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Teil 1 Vollstreckung I
Verteidigung und Rechtsbehelfe

Inhaltsverzeichnis

I. Einführung

II. Rechtsbehelfe

III. Verteidigung

IV. Akteneinsicht

Teil 1 Vollstreckung I Verteidigung und Rechtsbehelfe › I. Einführung

I. Einführung

1

Das Strafvollstreckungsrecht ist ein System von Regeln darüber, ob rechtskräftig festgesetzte strafrechtliche Sanktionen durchgesetzt werden sollen oder – ganz oder zeitweilig – nicht. Früher ging es dabei fast ausschließlich um formelle Voraussetzungen der Vollstreckung. Deshalb galt und gilt zum Teil immer noch das Strafvollstreckungsrecht als ein Gebiet, das weitgehend auf Funktionsträger der Justiz mit weniger qualifizierter Ausbildung übertragen werden könne. Heute sind diese Vollstreckungsmaßnahmen nahezu ausschließlich Sache der Rechtspfleger (§ 31 RPflG).

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Dieser scheinbaren Herabstufung des Vollstreckungsrechts stehen aber andere Entwicklungen gegenüber, denn es hat sich als Einfallstor für rechtspolitische Anliegen erwiesen. Einerseits ermöglicht es die Milderung kriminalpolitisch unerwünschter, unverhältnismäßiger Härten und die Verwirklichung des Freiheitsgrundrechts im Strafrecht, denn der zu einer freiheitsentziehenden strafrechtlichen Sanktion Verurteilte hat gleichwohl Anspruch auf Belassung oder Gewährung seiner Freiheit, wenn „kontrollierte Freiheit“ genügt. Alle Freiheitsstrafen sind darauf angelegt, dass von einem bestimmten Zeitpunkt an die weitere Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt werden kann; alle Maßregeln dürfen nur so lange vollstreckt werden, wie ihr Zweck dies erfordert.[1] Die wichtigste Entwicklung des Sanktionsrechts im letzten Jahrhundert war die Möglichkeit der Ersetzung des Vollzugs durch Aussetzung zur Bewährung (§§ 56 ff., 67 ff. StGB) oder durch eine Drogentherapie bei der Zurückstellung der Vollstreckung (§§ 35 ff. BtMG). „In dubio pro libertate“ – wie es sich für einen sozialen Rechtsstaat gehört!

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Andererseits – und insoweit muss der Enthusiasmus früherer Vorauflagen relativiert werden – greift eine gegenläufige Entwicklung in all diesen Bereichen immer stärker um sich, eine Entwicklung, die sich dem Prinzip „in dubio pro securitate“ verschrieben hat. Das individuelle Freiheitsgrundrecht wird gegen ein allgemeines „Grundrecht auf Sicherheit“ ausgespielt; Gesetzgebung und Ministerialbürokratie suchen eifrig nach Sicherheitslücken, um diese sogleich publikumswirksam zu stopfen. Diesem Trend können sich weder das Vollstreckungsrecht noch die zu seiner Ausführung berufenen Behörden entziehen – dass sich alle Beteiligten dabei ihrer hohen Verantwortung bewusst sind und ihr gerecht werden, muss bisweilen bezweifelt werden. Um so wichtiger, dass die Verteidigung ihre Verantwortung für eine effektive Vertretung der Mandanteninteressen wahrnimmt und sich durch Versuche der sozialen Inpflichtnahme nicht irritieren lässt (auch wenn dies in Anbetracht von Medienkampagnen nicht immer leicht fällt).[2]

