Kitabı oku: «Das süße Gift des Geldes», sayfa 5
„Lass dir’s schmecken. Den Kranzkuchen hat die Kathi gebacken.“
Adele war wie verzaubert von der Rosa. Von ihrem blonden Haar, das ihr in Locken auf die Schultern fiel, den schalkhaften blauen Augen. Selten hatte sie sich in Gesellschaft einer Frau so wohl gefühlt. Sich meist gelangweilt bei dem Weibergetratsch, bei dem es nur um die Kinder, die Männer oder ums Kochen ging. Aber die Rosa war etwas Besonderes. Mit ihrer Lebenslust, ihrem Lachen, wenn sie sich lustig machte über die Herrschaften, denen sie die Wäsche ins Haus brachte.
Adele wollte sie gar nicht mehr weglassen. „Hättest nicht einmal Lust auf eine Kutschfahrt? Wir könnten hinausfahren aufs Land und in einem Gasthaus einkehren.“
Rosa lächelte. „Freilich hätt ich Lust.“
Adele ging an die Kommode und entnahm einem Rosenholzkästchen eine Kette aus feinstem Rosenquarz. Sie trat hinter die Rosa, strich ihr das Haar aus dem Nacken und legte ihr die Kette um. „Die schenk ich dir.“
Rosa sprang auf und ergriff den Handspiegel auf der Kommode. „So ein schöner Schmuck!“ Sie umarmte Adele und küsste sie auf den Mund. „Die Kette werd ich in Ehren halten.“
Von nun an kam die Rosa immer häufiger. Kam und ging, wie es ihr gerade passte. Zu den Abendgesellschaften, zu denen Adele hochgestellte Persönlichkeiten, Offiziere oder Hofschauspieler lud, erschien sie immer.
Blieb ihre Freundin ein paar Tage aus, wanderte Adele ruhelos durchs Haus und herrschte die Bediensteten bei jeder Kleinigkeit an.
Auch heute, wo sie so gern mit der Rosa spazieren gehen wollte, hatte sie wieder umsonst gewartet. Enttäuscht legte Adele ihre Hunde an die Leine und machte sich auf zu einem Spaziergang.
Kurz darauf betrat Rosa das Haus. Sah durch die offene Küchentür die Kathi herumwerken.
„So fleißig immer bei der Arbeit?“
„Sie schon wieder?“ Kathi schob den Louis weg, der unter dem Tisch nach etwas Essbarem suchte. Stäubte dann eine Handvoll Mehl auf einen Teig und walzte ihn mit dem Nudelholz aus.
„Das Fräulein komm ich besuchen.“
„Die ist mit ihren Hunden weggegangen.“ Kathi bedachte die Rosa mit einem grimmigen Blick, schnitt mit einem Messer Teigstücke ab, formte sie zu Kugeln für das Schmalzgebäck.
„Was passt Ihnen eigentlich nicht an mir?“
Kathi ließ die Teigkugeln ins heiße Öl fallen, schöpfte sie, wenn sie goldbraun nach oben stiegen, heraus. „Gibt genug, die nur kommen, damit sie was abstauben können.“
„Aber ich bin doch eine Freundin. Und die kann sie gut gebrauchen, wo so viel geredet wird über sie.“
Kathi sah auf. „So? Was denn?“
Die Rosa freute es, dass die Alte neugierig wurde. „Dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, dass sie auf einmal so reich ist. Dass sie vielleicht mit dem Teufel im Bunde ist.“
„So ein Schmarrn. Hart arbeiten tut sie für ihr Geld.“
„Ich sag ja nur, was die Leut so sagen. Die wundern sich über das große, goldene Kreuz, das sie so oft trägt. Zum Aufklappen soll es sein. Mit einem Zauberpulver drin.“
„Was Blöderes hab ich mein Lebtag noch nicht gehört.“ Kathi siebte Puderzucker auf die Schmalzkugeln und schichtete sie auf eine Platte. „Ein Mönch hat es ihr geschenkt.“
Rosa, an den Türrahmen gelehnt, schaute der Kathi zu, die den Tisch mit einem Teigschaber sauber machte. „Geht sie lang mit den Hunden spazieren?“
„Jetzt, wo’s zum Regnen angefangen hat, kommt sie bestimmt bald zurück.“
„Dann wart ich auf sie.“ Bevor die Kathi sie daran hindern konnte, stieg Rosa die Treppe hinauf. Ging in den Salon, zog die Handschuhe aus und legte sie auf den spiegelglatt polierten Tisch. Sie betrachtete die Gemälde in den wuchtigen Goldrahmen, betastete die brokatenen Vorhänge. Nach kurzem Zögern öffnete sie das Ebenholzkästchen auf der Kommode und probierte die Ringe an. Drehte die Hand hin und her. Der Ring mit dem riesigen Brillanten funkelte gar zu schön. Sie hörte Schritte. Hastig zog sie die Ringe ab, legte sie zurück und setzte sich hin.
