Kitabı oku: «Der Tunnel», sayfa 4

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Allan hatte keineswegs erwartet, sein Auditorium durch sein Projekt niederzustrecken, und war mit dem Eindruck, den seine Ankündigung machte, vollkommen zufrieden. Mehr konnte er vorläufig nicht verlangen. Er hätte ja seine Idee langsam abbrennen können, aber er hatte sie absichtlich wie eine Kartätsche gegen seine Zuhörerschaft abgeschossen, um diesen Panzer einer scheinbaren Indifferenz, die jeden Redner hätte entmutigen können, diesen Panzer aus Phlegma, Schulung, Ermattung, Berechnung und Abwehr auf einen Schlag zu sprengen. Er mußte diese sieben Milliarden zwingen, ihm zuzuhören. Das war seine erste Aufgabe, das und nichts anderes. Und es schien, als ob ihm dies gelungen sei. Die ledernen Sessel knirschten, einige lehnten sich bequem zurecht, sie zündeten sich eine Zigarre an. Mrs. Brown nahm den Hörapparat zu Hilfe. Wittersteiner, von der New York-Central Bank raunte I. O. Morse, dem Kupfermann, etwas ins Ohr.

Und Allan fuhr ermutigt und sicherer fort.

Der Tunnel sollte hundert Kilometer südlich von New York von der Küste New Jerseys ausgehen, die Bermudas und Azoren und Nordspanien berühren und an der biskayischen Küste Frankreichs emporsteigen. Die beiden ozeanischen Stationen, die Bermudas und Azoren, waren vom technischen Standpunkt aus unentbehrlich. Denn mit ihnen, zusammen mit der amerikanischen und den zwei europäischen, waren fünf Angriffsstellen für die Tunnelstollen gegeben. Ferner waren die ozeanischen Stationen für die Rentabilität des Tunnels von größter Bedeutung. Die Bermudas würden den gesamten Personenverkehr und die Post des mexikanischen Beckens, Westindiens, Zentralamerikas und des Panamakanals aufsaugen. Die Azoren den gesamten Verkehr Südamerikas und Afrikas an sich reißen. Die ozeanischen Stationen würden Angelpunkte des Weltverkehrs werden von der Bedeutung New Yorks und Londons. Es war ohne jeden Kommentar einleuchtend, welche Rolle die amerikanische und die europäischen Stationen in Zukunft auf dem Erdball spielen würden! Die einzelnen Regierungen würden gezwungen sein, ihre Zustimmung zum Tunnelbau zu erteilen, ja, er, Mac Allan, würde sie zwingen, die Papiere des Tunnel-Syndikats an ihren Börsen zuzulassen — wenn anders sie nicht gesonnen waren, ihre Industrien um Tausende von Millionen zu schädigen.

„Der Tunnel der Behringstraße, der vor drei Jahren in Angriff genommen wurde,“ sagte Allan, „der Dover-Calais-Tunnel, der in diesem Jahr seiner Vollendung entgegengeht, haben zur Genüge bewiesen, daß der Bau submariner Tunnel der modernen Technik keine Schwierigkeiten bereitet. Der Dover-Calais-Tunnel hat eine Länge von rund fünfzig Kilometern. Mein Tunnel hat eine Länge von rund fünftausend Kilometern. Meine Aufgabe besteht demnach lediglich darin, die Arbeit der Engländer und Franzosen zu verhundertfachen, wenn ich auch keineswegs die größeren Schwierigkeiten verkenne. Aber ich brauche es Ihnen nicht erst zu sagen: wo der Mensch von heute eine Maschine aufstellen kann, da ist er zu Hause! Finanziell hängt die Ausführung des Projektes von Ihrer Zustimmung ab. Ihr Geld brauche ich nicht — wie Hobby sagte — denn ich werde den Tunnel mit amerikanischem und europäischem Geld, mit dem Geld der ganzen Welt bauen. Das Projekt technisch in der Zeit von fünfzehn Jahren zu bewältigen, ist allein von meiner Erfindung bedingt, die Sie kennen, dem Allanit, einem Hartstahl, der der Härte des Diamanten nur um einen Grad nachsteht, die Bearbeitung des härtesten Gesteins ermöglicht und es erlaubt, eine unbeschränkte Anzahl von Bohrern in beliebiger Größe äußerst billig herzustellen.“

