Kitabı oku: «Der Tunnel», sayfa 5

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9.

Noch am gleichen Tage erschienen auf allen fünf Stationen, an der französischen, spanischen und amerikanischen Küste, auf den Inseln Bermuda und San Jorgo (Azoren) Truppe von Männern. Sie kamen in Wagen und Mietsautomobilen an, die sich langsam den Weg durchs Gelände suchten, in Sümpfe einsanken und über Dünen humpelten. Bei einer gewissen Stelle, die sich nicht im geringsten von der Umgebung unterschied, kletterten sie von den Sitzen herab, schnallten Nivellierapparate, Meßinstrumente, Bündel von Markierungsstäben vom Wagen und machten sich an die Arbeit. Mit ruhiger Konzentration visierten, maßen, rechneten sie, ganz als gälte es nur einen Garten anzulegen. Der Schweiß tropfte ihnen von der Stirn. Sie steckten einen Streifen Landes ab, der in einem genau festgelegten Winkel gegen das Meer deutete und rückwärts weithinein ins Land lief. Bald waren sie zerstreut an verschiedenen Punkten tätig.

In der Heide tauchten einige Wagen auf, beladen mit Balken, Brettern, Dachpappen und verschiedenen Gerätschaften. Diese Wagen schienen ganz zufällig hierhergekommen zu sein und nicht das geringste mit den Geometern und Ingenieuren, die nicht einmal aufsahen, zu tun zu haben. Sie hielten. Balken und Bretter prasselten auf die Erde. Spaten blitzten in der heißen Sonne, die Sägen kreischten, Hammerschläge dröhnten.

Dann kam ein Auto angeholpert und ein Mann stieg aus und schrie und gestikulierte. Der Mann nahm ein Bündel Meßstangen unter den Arm und stapfte zu den Geometern hinüber. Er war schmal und hellblond, es war Hobby, der Chef der amerikanischen Station.

Hobby schrie Hallo! lachte, wischte sich den Schweiß ab — er war in Schweiß gebadet — und rief:

„In einer Stunde kommt ein Koch! Wilson schafft wie ein Wilder in Toms River.“ Dann steckte er zwei Finger in den Mund und pfiff.

Von den Wagen herüber kamen vier Männer mit Meßstangen auf den Schultern.

„Hier, die Herren werden euch chaps sagen, was ihr tun sollt.“ Und Hobby kehrte wieder zu den Wagen zurück und sprang mitten in den Holzhaufen hin und her.

Dann verschwand er in seinem Auto, um nach den Arbeitern in Lakehurst zu sehen, die mit dem Bau einer provisorischen Telephonlinie beschäftigt waren. Er schrie und schimpfte und fuhr weiter, am Bahnkörper Lakehurst-Lakewood entlang, der das Gelände des Syndikats durchschnitt. Mitten auf der Strecke, in einer Viehweide, auf der Kühe und Ochsen umherstanden, hielt ein qualmender Güterzug von zwei Lokomotiven und fünfzig Waggons. Hinter ihm her kam ein Zug mit fünfhundert Arbeitern. Es war fünf Uhr. Diese fünfhundert Arbeiter waren bis zwei Uhr mittags angeworben worden und hatten um drei Uhr Hoboken verlassen. Sie waren alle heiter, gutgelaunt, aus dem kochenden New York heraus zu sein und eine Beschäftigung in freier Luft gefunden zu haben.

Sie stürzten sich auf die fünfzig Waggons und warfen Bretter, Wellbleche, Dachpappen, Kochherde, Proviant, Zelte, Decken, Kisten, Säcke, Ballen auf die Viehweide. Hobby fühlte sich wohl. Er schrie, pfiff, kletterte rasch wie ein Affe über die Waggons und Bretterhaufen und heulte seine Befehle. Eine Stunde später waren die Feldküchen installiert und die Köche an der Arbeit. Zweihundert Arbeiter waren beschäftigt, in aller Eile Baracken zusammenzuschlagen für die Nacht, während die übrigen noch ausluden.

Als es dunkel war, empfahl Hobby seinen „boys“ zu beten und sich aufs Ohr zu legen, so gut es ging.

Er fuhr zurück zu den Geometern und Ingenieuren und telephonierte seinen Rapport nach New York.

Dann ging er mit den Ingenieuren hinunter an die Dünen zum Baden. Und hierauf warfen sie sich in den Kleidern auf den Bretterboden der Baracke und schliefen augenblicklich ein, um mit dem Grauen des Tages wieder ihre Tätigkeit aufzunehmen.