Adele kam mit den Hunden herein. „Die Kathi hat mir gesagt, dass du da bist. Ich freu mich ja so.“ Adele fiel ihr um den Hals und strich ihr zärtlich durchs Haar. „So schön schaust wieder aus.“ Sie füllte zwei Champagnerkelche. „Auf dass du mich noch oft besuchen kommst.“ Sie zog die Rosa aufs Kanapee und schmiegte sich an sie. „Weißt was? Eine richtige Freundin, so eine wie dich, hab ich noch nie gehabt. Und du?“
„Ich schon. Von der Schule her. Aber die Zenz ist weggezogen und die Ernie hat geheiratet und arbeitet als Wäscherin. Seitdem ist nicht mehr viel anzufangen mit ihr.“
„Und, tätest auch gern heiraten?“
„Wenn der Richtige kommen würd, dann schon. Stark müsst er sein. Und groß. Und reich.“
Adele ergriff Rosas Hand und küsste ihre Fingerspitzen. „Mir hat schon zwei Mal einer einen Antrag gemacht. Aber heiraten will ich nicht. Die Männer sind mir fad.“
„Mich hätt der Sohn vom Goldenen Stern fast einmal rumgekriegt. Aber dann hab ich mir gedacht, dass vielleicht noch ein Besserer kommen könnt.“
Sie kicherten über die Männer und schliefen eng umschlungen ein.
Matz
Agnes saß in der Wohnstube, spannte feinlöchrigen Stramin5 auf den Stickrahmen und füllte das Gewebe mit Kreuzstichen. Ein Heiligenbild für den Herrn Pfarrer sollte es werden. Ungeduldig riss sie am Faden, der sich immer wieder verzwirnte. Sie stocherte die Nadel durch den Stramin, schrie auf, als die Nadel tief unter ihren Fingernagel fuhr. Mit einem Ruck zog Agnes die Nadel heraus, saugte am pulsierenden Daumen. Die Lust aufs Sticken war ihr vergangen. Sie wickelte die Garnreste auf, hörte den Jakob oben in der Schlafkammer herumpoltern. Sie wollte gerade nachschauen, was los war, als er, angezogen wie ein Geck, die Treppe herunterkam. Gelbe Weste, karierte Hose, den Hut mit der Hahnenfeder in der Hand.
Missmutig warf er ihr hin: „Wart nicht auf mich. Kann spät werden.“
„Musst denn jeden Abend weggehn?“
Ein abschätziger Blick, schon war er draußen bei der Tür.
Agnes schoss das Wasser in die Augen. Zu was hatte sie geheiratet, wenn sie schon wieder allein dasaß? Wie umgewandelt war er, seit er ständig zur Spitzeder rannte, sein Geld hinbrachte, die Zinsen nachrechnete. Auf einmal war ihm die eigene Wohnung nicht mehr gut genug. Die Wände hatte er mit Tapete bespannen, die Sessel mit Damast beziehen lassen. Und eine neue französische Vitrine stand im Eck. Die Tegernseer Bauernmöbel, die sie mit in die Ehe gebracht hatte: hinausgeschmissen. Nicht hören wollen hatte er auf ihr Jammern.