Das Auditorium folgte. Es schien zu schlafen, aber gerade das war ein Zeichen, daß es seine Arbeit aufgenommen hatte. Die meisten der grauen und weißen Scheitel hatten sich gesenkt, nur zwei, drei schweißglänzende Gesichter waren nach oben zum Himmel gerichtet, wo die Sterne wie Scherben glitzerten. Jemand drehte eine Zigarre zwischen den gespitzten Lippen und blinzelte zu Allan empor, ein anderer nickte, das Kinn in der Hand, nachdenklich vor sich hin. Fast aus allen Augen war der gutmütige und kindliche Ausdruck gewichen und hatte einem nachdenklichen, verschleierten oder gespenstisch wachen Blick Platz gemacht. Mrs. Brown hing an Allans Lippen und ihr Mund zeigte einen scharfen, höhnischen, fast bösartigen Ausdruck. All die Gehirne der dreißig Sklavenhalter, in die Allan seine Ideen und Argumente hineinhämmerte, daß sie wie Keile festsaßen, waren in Schwung gekommen. Das Geld dachte, das Eisen, der Stahl, das Kupfer, das Holz, die Kohle. Diese Sache Allan war nicht gewöhnlich. Sie verdiente, daß man sie überlegte und erwog. Ein Projekt wie dieses fand man nicht täglich auf der Straße. Und diese Sache Allan war nicht leicht! Es handelte sich hier nicht um ein paar Millionen Bushel Weizen oder Ballen Baumwolle, nicht um tausend King-Edward-Mines-Aktien, Australien. Es handelte sich um weit mehr! Für die einen bedeutete die Sache Allan einen Berg von Geld ohne besonderes Risiko für das Eisen, den Stahl, die Kohle. Ihr Entschluß war kein Kunststück. Für die andern bedeutete sie Geld bei großem Risiko. Aber es hieß Stellung nehmen. Stellung! Denn es handelte sich hier um noch etwas, es handelte sich hier um Lloyd und um keinen andern als Lloyd den Allmächtigen, der wie ein goldenes Gespenst, schaffend und vernichtend, über den Erdball schritt! Lloyd wußte recht wohl, was er tat, und dieser Allan wurde geschoben und glaubte zu schieben. In den letzten Wochen waren in Wallstreet große Transaktionen in Montanwerten und Papieren der schweren Industrie vor sich gegangen. Nun wußten sie, daß es Lloyd war, der seine Armeen durch Strohmänner hatte vorschieben lassen! Es lag auf der Hand, Lloyd, der jetzt in seinem Tresor saß und seine Zigarre lutschte, hatte schon seit Wochen losgeschlagen, und dieser Mac Allan war seine Faust! Immer war Lloyd der erste, immer hatte er die besten Claims schon besetzt, wenn der allgemeine Rush kam. Allein noch wäre es ja Zeit, den Vorsprung einigermaßen einzuholen. Man brauchte nur heute abend noch seine Depeschen über die Welt zu jagen, sofort nach dem Meeting. Morgen früh allerdings wäre es schon viel zu spät.

Es galt Stellung zu nehmen ...

