Kitabı oku: «Geliebter Unhold», sayfa 7

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~6~

Bis zum Einsetzen der Dämmerung waren sie mit etwas Abstand dem Bachverlauf gefolgt. Kurz vor Abend hatten sie sich zu dritt auf Barons starken Pferderücken gesetzt, und der Fuchshengst war trittsicher durch das Bachbett gelaufen. So waren sie einige Zeit langsam vorangekommen, doch auf diese Weise hatten sie auch ihre Spuren verwischt.

»Verfolgt uns denn jemand?«, hatte Siderius gefragt und die Finger in Xaiths Hemd gekrallt, wie jedes Mal, wenn er verkrampft auf dem breiten Pferdehintern Platz nehmen musste.

Niemand hatte ihm je Reiten beigebracht, bevor er Xaith getroffen hatte, war er nie in der Nähe eines Pferdes gewesen. Viele Dinge waren neu für den Burschen, und beängstigend.

»Nicht mehr als sonst«, war Xaiths Erwiderung gewesen. Doch er hatte gelogen. Dadurch, dass der Junge hinter ihm gesessen hatte, hatte dieser nicht mitbekommen, wie Xaith immer wieder eindringlich den Himmel mit seinen grüngelben Drachenaugen abgetastet hatte.

Die Wahrheit war, dass sie sehr wohl verfolgt wurden, das wusste der Junge, doch er wusste nicht, dass ihre Verfolger immer dichter aufschlossen.

Xaith wollte dem Jungen keine Furcht einflößen, noch wähnte er sie im Vorteil, immerhin hatte er die Schergen seines Bruders rechtzeitig bemerkt.

Es verhielt sich weniger so, dass sie bis hierher verfolgt wurden, sondern man eher hier auf sie gewartet hatte, und Xaith befürchtete bereits, dass es nicht so leicht werden würde, am Hafen unbemerkt auf das Schiff zu kommen, das sie erreichen mussten.

Es wäre einfacher, ein Portal zu beschwören, doch das hatte er in letzter Zeit häufig getan und eine der Folgen davon tat sich am Ende des Tages auf. Ein unbändiger Sturm brach über sie herein. Außerdem musste er seine Kräfte schonen, und sollte er ein Portal öffnen, würde Riath es gewiss im Fluss der Naturenergie spüren und ihm nachreisen.

Nein, zu Fuß waren sie tatsächlich unauffälliger.

Sie fanden unter einem dicht bewachsenen Baum Schutz vor dem Regen. Xaith und Siderius spannten ein Tuch von einem Stamm zum nächsten, um die Tropfen abzuhalten. Sie machten kein Feuer, obwohl es durch den Sturm frisch wurde, doch die Flammen wären ohnehin ständig erloschen. Da es aber stockfinster wurde, beschwor Xaith eine kleine magische Lichtquelle aus orangenen Flammen, die sich wie der Vollmond am Himmel unter die Plane setzte und ihnen warmes Licht spendete.

Es war feucht und der starke Wind blies sogar durch das beengte Unterholz, in das sie sich verkrochen und zusammenrückten. Zu Essen gab es nur altes Brot und gepökelte Fleischstreifen, die zäh wie Schuhsohlen waren. Die Vorräte neigten sich dem Ende zu.

»Morgen erreichen wir ein kleines Dorf, dort machen wir kurz Halt, ruhen uns aus und füllen unsere Vorräte wieder auf«, sagte Xaith, als Siderius die schwindenden Essenrationen bemerkt hatte, und setzte sich ihm gegenüber auf seine Decken. Baron hatte es weniger gemütlich, nur sein Kopf hing unter dem improvisierten Dach, sein rotes Fell schimmerten feucht und er legte angepisst die langen Ohren zurück.

»Ist das sicher?«, fragte Siderius besorgt.

»Wir werden nicht lange genug dort sein, um aufzufallen.« Xaith löste den Stoffwickel und reichte den kleinen Klops an den Jungen weiter, der das Kind ohne Wiederrede an sich nahm und an seiner Brust barg, zärtlich klopfte er ihm auf den Rücken und machte beruhigende Laute, denn der Schreihals drohte, zu erwachen.

