Kitabı oku: «Systemisches Coaching», sayfa 5

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2.4 Ein Beispiel

Ein Beispiel aus dem Organisationsbereich mag die Begegnungsschwierigkeiten zwischen Ich-Du- und Ich-Es-Typen noch einmal beleuchten und zugleich die Klärungskraft dieses Modells dokumentieren:

Ein leitender Angestellter wird zu seinem Chef gerufen, der ihm mitteilt, dass er mit seiner Leistung in einem bestimmten Tätigkeitsfeld nicht zufrieden ist. In mehreren Gesprächen unter vier Augen arbeitet er mit ihm zusammen einen Plan aus, wie das Problem gelöst werden kann. Er möge diesen innerhalb von drei Monaten umsetzen und ihm dann einen Erfolgsbericht geben.

Dieser Mitarbeiter schätzt seinen Chef als Mensch und Führungskraft, die Rüge trifft ihn sehr persönlich, auch wenn er die intensive Arbeit mit ihm genossen hat. Er vermutet, dass sein persönliches Vertrauensverhältnis durch diesen Vorgang empfindlich gestört ist, und nimmt sich vor, alles daran zu setzen, um seinen Vorgesetzten nicht noch einmal zu enttäuschen. Er geht die Sache an und es gelingt ihm, in besagtem Arbeitsfeld das Steuer herumzureißen und binnen kurzem sowohl wieder schwarze Zahlen zu schreiben als auch zwei anstehende Personalprobleme auf gute Weise zu lösen. Ganz glücklich darüber, schreibt er einen ausführlichen Bericht und schickt ihn seinem Chef mit der Bitte um einen persönlichen Termin, um ihm darüber in einem Vier-Augen-Gespräch noch detaillierter zu berichten. Es dauert eine Weile, bis er ein kurzes Memo erhält: Vielen Dank für die Erledigung! Dann folgt ein Terminvorschlag für die Vorlage eines Projektentwurfes in einem anderen Aufgabenfeld. Der Mitarbeiter ist zunächst enttäuscht, dann wütend. Er hatte gehofft, dass durch diesen Erfolg die gute Beziehung zum Chef wiederhergestellt sei, d.h. eigentlich, dass sie dadurch nun intensiver würde. Und jetzt wendet er sich einfach anderen Aufgaben zu! Der kann mich …!

Was ist geschehen? Durch die Brille unseres Modells betrachtet, zeigt sich hier ein typisches Ich-Du/Ich-Es-Unverständnis-Muster auf beiden Seiten. Der Mitarbeiter – als Ich-Du-Typ – organisiert sein Engagement vorrangig beziehungsorientiert. Seine ›gute Beziehung‹ zum Chef erscheint gestört. Das bringt ihn in Gang und motiviert ihn zum Erfolg. Dem Chef – als echtem Ich-Es-Typ – geht es vorrangig darum, dass für ein problematisches Geschäftsfeld eine gute Lösung gefunden wird. Dafür ist er bereit, Zeit und Energie zusammen mit dem betreffenden Mitarbeiter einzusetzen. Er freut sich, dass dieser so bereitwillig einsteigt, und genießt auch diese intensive Art der Zusammenarbeit. Nachdem er den Erfolgsbericht vorliegen hat, ist für ihn die Sache erledigt bzw. sie läuft zu seiner Zufriedenheit. Somit kann er seine Aufmerksamkeit auf andere Bereiche lenken, in denen sein Engagement und seine Fachlichkeit jetzt dringender von Nöten sind.

Beide haben zu lernen: Der Mitarbeiter muss lernen, seinen Erfolg nicht abzuwerten, nur weil der Chef ihm nicht die Anerkennung in der Art und Weise zeigt, wie er das gerne hätte. Außerdem sollte er, anstatt sich an dieser Stelle zurückzuziehen, seinen Chef wissen lassen, wie es ihm mit seiner Nicht-Reaktion geht, und was er sich von ihm als Führungskraft an Würdigung seiner Arbeit erwartet.

Der Chef hätte zu lernen, dass ›Nix gesagt‹ ›nicht genug gelobt‹ ist. Führen heißt u.a. andere dabei ›erwischen‹, wie sie etwas gut machen, und sie davon wissen zu lassen. Er könnte dabei auch erfahren, dass Wertschätzung seiner Person mehr ist als sein fachliches Können, etwas, wonach sich ein anderer Teil seiner Seele vielleicht auch sehnt.

2.5 Die Balance von Thema und Bezogenheit in persönlichen und professionellen Beziehungen

Das Thema einer Beziehung muss keine ausdrücklich geistige Dimension sein. In persönlichen Beziehungen können das »Werk« auch Kinder sein.