Einzelne, deren Gehirne sich heißgelaufen hatten, unternahmen den Versuch, dem Problem dadurch beizukommen, daß sie Allans Person unter die Lupe nahmen. Während sie genau hörten, was Allan über den Bau des Tunnels sagte — wie er die Stollen vortreiben, ausbauen, belüften wolle — studierten sie ihren Mann von den Patentlederschuhen an — seine schneeweißen Flanellhosen, seinen Gürtel, sein Hemd, seinen Kragen und seine Binde — bis hinauf zu den soliden Stirnknochen, über die sich sein glatter, kupferrot schimmernder Scheitel spannte. Das Gesicht dieses Mannes glänzte im Schweiß wie Bronze, aber es zeigte jetzt, nach einer Stunde, nicht die leiseste Abspannung. Im Gegenteil, es war markanter und wacher geworden. Die Augen dieses Mannes hatten kindlich und gutmütig ausgesehen, als er begann, nun aber, schwimmend in Schweiß, waren sie kühn und klar, stählern und blinkend wie jenes Allanit, das dem Diamanten nur um einen Grad an Härte nachstand. Und es war gewiß, daß dieser Mann sich nicht oft so in die Augen blicken ließ! Wenn dieser Mann Nüsse aß, so brauchte er auf keinen Fall einen Nußknacker. Die Stimme dieses Mannes hämmerte und rauschte im Brustkasten, bevor sie herauskam. Allan warf eine Skizze auf die Tafel, und sie studierten seinen gebräunten Unterarm mit den tätowierten gekreuzten Hämmern, es war der Arm eines trainierten Tennisspielers und Fechters. Sie studierten Allan wie einen Boxer, auf den man setzen will. Der Mann war gut, ohne Zweifel. Man konnte auf ihn verlieren und brauchte sich nicht zu schämen. Es war Lloyds Blick! Sie wußten, daß er mit zwölf Jahren Pferdejunge in einer Kohlengrube war und daß er sich im Laufe von zwanzig Jahren aus einer Tiefe von achthundert Metern unter der Erde bis empor auf den Roofgarden des Atlantic gearbeitet hatte. Das war etwas. Es war auch etwas, dieses Projekt auszuarbeiten, aber das weitaus Schwerere und Bewunderungswürdigere war, daß er es fertiggebracht hatte, dreißig Menschen, für die ein Tag ein Kapital bedeutet, zu einer bestimmten Stunde hierher zu beschwören und sie zu zwingen, ihm bei einer Temperatur von neunzig Grad Fahrenheit zuzuhören. Vor ihren Augen schien sich das seltene Schauspiel abzuspielen: einer kam den Glasberg herauf zu ihnen, gesonnen, seinen Platz zu beanspruchen und zu verteidigen.

Allan sagte: „Zur Verwaltung der Stollen und für den Betrieb brauche ich eine Stromstärke, die etwa jener der gesamten Niagara-Power-Works gleichkommt. Der Niagara ist nicht mehr zu haben, so werde ich mir meinen eigenen Niagara bauen!“

Und sie erwachten aus ihren Gedanken und sahen Allan ins Gesicht.

Noch etwas fiel ihnen an diesem Burschen auf: er hatte während des ganzen Vortrages weder gelächelt noch einen Scherz gemacht. Humor schien nicht gerade seine Sache zu sein. Nur einmal hatte die Gesellschaft Gelegenheit gehabt zu lachen. Das war, als die Photographen ein wütendes Zwischengefecht eröffneten und Allan sie anherrschte: „Stop your nonsense!“

Allan las am Schluß die Gutachten der ersten Kapazitäten der Welt, Gutachten von Ingenieuren, Geologen, Ozeanographen, Statistikern, Finanzgrößen aus New York, Boston, Paris, London, Berlin.

Das größte Interesse erweckte Lloyds Resümee, der die Finanzierung und die Rentabilität des Projektes ausgearbeitet hatte. Allan las es zuletzt, und die dreißig Gehirne arbeiteten mit ihrer größten Geschwindigkeit und Präzision.

