am Ziel seiner Träume und dachte ständig an ihn …
Julian Tifflor sah auf. Es war eine klare Nacht, doch der Himmel war nicht zu sehen. Die Häuser bildeten ein geschlossenes, schützendes Dach über ihnen.
»Das ist also Terrania«, flüsterte Julian. Er spielte an der Armbinde herum, die sie im Stardust Tower erhalten hatten. Sie verrutschte immer wieder.
»Bist du enttäuscht?«, fragte Mildred.
»Ehrlich gesagt, ja. Ich hatte es mir anders vorgestellt. Die meisten Leute scheinen hier damit beschäftigt, mit Klappspaten im Wüstenboden zu wühlen.«
Sie legte eine Hand auf seine Schulter. »Nicht, was du dir erhofft hast. Ich weiß. Aber das ist nur der Anfang. Sie legen die Fundamente. Perry Rhodan …«
»… ist auch nur ein Mensch. Einer, den seit Tagen niemand gesehen hat. Wie sollen wir nach den Sternen greifen, wenn wir im Boden wühlen?« Julian wusste, dass er ungerecht war, und dieses Wissen stachelte seinen Zorn nur weiter an. »Wir könnten irgendwo auf der Erde sein! Sogar die üblichen Spinner mit ihren Flugblättern sind unterwegs …« Er nickte in Richtung eines alten, buckligen Mannes, der zwischen den Gruppen im Park umherging und ihnen Zettel in die Hand drückte.
Als hätte der Mann seine Worte gehört, kam er auf sie zu. Julian schätzte ihn auf siebzig. Er trug einen Anzug, der einmal teuer gewesen sein musste. Vor vielen Jahren. Nun war er fadenscheinig und mit Flicken an Knien und Ellenbogen versehen.
»Hier, für euch!« Der alte Mann hielt ihnen einen Zettel entgegen. Dem Akzent seines Englischs nach musste er Brite sein.
Julian wollte ihn ignorieren, aber Mildred nahm den Zettel. Es war ein Geldschein. Ein Raumfahrer mit einem klobigen Helm und eine Rakete, in der Julian die STARDUST erkannte, waren darauf abgebildet. Am rechten Rand stand eine große Zehn und darunter das Wort »Solar«.
»Hübsch«, sagte Mildred anerkennend. »Selbst gemalt?«
»Sozusagen. Und eigenhändig vervielfältigt.«
Ein Spinner, eindeutig. Und auch nicht. Der Bucklige war zu gelassen. Mildreds Kommentar schien ihm nichts auszumachen, genauso wenig wie Julians demonstratives Schweigen.
»Wozu?«, fragte sie.
»Eine neue Zeit braucht eine neue Währung, nicht?«
Mildred überlegte einen Augenblick, dann sagte sie: »Vielleicht. Aber vielleicht braucht eine neue Zeit überhaupt keine Währung?«
»Dieser Tag wird kommen. Aber fürs Erste sollte das hier taugen. Jeder kann so viel davon haben, wie er will.« Der Bucklige langte in die Tasche seines Jacketts und holte ein Bündel weiterer Scheine hervor.
»Selbst gemachtes Geld? Jeder kann so viel davon haben, wie er will? Sie träumen!«
»Ja. Aber wenn ich eines gelernt habe, ist es, dass man seine Träume in die Hand nehmen muss, um sie wahr zu machen. Wärt ihr beide sonst hier?«
Mildred sah von dem Schein zu dem Buckligen und wieder auf den Schein. »Da ist etwas dran. Aber wieso bleiben Sie dann in der Vergangenheit stecken?« Sie zeigte auf den Raumfahrerkopf. War das nicht das Gesicht Perry Rhodans? »Ein weißer Mann. Das zwanzigste Jahrhundert ist seit Längerem vorüber.«
»Richtig. Wieso drehst du den Schein nicht um?«
Sie tat es. Eine schwarze Frau zierte die Rückseite des Scheins.
»Und noch mal.«
Ein neues Gesicht. Ein Asiat. Mildred drehte den Schein erneut und sah ein weiteres Gesicht.
»Wie haben Sie das angestellt?«, fragte Mildred.
»Arkonidisches Wissen. Wer Raumschiffe zu bauen vermag, die zwischen den Sternen verkehren, hat noch ein paar weitere Tricks im Ärmel.« Der Bucklige steckte das Bündel Scheine wieder weg und wandte sich an Julian, der so tat, als interessiere ihn die Unterhaltung der beiden nicht. »Du siehst unglücklich aus, Junge. Gefällt dir Terrania nicht?«
»Ich …« Julian spürte, wie ihm Röte ins Gesicht schoss. Dieser alte Spinner hatte ihn durchschaut! »Nein. Das tut es nicht.« Er sagte es trotzig und kam sich dabei vor wie ein kleines Kind.