„Kapier endlich, dass wir jetzt was Besseres sind. In den vornehmen Häusern ist jetzt alles französisch.“
Agnes hasste das Weib in der Schönfeldstraße. Doch noch mehr hasste sie die elendige Afra. Sie hatte den Jakob in der Stadt gesehen, Arm in Arm mit der Matz. Hatte sich, bevor die beiden sie entdecken konnten, in einen Hauseingang geflüchtet. Fast zum Greifen nah waren sie an ihr vorübergeschlendert.
„Afra, du gefallst mir“, hatte Jakob dem Weib schöngetan. Wenn Agnes daran dachte, wurde ihr ganz schlecht. Zum Jakob hatte sie dann aber nichts gesagt. Gab auch so schon Streitereien genug.
Agnes stieg hinauf in die Schlafkammer, kramte in der geschnitzten Truhe und betrachtete wehmütig ihren Brautschatz: das seidig schimmernde Brautkleid, die perlenbesetzte Haube. Bei dem Gedanken an die behäbige Hedwig, die extra zu ihrer Hochzeit von Deining angereist war, musste sie schlucken.
„Agnes“, hatte ihr die Hedwig während des Hochzeitsessens nach einem Blick auf den sturzbesoffenen Kramer ins Ohr geflüstert. „Meinst wirklich, der ist der Richtige für dich? Ich sag dir was: Man weiß nie, wie’s kommt. Wennst einmal jemanden brauchst, bei mir ist immer ein Platz für dich. Und eine tüchtige Kraft in unserer Bäckerei kann ich immer brauchen.“
Agnes schob den vergilbten Brautstrauß zur Seite und zog das sorgsam eingeschlagene Marienbild hervor. Das Geschenk ihrer Mutter, als sie das elterliche Haus verließ. Sie schlug den Stoff auseinander und faltete die Hände zum Gebet. Sie betete viel in letzter Zeit. Heute wollte es ihr nicht gelingen. Zu tief wühlte der Groll.
Sie konnte sich denken, wo sich der Jakob herumtrieb. Sie hatte gehört, wie er seinen Spezln steckte, wo die Spelunken waren, in denen es rauschig zuging, und dass im „Katzenstriegel“ Weiber leicht zu haben waren. Bestimmt saß er dort. Vielleicht mit der Afra. Agnes wickelte das Marienbild zurück in das samtene Tuch und legte es mit dem Brautschatz in die Truhe. Stand auf. Sie musste den Jakob in flagranti erwischen, damit sie ihn zur Rede stellen konnte. Denn so konnte es nicht weitergehen.
In der Diele nahm Agnes den Umhang vom Haken und ging hinaus auf die dunkle Straße. Das Licht aus den Fenstern spiegelte sich matt auf dem regennassen Pflaster. Kein Mensch weit und breit. Fast wollte sie schon umkehren, fasste sich dann doch ein Herz. Sie ging durchs Tal, huschte über den Viktualienmarkt, vorbei an den wackligen Holzständen. Schaute sich immer wieder um und bog in die Buttermelcherstraße ein. Tagsüber war hier kaum ein Durchkommen, wenn die Melcher ihre Butter auf die Karren luden. Jetzt standen die Karren im Dreck.
Ein Mann kam ihr entgegen. Agnes drückte sich in eine Toreinfahrt, wartete, bis er eine der finsteren Spelunken betrat. Langsam ging sie weiter. Das Schild vom „Katzenstriegel“ klapperte im Wind. Sie presste ihr Gesicht an die verschmierte Fensterscheibe und lurte in den schummrigen Gastraum. Auf grob gehobelten Bänken saßen johlend die Zecher, auf den Tischen standen Bierkrüge und Schnapsgläser wild durcheinander. Liederliche Bedienungen mit hochgebundenen Röcken eilten hin und her, kicherten, wenn ihnen eine Hand an den Hintern griff.