Die Hitze schien sich urplötzlich verdreifacht zu haben. In Schweiß gebadet lagen sie alle in den Sesseln und das Wasser rann ihnen über die Gesichter. Selbst die Kühlapparate, die hinter den Gebüschen und Sträuchern aufgestellt waren und ununterbrochen kalte, ozongesättigte Luft aushauchten, schufen keine Linderung mehr. Es war wie in den Tropen. Chinesische Boys, in kühles, schneeweißes Linnen gekleidet, glitten lautlos zwischen den Sesseln hindurch und reichten Limonade, horses-neck, gin-fizz und Eiswasser. All das half nichts. Die Hitze stieg in Schwaden von der Straße herauf und wälzte sich als glühender Brodem, den man mit den Händen greifen konnte, über den Dachgarten. New York, aus Eisenbeton und Asphalt, war wie ein vieltausendzelliger Akkumulator, der die Glut der letzten Wochen aufgespeichert hatte und sie jetzt ausspie. Und ununterbrochen gellte und schrie die fieberige Broadway-Schlucht tief unten. New York, von den Menschen zwischen 3000 Meilen Ozean und 3000 Meilen Kontinent aufgetürmt, dieses kochende, schlaflose New York selbst schien zu fordern, zu beschwören, anzupeitschen zu immer größeren, immer unerhörteren Anstrengungen. New York selbst, das Gehirn Amerikas, schien zu denken, einen Riesengedanken hin und her zu wälzen, zu gebären ...

In diesem Augenblick hörte Allan auf zu sprechen. Fast mitten im Satze. Allans Rede hatte gar keinen Schluß. Es war eine umgekehrte Rede, deren Steigerung am Anfang lag. Der Schluß kam so unerwartet, daß alle in der gleichen Lage sitzen blieben und ihre Ohren noch arbeiteten, als Allan schon gegangen war, um sein Projekt der Diskussion zu überlassen.

Das Reklameluftschiff kreuzte über dem Dachgarten und trug die Worte über Manhattan dahin: „25 Jahre Lebensverlängerung! — Garantie! — Dr. Josty, Brooklyn!“

7.

Allan fuhr mit Maud bis zum zehnten Stock ab, um zu dinieren. Er war vom Schweiß derart durchnäßt, daß er sich vollständig umkleiden mußte. Aber selbst dann schlugen augenblicklich wieder die Schweißperlen aus seiner Stirn. Seine Augen waren noch geweitet und blicklos von der großen Anspannung seiner Kräfte.

Maud trocknete ihm vorsorglich die Stirn und kühlte seine Schläfen mit einer Serviette, die sie in Eiswasser getaucht hatte.

Maud strahlte! Sie plapperte und lachte vor Erregung. Was für ein Abend! Die Versammlung, die Lichtgirlanden, der Dachgarten, das zauberische New York ringsum, nie würde sie diesen Anblick vergessen. Wie sie alle im Kreise saßen! Sie, die Namen, die sie seit ihrer frühesten Jugend tausendmal gehört hatte, deren bloßer Klang eine Atmosphäre von Reichtum, Macht, Genie, Kühnheit und Skandal erzeugte. Und sie saßen und hörten ihm zu, Mac! Maud war unendlich stolz auf Mac. Sein Triumph begeisterte sie, sie zweifelte keinen Augenblick an seinem Erfolg.

„Welch schreckliche Angst ich doch hatte, Mac!“ sprudelte sie hervor und umschlang seinen Nacken. „Aber du hast gesprochen! Ich traute meinen Ohren nicht! Guter Gott, Mac!“

Allan lachte. „Ich hätte lieber zu einer Herde von Teufeln gesprochen als zu diesen Burschen, Maud, das kannst du mir glauben!“ entgegnete er.

„Wie lange wird es nun dauern, denkst du?“

„Eine Stunde, zwei Stunden. Kann sein, die ganze Nacht.“

Maud öffnete überrascht den Mund.

„Die ganze Nacht —?“

„Kann sein, Maud. Auf jeden Fall werden sie uns Zeit lassen, ruhig zu Abend zu essen.“