Die neuen Freiheiten unserer Gesellschaft bieten hier auch neue Herausforderungen. Früher war das gemeinsame Überleben einer Familie ein immerwährendes Thema. Deswegen waren viele Beziehungen auch so stabil. Sie hatten keine Notwendigkeit, ein gemeinsames Thema zu finden. Wenn es auf der Ich-Du-Ebene kriselte, stellte sich ihnen nicht die Frage, ob sie zusammen passen. Sie mussten einfach zusammenpassen, sonst wäre ihre soziale Organisation wirtschaftlich entgleist.

Das macht natürlich manches auch leichter. In der Gestaltungsfreiheit unserer Beziehungen haben wir heute das Problem, die Inhalte bestimmen zu müssen, weil wir uns nicht mehr unterwerfen müssen. Ein »Sichunterwerfen-Müssen« schafft bestimmte Gesetzmäßigkeiten, Strukturen und Sinn und reduziert dadurch Komplexität. Komplexität entsteht heute durch die Notwendigkeit, einen vorhandenen Gestaltungsspielraum ausfüllen zu müssen. Möglicherweise haben wir nicht mehr lange solche Gestaltungsspielräume. Vielleicht nehmen die Krisenszenarien so zu, dass wir in Beziehungen schon bald keine Themenwahl mehr haben.

Solange wir jedoch diese Freiheit haben, müssen wir, damit Beziehung gelingt, eine angemessene Balance zwischen Thema und Bezogenheit finden. Weder dürfen wir in der Ausrichtung an einem Thema den Bezug zum anderen verlieren, noch dürfen wir in Bezogenheit auf den anderen das Thema verlieren.

Ähnliches gilt auch für Organisationen. Man kann wohl davon ausgehen, dass sich die Mehrzahl der Organisationen in ihrer Gründerzeit an irgendeiner unternehmerischen Idee orientiert. Je größer eine Organisation wird und je länger sie lebt, um so vordringlicher werden jedoch die Dimensionen der Gemeinschaft, sodass das Thema möglicherweise sogar ausgetauscht werden kann. Je größer eine Organisation ist, um so mehr muss man anerkennen, dass die Gesetzmäßigkeiten von Ich-Es und Ich-Du gleichermaßen als beziehungsstiftend ihre Berechtigung haben. Das darf aber nicht heißen, dass man blind das eine gegen das andere austauschen kann. Wenn man eine gute Beziehungs- und Organisationskultur pflegen will, muss man sich auch hier immer wieder beiden Dimensionen stellen. Denn jede Einseitigkeit rächt sich auf Dauer nicht nur an dem Verlust der anderen Seite, sondern unterhöhlt auch die Qualität dieser Einseitigkeit.

In größeren Organisationen wird heute allgemein angenommen, dass Ich-Es konstitutiv ist. Entsprechend entfällt Mitgliedschaft, wenn sie unter Ich-Es-Gesichtspunkten dem in Zahlen (shareholder value) ausgedrückten Unternehmenszweck nicht mehr ausreichend dienen. Dennoch spielt nicht nur in Familien- und mittelständischen Betrieben die Ich-Du-Dimension eine erhebliche Rolle. Auch in größeren Organisationen sieht man öfter die zusammen, die sich auf der Ich-Du-Ebene gut vertragen. Das geht dann allerdings zu Lasten der Zusammenkünfte, die notwendig wären, um die gemeinsamen Aufgaben effizient voranzubringen.

Deshalb müssen beide Beziehungstypen eine Bandbreite von Ich-Du-und Ich-Es-Verträglichkeit, -Kompetenz und -Begegnungsbereitschaft entwickeln, damit Organisationen effektiv und menschlich befriedigend funktionieren.

2.6 Zusammenfassung

Das Modell der Ich-Du und Ich-Es-Typen dient als grobes Unterscheidungs-raster zur Selbsterkenntnis und zur differenzierteren Sicht des Gegenübers, in privaten wie in professionellen Rollenbezügen.

In diesem Raster zu spielen, erlaubt darüber hinaus eine Reihe von neuen Betrachtungen des eigenen Ankoppelungsverhaltens: Wie gerate ich unter Stress in meine Einseitigkeiten im Sinne von: mehr vom Gewohnten wird die Lösung bringen? Und was brauche ich, um aus meiner Einseitigkeit wieder in die ankoppelbaren Sphären zu gelangen? Wie stelle ich mir vor, wie andere in ihre Einseitigkeiten geraten? Und was brauchen sie, um wieder herauszukommen?