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Erst seit einigen Jahren erfreut sich das Strafvollstreckungsrecht verstärkter Aufmerksamkeit von Wissenschaft und obergerichtlicher Rechtsprechung, bisher ohne nachhaltige und flächendeckende Qualitätssteigerung: Immer wieder begegnen einem StVK-Beschlüsse und sogar OLG-Entscheidungen, die sich im Wesentlichen darauf reduzieren, die Argumentation von Vollstreckungs- und Vollzugsbehörden sei „nachvollziehbar“, während man Rechtsvorschriften oder gar die Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Fachliteratur vergeblich sucht. Justizverwaltungen und Gesetzgebung haben auf diese Entwicklung, die zum Teil auch der Komplexität der Materie geschuldet ist, bisher kaum reagiert. Der Zustand der Kodifizierung des Vollstreckungsrechts ist weiterhin desolat: Einiges ist gesetzlich geregelt, und zwar verstreut im allgemeinen Teil des StGB, in StPO, GVG, JGG, IRG, BtMG, JBeitrO und ZPO. Vieles ist nur in Verwaltungsvorschriften festgelegt, nämlich in der von den Justizministerien bundeseinheitlich erlassenen StVollstrO nebst bundeseinheitlichen sowie länderspezifischen Nebenbestimmungen.

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Strafvollstreckung ist ein Teil der Justizverwaltung. Man sollte meinen, dass die beteiligten Funktionsträger der Justiz stets um Rechtsförmigkeit des staatlichen Handelns besorgt und deshalb für Entwicklungen im Verwaltungsverfahrensrecht offen sein sollten. Das war und ist aber nicht immer so: Dem zu einer Geldstrafe Verurteilten z.B. vor Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe rechtliches Gehör zu gewähren (vgl. § 28 VwVfG), weil es überall außerhalb der Justiz einem als allgemeinen Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit anerkannten Gebot entspricht – dieser Gedanke ist noch kaum aufgekommen; wer bei § 459e StPO das rechtliche Gehör für nötig hält, trifft damit meist auf Unverständnis (s.u. Rn. 229).

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Beklagenswert ist auch der Zustand und die Unübersichtlichkeit des Rechtsbehelfssystems: Gegen die Grundentscheidungen des erkennenden Gerichts über die Vollstreckung (§§ 56, 59, 67 Abs. 2, 67b StGB, 57 JGG) gibt es, wenn das AG sie erlassen hat, die Berufung und außerdem immer die Revision, gegen die dabei getroffenen Bewährungsanordnungen die nach § 305a Abs. 1 StPO beschränkte Beschwerde. Gegen andere Entscheidungen in Vollstreckungssachen gibt es die sofortige, die einfache Beschwerde oder die nach § 453 Abs. 2 S. 2 StPO beschränkte Beschwerde, die Anrufung des Gerichts nebst sofortiger Beschwerde, die dem vorgeschaltete Anrufung der StA, die „Beschwerde“ an die GenStA nebst anschließendem Verfahren nach §§ 21 StVollstrO, 23 ff. EGGVG, Einwendungen an den Rechtspfleger nach § 31 Abs. 6 RPflG und schließlich die Erinnerung nach § 766 ZPO (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

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Das Gewirr der verschiedenen vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe ist nicht ganz so willkürlich wie es auf den ersten Blick scheint. Wenn man sich den systematischen Aufbau des Vollstreckungsrechts vergegenwärtigt, dann zeigt sich, dass einige der Rechtswegbesonderheiten der jeweils zu lösenden Aufgabe entsprechen. Zunächst gilt es wahrzunehmen, dass das staatliche Handeln, das die Vollstreckung gestaltet, nicht allein Sache der Vollstreckungsbehörde ist, wie § 451 StPO glauben machen könnte, sondern dass die Aufgaben verteilt sind: Eine Anzahl von Vollstreckungsmaßnahmen obliegt kraft gesetzlicher Zuweisung allein dem Gericht (z.B. die Aussetzung und die Unterbleibensanordnungen). Wo keine gesetzliche Aufgabenzuweisung besteht, ist immer die Vollstreckungsbehörde zuständig.

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Alles staatliche Handeln ist Verfahren. Indem die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden sind, unterliegen sie einem Verfahrensrecht. Hier geht es nicht darum, welche Entscheidungen unter welchen Voraussetzungen getroffen werden sollen oder können, sondern darum, wie zu verfahren ist, damit überhaupt entschieden werden kann, und welche Struktur diese Maßnahmen haben.