Um vier Uhr morgens trafen hundert Waggons Material ein. Um ein halb fünf tausend Arbeiter, die die Nacht im Zug geschlafen hatten und hungrig und erschöpft aussahen. Die Feldküchen arbeiteten schon im Grauen des Tages mit Hochdruck und die Bäckereien standen unter Dampf.

Hobby war pünktlich zur Stelle. Die Arbeit machte ihm Vergnügen, und obwohl er nur wenige Stunden geschlafen hatte, befand er sich in seiner besten Laune, die ihm sofort die Sympathie seines Arbeiterheeres gewann. Er hatte sich ein Pferd zugelegt, einen Grauschimmel, auf dem er den ganzen Tag unermüdlich hin und her galoppierte.

Neben der Bahnstrecke häuften sich ganze Berge von Material an. Um acht Uhr traf ein Zug von zwanzig Waggons ein, der nur Schwellen, Schienen, Karren, zwei zierliche Lokomotiven für eine Schmalspurbahn enthielt. Und um neun Uhr kam der zweite. Er brachte ein Bataillon von Ingenieuren und Technikern mit, und Hobby warf tausend Mann auf den Bau des schmalen Bahnkörpers, der zur drei Kilometer weit entfernten Baustelle führen sollte. Am Abend traf ein Zug mit zweitausend eisernen Feldbetten und Schlafdecken ein. Hobby wetterte ins Telephon und bat um mehr Arbeiter, und Allan sagte ihm zweitausend Mann für den nächsten Tag zu.

In der Tat trafen beim Morgengrauen zweitausend Mann ein. Und hinter ihnen her schleppten sich endlose Züge mit Material. Hobby fluchte das Blaue vom Himmel herunter. Allan begrub ihn buchstäblich! Dann aber ergab er sich in sein Schicksal: er erkannte Allans Tempo! Es war das an sich höllische Tempo Amerikas und dieser Zeit zur Raserei gesteigert. Und er respektierte es, obwohl es ihm den Atem benahm, und potenzierte seine Anstrengungen.

Am dritten Tage hatte die Feldbahn, auf der gerade ein Zug fahren konnte ohne umzustürzen, die Baustelle erreicht, und am Abend des dritten Tages noch pfiff eine kleine Feldlokomotive, die mit lautem Hurra begrüßt wurde, mitten im Camp. Sie schleppte endlose Karren voller Bretter, Balken und Wellblech herbei, und zweitausend Arbeiter waren in fieberhafter Hast beschäftigt, Baracken, Feldküchen, Schuppen anzulegen. Aber in der Nacht kam ein Gewittersturm und fegte die ganze Stadt Hobbys durcheinander.

Hobby hatte für diesen Scherz nur einen langen gehaltvollen Fluch. Er bat Allan um vierundzwanzig Stunden Frist, aber Allan nahm nicht die geringste Rücksicht und sandte einen Materialzug nach dem andern, so daß es Hobby schwarz vor den Augen wurde.

An diesem Tag kam Allan selbst abends um sieben Uhr im Auto mit Maud heraus. Und Allan fuhr umher, wetterte und fluchte und nannte alles eine Bummelei und sagte, das Syndikat bezahle und verlange angestrengteste Arbeit, und fuhr wieder ab und hinterließ ein Kielwasser von Staunen und Respekt.

Hobby war nicht der Mann, der sich rasch entmutigen ließ. Er war entschlossen, das fünfzehnjährige tolle Rennen durchzuhalten und fuhr nun wie ein Teufel dazwischen. Das Allansche Tempo riß ihn mit fort! Ein Arbeiterbataillon war mit dem Bau eines Bahndammes nach Lakewood beschäftigt; für reguläre Züge; eine rostrote Staubwolke zeigte den Weg seiner Arbeit. Ein zweites stürzte sich auf die ankommenden Materialzüge, um in gepeitschtem Tempo die Güter abzuladen und aufzustapeln, Schwellen, Schienen, Kabelmaste, Maschinen. Ein drittes wühlte beim „Schacht“; ein viertes zimmerte die Baracken. All diese Bataillone wurden von Ingenieuren befehligt, die an nichts erkennbar waren als dem unaufhörlichen Geschrei und den erregten Gestikulationen, womit sie die Arbeiterrotten antrieben.

Hobby, auf seinem Grauschimmel, war allgegenwärtig. Die Arbeiter nannten ihn „Jolly Hobby,“ wie sie Allan „Mac“ getauft hatten und Harrimann, den Chefingenieur — ein stiernackiger düsterer Mann, der sein ganzes Leben auf den großen Baustellen aller Kontinente verbracht hatte — einfach „Bull.“

Zwischen all diesen Menschenknäueln aber bewegten sich die Feldmesser mit ihren Instrumenten, als ob sie der ganze Tumult nichts angehe, und übersäten das ganze Gelände mit buntfarbigen Pflöcken und Stangen.