Das Modell wirbt für die Gleichwertigkeit der beiden Grundorientierungen. Keine ist besser oder schlechter als die andere. Sie brauchen einander, gehören zusammen und ergänzen sich in:

• Sachverstand und Menschenverstand,

• Sorgfalt in der Sache und Sorgfalt in der Beziehung,

• Der Mensch braucht die Sache – Die Sache braucht den Menschen.

1 Unter Mitarbeit von Wolfram Jokisch

3. SYMBIOTISCHE BEZIEHUNGEN ODER: WEGE ZU EINER VERANTWORTUNGSKULTUR 1

Symbiosen sind Beziehungen, in denen man in wechselseitiger Abhängigkeit lebt. Man kann funktionale Symbiosen von dysfunktionalen unterscheiden. In funktionalen sind die wechselseitigen Austauschverhältnisse und Verantwortungen im Einvernehmen so geregelt, dass sinnvolle Entwicklungen stattfinden können. Insbesondere in beruflichen Beziehungen haben Symbiosen mit der Frage nach der Verantwortung zu tun.

3.1 Verantwortung

Oft taucht in Organisationen der Begriff der Verantwortung auf, wenn sie gefehlt zu haben scheint. Dann wird jemand zur Verantwortung gezogen. Wird ein Missstand offenbar, werden Verantwortliche gesucht, d.h. es werden Schuldige benannt. Dann sind andere unschuldig und die Sache ist erledigt.

Unseres Erachtens meint Verantwortung jedoch ein Bündel von Perspektiven. Es sind Fragen danach, wer in einer Organisation welche Art von Antworten geben kann, will, darf und muss.

Dabei ist

antworten zu können in der Regel eine Frage der Qualifikation,

antworten zu wollen eine Frage der Wertorientierung,

antworten zu dürfen in der Regel eine Frage der Autorisierung und

antworten zu müssen eine Frage der eingeforderten Zuständigkeit.

In einer komplexen Organisation funktioniert Verantwortung allerdings nur als System komplementärer Verantwortung. In Organisationen ist Verantwortung immer gestaltbar und kulturbedingt. Deshalb ist es für Unternehmen wichtig, eine Verantwortungs- und Konfrontationskultur zu etablieren. Organisationen brauchen ein einigermaßen verbindliches Regelwerk, in dem sich die Mitarbeiter frühzeitig über Fragen austauschen können wie:

• Was ist an dieser Stelle wessen Verantwortung?

• In welcher Rolle?

• In welcher Situation?

• Haben die Mitarbeiter zueinander passende Vorstellungen von Verantwortung?

• Und wenn die Vorstellungen einseitig sind, gibt es effektive Strategien, dem anderen die Vorstellung nahe zu bringen?

Konfrontationskultur heißt dabei, dass es erlaubt ist, einen anderen über seine Vorstellungen von dessen Verantwortung aufzuklären und sie einzufordern, unabhängig von Rangunterschieden. Es geht dabei um die Balance, spezifisch den eigenen Verantwortungsbereich auszugestalten und aus dieser Perspektive heraus Vorstellungen von den komplementären Verantwortlichkeiten der anderen zu entwickeln und diese zu kommunizieren. Von einer gelungenen Verantwortungskultur könnte man sprechen, wenn man differenzierte und gelebte Antworten bezogen auf ein Verantwortungssystem im formellen und informellen Bereich und ein entsprechendes Beziehungsverhalten vorfindet.

Mitarbeiter müssen also komplementäre Verantwortlichkeiten vereinbaren und darüber in Kommunikation bleiben. Dabei müssen sie das wechselseitige Ausfüllen der Verantwortung anmahnen, ohne sich in die Verantwortung des anderen zu mischen oder diesen zu bevormunden.

Dafür kann es hilfreich sein, zwei Dinge zu unterscheiden: verantwortlich sein für und verantwortlich sein bezogen auf.

Verantwortlich sein für meint, sich den entscheidenden Fragen zu stellen, die an ein Ressort oder eine professionelle Rolle gestellt werden und beantwortet werden müssen. Qualifikation (ich kann), ziel- und wertorientiertes Handeln (ich will), Autorisierung (ich darf), sowie das Klären und Ausfüllen eigener Zuständigkeiten (ich muss) stimmen dabei im besten Fall überein.