»Hat er gegessen?«

Xaith zog die Beine unter sich, setzte sich in einen bequemen Schneidersitz, und lehnte sich gegen den breiten, rauen Stamm, der hinter ihm aus dem Boden in die tiefschwarze Nacht ragte. »Das hat er, ausgiebig.« Instinktiv hatte der Bengel seine winzigen, aber scharfen Fänge in Xaiths Brust gerammt, wann immer er während der Wanderung Hunger verspürt hatte. Es war ihm nicht übel zu nehmen, immerhin kannte er keine andere Nahrung als diese und hatte entsprechend schnell gelernt, die direkte Quelle anzuzapfen, statt darauf zu warten, gefüttert zu werden. Genau genommen war diese rasche Entwicklung sogar willkommen, denn der kleine Scheißer war seit dem Morgen schon wieder gewachsen.

Siderius‘ Augen musterten Xaith, als wüsste er noch immer nicht so recht, ob er verängstigt, besorgt oder einfach nur angewidert war.

Vielleicht täuschte Xaith sich aber auch wieder nur und verwechselte kindliche Faszination mit Argwohn.

»Lass mich jetzt meditieren«, sagte er, »ich muss meinen Geist schlafen lassen.« Tatsächlich wollte er nur seine Konzentration bündeln und die Umgebung mit seiner Magie ertasten, um jede Bewegung, und sei es auch nur das Einatmen einer Maus, zu entlarven.

Der rauschende Wind, der sie fast taub machte, der trommelnde Regen, das Donnergrollen über ihren Köpfen und das hin und wieder zuckende, grelle Licht der Blitze drangen in den Hintergrund, selbst die Luftfeuchtigkeit, das Tröpfeln von den Rändern der Plane und Siderius` leises Summen verstummten, als würde er in einen tiefen, schwarzen Traum verfallen, während er sich von sich selbst löste und über die Kronen des Urwaldes schwebte.

Er wurde selbst zum Wind, der die Richtung bestimmte, fühlte jeden Widerstand, jeden Baum, jedes zarte Pflänzchen, jedes Blatt. Hörte jedes Wispern, jedes Wimmern, jedes Jaulen. Der Sturm war gewaltig, wütend, doch der Wald hielt ihm stand, beschützte seine Bewohner.

Und weit und breit nichts als Pflanzen und Tiere, keine Verfolger, keine Monster, keine Geister, alles war friedlich in ihrer Umgebung.

Seltsam, dabei hatte Xaith gegen Mittag deutlich eine starke Präsenz gespürt, etwas Kaltes und Hartes, nur noch halb Lebendiges. Doch die Schergen seines Bruders waren jetzt nicht mehr auffindbar, vielleicht wegen des Sturms, denn auch wenn sie nur noch dem Willen ihres Gebieters gehorchten, konnten auch sie von einem Blitz getroffen oder von einem Ast erschlagen werden.

Sie waren vorerst sicher, hatten vielleicht sogar einen kleinen Vorsprung.

Als er die Augen wieder öffnet, war der Sturm bereits ein Stück weitergezogen und sie bekamen den regenreichen Rand ab. Es plätscherte, rauschte und tröpfelte im Urwald, Xaiths schwarze Kleider waren klamm, sein rabenfedernschwarzes Haar, das er zu einem unordentlichen Bündel im Nacken zusammengebunden hatte, kräuselte sich um sein langes, scharfkantiges Gesicht.

Blinzelnd öffnete er die Lider, seine magische Kugel spendete noch immer Licht, ein Strudel aus orangegelben Feuer und schwarzem Nebel. Die Beschwörung kostete ihm keine Macht auf Zeit, es war ein einfacher Zauber, in den er etwas Energie steckte, die wie eine Kerze nach und nach abbrannte.

Siderius hatte nicht bemerkt, dass Xaith wach war. Er saß ihm gegenüber unter der Lichtkugel im Schneidersitz, hatte sich ein Stück nach vorne gelehnt und hielt den Bengel unter das Gesicht, mit dem er lustige Fratzen zog und das Kind zum Lachen und Quieken brachte. Er streckte die Zunge raus, machte Furzgeräusche, was den Kleinen frohlocken ließ. Das Kind strampelte munter, kräftig, sodass Siderius Mühen hatte, ihn nicht fallen zulassen.

Er lachte auch, ein schönes Lachen, offen und freundlich, voller unschuldigem Glück. Der Junge war sehr liebevoll mit dem Kind, vorsichtig und bedacht, fast wie ein besorgter großer Bruder.

Xaith spürte einen Stich im Herzen, wenn er die beiden so sah. Obwohl er und seine Brüder gleichalt waren, da sie alle von verschiedenen Hexen geboren worden waren, hatte es eine Art Rangordnung gegeben, bei der Riath sich eindeutig als Ältester aufgespielt hatte, als der Retter und Beschützer.