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Handelt die Vollstreckungsbehörde (oder der Jugendrichter als Vollstreckungsleiter in einer Angelegenheit, die der Vollstreckungsbehörde obliegt), so ist das eine Verwaltungstätigkeit. Sie unterliegt einem Justizverwaltungsverfahrensrecht. Dieses ist allerdings nicht kodifiziert; die Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder nehmen es ausdrücklich von ihrer Regelung aus, vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG-Bund. Das kann nun freilich nicht bedeuten, dass es hier gar kein Verwaltungsverfahrensrecht gäbe. Der Rechtszustand ist vergleichbar dem, was in der allgemeinen Verwaltung bis 1977 galt. Es gilt, was Verwaltungsrechtswissenschaft und Rechtsprechung bis dahin ganz allgemein entwickelt hatten, selbst wenn es die Justizverwaltung nicht wahrhaben will.[3]

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Das hat Konsequenzen. Hat z.B. die Vollstreckungsbehörde dem Verurteilten aus persönlichen oder sozialen Gründen nach § 456 StPO einen Strafaufschub gewährt – eine Maßnahme, die sie nach ihrem Ermessen treffen kann – so darf sie das nicht etwa nach ihrem Ermessen oder gar willkürlich einfach wieder rückgängig machen, sondern sie ist dafür entsprechend §§ 48, 49 VwVfG-Bund an die für eine Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts und für einen Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts geltenden Grundsätze gebunden. Oder zur Bekanntgabe von Verwaltungsakten: Sind mehrere Freiheitsstrafen zu vollstrecken, dann ist jede Entschließung über die Reihenfolge der Vollstreckung und jede Strafunterbrechung ein Justizverwaltungsakt. Dieser ist selbstverständlich dem davon betroffenen Verurteilten und seiner Verteidigung bekannt zu machen, vgl. §§ 37, 39 VwVfG-Bund (§ 35 Abs. 2 S. 2 StPO). Wenn das nicht geschieht, ist dies ein vorrechtsstaatlicher, völlig unhaltbarer Zustand.

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Auch das Verfahrensrecht des Vollstreckungsgerichts weist nur Rudimente ausdrücklicher Regelungen auf. Sie betreffen im Wesentlichen die Zuständigkeit und Besetzung des Gerichts.[4] Das eigentliche Verfahrensrecht ist fast völlig ungeregelt, wenn man von dem Satz „entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss“ in §§ 454 Abs. 1 S. 1, 462 Abs. 1 S. 1 StPO und einigen Anhörungs- und Mitteilungsregeln absieht.

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Im Vollstreckungsrecht muss man unterteilen in die Tätigkeitsbereiche der StA als Vollstreckungsbehörde und des Gerichts. Diese Aufteilung wird nicht dadurch infrage gestellt, dass die StA auf die Entscheidungen des Gerichts durch Stellungnahmen und Anträge einwirkt. Sie tut das nicht in ihrer Eigenschaft als Vollstreckungsbehörde, sondern als Verfahrensbeteiligte. Manche erklären, sie werde hier als Strafverfolgungsbehörde tätig.[5] In der Strafvollstreckung gibt es aber nichts mehr zu verfolgen. Unmissverständlich ist die StA Verfahrensbeteiligte.[6]

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Die Vollstreckungsbehörde kann aber auch auf derselben systematischen Ebene die Hilfe des Gerichts in Anspruch nehmen: Beispiele hierfür sind die Vorlage an das Gericht wegen Zweifeln über die Auslegung des Urteils oder über die Strafzeitberechnung nach § 458 Abs. 1 Alt. 1 StPO oder bei der Geldstrafenvollstreckung der Beschluss über die Durchsuchung einer Wohnung nach pfändbaren Sachen, der dem Gericht obliegt.[7] Hierbei geht es also nicht um eine durch einen Rechtsbehelf veranlasste Kontrolle.