»Es ist nicht so, wie du es dir vorgestellt hast, was?«
»Ich habe geglaubt, man könnte hier die Sterne spüren.«
»Ich verstehe.« Der alte Mann nickte wissend. Eine Geste, die Julian von seinem Vater vertraut war und ihn zur Weißglut reizte. »Vielleicht kann ich dir weiterhelfen.«
»Wie das?« Julian versuchte, verächtlich zu klingen.
»Ich glaube, da ist jemand, den du treffen solltest …«, sagte der alte Mann, als hätte er den Unterton nicht registriert. Er nahm den Geldschein heraus, schrieb zwei Buchstaben darauf und gab ihn Julian Tifflor. »Hier, ich verspreche dir, das wird dich auf andere Gedanken bringen.«
4.
25. Juli 2036
Perry Rhodan
»Noch sechs Minuten!«, rief Thora da Zoltral in makellosem Englisch.
Die Arkonidin hielt den Kopf gerade, den Blick auf das enge Flusstal gerichtet, dessen Verlauf der Hawk-Helikopter folgte. Sie hielt den Steuerknüppel lässig zwischen Daumen und Zeigefinger, hielt die Maschine so tief über dem reißenden Fluss, dass Rhodan glaubte, Fische in der Gischt zu erkennen.
Ihr Tiefflug war riskant, aber notwendig. Sie mussten ihre Gegenüber überraschen.
Zumindest dafür standen ihre Chancen nicht schlecht. Thora beherrschte den Hawk, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan, als auf rückständigen Planeten primitive Fluggeräte zu steuern. Die Arkonidin ging ganz in ihrer Aufgabe auf. Rhodan, der in der Tür zwischen Cockpit und Passagierkabine stand, weil ihn die Aufregung nicht länger auf dem Sitz hielt, ertappte sich dabei, wie er staunend Thoras Züge musterte. Sie spiegelten sich in der Cockpitscheibe des Helikopters.
Aus weißem Haar war dunkles geworden, aus roten Augen blaue. Ihre Blässe war dem gesunden, gebräunten Teint einer Sportlerin gewichen. Von den Augenwinkeln verzweigten sich Fältchen, zeigten an, dass sie die vierzig überschritten haben musste. Eine energische Frau von Format. Eine Frau, der man es zutraute, die Rolle der Stabschefin des Präsidenten der Vereinigten Staaten auszufüllen. Die Maskenbildner, die Mercant über seine Verbindungen hatte auftreiben und zum Flugfeld bringen lassen, hatten erstklassige Arbeit geleistet.
Doch es war nicht das Bild einer Arkonidin, die sich zum Menschen gewandelt hatte, das Rhodan innehalten ließ. Es war, was diesem Bild fehlte: der Hochmut, die Abwehr war aus den Zügen Thoras gewichen. In diesen Minuten war die Arkonidin Thora da Zoltral endlich auf der Erde angekommen, hatte die Bürde ihrer Herkunft abgestreift.
»Vorsicht!«, warf Mercant ein, der auf einem Display ihren Kurs verfolgte. »Wir nähern uns dem ersten Außenposten!«
Der ehemalige Agent hatte neben der Arkonidin den Platz des Kopiloten eingenommen. Er strich das Jackett seines Anzugs zurecht, stellte sicher, dass der Griff seiner Waffe sich an der Brust abzeichnete. Der ehemalige Geheimdienstler hatte den einfachsten Part ihres Plans erhalten. Mercant musste nur spielen, was er sein Leben lang gespielt hatte: den unerschütterlichen Geheimdienstmann, ganz auf seine Aufgabe konzentriert.
Die Turbinen des Hawks heulten auf, als die Arkonidin den Helikopter in eine enge Kurve zwang. Rhodan hielt sich an der Lehne von Mercants Sitz fest, als ihn der Andruck zu Boden drückte. Ein Elch, von der Maschine überrascht, machte sich davon. Er verschwand in den dichten Wäldern, die den größten Teil der Adirondacks bedeckten. Diese Landschaft im Norden des Bundesstaats New York war von Menschen unberührt.
Nahezu. Und deshalb waren sie zurückgekehrt in das Land, von dem sich Rhodan losgesagt hatte.