Drei Tage nach dem ersten Spatenstich war die Tunnelstadt ein Minen-Camp gewesen, dann ein Feldlager und eine Woche später eine ungeheure Barackenstadt, in der zwanzigtausend Menschen kampierten, mit Schlachthäusern, Molkereien, Bäckereien, Basaren, Bars, Post, Telegraph, einem Hospital und einem Friedhof. Abseits von ihr stand schon eine ganze Straße fertiger Häuser, Edisonsche Patenthäuser, die an Ort und Stelle gegossen wurden und innerhalb von zwei Tagen fix und fertig waren. Die ganze Stadt war dick mit Staub bedeckt, so daß sie fast weiß erschien; die wenigen Grasbüschel und die vereinzelten Büsche waren zu Zementhaufen geworden. Die Straßen waren Eisenbahnschienen und Schwellen, und die flachen Baracken versanken in einem Wald von Kabelmasten.

Acht Tage später erschien inmitten der Barackenstadt ein schwarzer, heulender und gellender Dämon: eine riesige amerikanische Güterzugmaschine auf hohen roten Rädern, die einen endlosen Zug von Waggons nachschleppte. Sie stand fauchend in dem Trümmerfeld, stieß eine schwarze, hohe Rauchwolke in die grelle Sonne empor und sah um sich. Alle blickten auf sie und schrien und heulten begeistert: es war Amerika, das in die Tunnelstadt gekommen war!

Am andern Tag waren es Rudel und eine Woche später waren es Schwärme dieser schwarzen, rauchenden Dämonen, die die Luft mit der bebenden Ausdünstung ihrer Leiber erschütterten, ihre Saurierknochen schwangen und aus Kiefern und Nasenschlund Dampf und Rauch stießen. Die Barackenstadt sah aus, als ginge sie in Qualm auf. Oft war der Qualm so dick, daß sich in der verdunkelten Atmosphäre elektrische Entladungen vollzogen und bei schönstem Wetter Donner über die Tunnelstadt hinrollte. Die Stadt tobte und schrie, sie pfiff, schoß, donnerte, gellte.

Aus der Mitte dieser tobenden, rauchenden, weißen Schuttstadt aber stieg eine ungeheure Staubsäule empor, Tag und Nacht. Diese Staubsäule bildete Wolkenformationen, ähnlich jenen, die man bei Vulkanausbrüchen beobachtet. Pilzförmig, von den oberen Luftschichten zusammengedrückt, und Wolkenfetzen zogen von ihr aus mit den Luftströmungen.

Es kam ganz auf den Wind an. Aber die Dampfer haben diesen Staub auf dem Meere beobachtet als eine viele Kilometer umfassende, kalkweiße schwimmende Insel, und zuweilen siebte der Tunnelstaub über New York herab wie ein feiner Aschenregen.

Die Baustelle war hier vierhundert Meter breit und zog sich fünf Kilometer schnurgerade ins Land hinein. Sie wurde in Terrassen abgebaut, die tiefer und tiefer stiegen. An der Mündung der Tunnelstollen sollte die Sohle der Terrassen zweihundert Meter unter dem Meeresspiegel liegen.

Heute eine sandige Heidefläche mit einer Heerschar von buntfarbigen Pflöcken, morgen ein Sandbett, übermorgen eine Kiesgrube, ein Steinbruch, ein ungeheurer Kessel aus Konglomeraten, Sandsteinen, Tonen und Kalk, und zuletzt eine Schlucht, in der es wimmelte wie von Maden. Das waren Menschen, winzig von oben gesehen, weiß und grau vom Staub, graue Gesichter, Staub in den Haaren und Wimpern und einen Brei von Staubmasse zwischen den Lippen. Zwanzigtausend Menschen stürzten sich Tag und Nacht in diese Baugrube hinein. Wie ein See glitzert, so glitzerten drunten die Picken und Schaufeln. Hornsignale: Staub wirbelt empor, ein steinerner Koloß neigt sich vornüber, stürzt, zerfällt, und Knäuel von Menschen wälzen sich in die Staubwolke, die emporjagt. Die Bagger kreischen und jammern, die Paternosterwerke winseln und rasseln unaufhörlich, Krane schwingen, Karren sausen durch die Luft, und die Pumpen drücken Tag und Nacht einen Strom von schmutzigem Wasser durch mannsdicke Röhren empor.