Das hatte sich bis heute nicht verändert, auch wenn dieser Dummkopf stets den radikalen Weg wählte, um zu schützen, was er liebte. Aber es hatte auch eine Zeit in ihrer Kindheit gegeben, da Xaith ihn beschützt hatte. Als er ihn nachts zu sich ins Bett geholt und ihn vor schlimmen Träumen beschützt hatte.

Waren es Träume gewesen?

Oder waren die Monster, die Riath sah, schon immer real gewesen? Hatten sie sich zu ihm hingezogen gefühlt, wie er sich zu ihnen?

Er kannte Riath besser als alle anderen, wusste um jeden Winkel seines Herzens, kannte seine Schwächen, seine Ängste und ebenso seine harten und kalten Seiten. Und eines wusste er heute besser als jemals zuvor, sein Bruder trug keine Fassade, niemals, er war all das, was er nach außen hin zeigte, wie die zahlreichen Seiten eines Würfels. Und man wusste nie, welche als nächste fiel.

Genau das machte ihn ja erst so unberechenbar, denn man konnte nie erraten, was Riath gerade bewegte und wonach er strebte, es konnte sich von einem auf den anderen Tag ändern.

Xaith machte sich nicht bemerkbar, kostete den Moment aus, um seine beiden Mitreisenden – seine Schützlinge – zu beobachten. Er hatte ein warmes Gefühl in der Brust, auch als Siderius` zartes Gesicht ernst wurde und er das Kind mit einem nachdenklichen Blick eingehend betrachtete, als könnte er nicht glauben, wie schön es war.

Xaith hingegen betrachtete nur ihn, diesen jungen Burschen mit den abgefressenen Haarspitzen, die ihm über Ohren und Nacken gewuchert waren, der immer diese dreckige Fischermütze trug und seine vergilbten Sachen. Als Dieb und Schankjunge hatte er ihn kennen gelernt, ihn immer im Hinterhof dieser einen Taverne angetroffen, wo er – nachdem er auf allen vieren Kotze und Pisse von den Böden gewischt hatte – den Müll durchsuchen durfte, ohne davongejagt zu werden.

Irgendwann hatte Xaith ihm ein Stück Brot gegeben. Dann an seinen Tisch eingeladen. Ihn um Informationen, Schleichwege und Geflüster der Gäste gebeten. Immer häufiger war Siderius ihm »zufällig« in der fremden Stadt begegnet, bis zu dem Moment, als er von Wachen verfolgt, von einem Pfeil durchbohrt, in seine Arme gestolpert war und der Junge ihn in seinem Versteck in der Kanalisation aufgepäppelt hatte.

»Du schuldest mir was«, hatte er gesagt, als Xaith gehen wollte, »nimm mich mit, ich werde ein guter Diener sein.«

Er hatte mit sich gehadert, doch schließlich nachgegeben. Aus Dankbarkeit. Und weil dieser Junge ihn ein wenig an sich erinnerte, so allein, so missverstanden. Xaith wollte ihm helfen, angefangen mit einem passenden Namen.

Manchmal, dachte er voll Schwermut, ging es eben nicht um gegenseitigen Nutzen, sondern schlicht um Sympathie, so hirnrissig es auch klang. Er mochte den Jungen.

Vielleicht weil er die einzige Gesellschaft war, die er kannte, die ihn nicht wegen seiner Narben schief ansah. Er hatte es tatsächlich niemals auch nur angesprochen oder – soweit Xaith das beurteilen konnte – sie überhaupt wahrgenommen. Die meisten Leute sahen ihn entweder angewidert oder bemitleidend an, keines davon wollte er sehen.

»Du bist wach.«

Xaith richtete den Blick, der grübelnd abgeschweift war, zurück auf Siderius` blutjunges Gesicht. »Ja.«

»Ausgeruht?«

Nein. »Ja.«

Siderius nickte, barg das Bündel mit dem Kind in der Armbeuge und wühlte dann in einer Tasche. Er bot Xaith einen Streifen Fleisch an, doch dieser schüttelte den Kopf.

