Kitabı oku: «Zeitkapseln - Botschaften in die Welt von morgen», sayfa 4
Die Sicherstellung des Nachschubs an Seelenbrennstoff wird für die Hölle aber kein Problem darstellen. Die Geistlichen haben das Betreiberpersonal der Hölle früher verdächtigt, auf Seelenfang zu gehen, damit die Höllenfeuer nicht verlöschen. Damit wurden die Teufel als mysteriöse Bösewichte abgestempelt. Vermutlich zu Unrecht, denn auf lange Sicht wird in der Hölle kein Brennstoffmangel herrschen. Solange die Menschen verschiedene religiöse Ansichten haben und Ungläubigkeit aus ihren Köpfen nicht zu verbannen ist, sollten genügend pechschwarze Seelen vorhanden sein, die als Brennstoff für die Höllenfeuer zur Verfügung stehen. Außerdem scheint nach strengen theologischen Maßstäben die Sündhaftigkeit der Lebensphilosophien ständig zuzunehmen.
Hauptursache für den reichlich zur Verfügung stehenden Seelenbrennstoff ist jedoch die wachsende Glaubensvielfalt, die den einzig wahren Ordnungszustand der Rechtgläubigkeit erschüttert und bedroht. Man könnte das Phänomen als eine Entropiezunahme infolge wachsender Mannigfaltigkeit religiöser Überzeugungen begreifen. Im schlimmsten Fall würde dann jeder Seelenträger irgendwann seinen eigenen Glauben an einen Gott haben. Aus theologischer Sicht wäre so ein Szenario als eine Art „Wärmetod“ der Glaubenswelt zu betrachten. Außerdem würden in diesem Fall die Grenzen zwischen Monotheismus und Vielgötterei bedrohlich unscharf werden.
Na ja, jedenfalls sichert das sogenannte „Entropie-Problem“ der Vielgläubigkeit die thermodynamische Perspektive der Höllenfeuer. Nur der zwar theoretisch mögliche, praktisch aber sehr unwahrscheinliche Fall einer Entropie-Abnahme in einem abgeschlossenen System von Seelenträgern könnte den Brennstoffnachschub für die Hölle in Bedrängnis bringen. Voraussetzung dafür ist das Zustandekommen einer einzig wahren Religion mit einem alleinig rechten Glauben an einen von allen Gläubigen akzeptierten Gott nicht nur auf der Erde, sondern auch in interstellaren Dimensionen. Aber so wenig vorstellbar es für die jeweilige Seite von Gläubigen sein mag, dass beispielsweise nur Christen oder ausschließlich Muslime die religiöse Vorstellungswelt bevölkern, so wenig wahrscheinlich wird es sein, dass die Höllenfeuer jemals erlöschen werden. Die Menschen haben sich in ihren theologischen Vorstellungen eine Hölle erschaffen und sie scheinen auch dafür sorgen zu wollen, dass dieser unangenehme Ort nicht einfriert. Diese Schlussfolgerung ist zumindest für einen statischen theologisch-kosmologischen Denkansatz hinreichend plausibel.
Aber die Hölle hat nicht nur das Problem des Abkühlens. Zwei weitere grundlegende Aspekte, die die Höllenstabilität nachhaltig betreffen, sind die Überhitzungsproblematik und das Reststoffproblem. Das Überhitzungsproblem dürfte gewaltige Ausmaße haben. Da die Feuer dort seit Menschengedenken – und wahrscheinlich noch viel länger – lodern, entsteht zwangsläufig die Frage, wo diese unglaublichen Energiemengen verblieben sind. Selbst in der Hölle werden die Teufel als Betreiber des infernalischen Equipments kein Interesse an unerträglich hohen Betriebstemperaturen haben. Wie also könnten dort annehmliche Betriebstemperaturen gewährleisten werden und wohin mag die überschüssige Energie gelangt sein?