Heere von winzigen Lokomotiven schießen unter den Baggern hindurch, schleppen sich zwischen Geröll und über Sandhaufen. Aber sobald sie das freie Land und solide Schienen erreicht haben, fliegen sie wild pfeifend und mit gellenden Glockensignalen zwischen den Baracken dahin nach den Baustellen, wo man Sand und Steine braucht. Hier haben die Züge Berge von Zementsäcken angefahren, und Arbeiterscharen sind beschäftigt, große Kasernenbauten zu errichten, die vierzigtausend Mann beherbergen sollen und zum Winter unter Dach sein müssen.

Fünf Kilometer vom „Schacht“ entfernt aber — wo die Trasse sich in sanftem Winkel zu neigen beginnt — stehen in einer Wolke von Öl, Hitze und Rauch vier finstere Maschinen auf funkelnagelneuen Schienen und warten und qualmen.

Vor ihren Rädern blitzen Schaufeln und Picken. Schweißtriefende Rotten heben den Boden aus und füllen ihn auf mit Steinblöcken und Schottersteinen, die aus Kippwagen die Böschung herunterpoltern. In die Steine betten sie Schwellen, die noch kleben vom Teer, und wenn sie eine Leiter von Schwellen gelegt haben, so schrauben sie die Schienen darauf fest. Und wenn sie fünfzig Meter Schienen gelegt haben, so pusten und zischen die vier schwarzen Maschinen und bewegen die Stahlgelenke, drei-, viermal, und schon sind sie wieder bei den blitzenden Schaufeln und Picken angelangt.

So wandern die vier schwarzen Ungeheuer jeden Tag vorwärts, und eines Tages stehen sie tief zwischen hohen Geröllbergen, und eines Tages stehen sie tief unter den Terrassen in einem Kamin von steilen Betonwänden und starren mit ihren Zyklopenaugen auf die Felswand vor ihnen, wo im Abstand von dreißig Schritten zwei große Bogen angeschlagen sind — die Mündung des Tunnels.

Zweiter Teil
1.

Wie in der Tunnelstadt auf amerikanischem Boden, so fraßen sich Armeen schweißtriefender Menschen in Frankreich, Finisterre und auf den ozeanischen Stationen in die Erde hinein. Tag und Nacht stiegen an diesen fünf Punkten des Erdballs ungeheure Rauch- und Staubsäulen empor. Das hunderttausendköpfige Arbeiterheer rekrutierte sich aus Amerikanern, Franzosen, Engländern, Deutschen, Italienern, Spaniern, Portugiesen, Mulatten, Negern, Chinesen. Alle lebenden Idiome schwirrten durcheinander. Die Bataillone der Ingenieure bestanden zum größten Teil aus Amerikanern, Engländern, Franzosen und Deutschen. Bald aber strömten Scharen von Volontären aller technischen Hochschulen der Welt herbei, Japaner, Chinesen, Skandinavier, Russen, Polen, Spanier, Italiener.

An verschiedenen Punkten der französischen, spanischen und amerikanischen Küste, der Bermudas und der Azoren erschienen Allans Ingenieure und Arbeiterhorden und begannen wie an den Hauptbaustellen zu wühlen. Ihre Aufgabe war es, die Kraftwerke zu bauen, Allans „Niagara“, dessen Gewalt er brauchte, um seine Züge von Amerika nach Europa zu jagen, die ungeheueren Stollen zu beleuchten und zu belüften. Nach dem verbesserten System der Deutschen Schlick und Lippmann ließ Allan ungeheure Reservoire anlegen, in die das Meer zur Zeit der Flut strömte, um von da in niedriger gelegene Bassins zu donnern, niederschießend die Turbinen zu drehen, die aus den Dynamos den Strom schlugen, und bei Ebbe ins Meer zurückzukehren.

Die Eisenhütten und Walzwerke von Pennsylvania, Ohio, Oklahoma, Kentucky, Colorado, von Northumberland, Durham, Südwales, Schweden, Westfalen, Lothringen, Belgien, Frankreich buchten Allans ungeheure Bestellungen. Die Kohlenzechen beschleunigten die Förderung, um den erhöhten Kohlenbedarf für Transport und Hochöfen zu decken. Kupfer, Stahl, Zement erlebten eine unerhörte Hausse. Die großen Maschinenfabriken Amerikas und Europas arbeiteten mit Überschichten. In Schweden, Rußland, Ungarn und Kanada wurden Wälder niedergemäht.