Inmitten seiner Kumpane hockte der Jakob. Schwenkte den Maßkrug, grölte in die Runde. Die Afra, eng an ihn geschmiegt, grölte mit. Die Blusenträger heruntergerutscht, die schwarzen Locken verschwitzt im Gesicht. Der Jakob fasste sie um die Schulter, griffelte ihr hinein in den Ausschnitt. Die Afra kreischte.
Agnes konnte sich nicht losreißen von dem grausligen Bild. Der Jakob gehörte ihr. Ihr allein. Versprochen durch den heiligen Bund der Ehe. Ein Besoffener torkelte zur Tür. Rasch duckte sie sich hinter einen Karren und kam erst wieder hervor, als der Sturzbetrunkene verschwunden war. Sie hatte genug gesehen. Hasserfüllt machte sie sich auf den Heimweg. Kein Mond erhellte die Nacht, nur eine funzlige Laterne sorgte für gespenstische Schatten. Schritte! Immer näher kamen sie. Agnes rannte so schnell sie konnte. Verschnaufte erst vorn an der Heilig-Geist-Kirche, spürte ihr Herz gegen die Brust hämmern.
Wie aus dem Nichts stand er da. Groß, hakennasig, die Augen von der Hutkrempe verdeckt.
„Schöne Frau, so allein unterwegs?“
Agnes klebte die Zunge am Gaumen.
„Brauchst dich nicht fürchten. Kennst mich nimmer?“ Er nahm den Hut ab und blickte ihr ins Gesicht.
„Sag bloß, du bist der Simon?“
„Kennst mich also doch.“
„Schaust ganz anders aus als wie früher. Mager bist geworden. Und was ist mit deinem Gesicht passiert?“
Er fuhr mit dem Finger über seine mit Pusteln übersäte Haut, die Rufern in den Mundwinkeln. „Krank bin ich geworden, wie ich Soldat in Weißenburg gewesen bin. Kannst dir nicht vorstellen, wie schlimm es war. Hier jubeln alle über den Krieg. Aber ich hab sie gerochen, die Angst. Hab nach der Schlacht die zerfetzten Kameraden eingescharrt. Aber sag: Was machst so allein mitten in der Nacht?“
„Spazieren geh ich.“
„Das glaubst doch selber nicht. Jetzt red schon.“
Agnes druckste herum. Dann brach es heraus aus ihr: „Nachspioniert hab ich meinem Mann. Er betrügt mich, der Lump.“
„Und? Hast ihn erwischt?“
„Mit der Afra. Glatt umbringen könnt ich ihn.“
„Die Afra vom Schneiderbauern?“ Verächtlich verzog Simon den Mund. „Die war doch schon als ganz junges Mädl ein Flitscherl. Komm, ich begleit dich ein Stück.“
Langsam ging sie neben ihm her, froh, dass sie nicht allein durch die dunklen Straßen musste. „Das mit dem Verheiratetsein hab ich mir anders vorgestellt.“
„Hättest halt mich nehmen sollen. Aber dir war ich ja nicht gut genug.“
„Brauchst nicht glauben, dass ich das nicht längst bereut hab.“ Agnes deutete auf das Haus im Lueg ins Land. „Da wohn ich. Dank dir fürs Heimbringen.“
„Wir sehn uns wieder.“ Simon lupfte den Hut und ging davon.
In der Küche trank Agnes noch ein Glas warme Milch. In ihrem Kopf ging alles durcheinander. Sie dachte an den Simon, wie er ihr vor etlichen Jahren einen Heiratsantrag gemacht hatte. Hochgewachsen, kräftig gebaut war er gewesen. Jetzt war er nur Haut und Knochen. Und sein Gesicht schaute grauslig aus. Vor das Bild vom Simon schob sich das Bild vom Jakob, wie er im „Katzenstriegel“ gelacht hatte. Daheim lachte er nie. Grantelte nur herum, wenn ihm das Essen nicht schmeckte. Agnes trank das Glas aus und ging müde in die Schlafkammer. Zog das grobleinene Nachthemd über den Kopf. Hochgeschlossen war es, der Saum fiel bis auf den Boden. Kratzig schabte der Stoff am Hals. Sie öffnete den Schrank, ergriff das seidene Negligé, das ihr der Jakob geschenkt hatte. Schmiegte es an die Wange. Ob das verderbte Weib so etwas trug? Sie zog das Nachthemd aus, schlüpfte in das Negligé und stellte sich vor den Spiegel. Ihr Körper schimmerte durch den fein gewebten Stoff. Da hätte sie gleich nackig vor ihren Mann treten können. Aber Nacktheit war Sünde. Und das, was der Jakob mit ihr treiben wollte, auch.