Anmerkungen

[1]

BVerfGE 19, 342, 352 und 29, 312, 316; BVerfG NStZ 1988, 474; vgl. Volckart 2000.

[2]

Vgl. auch Pollähne StraFo 2007, 404 ff., 486 ff.

[3]

Grundlegend AK-StPO-Volckart vor § 449 Rn. 15–33.

[4]

§§ 462a StPO, 78a, 78b GVG.

[5]

KK-Fischer § 453 Rn. 5.

[6]

Meyer-Goßner § 451 Rn. 20.

[7]

BVerfGE 51, 97 = NJW 1979, 1539.

Teil 1 Vollstreckung I Verteidigung und Rechtsbehelfe › II. Rechtsbehelfe

II. Rechtsbehelfe

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Die nachfolgende Übersicht über Verteidigungsmöglichkeiten in der Vollstreckung muss notgedrungen in einigen Bereichen verkürzt bleiben. Das Buch wäre sonst weit über den geplanten Umfang hinaus angeschwollen. Wir haben uns bemüht, die Beschränkungen nur da vorzunehmen, wo andere Darstellungen leicht greifbar sind, auf die verwiesen werden kann.[1]

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Auf der Kontrollebene muss wieder unterschieden werden, ob die Behörde oder das Gericht die Vollstreckungsmaßnahme erlassen hat. Die Kontrolle der Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde weist notwendigerweise systematische Ähnlichkeiten mit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle auf. Hierauf wird in den folgenden Abschnitten näher eingegangen. Die Kontrolle der Maßnahmen des Gerichts geschieht auf eine Beschwerde hin. Das Vollstreckungsrecht kennt davon drei Typen: die sofortige Beschwerde, die beschränkte und die einfache Beschwerde.

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Wo bei den vorerwähnten Kontrollentscheidungen das Gericht erstinstanzlich tätig wird (nämlich im Sinne einer verwaltungsgerichtsähnlichen Kontrolle der Tätigkeit der Vollstreckungsbehörde), ist in einigen Fällen kein Rechtsmittel gegeben[2], in anderen die sofortige Beschwerde. Verfahrenssystematisch ähnelt diese Beschwerde der Berufung im verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg. Anders liegen die Dinge in den Fällen, in denen statt der Vollstreckungsbehörde das Gericht die Grundentscheidung erlassen hat, wenn die Kontrollentscheidung also auf eine Beschwerde hin ergangen ist. Hier sind Entscheidungen nur möglich, wenn die weitere Beschwerde gegeben ist, die überwiegend für ausgeschlossen gehalten[3], jedoch von einer Minderheit in den Fällen des Sicherungshaftbefehls nach § 453c StPO und des Sicherungsunterbringungsbefehls nach §§ 453c, 463 StPO für zulässig erachtet wird.[4]

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Nach Ausschöpfung des Rechtsweges besteht die Möglichkeit, Grund- und Menschenrechtsverstöße zu rügen: Die Grenzen zwischen Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit sind fließend geworden.[5] Dem BVerfG kommt insbesondere im Vollstreckungsbereich – aufgrund der Freiheitseingriffe – größte Bedeutung zu, der es durch maßgeblich korrigierende Entscheidungen auch oft gerecht wird.[6] Anstelle der Anrufung des BVerfG kann in zahlreichen Bundesländern unter bestimmten Voraussetzungen auch die Anrufung eines Landesverfassungsgerichts[7] in Betracht kommen. Auf europäischer Ebene kann der Grund- und Menschenrechtsschutz vorrangig auf der Basis der EMRK vor dem EGMR kontrolliert werden.[8]

Teil 1 Vollstreckung I Verteidigung und Rechtsbehelfe › II › 1. § 458 Abs. 1 StPO