Eine nicht minder große Relevanz kommt dem Reststoffproblem zu. Die Hölle wird es im Laufe der Zeit bekommen haben, denn die wachsende Menge an „Seelenasche“ muss ja entsorgt oder irgendwo gelagert werden? Selbst wenn die höllische Zwischensphäre sehr geräumig eingerichtet sein sollte, würden – bildhaft gesprochen – irgendwann wohl alle Aschebunker randvoll sein. Dann könnten die angehäuften Reststoffe die Funktionalität der Höllenwelt beeinträchtigen. Eine Lösung dieser für die theologische Kosmologie bedeutsamen Problemstellungen kann nicht im engen, historisch herkömmlichen Spannungsfeld von der Erde und dem Himmel darüber erwartet werden. Dazu bedarf es eines räumlich und zeitlich beträchtlich erweiterten Ansatzes, der den kosmologischen Gegebenheiten in einem Universum Rechnung trägt.
4. Himmel und Hölle im Standarduniversum
Wenn man die Existenz einer göttlichen Sphäre (Himmel) neben der uns bekannten irdischen Welt (Erde) sowie eine mögliche Verbindung dazwischen für möglich und denkbar hält, wird man Religion als einen frühen und sehr einfachen Versuch zur Beschreibung dieses Sachverhaltes betrachten müssen. Die damals entstandenen religiösen Konzepte können insofern nur relativ trivial sein. Zumindest sind sie unvollständig und nach der modernen Erkenntnis von Raum und Zeit nicht mehr zeitgemäß. Die kosmologische Theologie soll und kann Religion nicht ersetzen, muss aber deren Aussagen auch in interstellaren Maßstäben bis hin zur Dimension eines Universums kritisch hinterfragen und vor allem plausibel interpretieren!
Eine grundsätzliche Beschränkung göttlichen Wirkens auf den theologisch traditionell betrachteten irdischen Maßstab (z. B. Umfeld Erde-Sonne) dürfte bereits heute nicht mehr begründbar und kaum noch überzeugend vermittelbar sein. Die himmlische Sphäre muss nach der modernen Erkenntnis von Raum und Zeit zwangsläufig in den Dimensionen des Standarduniversums angenommen werden. Eine Begrenzung himmlischer Strukturen auf eine Galaxie, lokale Gruppen oder gravitativ verbundene Supercluster macht einfach keinen Sinn. Der Ansatz himmlischer Kleinteiligkeit scheint auch theologisch nicht plausibel zu sein, weil der Himmel als das immaterielle Gegenstück zum Universum begriffen werden muss. In die Erweiterung der himmlischen Begrifflichkeit ist aber auch die Hölle einzubeziehen. Die Beurteilung von deren raumzeitzeitlicher Situation erweist sich in diesem Ansatz als schwierig. Auch in der Dimension des Standarduniversums entzieht sich die Hölle einer eindeutigen Lokalisierung. Man sollte jedoch der universalen himmlischen Konzeption folgen, da der Ansatz eines Himmels mit vielen Höllen theologisch nicht sinnvoll erscheint. Im Maßstab und der Größenordnung eines Universums bekommt die Hölle jedoch eine völlig neue Funktionalität!
Mit dieser konzeptionellen Vorstellung lassen sich nämlich die Energieproblematik und das Reststoffproblem der Hölle auflösen. Es liegt nahe, anzunehmen, dass die „Aschereste“ der verbrannten Seelen über einen speziellen „Rost-Mechanismus“ oder durch eine in analoger Weise funktionierenden „Höllenpforte“ wieder in den materiellen Kosmos gelangen. Die Reststoffe der höllischen Entsorgungspolitik könnten dort beispielsweise als kalte dunkle Materie, die in dichten Clustern um die großen Galaxienhaufen vermutet wird, für die Stabilität der baryonischen Strukturen im Standarduniversum sorgen.