„Zier dich doch nicht so“, hatte er gestöhnt, als er ihr das Negligé hochschieben, ihre Brüste befingern wollte. „Verdirbst einem ja den ganzen Spaß.“
Spaß hatte es ihr noch nie gemacht, wenn er keuchend auf ihr lag, sich dann erschöpft auf die Seite rollte und mit lautem Schnarchen in den Schlaf fiel. Einmal in der Woche musste sie ihm den Beischlaf erlauben, wusste vom Pfarrer um ihre eheliche Pflicht. Sie zog das Negligé über den Kopf, schlüpfte wieder in das Leinenhemd und kroch unters Federbett.
Die Haustür rumste. Jakob tappte die Treppe herauf, schleuderte die Stiefel auf den Boden, legte sich bierschnaufig neben sie. Am liebsten hätte sie ihm das Kopfkissen aufs Gesicht gedrückt.
Im Morgengrauen, ganz zerschlagen von der Nacht, in der sie hin und her überlegt hatte, wie dem Jakob beizukommen war, ging sie ins Lehel. Klopfte an bei der Walburga.
Walburga zog sie in ihre Hütte. „Um Gottes willen! Wie schaust denn du aus?“
„Ich weiß nicht mehr weiter.“ Agnes sank auf einen Hocker. „Der Jakob treibt sich mit der Afra rum. Schimpfen kann ich, so viel wie ich will.“
Walburga stocherte mit einem Schürhaken in die zusammengefallene Ofenglut, legte Brennholz nach und entfachte das Feuer. „Mit Schimpfen kommst nicht weiter. Hast ihm einmal gesagt, dass du ihn magst?“
„Aber ich mag ihn ja gar nicht.“
„Warum hast ihn denn dann geheiratet?“
„Ist kein Besserer gekommen. Und bei den Eltern hab ich’s nicht mehr ausgehalten.“
„Was regst dich dann auf, wenn er einer andern nachsteigt?“
„Der gönn ich ihn erst recht nicht. Mir gehört er, der Jakob.“
Walburga mit einem mitleidigen Blick auf die Agnes: „Kein Mensch gehört einem andern. Geh doch anders um mit ihm. Mit mehr Lieb.“
„Du redest dich leicht.“ Agnes stand auf und betrachtete die sorgsam aufgehängten Kräuterbüschel. „Hast nicht ein Kräuterl für mich? Eins, dass er sich so elendig fühlt, dass ihm die Lust auf das Weib vergeht.“
Walburga schüttelte den Kopf. „Meine Kräuter sind zum Gesundwerden.“
„Dann tu ich mir was an. Ich halt das nimmer aus.“
„Versündig dich nicht mit so einem Gered. Aber bevorst wirklich noch auf dumme Gedanken kommst …“ Sie holte eine blecherne Dose vom Brett, ergriff eine Handvoll getrockneter Samen und wickelte sie in ein Papier. „Da hast Senneskörner. Von denen streust dem Jakob jedes Mal ein paar ins Essen. Er wird einen solchen Dünnschiss kriegen, dass ihm die Lust auf andre Weiber vergeht.“
„Und hast auch was, das ihn beruhigt, wenn er wieder einmal rumschreit?“
Walburga schnaubte: „Muss ja sauber zugehn bei euch. Warum gehst denn nicht weg von ihm?“
„Manchmal hab ich mir’s schon überlegt. Ich hab eine Tante, bei der ich wohnen und sogar mein eigenes Geld verdienen könnt.“ Trotzig schob die Agnes nach: „Aber das mach ich nicht. Den Jakob geb ich nicht her.“
Seufzend ging Walburga zu dem Brett an der Wand, auf dem Blechdosen, Kruken6 und Flaschen mit Kräuterabsud neben in Gläsern angesetzten Tinkturen standen. Sie öffnete eine Dose, löffelte fein gepulverte Baldrianwurz in einen kleinen Tonhafen7. „Da. Das verrührst ihm im Tee. Hernach wird der Jakob schlafen wie ein Toter.“
Kristallgläser
In der Schönfeldstraße war die Kathi ganz in ihrem Element. Resolut war sie schon immer gewesen. Aber seit sie die Schlüsselmacht über Adeles Haushalt hatte, konnte niemand sie bremsen. Sie kontrollierte die Wäsche, schaute der Näherin auf die Finger, herrschte die Zugeherin an, wenn sie noch einen Dreck auf der Treppe fand. Und seit sie jeden Tag mit den Hunden Gassi ging, plagte sie nicht einmal mehr der Hexenschuss. Aber lieber als das Spazierengehen war ihr die Arbeit in der Küche. Sie polierte die Töpfe mit Kalkpulver, wienerte mit einem Filzlappen nach, bis sie sich im Kupfer spiegeln konnte.