Verantwortung bezogen auf meint, die Grundfragen und Zuständigkeiten der anderen Professionen und Ressorts in einem Unternehmen zu kennen und darauf bezogen zu handeln. Um Störungen in einem System komplementärer Verantwortung zu beschreiben, schlagen wir folgende Begriffe vor:

Verantwortungsisolation: Man fühlt sich für einen Bereich zuständig ohne auf andere Bereiche bezogen zu sein. Im Sinne von: der Zimmerservice auf der Titanic ist ohne Tadel. Oder: technische Perfektion ist Trumpf, auch wenn sie kaum jemandem wirklich dient.


Abb. 5: Schema zur komplementären Verantwortung in Organisationen

Verantwortungskonfusion: Man fühlt sich für die Belange anderer verantwortlich und vernachlässigt dabei die eigenen. Das ist ein häufiges Problem z.B. von Beratern. Häufig scheuen sie sich, ihren Kunden komplementäre Beiträge abzuverlangen, ohne die Organisations- und Personalentwicklung jedoch nicht erfolgreich sein kann. Gleichzeitig zeigen sie eine hohe Bereitschaft, Zuständigkeiten ersatzweise zu übernehmen. Komplementär ziehen sich Führungs- und Ergebnisverantwortliche auf die Funktion von Auftraggebern, Schirmherren, Beiräten oder Beratern zurück.

Verantwortungserosion: Die wesentlichen Fragen einer Organisation werden nicht wirksam beantwortet. Die Logik vieler Beziehungen dient dazu zu verschleiern, dass keiner Verantwortung übernimmt. Unüberschaubarkeit, Unkenntnis, Illusionen und Täuschung verbergen den Mangel.

Der Begriff der komplementären Verantwortung gibt also Anlass über Systemgrenzen in Verantwortungssystemen nachzudenken. Dadurch wird Verantwortung spezifisch, aber auch anschlussfähig.

3.2 Symbiotische Beziehungen

Die Carthexis-Schule entwickelte in ihrer Arbeit mit psychotischen Patienten eine Reihe von Therapietheorien. Eine davon ist die der Symbiosen. Demnach ist eine Symbiose eine Beziehungsform, in der eine Person durch Unverantwortlichkeit und Dysfunktionalität eine andere dazu bewegt, ersatzweise Verantwortung zu übernehmen.

Diese Überlegungen sind auch für den nicht-therapeutischen Bereich wertvoll. Im Folgenden werden wir einen Zusammenhang zwischen symbiotischen Beziehungen und der Nicht-Übernahme von Verantwortung in Organisationen herstellen und Perspektiven für deren Lösungen aufzeigen. Dafür halten wir es allerdings für sinnvoll, den Symbiosebegriff folgendermaßen zu differenzieren:

Dysfunktionale, symbiotische Beziehungen sind solche, in denen Potenziale nicht aktiviert oder nicht entwickelt werden.

Von einem Beobachter beurteilt sind das Lebensgemeinschaften, in denen die Entwicklungshemmung größer ist als der wechselseitige Nutzen. Das Zusammenspiel zwischen den Beteiligten entwickelt sich so, dass sie sich wechselseitig nahe legen oder gewähren, nützliche Potenziale nicht einzubringen. Dabei kann es entweder sein, dass die Potenziale vorhanden sind, aber nicht genutzt werden, oder dass die Potenziale nicht vorhanden sind und entwickelt werden sollten und könnten. Die Beteiligten haben sich jedoch so miteinander arrangiert, dass sie sich die Weiterentwicklung in diesen Dimensionen wechselseitig ersparen.

Bei dieser Definition spielt natürlich eine normative Vorstellung mit. Denn um von einer negativen oder dysfunktionalen Symbiose zu sprechen, muss ein Beobachter eine Vorstellung davon haben, welche Potenziale aktiviert oder entwickelt werden sollten.

Dysfunktionale, symbiotische Beziehungen sind solche, in denen Verantwortung nicht wahrgenommen oder verschoben wird, oder in denen das daraus entstehende Unbehagen verschoben wird.

In dieser Art symbiotischer Beziehungen interagieren die Akteure in der Weise, dass Mitarbeiter Verantwortung bekommen, die für diesen Verantwortungsbereich nicht zuständig sind, dafür nicht bezahlt werden oder nicht die Macht haben, das Entsprechende zu tun. Wenn somit Verantwortung nicht wirklich wahrgenommen wird, führt dies in der Regel bei irgendjemandem zu Unbehagen. Im günstigsten Fall überlegt dieser nun, wer die Verantwortung für die Vorgänge hat, über die das Unbehagen entsteht. Und er versucht Kommunikationsvorgänge, mit denen er die eigentlichen Verantwortungsträger in die Verantwortung nehmen kann. Dadurch schiebt er das Unbehagen auf sie zurück.