Aber auch für die Energiefrage und das Problem der Überhitzung der Hölle bietet der Ansatz eine theologische Deutung an. Es wäre durchaus denkbar, dass die überschüssige Höllenenergie über einen noch nicht verstandenen Wechselwirkungsprozess wieder in den materiellen Kosmos diffundiert. Sie könnte dort als dunkle Energie das natürliche Gegengewicht zur dunklen Materie bilden und die Dynamik des Standarduniversums beeinflussen. Erst die feine „göttliche“ Abstimmung der dunklen Parameter, die in letzten Milliarden Jahren vielleicht etwas außer Kontrolle geraten ist, kann die nachhaltige Stabilität unserer universalen materiellen Welt garantieren. Akzeptiert man diese Vorstellung, käme der Hölle eine theologische, aber auch kosmologische Schlüsselrolle zu. Sie wäre als ein dualistischer Ort zwischen einer immateriellen Sphäre und einer materiellen Welt zu betrachten, von dem aus durch die teuflischen Handlanger des Herrn die dynamischen Prozesse im Standarduniversum maßgeblich gesteuert werden. Falls eine Verknüpfung der dunklen Prozesse mit der Funktionalität der Höllenwelt angenommen wird, ergibt sich daraus eine weitere Schlussfolgerung hinsichtlich der Zeitskala göttlichen Wirkens. Da die dunklen Prozesse seit Jahrmilliarden andauern, scheint der Herr des Himmels schon sehr früh Welten mit vernunftbegabtem Leben erschaffen zu haben. Dort müssen rechtgläubige, ungläubige, falschgläubige und weniger oder nicht gläubige Seelenträger offenbar seit Langem einen Disput um die rechte Religion und ein gottgefälliges Leben ausgetragen haben. Wahrscheinlich dauert der Streit in den interstellaren Weiten um den einzig wahren Glauben noch heute an. Auf der Erde tut er es jedenfalls! Warum auch sollte der göttliche Schöpfer seine himmlischen Aktivitäten anhalten, einstellen oder beenden? Dafür dürfte er überhaupt keine Veranlassung sehen.
Die astrophysikalischen Erkenntnisse stützen insofern die Annahme ungebremsten göttlichen Wirkens. Der offenbar ständig wachsende Einfluss der dunklen Energie ließe sich im Rahmen der geschilderten Annahmen als eine Zunahme der höllischen Energieerzeugung deuteten. Die Interpretation dieser Befundlage könnte von überzeugten kosmologischen Theologen vielleicht als eine Art Gottesbeweis missverstanden werden. Eine solche Schlussfolgerung scheint jedoch verfrüht zu sein. Zur Validierung einer so weitreichenden Aussage müssen weitere überzeugende und plausible theologische Deutungen astrophysikalischer Erkenntnisse und kosmologischer Zusammenhänge gefunden und vorgelegt werden.
Dazu zählen beispielsweise die theologische Erklärung der „Big Bounce“ (großer Rückprall) – Variante des Untergangs des Standarduniversums – und die glaubenskonforme Interpretation des sogenannten „Big Slurp“ (das große Ausschlürfen).
Was das Rückprallphänomen anbetrifft, das den Zusammenstoß zweier materieller Universen postuliert, wäre es interessant, zu erfahren, wie die theologische Wissenschaft die damit möglicherweise verbundene Kollision zweier Himmelsstrukturen beurteilt. Können immaterielle Gebilde wie göttliche Sphären überhaupt miteinander wechselwirken und welche Folgen würden aufgrund einer solchen imaginären Konfrontation für die Glaubenswelt zu befürchten sein? Was geschieht bei so einem Ereignis mit den dualen Zwischenwelten Hölle und Fegefeuer? Würde das Himmelschaos vielleicht ein Glaubensinferno auslösen und die Entropie der Vielgläubigkeit beeinflussen? Das sind komplizierte geistliche Problemstellungen, die von der theologischen Wissenschaft beantwortet werden sollten!
Beim Big Slurp (das große Ausschlürfen)-Szenario handelt es sich indessen um den Übergang des Standarduniversums aus einem falschen Vakuumzustand in ein echtes Vakuum im Grundzustand. Das Phänomen kratzt an der Perfektion der Schöpfungsgeschichte. Aus theologischer Sicht scheint es sich dabei ursächlich um eine göttliche Fehlleistung während der Inflationsphase zu handeln. Wahrscheinlich sind die inflationären Ausdehnungsprozesse in einem (falschen) Higgs-Vakuum angehalten worden. So ein Missgeschick darf einem göttlichen Wesen nicht unterlaufen, denn es stellt den Fortbestand der Schöpfung infrage. Das falsche Vakuum kann durch ein energiereiches Ereignis nämlich jederzeit in den Grundzustand übergehen. Dabei wird die materielle Welt, wie die Menschen sie kennen, ausgelöscht werden. Die kosmologischen Theologen dürften daher alle Hände voll zu tun haben, um die Zweifel und Kratzer auf dem traditionellen Bild von der Allmacht und Unfehlbarkeit des Herrn in den Köpfen der Gläubigen wegzuretuschieren!