Allan war nun wieder vollkommen ins Gleichgewicht gekommen. Seine Hände zitterten nicht mehr und in seine Augen war der Blick zurückgekehrt. Er erfüllte seine Anstandspflicht als Gatte und Gentleman und legte Maud das schönste Stück Beef vor, so wie sie es liebte, die schönsten Spargel und Bohnen, und machte sich hierauf selbst ruhig an die Arbeit, während ihm der Schweiß in großen Tropfen auf der Stirn stand. Er fand, daß er außerordentlich hungrig war. Maud dagegen plauderte so eifrig, daß sie kaum zum Essen kam. Sie ließ die ganze Gesellschaft der Geladenen aufmarschieren. Sie fand, daß Wittersteiner einen wunderbaren und bedeutenden Kopf habe. Über Kilgallans jugendliches Aussehen wunderte sie sich, und John Andrus, den Minenkönig, verglich sie mit einem Nilpferd; C. B. Smith, der Bankier, dagegen kam ihr wie ein kleiner, grauer, schlauer Fuchs vor. Und diese alte Hexe Mrs. Brown habe sie in der Tat gemustert, als sei sie ein Schulmädchen! Ob es wahr sei, daß diese Mrs. Brown aus purem Geiz nie Licht zu Hause brenne ...?

Mitten in der Mahlzeit kam Hobby ins Zimmer. Hobby, der es gewagt hatte (und es sich leisten konnte), in Hemdärmeln im Lift des Atlantic herunterzufahren.

Maud sprang sofort erregt auf. „Wie steht es, Hobby?“ schrie sie.

Hobby lachte und warf sich in einen Sessel.

„So etwas habe ich noch nicht erlebt!“ rief er aus. „Sie liegen sich in den Haaren! Es ist wie in Wallstreet nach den Wahlen! C. B. Smith wollte gehen — nein, das müßt ihr hören! Er will gehen, sagt, die Sache sei ihm zu gewagt und steigt in den Lift. Aber sie sind hinter ihm her und ziehen ihn mit aller Gewalt an den Rockschößen wieder aus dem Lift heraus! Keine Lüge! Ye gods and little fishes! Kilgallan steht in der Mitte und schwingt die Gutachten, Mac, und schreit wie ein Ausrufer: Dagegen können Sie nicht ankommen, dagegen können Sie nichts sagen!“

„Natürlich Kilgallan!“ warf Allan ein. „Er hätte nichts dagegen!“ (Kilgallan war das Haupt des Stahltrusts.)

„Und Mrs. Brown! Es ist nur gut, daß Photographen da sind! Sie sieht aus wie eine Vogelscheuche in Ekstase! Sie ist verrückt geworden, Mac. Sie hat Andrus fast die Augen ausgekratzt. Sie ist außer sich und schreit fortwährend: Allan ist der größte Mann aller Zeiten! Es wäre eine Schande für Amerika, wenn sein Projekt nicht ausgeführt würde!“

„Mrs. Brown?“ Maud war starr vor Erstaunen. „Aber sie brennt ja nicht einmal Licht vor lauter Geiz!“

„Trotzdem, Maud!“ Hobby brach von neuem in helles Gelächter aus. „Der Teufel kennt die Menschen, girl! Sie und Kilgallan, die zwei werden dich durchsetzen, Mac!“

„Willst du nicht mit uns essen, Hobby?“ fragte Allan, der einen Hühnerschenkel zwischen den Zähnen bearbeitete und Hobby aufmerksam zuhörte.

„Ja, komm doch her, Hobby!“ rief Maud und stellte Teller zurecht.

Aber Hobby hatte keine Zeit. Er war weitaus erregter als Allan, obwohl ihn die ganze Sache wenig anging. Er stürzte wieder hinaus.

Von Viertelstunde zu Viertelstunde kam er wieder, um über den Stand von Allans Sache zu berichten.

„Mrs. Brown hat zehn Millionen Dollar gezeichnet, Mac! Es beginnt!“

„Mein Gott!“ schrie Maud mit schriller Stimme und schlug vor Überraschung die Hände zusammen.

Allan schälte eine Birne und wandte sich ruhig an Hobby: „Na, und?“

Hobby aber war zu erregt, um sich setzen zu können. Er lief hin und her, nahm eine Zigarre aus der Tasche und biß die Spitze ab. „Sie zieht also einen Notizblock aus der Tasche,“ begann er, während er mit fliegenden Händen die Zigarre in Brand steckte, „einen Block, den ich nicht mit der Feuerzange anfassen möchte, so schmutzig ist er — und zeichnet! Stille! Alles ist starr! Und nun greifen die anderen in die Tasche und Kilgallan geht herum und sammelt die Zettel ein. Kein Wort wird mehr gesprochen. Die Photographen arbeiten mit Hochdruck! Mac, deine Sache ist gemacht, I will eat my hat ...“

Dann ließ sich Hobby lange nicht mehr sehen. Eine ganze Stunde verging.