Manchmal haben Verantwortungsverschiebungen auch die Funktion, andere Verantwortungsverschiebungen zu rechtfertigen. Da gibt es sehr komplexe Kompensationsgeschäfte. Mitarbeiter fordern beispielsweise die fachlich-programmatische Führung nicht ein, dafür ist die Führungskraft großzügig in der Beurteilung der Wirksamkeit von Arbeitsweisen und in der Bewilligung von Fortbildungswünschen.

Für die Beteiligten kann das subjektiv angenehm sein. Das führt jedoch dazu, dass die für die Vitalität der Organisation gebrauchten Potenziale nicht aktiviert oder nicht entwickelt werden. Es kann sich dabei um das Potenzial handeln, aufrichtig mit Ressourcen umzugehen und zu entscheiden, ob man sie richtig verwendet oder nicht. Es kann auch das Potenzial sein, Führung ernst zu nehmen und jemand bezogen auf Führung in die Pflicht zu nehmen.

So gesehen zeichnen sich gesunde Systeme dadurch aus, dass sie Vorstellungen davon haben, wer welche Verantwortung hat, wann sie wahrgenommen wird und wann sie nicht wahrgenommen wird. Darüber hinaus gibt es akzeptierte Mechanismen, um zu analysieren, ob entstehendes Unbehagen mit nicht-wahrgenommener Verantwortung zu tun hat. Und entweder kann derjenige, der seine Verantwortung nicht wahrnimmt, erfolgreich eingeladen werden sie wahrzunehmen, oder es gibt erlaubte und wirksame Mechanismen, das Unbehagen an ihn zurück zu delegieren, so dass es dort ankommt, wo die Verhältnisse geändert werden können.

Verrückte, ausbeuterische oder symbiotische Systeme zeichnen sich demgegenüber dadurch aus, dass eine Verschiebung von Verantwortung folgenlos geschehen kann. Diejenigen, die Unbehagen erleiden, haben keine wirksamen Mittel es dorthin zu schieben, wo Abhilfe geschaffen werden kann.

Jede Regelung und jede Kommunikation, die verantwortlich hilft Unbehagen dorthin zu transportieren, wo Verantwortung hingehört, ist somit ein Beitrag zur Gesundung von Organisationen. Sie werden in Organisationen allerdings oft als Verrat an den gewohnten Kompensationsgeschäften empfunden.

3.3 Symbiotisches Verhalten

Die Cathexis-Schule entwickelte auch eine Theorie zu den Verhaltensweisen, die in dysfunktionale Symbiosen einladen oder solche Symbiosen stabilisieren. Dabei unterschied sie vier Grundmuster von sogenannten passiven Verhaltensweisen, verstanden als Eskalationshierarchie, die sie mit einer Energietheorie verband. Sie meinte, das Problem von Schizophrenen sei, dass sie ihre Energie nicht funktional zur Bewältigung von Realität einsetzen. Stattdessen versuchen sie durch Nichtstun, Überanpassung, Agitation oder Sich-unfähig-Machen/Gewaltanwendung einen anderen dazu zu bewegen, ersatzweise Verantwortung zu übernehmen oder das sich aus der Passivität ergebende Unbehagen zu tragen.

Die im Folgenden vorgestellten vier Formen von Verantwortungsvermeidung bzw. Verantwortungsverschiebung sind der Schiff’schen Theorie entlehnt. Dabei meinen wir jedoch, dass die Auswahl dieser vier Arten symbiotischer Einladungen beliebig ist und durchaus noch weitere Arten beschreibbar wären.

3.3.1 Nichtstun

In einem Verantwortungsbereich, in dem aus der Sicht eines Beobachters etwas getan werden müsste, wird nichts getan. Bezogen auf ein Verantwortungsfeld wird keine Energie freigesetzt und keine Aktivität gerichtet. Für professionelles Handeln kann bei dieser Diagnose, die natürlich mit Kulturvorstellungen zu tun hat, die Frage interessant sein, wie jemand durch Nichtstun andere in symbiotische Beziehungen einlädt. Oder umgekehrt: wie lassen sich andere durch das Nichtstun derer, die etwas tun sollten, dazu bringen, symbiotisches Verhalten zu zeigen und aktiv Verantwortung zu übernehmen, die nicht die ihre ist. Ein Tun in der einen Richtung, nämlich in einer Verantwortung, die einem nicht gehört, kann durchaus eine Form von passivem Verhalten sein, bezogen auf eine andere Richtung, in der Verantwortung wahrgenommen werden sollte. Somit gibt es sehr emsige Formen von passivem Verhalten. Eine davon ist die Überanpassung.

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