5. Die kosmologische Theologie – Ausblicke
Die festgestellte beschleunigte Ausdehnung des materiellen Kosmos wirft weitere Fragen auf. Es ist wahrscheinlich davon auszugehen, dass Himmel und Hölle nicht als statische Strukturen verstanden werden dürfen. Den wissenschaftlichen Befunden zur Dynamik und zur Lage des Standarduniversums zufolge sollten auch die Strukturen von Himmel und Hölle expandieren. Das ist für ein rein immaterielles Gebilde wie den Himmel sicherlich unproblematisch. Für das quasi-materielle gedankliche Konstrukt der Hölle dürfte der Prozess, thermodynamisch gesehen, jedoch problematisch sein und zu ernsten Konsequenzen führen. Wenn nämlich die Ausdehnung der Höllenstrukturen so groß wird, dass die Energiedichte dramatisch abnimmt, könnte die Hölle wider Erwarten eines Tages doch einfrieren. Dadurch würden auch die Dynamik des Standarduniversums und dessen prognostiziertes zukünftiges Schicksal beeinflusst werden. Wer weiß, vielleicht könnte dann doch noch ein Wechsel von einem „Big Rip“ (das große Zerreißen)-Szenario zu einer Big-Freeze“ (das große Einfrieren)- oder sogar „Big-Crunch“ (das große Zusammenkrachen)-Perspektive möglich sein?
Die kosmologischen Theologen müssten sich eigentlich auch fragen, welche göttliche Offenbarung oder welche Botschaft sich für die Seelenträger hinter diesen universalen Untergangsszenarien verbergen. Sie werden wahrscheinlich auf das jüngste Gericht verweisen, das ja das Ende der Welt bedeuten soll und damit gleichnishaft auch für das Ende des Universums steht. Dieser theologische Erklärungsansatz mag einigermaßen plausibel daherkommen, wobei die Einzelheiten des „Wie“ wohl dem Willen des Herrn überlassen werden müssen und von den Gläubigen nicht hinterfragt werden dürfen. Für das imaginäre Konstrukt des Himmels dürfte der Kollaps des Universums keine strukturellen Folgen haben, denn es bedarf wohl prinzipiell keiner materiellen Bezugsbasis. In diesem Kontext scheint die Big Crunch-Perspektive eine göttliche Vorzugsvariante darzustellen, denn sie eröffnet neben der Wiedergeburt des materiellen Universums auch die Option eines zyklischen Glaubenskosmos.
In einem multiuniversellen Rahmen werfen die Konfiguration, Entwicklung und Wechselwirkung von irdischer Welt und himmlischer Sphäre allerdings weitere Fragen auf. Nach dem Urknall, dessen plausible theologische Deutung aussteht, sind durch überlichtschnelle inflationäre Prozesse vermutlich Myriaden von Universen entstanden. Das Multiversum besteht, so die gängige Vorstellung, aus einer Vielzahl von materiell abgeschlossenen universalen Welten. Zwischen ihnen werden bislang keine physikalischen Wechselwirkungen für möglich gehalten. Theologisch gesehen bedeutet diese Annahme, dass eine ganzheitliche himmlische Sphäre für das Multiversum nicht existieren dürfte. Die an sich solide erscheinende Schlussfolgerung
ein Universum – ein Gott – ein Himmel – eine Hölle
hat im Multiversum weitreichende theologische Konsequenzen. Der Ansatz führt dort zu vielen Göttern oder wirft ein göttliches Hierarchieproblem auf. Das kann im religiösen Monotheismus nicht gewollt sein und ist theologisch nicht zu akzeptieren.
Wenn die String-Theorie recht haben sollte, gibt es ungefähr 10500 bis 101000 Lösungen für mögliche universale Welten. Es kann sein, dass die Anzahl dieser Universen im Multiversum nicht annähernd realisiert ist. Dennoch würde der monotheistische Gott-Begriff, wie ihn die irdischen Theologen geprägt haben, in der Tiefe des von der Stringtheorie aufgespannten Hyperraumes ins Nichts zerfließen. Angesichts dieser für den Glauben an ein göttliches Wesen beunruhigenden oder sogar bedrückenden Situation stehen die kosmologischen Theologen vor großen Herausforderungen. Wer weiß, ob für die skizzierten naturwissenschaftlichen Szenarien eine glaubenskonforme Erklärung und Auslegung im Einklang mit den gängigen religiösen Vorstellungen gefunden werden können? Überzeugende theologische Antworten auf die vielfältigen kosmologischen Fragestellungen und Erkenntnisse sind jedoch erforderlich, um auf lange Sicht ein Glaubwürdigkeitsproblem zu vermeiden. Andernfalls dürfte der Glaube der Menschen auf dem Planeten Erde an ein die irdischen Geschicke weise lenkendes göttliches Wesen wohl keine Zukunft haben!