Der Köchin, die schon viel länger angestellt war, passte es nicht, dass die Kathi auch immer öfters kochte. „Was fuhrwerkst allerweil in der Küch herum? Für die Hund bist angestellt.“
„Schau ihn dir doch an, den Batz.“ Geschäftig reinigte Kathi die Ofenritzen mit Stahlwolle. „Das Fett pappt schon seit hundert Jahr da drin.“
Eingeschnappt umwickelte die Köchin den Kalbsrollbraten mit einem Faden, zog ihn fest und verknotete ihn.
Es klopfte an der Haustür. Kathi wischte sich die Hände an der Schürze ab und ging hinaus. Begrüßte den Weinhändler Smith aus der Neuhauser Straße, der zwei Kisten auf den Boden stellte.
Adele kam aus dem Kassiererzimmer. „Grüß Gott, Herr Smith. Schön, dass Sie immer so pünktlich liefern. Haben Sie den Frankenwein dabei?“
Smith verbeugte sich. „Der beste, den Sie je getrunken haben.“
„Braucht’s denn immer noch mehr Wein?“, grantelte die Kathi hin zu Adele. „Der ganze Keller ist schon voll.“
„Meinst vielleicht, ich lass mich lumpen? Weißt selber, wie verwöhnt meine Gäste sind.“
„Die saufen alles, wenn’s bloß umsonst ist.“
Die Köchin, die in der offenen Küchentür stand, feixte hinter vorgehaltener Hand. Wartete schadenfroh auf das Donnerwetter, das die Kathi endlich in ihre Schranken wies.
Doch Adele schüttelte nur den Kopf. „Halt dein loses Mundwerk. Schau lieber, dass das Essen fertig wird. Um sechs kommen die Gäste.“
Der Weinhändler angesäuert: „Ist das Ihre Hausdame?“
„Mein guter Geist ist sie. Sie dürfen nicht alles ernst nehmen, was sie sagt. Und wenn Sie wieder einen Tokajer haben, dann liefern Sie ihn mir.“
Smith war sichtlich froh, dass ihm die Alte nicht den Auftrag vermasselt hatte. „Hab ihn wahrscheinlich schon nächste Woche. Bis dahin: Gott empfohlen.“
Adele befahl der Kathi und der Köchin: „Bringts die Kisten in den Keller.“
Sie ging in ihr Schlafgemach, schlüpfte in das Kleid aus feinster Bouretteseide, legte das brillantene Geschmeide um. Eine erlesene Gesellschaft hatte sie geladen: den Magistratsrat Billing, den Oberpolizeikommissar Riedl, Veit Schobinger, einen Hochwürden von der Frauenkirche und zwei Offiziere der Reitschule. Dazu die Frizi und die Traudi, die reschen Modistinnen der Weinzierl als Kurzweil für die Herren. Und als Krönung: ihre Freundin Rosa. Sie warf einen letzten Blick auf den festlich gedeckten Tisch. Die Nymphenburger Teller, die goldrandigen Kristallgläser, die Servietten, gehalten von schweren Silberringen. Sie zündete die Kerzen in den sechsarmigen Kandelabern an. Schon hörte sie Schritte auf der Treppe.