Sein Hunger bezog sich wie immer auf etwas völlig anderes. Verdammtes Drachenblut in ihm. Doch zum Glück befanden sie sich in den Wintermonaten, auch wenn man sie in Elkanasai nicht spüren konnte, so wusste sein Paarungstrieb, dass es Zeit war, sich auszuruhen. Dennoch war ihm viel zu oft innerlich warm, er war unruhig und rutschte stets hin und her, in seiner Brust kitzelte der Blutdurst, manchmal wollte er sich das Herz aus der Brust reißen, um nichts mehr zu spüren, oder sich schlicht die Genitalien absäbeln. Aber so masochistisch war er dann doch nicht veranlagt.

Wobei es leichter wurde, je mehr Jahre ins Land gingen. Kacey hatte es ihm bewiesen, dass er mehr Kontrolle über sich selbst besaß, als er sich jemals zugetraut hätte.

Allein dafür war er dankbar, und…

»Du denkst wieder an ihn.«

Xaith sah Siderius an, der herzhaft ein Stück Fleisch abriss und darauf kaute wie eine Kuh auf Heu.

»Man spricht nicht im vollem Mund.«

Er hob die Arme, als wollte er sich beschweren. »Ich bin ein Waisenkind, auf der Straße kümmert es keinen, wie viel ich im Mund habe. Und lenk jetzt nicht ab.«

Der Kleine war klüger, als ihm guttat. Xaith hatte keine Lust wieder über dieses Thema zu sprechen, er wandte einfach den Blick ab und beobachtete die Tropfen, die vom Rand der Plane hinabfielen und wie kleine Diamanten im warmen Licht seiner Kugel schimmerten.

»Wenn du ihn liebst, kannst du doch zurückgehen und bei ihm leben.«

Xaith schloss die Lider. »Würde die Welt doch nur aus Kinderaugen bestehen«, flüsterte er wehmütig.

»Hä?«

Er verdrehte die Augen, atmete tief ein. »Du verstehst das nicht«, sagte er dann und blickte dem Jungen in die großen, neugierigen Augen. Liebe und Beischlaf waren in seinem Alter die einzigen Themen, die ihn zu interessieren schienen. »Ich liebe ihn nicht.«

Das war die Wahrheit. Punkt. Er hatte Kaceys Gesellschaft genossen, den Beischlaf, hatte ihn gemocht und Eifersucht empfunden, wenn andere Zeit mit ihm verbrachten, aber sein Herz verzehrte sich nicht mit jeder Faser nach ihm.

Siderius runzelte die Stirn wie ein … nun, wie ein Straßenjungen, der zu lesen versuchte. Wieder riss er ein Stück vom Fleischstreifen ab und kaute. Der Bengel schlief friedlich in seinem Arm, Siderius wiegte ihn sanft hin und her. »Wenn du ihn nicht liebst, warum bist du dann verletzt?«

Wie gesagt, klüger, als gut für ihn war.

»Verletzter Stolz.« Xaith zuckte mit den Achseln. »Ich war verliebt, das ist alles.«

Nun blickte der Junge ihn an, als hätte er ihm großes Unrecht getan. »Das hab ich doch gesagt!«

Xaith lachte leise, humorlos. Er schüttelte den Kopf und wandte den Blick für einen Moment zu Boden. »Liebe und Verliebtheit sind zwei verschiedene Gefühle, Eri.« Als er wieder aufsah, hob er nachsichtig die Mundwinkel.

Siderius kaute langsamer, betrachtete ihn wartend und mit brennender Neugierde.

»Den Unterschied lernst du erst kennen, wenn du es am eigenen Leib spürst. Das eine ist… so schwer zu erklären wie das andere.« Er schmunzelte bedauernd über sich selbst, während er um Worte rang. Seine Augen suchten den nächtlichen Wald ab, doch eigentlich sah er nichts als Gesichter vor sich, die er weit hinter sich gelassen hatte. »Liebe ist … verzehrend und tief, selbst wenn du noch so verletzt wirst, bekommt sie keine Risse. Verliebtheit ist naiv und oberflächlich, absolut vergänglich, wie Schnee im Frühjahr.«

Die Augenbrauen des Jungen zogen sich zusammen, er lehnte sich zurück, während er darüber nachdachte. »Oh… ja, hm…«

»Schon mal verliebt gewesen?«

Er errötete. »Nein!«

Nun ja, er war eben noch ein Kind. Was bedeutete, dass er es schlicht nicht zugab, da er es wohl für peinlich hielt.

»Magst du Mädchen oder Jungen? Oder beides? Oder ist es dir egal? Oder nichts?«

Er wagte es nicht mehr, Xaith anzusehen, was sich wie ein Triumph anfühlte. Endlich konnte er Fragen zurückfeuern und ihn so bedrängen, wie er es immer bei ihm tat. Er zog die Lippe durch die Fänge und hob amüsiert die Augenbrauen.