3. Brief vom 12. September 2019
Anlage
Kleines Klimaflugblatt
Leipzig, 12. September 2019,
zu öffnen am 12. Juli 2036
Lieber Matti,
hallo, du in meinem Heute noch so kleiner Schatz, sei in der Zukunft ganz lieb von deinem Opa gegrüßt. Das Versenden von Botschaften in Zeitkapseln in die Welt von morgen ist schon ein aufregendes Unterfangen und darüber hinaus eine ziemlich gewöhnungsbedürftige Angelegenheit. Gestern habe ich dich noch als einen aufgeweckten dreijährigen Jungen auf den Arm genommen und versucht, mich in deine kindliche Welt hineinzudenken. Ein paar Tage später schicke ich mich an, einem jungen Mann von 20 Jahren einen Brief in die Zukunft zu senden, in dem ich mir Gedanken über ein Thema mache, das bestimmt auch noch in 17 Jahren unter den Leuten für Aufregung und Gesprächsstoff sorgen wird.
Ich hoffe, dass du in ziemlich genau 202 Monaten in der Zukunft gesund und munter daherkommen wirst. Was mich betrifft, glaube ich in meiner Zeit und meiner Welt (noch) ganz gut über die Runden zu kommen. Allerdings möchte ich mich schon heute mit dir über Dinge unterhalten, die du als Dreijähriger noch nicht verstehen kannst. Wie gern würde ich dir die Welt erklären, na ja so, wie ich sie eben verstehe! Schade, dass ich das nicht tun kann, denn es gibt halt furchtbar viele Themen, die man als Großvater glaubt, mit der Generation seiner Kindeskinder erörtern zu müssen! Insofern vermisse ich schon den Gedankenaustausch mit einem jungen Mann, der du einmal sein wirst. Das mag vielleicht ein bisschen seltsam oder komisch klingen, denn es heißt doch, dass man nichts vermissen kann, was man niemals kennengelernt hat. Nun ja, ich denke, dass ich das dennoch tue, weil ich mich mit dir als Erwachsenen nur in meinen Gedanken und Träumen unterhalten kann. Keine Angst mein Lieber, mein etwas spirituell scheinendes Gehabe muss kein Anzeichen von geistiger Verwirrung sein. Nenne es meinetwegen großväterliche Wunderlichkeit. Ein gewisses Maß davon scheint ja das Vorrecht des Alterns zu sein!
Mein Junge, wie gern hätte ich mit dir über ein Thema gesprochen oder meinetwegen auch gestritten, das seit einigen Jahren hierzulande engagiert und kontrovers diskutiert wird und die öffentliche Meinung spaltet. Es handelt sich um den anthropogen verursachten Klimawandel, der vornehmlich als eine Klimaerwärmung verstanden wird. Der Sachverhalt erfreut sich der Aufmerksamkeit von Klimaforschern, großen Teilen der Politik, den meisten Medien und vor allem von sogenannten Klimaaktivisten, die das Phänomen teilweise auch ungewöhnlich vehement propagieren.
Das Thema hat sich in relativ kurzer Zeit als gesellschaftlich bedeutsam erwiesen und scheint in der öffentlichen Meinungsdebatte inzwischen fest etabliert zu sein. Der (zunächst vermeintlich) von Menschen gemachte Klimawandel wird mit Sicherheit auch noch in 17 Jahren für heiße Debatten und Diskussionen sorgen. Deshalb habe ich mich entschlossen, die Faktenlage, soweit sie mir bekannt ist, und meine Ansichten zur Klimawandel-Problematik in einer Art Flugblatt für dich aufzuschreiben und in die Zukunft zu schicken. Du solltest dich mit dem Text unvoreingenommen und ohne eine vorgefasste Meinung beschäftigen und über die von mir thematisierten Sachverhalte und Interpretationen nachdenken. Darüber hinaus könnten Diskussionen mit Freunden und Bekannten oder meinetwegen Recherchen im Netz für das Verständnis des komplexen Themas hilfreich sein. Schließlich musst du dir eine Meinung zum Diskussionsgegenstand bilden, die sich an faktenbasierten wissenschaftlichen Aspekten zu orientieren hat.