»Alles in Ordnung?« Rhodan drehte sich um, sah in die Passagierkabine des Helikopters. Ihre Kameraden warteten dort auf den Einsatz und versuchten ihrer Nervosität Herr zu werden, jeder auf seine Weise.
Sid González, der junge Latino, war tief in den Sitz gesunken und spielte mit seinem Pod. Er streckte die Knie hoch, als handele es sich bei ihm um einen gewöhnlichen Teenager, der auf einer langen Fahrt vor Langeweile starb. Sid, bis vor einem Monat noch ein dicker Junge, war dürr. Seine Gabe, die er weit über die Grenzen hinaus beansprucht hatte, zehrte ihn aus. Eigentlich brauchte der Junge Ruhe. Doch sie brauchten ihn. Sid war ein Teleporter. Er vermochte es, sich selbst und andere per Gedankenkraft an andere Orte zu versetzen.
John Marshall, der nachdenkliche ehemalige Investmentbanker, der für Sid wie ein Vater war, saß kerzengerade. Der ruhige, korrekte Marshall hatte sich als Einziger vorschriftsgemäß angeschnallt. Der Telepath, der es vermochte, die Gedanken anderer Menschen zu lesen, hatte die Augen geschlossen, als horche er in sich hinein oder hätte die Welt um sich herum vergessen.
Oder gab er es nur vor?
Anne Sloane kauerte auf der Kante des Sitzes, der am weitesten von Marshall entfernt war, drahtig und sprungbereit. Als ehemalige Surferin zeichnete sie ein außergewöhnlicher Gleichgewichtssinn aus – neben anderen, verborgenen Talenten. Marshall und Anne Sloane waren einander in den letzten Tagen nähergekommen. Vielleicht zu nahe. Seine Gabe machte Marshall außergewöhnlich – und außergewöhnlich empfindlich. Die leidenschaftliche, aber sprunghafte Telekinetin musste eine erhebliche Anziehung auf ihn ausüben. Und sie musste ihn immer wieder, ungewollt, zutiefst verletzen.
Sid trug Shorts und ein T-Shirt mit einem Aufdruck der Milchstraße. Ein Pfeil zeigte auf einen Ausläufer der Galaxis, beschriftet mit »Sie befinden sich hier!« Sid würde sich vor der Landung im Helikopter verstecken. Ein Teenager an Bord der Marine One würde augenblicklich Misstrauen erregen.
John trug einen Anzug, Anne ein konservativ geschnittenes Kostüm. Auf den ersten Blick wirkten sie – hoffte Rhodan jedenfalls – wie gewöhnliche Regierungsbeamte. Und einen zweiten oder längeren Blick würden sie nicht zulassen. Sid, John und Anne waren ihre Reserve, ihre Lebensversicherung.
»Sichtkontakt!«, rief Allan Mercant. Der ehemalige Geheimdienstler zeigte nach rechts unten. Rhodan drehte sich um, folgte mit dem Blick seiner ausgestreckten Hand und sah eine mit Sandsäcken befestigte Stellung. Zwei überraschte Soldaten versuchten vergeblich, ihr schweres Maschinengewehr auf den Helikopter zu richten. Ein dritter hielt ein Funkgerät an die Seite des Kopfes.
Man hatte sie bemerkt.
»Sie kommen!«, sagte Thora. Es war eine Feststellung, mehr nicht. Über ihnen am blauen Himmel schälten sich schwarze Punkte heraus, wurden rasch größer. Autonome Drohnen. Sie nahmen die Verfolgung des Helikopters auf, schlossen zu ihm auf. Die Läufe der Buggeschütze ruckten herum, nahmen den Eindringling ins Visier.
Thora schenkte ihnen keine Beachtung. Sie nahm Schub heraus, als die enge Schlucht in ein weites Tal überging. Moor und Feuchtwiesen erstreckten sich an seinem Grund, dazwischen waren kleine Nadelwaldhaine verstreut. Eine ungepflasterte Straße wand sich über einen Grat und in Serpentinen in das Tal, um dort kerzengerade nach Norden zu führen. Sie war mit Militärfahrzeugen übersät. Tanklaster, Sattelschlepper, eskortiert von gepanzerten Fahrzeugen. Dazwischen immer wieder Geländewagen, die jede Lücke nutzten, um einige Meter im langsamen Strom der schwereren Fahrzeuge zu gewinnen.
»Ihrem Präsidenten scheint unser Schatz äußerst wichtig zu sein«, bemerkte Thora sarkastisch. Der Augenblick, in dem sie im Hier und Jetzt aufgegangen war, war vorüber. Die stolze Arkonidin hatte in ihr wieder die Oberhand gewonnen.