Als hätten sie sich vor der Tür verabredet, traten sie ein: der Billing, der Riedl und Hochwürden. Hinter den Offizieren kicherten die Modistinnen.
„Ich freue mich sehr, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Bitte nehmen Sie doch Platz.“
Die Gäste, noch etwas befangen, setzten sich zu Tisch. Vroni, von Adele extra für den heutigen Abend eingestellt, war angetan mit weißem Häubchen, schwarzem Kleid und blütenweißer Schürze. Geschickt schenkte sie den rot schillernden Burgunder ein und ging dann hinunter in die Küche, um das Essen zu holen.
Rasch löste der edle Tropfen die Zungen.
Billing ereiferte sich: „Ich glaub, unser König Ludwig ist nicht mehr ganz bei Verstand. Der hat sich doch glatt auf dem Dach der Residenz einen riesigen Wintergarten mit mittendrin einem See anlegen lassen. Ganze Nächte lässt er sich auf dem herumrudern. Und wissens, was mir ein Bediensteter von ihm erzählt hat? Weil die Küchenjungen ihre Kammern unterhalb vom See haben und weil’s von oben runtertropft, spannen sie im Bett ihre Regenschirme auf.“
Hochwürden rief: „So gut wie der König möcht ich’s auch einmal haben. Ums Geld braucht der sich keine Sorgen machen.“
Riedl lachte. „Aber, aber. Sie kommen auch nicht grad zu kurz.“
Mitten in die Unterhaltung platzte die Rosa. Adele ging ihr entgegen und umarmte sie. „Endlich bist da.“
Nach einem kurzen Gruß in die Runde setzte sich Rosa an den Tisch, schnappte sich die Weinflasche, füllte ein Glas und kippte den Wein hinunter.
Die Frizi und die Traudi tuschelten. So ein Kleid! Die Ärmel gepufft wie zwei Ballone, ein Dekolleté, das kaum den Busen verhüllte. Und erst die Frisur! Die blonden Haare hochgesteckt, festgehalten von glitzernden Spangen.
Die Offiziere saßen plötzlich kerzengerade, Hochwürden nestelte am Kragen, Riedls Augen glänzten.
„Einen ganz trockenen Mund hab ich.“ Wieder kippte Rosa ein Glas. „Und so einen Kohldampf.“
Die Vroni kam herein und servierte die Teller mit dem Kalbsrollbraten, feingeschmortem Wirsinggemüse und goldgelben Butterspatzen.
Adele erhob das Glas. „Lasst es euch schmecken.“
Der Riedl schob sich ein Stück vom Braten in den Mund, verschluckte sich und lief rot an. Rosa beugte sich zu ihm und klopfte ihm auf den Rücken. Hochwürden glotzte auf ihren Busen. Die Frizi kicherte, als sie die Hand vom Billing auf ihrem Schenkel spürte. Die Traudi mühte sich ab mit dem Besteck.
Die Rosa lachte. „Ich weiß einen Witz: Schleicht sich der Adam von hinten heran an die Eva …“
Mehr verstand Adele, die an der Kredenz eine neue Weinflasche öffnete, nicht. Hörte die Tischgesellschaft lachen. Hochwürden lachte am lautesten. Hielt sich, als er offenbar merkte, dass sich das für ihn nicht ziemte, schnell die Serviette vor den Mund.
„Adele, spiel uns doch was“, bat die Rosa. „Wie wär’s mit dem Donauwalzer?“
Adele setzte sich ans Klavier und schlug die Akkorde an.
„Die Donau, so blau, so blau“, trällerte die Rosa, zog einen Offizier vom Stuhl und tanzte mit ihm durchs Zimmer.
„Knüpfst Land an Land“, sang der Riedl.
„Fröhliche Herzen schlagen an deinem Strand“, schmetterte der Billing.