Maud war still geworden. Sie saß aufgeregt da und lauschte mit Ohren und Augen, ob sich nichts rege. Je länger es dauerte, desto verzagter wurde sie. Allan saß im Sessel und rauchte still und nachdenklich die Pfeife.

Endlich vermochte Maud nicht länger an sich zu halten, und sie fragte, ein wenig kleinlaut: „Und wenn sie sich nicht entschließen können, Mac?“

Allan nahm die Pfeife aus dem Mund, hob den Blick mit einem Lächeln zu Maud und erwiderte ruhig und mit tiefer Stimme: „Dann fahre ich wieder nach Buffalo und fabriziere meinen Stahl!“ Aber mit einem festen, sicheren Nicken des Kopfes fügte er hinzu: „Sie werden sich entschließen, Maud!“

In diesem Augenblick klingelte das Telephon. Es war Hobby. „Sofort heraufkommen!“

Als Allan wieder auf dem Dachgarten erschien, kam ihm der Stahltrustmann Kilgallan entgegen und klopfte ihm auf die Schulter.

„You are all right, Mac!“ sagte er.

Allan hatte gesiegt. Er händigte dem rotgekleideten Groom einen Stoß Telegramme ein und der Groom versank im Lift.

Einige Minuten darauf war der Dachgarten leer. Jeder einzelne ging unverzüglich an seine Arbeit. Hotelbedienstete schafften die Gewächse und Sessel fort, um Platz für Vanderstyffts großen Vogel zu machen.

Vanderstyfft kletterte in die Maschine und schaltete die Lampen ein. Der Propeller prasselte, ein Sturmwind fegte die Hotelbediensteten in die Ecke, der Apparat lief ein Dutzend Schritte vorwärts und stieg in die Luft. Und der große weiße Vogel zog den Lichtnebeln New Yorks entgegen und verschwand.

8.

Zehn Minuten nach dieser Sitzung spielte der Telegraph nach New Jersey, Frankreich, Spanien, den Bermudas und Azoren. Eine Stunde später hatten Allans Agenten für fünfundzwanzig Millionen Dollar Ländereien aufgekauft.

Diese Ländereien befanden sich in der für den Tunnelbau denkbar günstigsten Lage; Allan hatte sie schon vor Jahren ausgewählt. Sie bestanden aus dem schlechtesten und billigsten Boden: Dünen, Heiden, Moräste, kahle Inseln, Riffe, Sandbänke. Der Preis von fünfundzwanzig Millionen Dollar war ein Spottgeld, wenn man bedenkt, daß die Ländereien zusammen das Gebiet eines Herzogtums umfaßten. Einbegriffen war ein ausgedehnter, tiefer Komplex in Hoboken, der mit einer Front von zweihundert Metern an den Hudson stieß. Die aufgekauften Gebiete lagen alle entfernt von größeren Städten, denn Allan brauchte diese Städte nicht. Seine Heiden und Dünen waren berufen, in Zukunft selbst Städte zu tragen, die die Umgebung verschlangen.

Während die Welt noch schlief, flogen Allans Telegramme durch die Kabel und durch die Luft und überrumpelten sämtliche Börsen der Welt. Und am Morgen erbebte New York, Chikago, Amerika, Europa, die ganze Welt, bei dem Wort: „Atlantic-Tunnel-Syndikat“.