Bei deinen Gesprächen und Recherchen könntest du natürlich zu anderen Ansichten gelangen als diejenigen, die ich in diesem Brief und in dem Flugblatt vertrete. Das habe ich selbstverständlich zu akzeptieren, denn schließlich bist du in der Zeit ein ganzes Stück weiter vorangekommen. Vielleicht sind bis dahin Ereignisse eingetreten oder Erkenntnisse gefunden geworden, die zu meiner Zeit noch nicht bekannt gewesen sind oder zur Diskussion gestanden haben. Doch zu welchen Überzeugungen du auch gelangen magst, bedenke, dass Erkenntnisse und Einsichten, die auf den ersten Blick plausibel und logisch daherkommen, nicht zu Dogmen verkommen dürfen. Darüber hinaus solltest du vorsichtig sein, wenn dir jemand einreden will, dass gewisse Dinge bereits ein für alle Mal und für alle Ewigkeit geklärt worden sind und ein Nachdenken darüber müßig sei.
Matti, mit diesem Brief möchte ich gleichzeitig meine Eindrücke zur Kultur der gegenwärtigen Debatte über den Diskussionsgegenstand „anthropogen verursachter Klimawandel“ loswerden. Die Zukunft soll ruhig erfahren, wie es damals hierzulande in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung um dieses Thema zugegangen ist. Ich hätte es zuvor nicht für möglich gehalten, dass die Debattenkultur in derartige intellektuelle Niederungen abgleiten könnte.
Meiner Wahrnehmung zufolge agieren Leute, die die anthropogen verursachte Klimaerwärmung für eine „unumstößliche, unwiderlegbare und absolute Tatsache“ halten, mit aufgesetzter Überheblichkeit, arroganter Intoleranz und einer unangemessenen, ja teilweise aggressiven Argumentation. Diese sogenannten Klimaaktivisten versuchen, Andersdenkende mit der albernen Wortschöpfung „Klima-Skeptiker zu stigmatisieren, die experimentellen Befunde, die deren Überzeugungen zugrunde liegen, als fehlerhaft darzustellen und ihre Ansichten lächerlich zu machen. Kritikern der Hypothese von der Erderwärmung werden keine fairen Diskussionsforen eingeräumt. Ihre Kritik an der herrschenden Meinung wird am liebsten totgeschwiegen. Damit soll offenbar der Eindruck erweckt werden, dass die mehr oder weniger staatlich verordnete Klima-Doktrin nur noch von Exoten oder verwirrten Leuten angezweifelt werden kann.
Die Klimawandel-Forschung ist als Wissenschaft durch ihre gefährliche Nähe zur Politik längs in eine postnormale Situation geraten. Sie versagt in ihrer Selbstreflexion, suggeriert Alternativlosigkeit und ist der Versuchung erlegen, Entscheidungen weit jenseits ihrer Kernkompetenz einzufordern. Die in den Medien präsente Klimawandel-Forschung dürfte sich damit selbst entwerten, sodass sie in der Öffentlichkeit zunehmend als eine Erfüllungsgehilfin der Politik wahrgenommen werden muss.
Die Medien selbst agieren in dieser Kampagne als eifrige Unterstützer der Klimapolitik. Kommentatoren geben unumwunden zu, dass die mediale Ausgrenzung der „Klimaskeptiker“ legitim sei und der Meinungsfreiheit nicht zuwiderlaufe. Die Überheblichkeit solcher Ansichten beschädigt nach meinem Dafürhalten den Meinungspluralismus. Schließlich handelt es sich bei den kritischen Stimmen nicht um Ansichten von dubiosen Verschwörungstheoretikern oder Querdenkern, sondern um Leute, die lediglich eine andere naturwissenschaftlich basierte Sachmeinung vertreten.