„Fröhliche Herzen, fröhliche Herzen.“ Wie eine kaputte Walze krähte die angetrunkene Frizi immer weiter. Streichelte unter dem Tisch die Hand vom Billing, die auf ihrem Schenkel höher rutschte.
Immer lauter wurde der Gesang. Drang bis hinunter in die Küche, in der die Kathi mit der Vroni tiefschwarzen Mokka braute, Baisers und Sahnetörtchen auf einer Platte arrangierte.
„So gern wär ich jetzt da droben.“ Andächtig lauschte Vroni den Walzerklängen.
„Sei froh, dass du nix zu tun hast mit der Bagasch.“ Kathi nahm die silberne Kaffeekanne in die eine Hand, balancierte die Kuchenplatte auf der anderen und stieg die Treppe hinauf. Drückte mit dem Ellbogen die Klinke herunter, stieß mit dem Fuß die Tür auf und blieb sprachlos stehen. Leere Weinflaschen kugelten über den Tisch, das damastene Tischtuch war gesprenkelt mit Soßenflecken. Der Billing, die Weste aufgeknöpft, fläzte auf dem Stuhl. Die Beine von sich gestreckt, den Blick rauschig verdreht. Die Weiber kicherten, die Männer becherten.
Kathi knallte die Kanne auf den Tisch, ein Törtchen plumpste vom Tablett und landete auf dem Schenkel vom Billing. Der feixte, wischte mit dem Zeigefinger die Sahne von der Hose und schleckte sie, den Blick auf die Frizi gerichtet, mit anzüglichem Grinsen vom Finger.
Das war zu viel für die Kathi. „Habts denn gar kein Benehmen?“
Das Gelächter, das nun losbrach, brachte sie vollends in Rage. Und dass das blonde Weibsstück Adeles Schultern tätschelte, wo gab’s denn so was! „Und du, du machst, dass du weiterkommst.“
Drohend kam die Rosa auf die Kathi zu. „Was hast gesagt, du alte Ziefern?“
„Kathi, raus!“, ging Adele dazwischen. „Was fallt dir ein, die Rosa so anzugehn!“ Versöhnlich umarmte Adele ihre Freundin. „Mach dir nichts draus. Die wird hernach was erleben.“
Rosa schluchzte: „Dass ich mir so was sagen lassen muss.“
Den Gästen war der Spaß vergangen. Einer nach dem anderen verabschiedete sich.
„Wirst mich noch kennenlernen, Trampel elendiger“, fauchte die Rosa hin zur Kathi und küsste Adele demonstrativ auf den Mund. „Wenn die das nächste Mal noch da ist, komm ich nie mehr wieder.“ Hoheitsvoll schritt sie zur Tür hinaus.
Kaum waren alle gegangen, drehte sich Adele zur Kathi um. Sie war außer sich. „Spinnst jetzt? Was fallt dir ein, so mit meinen Gästen zu reden!“
„Ich kann’s einfach nicht länger mit anschauen, wie’s zugeht in dem Haus. Jeden Abend die Schmarotzer. Meinens, von denen dankt Ihnen einer was?“
Adele brüllte: „Wehe, du sagst noch einmal was gegen die Rosa. Bist ja bloß neidisch, weilst immer grantig bist. Weilst nie so lustig sein kannst wie wir.“
„So! Ich bin grantig und Sie sind lustig! Dass ich nicht lach. Dann ist’s wegen dem Lustigsein, dass Sie jede Nacht vor lauter Albdruck rumplärrn? Bring dann ich Ihnen den Tee oder Ihre Freunderl?“
Adeles Stimme überschlug sich. „Schau, dass du hinauskommst!“ Zornentbrannt schmiss sie ein Weinglas mitten hinein in das Gemälde vom Lindenschmidt, das sie erst vor Kurzem erstanden hatte.
Beleidigt stapfte Kathi in ihre Kammer. Setzte sich aufs Bett und schnaubte in ihr Schnäuztuch. Wenn nicht sie auf die Adele aufpasste, wer denn dann?
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