Die Zeitungspaläste waren die ganze Nacht tageshell erleuchtet. Die Rotationspressen der Druckereien arbeiteten mit ihrer größten Geschwindigkeit. Herald, Sun, World, Journal, Telegraph, all die in New York erscheinenden englischen, deutschen, französischen, italienischen, spanischen, yiddischen, russischen Zeitungen hatten erhöhte Auflagen gedruckt, und Millionen von Zeitungsblättern gingen mit dem erwachenden Tag über New York nieder. In den sausenden Aufzügen, auf den rollenden Trottoiren und kletternden Treppen der Hochbahnstationen, auf den Perrons der Subway, wo sich der allmorgendliche Kampf um einen Platz in den vollgestopften Waggons abspielte, auf den Hunderten von Ferrybooten und in den Tausenden von elektrischen Cars — von der Battery angefangen bis hinauf zur Zweihundertsten Straße wurden förmliche Schlachten um die nassen Zeitungen geschlagen. In allen Straßen stiegen Fontänen von Extrablättern über Menschenknäuel und ausgestreckte Hände empor.

Die Nachricht war sensationell, unerhört, kaum faßbar, kühn!

Mac Allan! — Wer war er, was hatte er getan, woher kam er? Wer war der Bursche, der über Nacht vor die Front der unbekannten Millionen trat?

Einerlei, wer er war! Er hatte es fertiggebracht, das Tag um Tag gleichmäßig dahinsausende New York aus den Geleisen zu werfen.

Die Augen saugten sich fest an den Ansichten prominenter Persönlichkeiten, die ihre Meinung über den Tunnel im Telegrammstil veröffentlichten:

C. H. Lloyd: „Europa wird ein Vorort Amerikas werden.“

Der Tabakmann H. F. Herbst: „Du kannst einen Waggon Waren von New Orleans nach St. Petersburg schicken, ohne umladen zu müssen.“

Der Multimillionär H. I. Bell: „Ich werde meine Tochter, die in Paris verheiratet ist, anstatt dreimal im Jahr, zwölfmal sehen können.“

Verkehrsminister de la Forest: „Der Tunnel bedeutet für jeden Geschäftsmann ein geschenktes Lebensjahr an ersparter Zeit.“

Man verlangte ausführliche Nachrichten und man hatte ein Recht, sie zu verlangen. Vor den Zeitungspalästen stauten sich die Menschen, so daß die Führer der elektrischen Wagen mit den Stiefeln auf den Glockenknopf hämmern mußten, um ihre Trains durchschieben zu können. Stundenlang waren die Augen des kompakten Menschenblocks auf die Projektionsfläche im zweiten Stock des „Herald-buildings“ gerichtet, obgleich seit Stunden die gleichen Bilder erschienen: Mac Allan, Hobby, die Gesellschaft auf dem Dachgarten.

„Sieben Milliarden sind vertreten!!“ „Mac Allan verkündet sein Projekt.“ (Kinematographisch). „Mrs. Brown zeichnet 10 Millionen.“ (Kinematographisch). „C. H. Smith wird aus dem Lift gezerrt.“

„Wir sind die einzigen, die Vanderstyffts Ankunft auf dem Roofgarden bis zur unmittelbaren Landung zeigen können. Unser Photograph wurde von der Maschine niedergerissen.“ (Kinematographisch). New Yorks weiße, mit Fenstern punktierte Wolkenkratzer, aus denen dünner, weißer Dampf steigt. Ein weißer Schmetterling erscheint, ein Vogel, eine Möwe, ein Monoplan! Der Monoplan saust über den Roofgarden hinweg, beschreibt eine Kurve, kommt zurück, senkt sich, ein Riesenflügel schwenkt heran. Schluß. Ein Porträt: Mr. C. G. Spinnaway, unser Photograph, den Vanderstyffts Maschine zu Boden schleuderte und schwer verletzte.

Neueste Aufnahme: Mac Allan verabschiedet sich in Bronx von seiner Frau und seinem Kind, um in die Office zu fahren.

Und wieder beginnt dieselbe Serie von Bildern.

Plötzlich — gegen elf Uhr — stockt die Serie. Etwas Neues?! Alle Gesichter sind nach oben gerichtet.

Ein Porträt: Mr. Hunter, Broker, 37. Straße 212 East, buchte soeben sein Billett für die erste Fahrt New York—Europa.

Die Menge lacht, schwingt die Hüte, schreit!