Eine Flotte von Frachtdampfern und Segelschiffen war ständig zwischen Frankreich, England, Deutschland, Portugal, Italien und den Azoren, zwischen Amerika und den Bermudas unterwegs, um Material und Arbeitskräfte nach den Baustellen zu transportieren.

Vier Dampfer des Syndikats, mit den ersten Kapazitäten (zumeist Deutschen und Franzosen) an Bord, schwammen auf dem Ozean, um die Maße und Lotungen der nach den bekannten ozeanographischen Messungen projektierten Tunnelkurve auf einer Breite von dreißig Seemeilen zu kontrollieren und nachzuprüfen.

Von all den Stationen, Arbeitsstellen, Dampfern, Industriezentren aus liefen Tag und Nacht Fäden nach dem Tunnel-Syndikat-Building, Ecke Broadway-Wallstreet, und von hier aus in eine einzige Hand — Allans Hand.

In wenigen Wochen angestrengtester Arbeit hatte Allan die große Maschine in Schwung gebracht. Sein Werk fing an, die Welt zu umspannen. Sein Name, dieser vor kurzem noch gänzlich unbekannte Name, leuchtete wie ein Meteor über den Menschen.

Tausende von Journalen beschäftigten sich mit seiner Person und nach geraumer Zeit gab es keinen Zeitungsleser in der Welt mehr, der nicht ganz genau Allans Lebensgeschichte kannte.

Diese Geschichte aber war keineswegs alltäglich: Von seinem zehnten bis dreizehnten Jahr gehörte Allan zur Armee der unbekannten Millionen, die ihr Leben unter der Erde verbringen und an die niemand denkt.

Er war in den westlichen Kohlenbezirken geboren, und der erste Eindruck, der in seinem Gedächtnis haften geblieben war, war Feuer. Dieses Feuer stand nachts an verschiedenen Stellen am Himmel, wie feurige Köpfe auf dicken Leibern, die ihn schrecken wollten. Es kam aus Öfen gegenüber heraus in der Gestalt glühender Gebirge, auf die glühende Männer von allen Seiten Wasserstrahlen richteten, bis alles in einer großen weißen Dampfwolke verschwand.

Die Luft war voll von Rauch und Qualm, dem Geschrei von Fabrikpfeifen, es regnete Ruß, und zuweilen brannte nachts der ganze Himmel lichterloh.

Die Menschen erschienen immer in Haufen in den Straßen geschwärzter Backsteinhäuser, sie kamen in Haufen, sie gingen in Haufen, sie waren immer schwarz und selbst am Sonntag hatten sie Kohle in den Augen. In allen ihren Gesprächen kehrte stets das eine Wort wieder: Uncle Tom.

Vater und Fred, der Bruder, arbeiteten in Uncle Tom, wie alle Welt ringsum. Die Straße, in der Mac aufwuchs, war fast immer mit glänzendschwarzem Morast bedeckt. Danebenher floß ein seichter Bach. Die wenigen Gräser, die an seinen Ufern wuchsen, waren nicht grün, sondern schwarz. Der Bach selbst war schmutzig und meist schwammen buntschillernde Ölflecken darauf. Hinter dem Bach standen schon die langen Reihen der Koksöfen, und hinter ihnen erhoben sich schwarze Eisen- und Holzgerüste, auf denen unaufhörlich kleine Karren liefen. Am stärksten aber fesselte den kleinen Mac ein großes, richtiges Rad, das in der Luft hing. Dieses Rad stand zuweilen auf Augenblicke still, dann begann es wieder zu „schnurren“, es wirbelte so rasch, daß man die Speichen nicht mehr sah. Plötzlich aber sah man die Speichen wieder, das Rad in der Luft drehte sich langsamer, das Rad stand still! Und darauf begann es wieder zu „schnurren“.

In seinem fünften Lebensjahre wurde Mac von Fred und den übrigen Pferdejungen in das Geheimnis eingeweiht, wie man ohne jegliches Anlagekapital Geld machen könne. Man konnte Blumen verkaufen, Wagenschläge öffnen, umgefallene Stöcke aufheben, Autos herbeiholen, Zeitungen aus den Trams sammeln und wieder in den Handel bringen. Voller Eifer nahm Mac seine Arbeit in der „City“ auf. Jeden einzelnen Cent lieferte er an Fred ab und dafür durfte er die Sonntage mit den Pferdejungen in den „saloons“ verbringen. Mac kam nun in das Alter, wo ein witziger Junge den ganzen Tag fährt, ohne einen Cent zu bezahlen. Wie ein Parasit lebte er auf allem, was rollte und ihn vorwärtsbrachte. Später vergrößerte Mac sein Geschäft und arbeitete auf eigene Rechnung. Er sammelte leere Bierflaschen in den Neubauten und verkaufte sie, indem er sagte: „Vater schickt mich.“

Aber er wurde abgefaßt, jämmerlich verprügelt und damit war das blühende Geschäft zu Ende.