1. § 458 Abs. 1 StPO

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Die Bestimmung umfasst zwei völlig verschiedene gerichtliche Entscheidungen: Die erste kommt ausschließlich auf Antrag der Vollstreckungsbehörde zustande, wenn diese Zweifel bei der „Auslegung eines Strafurteils oder über die Berechnung der errechneten Strafe“ (Abs. 1 Alt. 1) hat. Die zweite Entscheidungsart ergeht auf „Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung“ (2. Alt.); einwendungsberechtigt ist der Verurteilte, die Verteidigung, auch die gesetzliche Vertretung. Erhebt der Verurteilte keine Einwendungen, so kann die Vollstreckungsbehörde ihre eigenen Zweifel allerdings nicht gerichtlich klären lassen[9], sie hat eine Entscheidung zu treffen, gegen die sich der Verurteilte ggf. zur Wehr setzen kann.

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Die Einwendung entspricht der Anfechtungsklage im System des Verwaltungsprozessrechts. Es wird vertreten, der Verurteilte könne die Errechnung des Zweidrittelpunkts z.B. nicht nach § 458 StPO angreifen, weil die StVK die Erledigung der Mindestverbüßungszeit ohnehin inzidenter zu prüfen habe.[10] Die Notierung des Hälfte- bzw. Zweidrittelzeitpunkts oder des Strafendes hat jedoch bereits Regelungswirkung, auch wenn keine Anrechnung vorzunehmen war, weil Vollstreckungs- und Vollzugsbehörden sich daran orientieren. Die Notierung eines zu späten Zeitpunkts ist also ein belastender Verwaltungsakt, der im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG anfechtbar ist. Geregelt wird dies wegen der systematischen Nähe zur Strafzeitberechnung auf Vorlage der Vollstreckungsbehörde in § 458 Abs. 1 StPO. Die Einwendungen richten sich gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung überhaupt; sie können die fehlende Identität mit dem Verurteilten[11], das Fehlen der Rechtskraft oder die Verjährung betreffen.

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Der Wortlaut des § 458 Abs. 1 StPO könnte darauf hindeuten, dass über Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung bei Vollstreckungshindernissen allein das Gericht zu entscheiden habe. Das ist aber nicht richtig: Die Vollstreckungsbehörde hat zunächst selbst zu entscheiden[12] und die Vollstreckung einzustellen, wenn sie der Auffassung ist, dass ein Vollstreckungshindernis besteht.

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Die Vollstreckungsentscheidung, oder genauer: Vollstreckungsmaßnahme, wird vom Rechtspfleger erlassen. Dagegen ist in der Regel der Weg zum Gericht eröffnet (§ 31 Abs. 6 RPflG). Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbefristet. Er sollte bei der Vollstreckungsbehörde eingereicht werden, weil diese das Vollstreckungsheft und die Akten führt und ohnehin zu dem Antrag Stellung nehmen muss. Außerdem kann sie dem Anliegen abhelfen. Schließlich prüft sie, welches Gericht zuständig ist: Befindet der Mandant sich – gleich in welcher Sache – in Strafhaft, ist es die StVK, sonst das Gericht des 1. Rechtszuges (§§ 462, 462a StPO). Mit dem Antrag sollte immer ein Antrag auf einstweiligen Aufschub (ggf. Unterbrechung) der Vollstreckung nach § 458 Abs. 3 S. 1 StPO gestellt werden. Der eigentliche Antrag hindert nämlich den Fortgang der Vollstreckung und die Einleitung von Zwangsmaßnahmen nicht. Bei angeordnetem Freiheitsentzug ist nicht auszuschließen, dass der Mandant trotz der Einwendung verhaftet wird.

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Gegen die Entscheidung des Gerichts ist die sofortige Beschwerde gegeben. Mit der Beschwerde, die nur bei dem Gericht eingelegt werden kann, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, sollte regelmäßig ein Eilantrag nach § 307 Abs. 2 StPO verbunden werden. Dieser Eilantrag kann sowohl das Gericht der angefochtenen Entscheidung als auch das Beschwerdegericht als auch beide – das Beschwerdegericht mit einem Hilfsantrag – zum Adressaten haben; es kann sinnvoll sein, beide Gerichte mit dem Eilantrag zu befassen.