Kritische Beiträge zum Klima-Aktivismus werden im Internet mit verbissener Entrüstung kommentiert und als „Shit“ gebrandmarkt. Selbst staatliche Stellen fühlen sich dadurch veranlasst, Löschungen solcher Beiträge in Auftrag zu geben. Neulich ist bekannt geworden, dass sogar Promotionen, deren wissenschaftlichen Ergebnisse die anthropogen begründete Erderwärmungstheorie nicht stützen, verhindert oder nicht zugelassen werden sollen.
Solche Praktiken dienen der Meinungsmanipulation und der Gleichschaltung des Denkens. Sie haben etwas Inquisitorisches an sich. Mitunter kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Klimaaktivisten ihre Kritiker am liebsten in die Psychiatrie einweisen lassen möchten. So ein Debatten-Szenario halte ich für eine schlimme Entwicklung in der Diskussionskultur am Anfang des 21. Jahrhunderts christlicher irdischer Zeitrechnung.
Durch die politischen und medialen Vorgehensweisen in der Klimadebatte fühle ich mich an die doktrinäre geistige Atmosphäre in der Gesellschaft des realen Sozialismus erinnert, in der ich aufgewachsen bin. Mir fällt dabei eine schulische Episode an der Erweiterten Oberschule, dem Gymnasium der DDR, ein. Ich hatte mir dort im Staatsbürgerkundeunterricht einmal erlaubt, Zweifel an einer scheinbar unumstößlichen kommunistischen Wahrheit zu äußern. Worum es konkret ging, weiß ich nicht mehr, aber die Botschaft der Antwort des von der kommunistischen Lehre überzeugten Staatsbürgerkunde-Lehrers habe ich nicht vergessen:
„Junger Mann, darüber müssen Sie sich nicht den Kopf zerbrechen. Das haben die Genossen Lenin und Stalin schon vor über 40 Jahren ein für alle Mal geklärt. Setzen!“
Es ist die Ideologisierung eines Themas, das die Diskussionskultur beschädigt. Ideologien kommen wie in Stein gemeißelte absolute Wahrheiten daher. Sie sind grundsätzlich reformunwillig und ignorieren Entwicklungen und Erkenntnisse, die nicht in ihre Vorstellungswelt passen. Abweichende Meinungen zu einem Thema, das von ihrer Doktrin bereits allgemeingültig beantwortet zu sein scheint, werden von Ideologen nicht geduldet. Man kann mit ihnen nicht über Thesen debattieren oder Standpunkte streiten, denn Ideologen glauben, als Einzige die Wahrheit zu kennen und stets die richtigen Argumente zu haben. Dafür nehmen sie in Kauf, dass ihre Ansichten auch auf unbewiesenen Sachverhalten, Halbwahrheiten ja gelegentlich sogar Unwahrheiten beruhen. Die Verfechter von Ideologien stört es nicht, wenn die Realität nicht so ist, wie sie ihrer Meinung nach sein sollte. Dann werden Fakten und Sachverhalte halt zurechtgebogen und passend gemacht, damit sie das gedankliche Gebäude der Ideologie stützen können.
Die Überzeugungen der Klimaaktivisten scheinen zunehmend solche ideologischen Züge anzunehmen, mehr noch, sie muten mitunter sogar quasireligiös an. Das ist gar nicht so weit hergeholt. Kürzlich haben sich die Aktivisten der Fridays for future-Bewegung doch tatsächlich als eine Glaubensgemeinschaft bezeichnet. Mit solchen Leuten kann keine sachliche Debatte geführt werden. Genauso wenig lässt sich mit tiefgläubigen Menschen über die Existenz Gottes diskutieren. Sie würden die Fragestellung überhaupt nicht begreifen!
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, es ist auch nach meiner Überzeugung unstrittig zwingend erforderlich, dass die menschliche Zivilisation die anthropogene Beeinflussung des Weltklimas begrenzen muss. Doch hierbei müssen vor allem die Hauptverursacher in der Pflicht stehen. Gegenwärtig (2019) haben beispielsweise China und die USA fast 50 % der globalen CO2-Emissionen zu verantworten. Der deutsche Anteil nimmt sich mit 1,85 % dazu vergleichsweise gering aus. Darüber hinaus errichten zur gleichen Zeit zahlreiche Staaten weltweit Hunderte neue Kohlekraftwerke, die die Emissionen aus deutschen Kraftwerken um ein Vielfaches übertreffen. Die nationalen Anstrengungen zur Verminderung der CO2-Emissionen werden das globale Klima daher nicht spürbar beeinflussen können. Bildhaft gesprochen scheint es gleichsam so zu sein, als würde man in Deutschland das Anzünden von Lagerfeuern verbieten, während ringsum die Silhouetten leistungsfähiger Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen bedrohlich in den Himmel wachsen. Dieser Sachaspekt wird in der hitzigen Debatte um die Begrenzung des nationalen Kohlendioxidausstoßes um jeden Preis meistens außer Acht gelassen. Doch wer weiß, vielleicht erfolgt das Vergessen auch vorsätzlich nach der anarchistischen Devise: „Der Aktivismus ist alles, das Ergebnis zählt nichts?