In seinem achten Lebensjahr bekam Mac von seinem Vater eine graue Kappe und große Stiefel, die Fred getragen hatte. Diese Stiefel waren so weit, daß Mac sie mit einem einzigen Schlenkern des Fußes in die nächste Stubenecke befördern konnte.

Der Vater nahm ihn an der Hand und führte ihn nach Uncle Tom. Dieser Tag machte auf Mac einen unauslöschlichen Eindruck. Noch heute erinnerte er sich deutlich, wie er, erschreckt und aufgeregt, an der Hand des Vaters durch den lärmenden Zechenhof schritt. Uncle Tom war mitten im Betrieb. Die Luft bebte von Geschrei, Pfeifen, Kärrchen sausten durch die Luft, Eisenbahnwaggons rollten, alles bewegte sich. Hoch oben aber schwirrte die Förderscheibe, die Mac schon jahrelang aus der Ferne gesehen hatte. Hinter den Koksöfen stiegen Feuersbrünste und weiße Rauchwolken empor, Ruß und Kohlenstaub sank vom Himmel herab, es surrte und zischte in mannsdicken Röhren, aus den Kühlanlagen stürzten Wasserfälle, und aus dem dicken, hohen Fabrikschlot quoll unaufhörlich pechschwarzer Qualm in den Himmel empor.

Je näher sie aber den rußigen Backsteingebäuden mit den geplatzten Fensterscheiben kamen, desto lauter und wilder wurde das Getöse. Es schrie in der Luft wie tausend gemarterte kleine Kinder; die Erde zitterte.

„Was schreit so, Vater?“ fragte Mac.

„Die Kohle schreit.“

Nie hatte Mac gedacht, daß die Kohle schreien könne!

Der Vater stieg die Treppe eines großen bebenden Hauses empor, dessen Wände Risse zeigten, und öffnete die hohe Tür ein wenig.

„Tag, Josiah! Ich will dem Jungen deine Maschine zeigen,“ rief er hinein, und dann wandte er sich um und spuckte auf die Treppe. „Komm, Mac!“

Mac lugte in den großen reinlichen, mit Fliesen belegten Saal. Der Mann namens Josiah wandte ihnen den Rücken zu. Er saß in einem bequemen Stuhl, hatte die Hände an blanken Hebeln und starrte regungslos auf eine Riesentrommel im Hintergrunde des Saales. Ein Glockensignal ertönte. Da bewegte Josiah einen Hebel und die großen Maschinen links und rechts begannen ihre Schenkel zu schwingen. Die Trommel, die Mac haushoch vorkam, lief immer rasender, und um sie herum sauste ein schwarzes armdickes Drahtseil.

„Der Korb geht nach Sohle sechs,“ erklärte der Vater. „Er fällt rascher als ein Stein. Er wird gerissen. Josiah arbeitet mit achtzehnhundert Pferden.“

Mac war ganz wirr im Kopfe.

An einer weißen Stange vor der Trommel stiegen Pfeile auf und ab, und als die Pfeile in nächster Nähe waren, bewegte Josiah wieder einen Hebel und die sausende Trommel wurde langsamer und stand still.

Mac hatte nie etwas so Gewaltiges gesehen wie diese Fördermaschine.

„Thanks, Josiah!“ sagte der Vater, aber Josiah wandte sich nicht um.

Sie gingen um das Maschinenhaus herum und stiegen eine schmale eiserne Treppe empor, auf der Mac in seinen großen Stiefeln nur mühsam vorwärtskommen konnte. Sie stiegen dem schrillen, winselnden Kindergeschrei entgegen, und hier war der Lärm so groß, daß man kein Wort mehr verstehen konnte. Die Halle war riesig, dunkel, voller Kohlenstaub und rasselnder eiserner Karren.

Macs Herz war beklommen.

Gerade da, wo die Kohlen winselten und schrien, übergab ihn der Vater den geschwärzten Männern und ging davon. Da sah Mac zu seinem Erstaunen einen Bach von Kohlen! Auf einem meterbreiten langen Band liefen unaufhörlich Kohlenstücke dahin, um endlich durch ein Loch im Boden wie ein endloser schwarzer Wasserfall in Eisenbahnwaggons hinabzustürzen. Zu beiden Seiten dieses langen Bandes aber standen geschwärzte Knaben, Knirpse wie Mac, und griffen hastig in den Kohlenstrom hinein und suchten bestimmte Brocken heraus, die sie in eiserne Karren warfen.