Teil 1 Vollstreckung I Verteidigung und Rechtsbehelfe › II › 2. §§ 458 Abs. 2, 459h StPO

2. §§ 458 Abs. 2, 459h StPO

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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 458 Abs. 2 StPO betrifft Einwendungen gegen Einzelmaßnahmen wie (insb. die Verweigerung von) Strafaufschub und -unterbrechung nach § 455 StPO oder Vollstreckungsaufschub nach § 456 StPO. Er ist dem vorerörterten Rechtsbehelf insofern sehr ähnlich, als Zuständigkeit und Verfahrensgang dieselben sind. Zum Vollstreckungs-Verwaltungsverfahren der StA, zur Zuständigkeit und zur Form der Anrufung des Gerichts gilt deshalb das im vorstehenden Abschnitt Ausgeführte.

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Die Struktur der gerichtlichen Entscheidung ist dagegen ganz anders. Die Einwendungen nach §§ 458 Abs. 2, 459h StPO haben nur ausnahmsweise den Charakter der Anfechtung, überwiegend entsprechen sie der Verpflichtungsklage des Verwaltungsprozesses. Dies darf aber nicht zu der Folgerung führen, alle Verpflichtungsanliegen in Vollstreckungssachen unterlägen diesem Rechtsbehelf. Ihre Aufzählung ist enumerativ zu verstehen – zu einer Generalklausel hat man sich nicht entschließen können, obwohl Art. 19 Abs. 4 GG sie nahe legt. Treten neue Umstände ein, so ist es zulässig, den Antrag nach § 458 Abs. 1 oder 2 StPO zu wiederholen.

Teil 1 Vollstreckung I Verteidigung und Rechtsbehelfe › II › 3. §§ 23 ff. EGGVG, 21 StVollstrO

3. §§ 23 ff. EGGVG, 21 StVollstrO

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Auch wenn die StPO keinen expliziten Rechtsbehelf vorsieht, sind Vollstreckungsmaßnahmen auf Grund der Kontrollgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der gerichtlichen Kontrolle zugänglich, und zwar auf dem – beschwerlichen – Rechtsweg für Justizverwaltungsakte nach § 23 EGGVG vor dem OLG. Er ist ausgeschlossen, soweit § 458 StPO die gerichtliche Entscheidung zulässt.[13] Relevant ist dieser Rechtsweg insb. bei der Ablehnung der Zurückstellung von der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG.[14]

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Hat der Rechtspfleger die Maßnahme erlassen, so ist nach § 31 Abs. 6 RPflG die Entscheidung des Gerichts herbeizuführen; vorher ist eine Art Widerspruchsverfahren gem. § 24 EGGVG vorgeschaltet: Nach h.M. ist zunächst „Beschwerde“ nach § 21 StVollstrO einzulegen.[15] Wo die Beschwerde eingelegt werden muss, ist nicht geregelt. Es empfiehlt sich, sie bei der Vollstreckungsbehörde einzulegen.[16] Über die (nicht befristete) Beschwerde entscheidet die Aufsichtsbehörde, regelmäßig also der GenStA als „erster Beamter der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht“ (§ 147 Nr. 3 GVG).

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Nach ablehnendem Beschwerdebescheid ist binnen eines Monats nach dessen Zustellung (§ 26 Abs. 1 EGGVG) der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegeben. Er ist einer Klage beim Verwaltungsgericht vergleichbar und beim Strafsenat des OLG einzureichen. Die Nachprüfung von Ermessensentscheidungen ist nach § 28 Abs. 3 EGGVG auf Willkür oder Fehlgebrauch des Ermessens beschränkt. Im Übrigen muss hier auf die Kommentierungen der §§ 23 ff. EGGVG verwiesen werden.[17]

Teil 1 Vollstreckung I Verteidigung und Rechtsbehelfe › II › 4. Beschwerde

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