»Er ist nicht mehr mein Präsident«, entgegnete Rhodan schärfer als beabsichtigt.
»Natürlich. Ich vergaß. Sie sind ja jetzt der Präsident …«
Zumindest für die nächsten Stunden. Rhodan tastete über die neue Maske, die er trug. Er hatte Falten erhalten, dünne Lippen und hervorstechende Segelohren, war um zwei Jahrzehnte gealtert. Als die Spezialisten Mercants mit ihm fertig gewesen waren, hatte ihn ein Fremder aus dem Spiegel angesehen. Ein Mann Mitte fünfzig. Hager, entschlossen. Stanley Drummond, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Der Mann, der das arkonidische Expeditionsschiff auf dem Mond hatte vernichten lassen. Der Crest da Zoltral den Prozess gemacht und nichts unversucht gelassen hatte, Rhodan und seine Kameraden in seine Gewalt zu bringen. Der Mann, der vor keiner Tat zurückschreckte, um die Illusion wiederherzustellen, der Mensch sei allein im Universum, sei die Krone der Schöpfung.
Drei Tage hatte Rhodan vor dem Flug nach New York damit verbracht, Körpersprache und Sprechweise Drummonds zu erlernen. Eine Operation an den Stimmbändern hatte er abgelehnt. Drummond klang stets leicht heiser, die Spätfolge einer Kriegsverletzung. Rhodan hatte versucht, sie nachzuahmen, indem er sich heiser redete.
Mit gewissem Erfolg: »Echter als echt!«, hatte sein Freund Reginald Bull ihm beim Abschied bescheinigt und ihm auf die Schulter geklopft. »Du musst dich nur räuspern, und diese Kommissköpfe werden übereinander stolpern, um dir zu Diensten zu sein. Wirst schon sehen!«
Es knackte in Rhodans Ohrhörer. »Unbekannter Helikopter! Sie befinden sich über militärischem Sperrgebiet. Drehen Sie unverzüglich ab!«
Mercant übernahm es zu antworten. »Sagen Sie, Mann, sind Sie eigentlich blind?«, bellte er in das Mikrofon vor seinem Mund.
Einige Sekunden lang rauschte es, während der Mann um seine Fassung rang. »Was fällt Ihnen ein? Sie …«
»Sie halten jetzt die Luft an«, schnitt ihm Mercant das Wort ab. »Ihre Drohnen umschwirren uns wie lästige Fliegen. Haben Sie schon einmal daran gedacht, sich die Bilder anzusehen, die Ihre Kameras übermitteln?«
»Natürlich. Sie …«
»Dann quatschen Sie nicht rum! Hier ist Marine One.«
Rauschen im Ohrhörer. Der Soldat war von der plötzlichen Wendung überfordert.
Mercant ließ ihm keine Möglichkeit, wieder zu Sinnen zu kommen. »Sie wissen, was das bedeutet, Mann?«
»Der Präsident … Sir?«
»Genau. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Stanley Drummond. Und wenn Sie auch nur die geringste Aussicht haben wollen, Ihren Rang zu behalten, weisen Sie die Drohnen an, nicht länger auf die Maschine des Präsidenten zu zielen, klar?«
»S… selbstverständlich, Sir!« Die Läufe der Geschütze ruckten herum. Aus der Abfangstaffel war eine Eskorte geworden. Vorerst.
»Gut so, Junge«, lobte Mercant väterlich. »Name und Rang?«
»Sergeant Michael Snider, Sir! B… bitte entschuldigen Sie mein Vorpreschen. Wir hatten nicht mit dem Präsidenten gerechnet. Es heißt, Sie wären in Los Angeles, um persönlich die Revolte …«
»Ich geben Ihnen einen guten Rat, Junge: Hören Sie niemals auf Gerüchte, wenn Sie es noch zu etwas bringen wollen!«
»Ja, Sir! Ich werde es beherzigen!«
»Das hoffe ich. Und jetzt holen Sie mir gefälligst den Kommandanten dieser Operation an das Funkgerät, klar?«
»Sofort, Sir!«
Das Rauschen erstarb. Mercant wandte sich zu Rhodan. »Na, wie war ich?« Mercant, der auf die fünfundsechzig zuging, grinste wie ein kleiner Junge, dem es eben gelungen war, einen Lehrer mit einem Streich an der Nase herumzuführen.