Für die Menschen einschneidende Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität müssen mit Augenmaß effizienzorientiert und sozialverträglich durchgeführt werden. Der Ausstieg aus der Energieerzeugung mit fossilen Brennstoffen darf nicht überhastet erfolgen, denn er wird in den betroffenen Regionen Zehntausende Arbeitsplätze infrage stellen. Für den Wegfall dieser Arbeitsplätze kann nicht von heute auf morgen Ersatz geschaffen werden. Um arbeitsmarktpolitische und gesellschaftliche Verwerfungen zu vermeiden, wird der Umbau des Arbeitsmarktes dort längere Zeit in Anspruch nehmen. Der populistische Slogan „Wir haben keine Zeit mehr“, der Panik und Weltuntergangsstimmung verbreiten soll, ist dabei alles andere als hilfreich!
Angesichts der festgefahrenen Meinungen und Standpunkte in der Klimadiskussion wäre ich geneigt, es mit Goethe zu halten. Der hat die Auffassung vertreten, dass man gewissen Geistern ihre Idiotismen lassen müsse! Das mag stimmen, solange es nicht um Steuergelder geht, die bei der Umsetzung der überspitzten Forderungen der Klimaideologen – insbesondere was die Fristen anbetrifft – für vage Ziele mit fraglichem Erfolg verbrannt werden. Ob ein breiter gesellschaftlicher Konsens über eine derartige Verschwendung von Steuermitteln besteht, ist zu bezweifeln oder mag zumindest dahinstehen. Nach meinem Dafürhalten scheint den Klimaakteuren bei zahlreichen Vorhaben, Zielvorstellungen und propagierten Maßnahmepaketen schlichtweg der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit abhandengekommen zu sein.
Dazu zählen beispielsweise die angedachte rigorose Begrenzung des globalen Tourismus sowie die drastische Einschränkung des Flug-, Schiffs- und Landverkehrs und die weitgehende Unterbindung von sportlichen, kulturellen, politischen oder sonstigen Großveranstaltungen. Schließlich müssten die Befürworter einer konsequenten CO2-Reduktionsphilosphie auch den Mut haben, die politische Axt an das Dasein eines der größten CO2-Emittenten, das Internet, den damit verbundenen Versandhandel und das Schürfen von Bitcoins zu legen. Solche weitreichenden Veränderungen werden sich global nicht mit der alleinigen Besinnung auf „erneuerbare Energien wie Solar- und Windstrom“ bewerkstelligen lassen. Bei einem vollständigen Verzicht auf fossile Energieträger dürfte sich daher die friedliche Nutzung der Kernenergie als unverzichtbar erweisen.
Die Beispiele sollen deutlich machen, dass die kritiklose und konsequente Durchsetzung der Ziele der Klimaaktivisten die menschliche Gesellschaft in ihren zivilisatorischen Gepflogenheiten von Grund auf betrifft und verändern würde. Dabei ist zu befürchten, dass die Verwirklichung zahlreicher grüner Verbotsideologien zu beachtlichen Dellen in der zivilisatorischen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft führen würde. Möglicherweise müssen die Programme, Ziele und Aktivitäten der Klimaaktivisten als der Beginn eines Aufbruchs in eine Art „Troglodyten-Kultur“ begriffen werden. In so einer Gesellschaft würde das herkömmliche Verständnis des Begriffes Lebensqualität vermutlich eine radikale Umbewertung erfahren. Wer weiß, ob die Vertreter der Zunft der Klimaaktivisten solche einschneidenden Vorgänge in den modernen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts für denkbar und realisierbar halten?