Ein Junge schrie ihm ins Ohr, er solle zusehen. Dieser Knirps hatte ein geschwärztes Gesicht und erst nach einer Weile erkannte ihn Mac an einer Hasenscharte. Es war ein Junge aus der nächsten Nachbarschaft, mit dem er erst gestern noch eine Schlägerei gehabt hatte, weil er ihm seinen Spottnamen „Hase“ nachrief.

„Wir suchen die Berge heraus, Mac,“ schrie der „Hase“ mit gellender Stimme in Macs Ohr, „wir dürfen die Steine nicht mit verkaufen.“

Am nächsten Tage schon sah Mac so gut wie die andern, was Kohle war und was Stein war, am Bruch, am Glanz, an der Gestalt. Und acht Tage später war es ihm, als sei er seit Jahren in dieser schwarzen Halle voller Lärm und Kohle gewesen.

Über den ewig gleitenden Kohlenbach gebeugt, mit den schwarzen Händen nach den „Bergen“ fahrend — so stand Mac zwei volle Jahre, jeden Tag, an seinem bestimmten Platz, der fünfte von oben. Tausende von Tonnen Kohlen glitten durch seine kleinen raschen Hände.

Jeden Sonnabend holte er seinen Lohn, den er an den Vater (bis auf ein kleines Taschengeld) abgeben mußte. Mac war neun Jahre alt und ein Mann geworden. Wenn er am freien Sonntag in den „Saloon“ ging, so trug er einen steifen Hut und einen Kragen. Eine Pfeife hing zwischen den Haifischzähnen; er kaute Gummi und hatte allezeit ein reichliches Reservoir von Speichel zwischen Zunge und Gaumen. Er war ein Mann, sprach wie ein Mann und hatte nur die helle, gellende Stimme eines Knaben, der die Woche in einem lärmenden Arbeitsraum verbringt.

Das war die Kohle über der Erde, und er, Mac, kannte sie und wußte in allen Dingen Bescheid — besser als der Vater und Fred! Es gab hier Dutzende von Knaben, die nach einem Jahr keine Ahnung hatten, woher die Kohle alle kam, dieser endlose Strom von Kohlenblöcken, die in die Waggons polterten. Tag und Nacht klirrten die eisernen Türen des Schachtes und der triefende Förderkorb spie Tag und Nacht, ohne Pause, vier eiserne Hunde voll Kohlen aus, fünfzig Zentner auf einmal. Tag und Nacht rasselten die Hunde über die Eisenplatten der Halle, Tag und Nacht drehten sie sich an einer bestimmten Stelle über einer Öffnung am Boden (wie Hühner am Spieß!) und schütteten die Kohle hinunter und liefen leer davon. Von da unten aber stieg die Kohle auf einem Paternosterwerk herauf und wurde auf großen Sieben hin und her gerüttelt und hier schrie die Kohle. Die große Kohle, die Förderkohle, ging in die Waggons und fort. Ja, well, das wußten auch die anderen Jungen, aber mehr nicht! Mac hatte sich schon nach einem Monat gesagt, daß die Hunde, die durch die Halle polterten, unmöglich all die Kohle bringen konnten! Und so war es. Täglich kamen Hunderte von Waggons an — von Uncle Tom II, Uncle Tom III und Uncle Tom IV — und sie alle kamen zu Uncle Tom I, weil hier die Wäschereien und Kokereien und der „chemische Betrieb“ waren. Mac hatte sich umgesehen und wußte alles! Er wußte, daß die Kohle, die durchs Sieb fiel, durch ein Paternosterwerk in die Wäscherei transportiert wurde. Hier lief sie durch Kessel, in denen das Wasser die Kohle fortspülte, während die Steine sanken. Die Kohle aber lief in eine Riesentrommel aus fünf Sieben, mit verschieden großen Löchern; hier ging sie herum, rasselnd und scharrend und wurde sortiert. Und die einzelnen Sorten liefen durch Kanäle zu verschiedenen Trichtern und fielen als Stückkohle, melierte Kohle, Nuß I, II, III, in die Eisenbahnwaggons und gingen fort! Die Feinkohle aber, all die Splitter und der Staub — die warf man fort, glaubst du? Nein! Frage Mac, den zehnjährigen Ingenieur, und er wird dir sagen, daß man die Kohle „aussaugt“, bis nichts mehr von ihr da ist. Dieser Kohlenschutt lief eine eiserne, durchlöcherte Treppe empor. Diese ungeheure Treppe voll grauen Schmutzes schien stillzustehen, aber wenn man genau hinsah, so sah man, daß sie sich langsam — ganz langsam bewegte. In genau zwei Tagen lief jede Stufe hinauf, kippte um und schüttete den Staub in ungeheure Trichter. Von da kam der Staub in die Koksöfen, wurde Koks, und die Gase wurden in den hohen schwarzen Teufeln niedergeschlagen und Teer, Ammoniak und alles mögliche daraus gemacht. Das war der „chemische Betrieb“ von Uncle Tom I und Mac wußte alles.