»Habe ich nie drüber nachgedacht«, murmelte der Bursche abweisend, daraufhin blickte er hinab auf den Bengel in seinen Armen.

Xaith wurde still, betrachtete die beiden. Doch, dachte er und schnaubte innerlich, du weißt es nur noch nicht.

»Ich glaube nicht«, begann Siderius leise, fast schüchtern, »dass mich jemals jemand so nehmen wird, wie ich bin.«

Die Worte machten Xaith das Herz schwer, denn sie hätten ebenso gut aus seinem eigenen Mund kommen können. Er wusste nicht, was er sagen sollte, fühlte sich rat- und machtlos.

»Ich war verliebt in seinen Körper«, fuhr er stattdessen fort und prompt sah Siderius ihn wieder an, seinen eigenen Schmerz vergessend. »In seinen schönen, makellosen Körper. In den Geschmack seiner Lippen, den Klang seiner Stimme und die Beschaffenheit seiner Haut.«

Er wartete, betrachtete dabei das Gesicht des Jungen, bis er sicher war, dass dieser verstanden hatte.

»Ich war verliebt in das Gefühl der Begierde«, fuhr er ernst fort. »Ich schätze Kacey, ich … habe für einen Moment geglaubt, er könnte meine Narben heilen, doch er war nur eine Ablenkung, ein Trugschluss meiner eigenen Sehnsucht. Aber er konnte unmöglich den ersetzen, den ich will. Und es wäre nicht gerecht, wäre ich geblieben und hätte dem im Weg gestanden, was… er wirklich will.«

Wieder dachte Siderius intensiv darüber nach, er sah auf den Bengel hinab. »Aber du bist verletzt.«

»Ja, doch anders als in der Liebe, vergeht das Gefühl.« Er wartete, bis der Junge ihn fragend ansah, weil er erst dann erklären konnte: »Ich liebe jemanden anderen, aber …«, er blickte wieder in die Dunkelheit und schluckte gegen den aufkommenden Kloß im Hals an, »…ich bin davor weglaufen.«

»Wieso?«

Kind müsste man noch mal sein, dachte er niedergeschlagen, denn alles schien so viel einfacher, wenn man es mit ihren Augen betrachtete. Wenn Liebe nur daraus bestand einander zu mögen, und sich unkompliziert anfühlte, wenn sie das Einzige war, was im Leben zählte.

Xaith seufzte. »Weil ich … etwas tun muss, das wichtiger ist als Liebe.«

»Das ist traurig«, konterte Siderius, wofür Xaith ihm am liebsten an einem Bein kopfüber für eine Weile von einem Ast hätte baumeln lassen.

Doch vielleicht hatte der Junge recht – und vielleicht hatte er gerade etwas unheimlich Weises gesagt. Allerdings änderte das nichts an den Tatsachen.

Gerade als er etwas erwidern wollte, runzelte er die Stirn. Hinterher konnte er nicht mehr genau bestimmen, was ihn hatte aufhorchen lassen, doch er war froh ob seiner übernatürlichen Wahrnehmung.

Siderius versteifte sich und drückte das Kind an seine Brust. »Was is-«

Weiter kam er nicht, denn Xaith schnitt ihm mit einer harschen Handbewegung das Wort ab und drehte das Gesicht nach oben.

Oh nein. Sein Herz raste und er bekam eine Gänsehaut, die nichts mit dem feuchten Windzug zu tun hatte. Riath, du verdammter Bastard! Dieser Mistkerl hatte den Sturm ausgenutzt, um Xaiths Aura zu täuschen.

Er war blind gewesen, ohne es zu bemerken.

»Wir müssen hier weg«, hörte er sich zischen und sprang gleichzeitig auf, griff nach den beiden Jungen und riss sie grob in seiner Hast auf die Beine. »Sofort! Wir müssen laufen, Eri. Lauf! LAUF!«

*~*~*

Er träumte von einem kerzenerleuchteten Zimmer, dessen Ecken dunkel und wo die Schatten tiefschwarz und undurchdringlich waren. Der Boden schimmerte wie aus schwarzem Glas, ein Zuber stand in der Mitte und er ging langsam, dennoch zielstrebig darauf zu. Er löste den Seidengürtel, streifte den Stoff von den Schulter, stieg mit einem weißen, glatten Bein über den Rand und sank genüsslich in warmes, dickes Blut.