»Nicht übel«, antwortete Thora. »In der Flotte des Imperiums würde man Sie als Kadetten nehmen.«
»Tatsächlich? Ich dachte, in Ihrer Flotte wäre kein Platz für Barbaren …«
Mercant spielte mit dem Stolz der Arkonidin. Rhodan erwartete eine scharfe Zurechtweisung, stattdessen verzog Thora die Lippen zu einem süffisanten Lächeln. »Natürlich. Sie als Mann von Welt wissen, dass es in jeder Flotte einen unstillbaren Bedarf an Idealisten gibt, die bereit sind, für die gerechte Sache zu sterben, nicht?«
Mercants Grinsen erstarrte zu einer Maske. »Ich habe nicht die Absicht …«
Er brach ab, als eine neue Stimme aus den Ohrhörern drang: »Hier General Joshua de Soto. Was gibt es?« Sie war laut und bestimmend.
De Soto. Mercants Kopf ruckte hoch. Er holte tief Luft und sagte: »Das werde ich mit Vergnügen General Harrison erläutern, dem Befehlshaber …«
De Soto schnitt ihm das Wort ab. »Harrison füllt gerade in einem Vorzimmer im Pentagon seinen Antrag auf vorzeitige Pensionierung aus. Er wurde vor vier Stunden seines Kommandos enthoben. Was wollen Sie?«
Mercant warf Rhodan einen fragenden Blick zu. Der Kommandeurswechsel war unerwartet. Aber auch ein Grund, ihre Mission abzubrechen? Rhodan schüttelte den Kopf.
Mercant sagte: »Präsident Drummond ist hier, um sich vom Fortgang der …«
»Das habe ich mir längst zusammengereimt, Mann. Und jetzt geben Sie mir meinen alten Kameraden Stanley!«
Meinen alten Kameraden. De Soto kannte Drummond persönlich! Der General würde Rhodan innerhalb von Minuten durchschauen. Es war vorbei, ehe es überhaupt begonnen hatte.
Mercant schaltete das Funkgerät aus. »Rhodan, wir müssen abbrechen! Wir können diesen de Soto nicht täuschen. Sid springt mit uns aus dem Hubschrauber, bevor der General oder sonst ein Soldat Verdacht schöpft!«
Rhodan antwortete nicht. Mercant hatte den einzig möglichen Weg gewiesen. Noch konnten sie sich unerkannt davonstehlen.
Rhodan sah aus dem Cockpit. Thora hielt unverändert Kurs, zielte schnurgerade auf die Ansammlung von Gebäuden vor ihnen. Ein Teil war ausgebrannt. Vielfach gewundene Stahlgerippe ragten aus den schwarzen Aschehaufen. Fort Sunrise. Der Ort, an dem der Mutant Clifford Monterny um ein Haar Thoras Mentor Crest da Zoltral umgebracht hätte – und Thora selbst.
Einige hundert Meter weiter flussaufwärts fand sich, weshalb sie gekommen waren. Eine große, runde Zeltplane. Ihr Durchmesser mochte um die einhundert Meter messen. Dutzende von gepanzerten Fahrzeugen umringten sie, formten eine Wagenburg.
Unter dieser Plane war das arkonidische Schiff verborgen, mit dem die Arkonidin Crest – und auch Rhodan und Bull – im letzten Augenblick gerettet hatte. Eine stählerne Kugel mit einem Durchmesser von sechzig Metern. Ein Wunderwerk, das selbst die kühnsten Träume des ehemaligen Astronauten übertraf. Keine Rakete, ein echtes Raumschiff. Ein Schiff, das für Rhodan der Schlüssel zum Überleben und für die Menschheit das Tor zu den Sternen darstellte.
Rhodan dachte an den Anflug auf New York, das von Kämpfen erschütterte, brennende Manhattan. An das »Großer Gott!« von Jenny Luwalski, der jungen, lebenslustigen Frau, die einfach nur ihr Leben leben wollte und deren unerträgliche Furcht sie in blinde Wut flüchten ließ.
Perry Rhodan durfte nicht umkehren.
Er räusperte sich, sog den heiseren Klang des Lauts auf. Dann schaltete er sein Funkgerät auf Sendung. »Joshua, alter Halunke, hier ist Stanley. Wir reden später, klar? Wo können wir landen?«
»Klar!«, kam die Antwort. »Sag deinem Piloten, er soll den Drohnen folgen.«
Die Drohnen beschleunigten. Thora warf ihm einen fragenden Blick zu. Die Arkonidin wirkte konzentriert. Die plötzliche Wendung schien sie nicht zu ängstigen.
»Folgen Sie ihnen!«, befahl Perry Rhodan.
Thora tat, was er ihr hieß.