In seinem zehnten Jahr bekam Mac vom Vater einen dicken Anzug aus gelbem Tuch, eine wollene Halsbinde, und an diesem Tage fuhr er zum erstenmal ein — dahin, wo die Kohle herkam.

Die eisernen Schranken klirrten, die Glocke schlug an, der Korb stürzte ab. Zuerst langsam und dann rasend rasch, so schnell, daß Mac glaubte, der Boden, auf dem er saß, breche durch. Es wurde ihm einen Augenblick schwarz vor den Augen, sein Magen schnürte sich zusammen — dann aber hatte er sich zurechtgefunden. Mit einem gellenden Lärm sauste der eiserne Korb achthundert Meter tief hinab. Er schlug schwankend gegen die Führungsschienen, daß es klirrte und krachte, als springe er in Stücke. Das Wasser klatschte auf sie herab, die triefende schwarze Bretterverschalung des Schachtes flog im Schein ihrer Grubenlampen an den offnen Türen des Korbes in die Höhe. Mac sagte sich, daß es so sein müsse. Zwei Jahre lang hatte er täglich beim Schichtwechsel die Hauer und Bergleute mit ihren Lämpchen — die wie Glühwürmchen in der dunklen Halle tanzten — aus dem Korb steigen sehen und mit dem Korb versinken, und nur zweimal war etwas passiert. Einmal war der Korb gegen das Dach gefahren und die Leute hatten sich die Schädel eingeschlagen, das andere Mal war das Seil gerissen und zwei Steiger und ein Ingenieur waren in den Sumpf gestürzt. Das konnte vorkommen, aber es kam nicht vor.

Plötzlich hielt der Korb und sie waren auf Sohle 8, und es war auf einmal ganz still. Ein paar bis zur Unkenntlichkeit geschwärzte, halbnackte Gestalten empfingen sie.

„Du bringst uns deinen Jungen, Allan?“

„Yep!“

Mac befand sich in einem heißen Tunnel, der, beim Schacht schwach erleuchtet, sich rasch in Finsternis verlor. Nach einer Weile schimmerte in der Ferne eine Lampe, ein Schimmel erschien, Jay, der Pferdejunge — den Mac schon lange kannte — an der Seite, und hinterher rasselten zwanzig eiserne Hunde voller Kohlen.

Jay grinste. „Hallo! Da ist er ja!“ schrie er. „Mac, ich habe gestern noch drei drinks im Pokerautomaten gewonnen. Hej, hej, stop Boney!“

Diesem Jay wurde Mac beigegeben und einen ganzen Monat lang stapfte er wie ein Schatten an Jays Seite, bis er angelernt war. Dann verschwand Jay, und Mac besorgte die Arbeit allein.

Er war auf Sohle 8 zu Hause und dachte gar nicht daran, daß ein Junge von zehn Jahren etwas anderes sein könne als ein Ponyboy. Anfangs hatte ihn die Finsternis und mehr noch die unheimliche Stille hier unten bedrückt. Ja, was für ein fool war er doch gewesen, zu glauben, daß es hier unten von allen Seiten picken und klopfen würde! Es war im Gegenteil totenstill, wie in einer Gruft, aber man konnte pfeifen, verstehst du? Nur beim Schacht, wo der Korb lief und ein paar Leute die Hunde einschoben und herauszogen, bei den Flözen, wo die Hauer, zumeist unsichtbar für Mac, eingeklemmt zwischen dem Gestein hingen und die Kohle schlugen, war ein wenig Lärm. Eine Stelle aber gab es auf Sohle 8, wo ein furchtbarer Lärm war. Dort arbeiteten die Bohrer. Zwei Männer, die längst taub sein mußten, preßten die pneumatisch betriebenen Bohrer mit den Schultern gegen den Felsen, und hier war kein Wort zu verstehen.

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