Die Telephonämter waren überarbeitet, die Telegraphen und Kabel konnten die Arbeit nicht mehr bewältigen. In all den Tausenden von Bureaus New Yorks riß man den Hörer vom Apparat, um mit Verbündeten die Lage zu besprechen. Ganz Manhattan fieberte! Die Zigarre im Mund, den steifen Hut im Nacken, in Hemdärmeln, schweißtriefend, saß und stand man und schrie und gestikulierte. Bankiers, Broker, Agenten, Clerks. Offerten ausarbeiten! Es galt, seine Stellung einzunehmen, so rasch, so günstig wie möglich! Eine Riesenkampagne stand bevor, eine Völkerschlacht des Kapitals, bei der man niedergeritten wurde, wenn man sich umsah. Wer würde das Riesenunternehmen finanzieren? Wie würde es geschehen? Lloyd? Wer sagt Lloyd? Wittersteiner? Wer wußte etwas? Wer war dieser Teufel Mac Allan, der für fünfundzwanzig Millionen Ländereien über Nacht aufkaufte, deren Bodenwert sich verdreifachen, verfünffachen, — wie sagst du! — verhundertfachen mußte?

Am erregtesten ging es in den vornehmen Geschäftsräumen der großen transatlantischen Schiffahrtskompanien zu. Mac Allan war der Mörder des transatlantischen Passagierverkehrs! Sobald sein Tunnel fertig war — und es war ja recht wohl möglich, daß er eines Tages fertig sein würde! — konnte man die viermalhunderttausend Tonnen, die man schwimmen hatte, einschmelzen lassen. Man konnte in Luxusschiffen Reisende zu Zwischendeckpreisen befördern, man konnte die Kähne in schwimmende Sanatorien für Lungenkranke umbauen oder sie nach Afrika zu den Schwarzen schicken. Innerhalb von zwei Stunden hatte sich ein Anti-Tunnel-Trust zusammentelephoniert und -telegraphiert, der eine Interpellation an die verschiedenen Regierungen entwarf.

Von New York aus verbreitete sich die Erregung über Chikago, Buffalo, Pittsburg, St. Louis, San Franzisko, während das Tunnelfieber drüben in Europa London, Paris, Berlin zu ergreifen begann.

New York flimmerte und glitzerte in der Mittagshitze und als sich die Leute wieder auf die Straße wagten, donnerten ihnen von allen Straßenecken riesenhafte Plakate entgegen: „Hunderttausend Arbeiter!“

Endlich erfuhr man nun auch den Sitz des Syndikats: Broadway-Wallstreet. Hier stand ein blendendweißes, halbfertiges Turmgebäude, dessen zweiunddreißig Etagen noch von Handwerkern wimmelten.

Schon eine halbe Stunde, nachdem das Riesenplakat New York überschwemmt hatte, drängten sich auf den mit kalkbespritzten Brettern belegten Granitstufen des Syndikatgebäudes Scharen von Arbeitsuchenden zusammen, und das gesamte Heer der Arbeitslosen, das zu jeder Zeit gegen Fünfzigtausend beträgt, wälzte sich durch hundert Straßen nach Downtown. In den Parterreräumen, wo noch Leitern, Böcke und Farbkübel herumstanden, stießen sie auf Allans Agenten — kalte, erfahrene Burschen mit dem raschen Blick von Sklavenhändlern. Sie sahen durch die Kleider hindurch das Knochengerüst ihres Mannes, seine Muskeln und Sehnen. An der Stellung der Schultern, an der Beuge der Arme erkannten sie seine Kraft. Eine Pose, Schminke und gefärbte Haare, waren vor ihren Augen sinnlos. Was grau war und schwächlich, was die mörderische Arbeit New Yorks schon ausgesogen hatte, das ließen sie liegen. Und ob sie auch Hunderte von Menschen in wenigen Stunden sahen — wehe, wenn einer einen zweiten Versuch machte: ihn traf ein eiskalter Blick, daß ihm das Rückenmark gefror, und der Agent sah ihn hierauf überhaupt nicht mehr.

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