Blut.

Der Zuber war bis obenhin damit gefüllt, rubinrot und schimmernd. Es schwappte über und floss träge über den glänzenden Boden, während er bis zum Kinn einsank und das Blut seine helle Haut bedeckte. Er griff zu einem goldenen Kelch, mit Smaragden besetzt, trank gemächlich an seinem Wein und spürte zärtliche Fingerspitzen an seinem Ohr. Schluckend legte er den Kopf schief, lächelte schief und schloss die Lider.

Kräftige Hände fuhren über seine Schultern, jemand beugte sich zu ihm hinab, streichelte seine Arme, bis auch seine Finger voll Blut waren.

Er hob den Kelch, reichte ihn seinem Geliebten und legte den Kopf weit in den Nacken, um Riaths Kehle zu lecken, während sein Kehlkopf durch große Schlucke hüpfte…

Kacey riss die Augen auf, war mit einem Schlag wach, als hätte ihm jemand kaltes Wasser ins Gesicht gekippt. Er fuhr herum, ignorierte den Schwindel im Kopf, der dadurch entstand, dass er seinem Körper keine Gelegenheit gab, sanft zu erwachen.

Es war noch dunkel, doch ein Streifen hellblaues Licht zeigte sich am Horizont hinter den geschlossenen Buntglasfenstern. Es war still geworden, bis auf das leise Plätschern, das der Regen hinterlassen hatte. Es war warm, denn ein kleines Feuer knisterte im Kamin, ein paar Kerzenständer brannten. Doch es war kein normales Feuer, sondern blaues, kaltes Geistfeuer.

Jemand musste alle Fenster geschlossen, den Kamin entzündet und – wie Kacey in genau jenem Moment feststellte – ihn in ein weiches Hemd aus warmer Wolle gesteckt haben. Dieser jemand musste ihn auch im Schlaf gesäubert haben.

Nein, nicht Jemand, sondern Riath. Wer sonst.

Doch abgesehen von einem zusammengerollten Schakal, der Kaceys Füße wärmte, gab es von dem Prinzen Nohvas keine Spur, nur sein Geruch hing noch schwer, herb und würzig im Raum.

Das Zimmer war leer, als Kacey sich umsah.

Er sollte ehrleichtert sein, vor allem nachdem, was er zugelassen – erfleht! – hatte. Scham und Verwirrung brachen schlagartig über ihn herein, wie zwei aufeinandertreffende, stürmische Winde. Röte stieg ihm in die Wangen, als er sich an sein eigenes Gebaren erinnerte. Wie eine läufige Hündin hatte er sich an Riath gerieben und ihm das Gesäß hingestreckt.

Er sollte sich wirklich glücklich schätzen, allein aufzuwachen. Und doch war er vor allem verärgert, zutiefst gekränkt. Schon wieder allein, nachdem er bei Riath gelegen hatte.

»Mistkerl!«, zischte er wütend und schlug mit der Faust auf das Bett, sodass Mak verwirrt den Kopf hob und verschlafen um sich blickte, als wäre neben ihm ein Pfeil eingeschlagen. Kacey schlug die Hände stöhnend vor das Gesicht und rieb sich die Augen, er fühlte sich so dumm.

»Wer ist ein Mistkerl?«

Überrascht hob er den Kopf. Und da stand er, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, erfüllte den Raum mit seiner überwältigenden Präsenz. Er hatte seinen Umhang abgelegt, trug aber noch Hemd, Hose und Stiefel, sein dickes, blondes Haar wirkte verwüstet und seine grünen Augen glitzerten wie Smaragde. Und … er … war… so… schön.

Verflucht.

Als er nicht antwortete, sondern nur starrte, hob Riath eine Augenbraue. Er befand sich in der Nähe der Tür zu Kaceys Studierzimmer.

»Du bist noch da«, stellte Kacey trocken fest, seine Kehle war rau und seine Stimme dunkler, als hätte er die ganze Nacht geschrien.

Das hatte er ja auch, in Riaths Hand.

Doppelt und dreifach verflucht…

»Du klingst überrascht.« Ein leichtes, unverschämt wölfisches Lächeln schlich sich auf Riaths markante Züge.

Ja, warum wohl…

»Wo sollte ich denn hin?«, setzte Riath hinterher und ging mit einem gemächlichen, raubtierhaften Schritt zu Kaceys Tisch, griff zur Karaffe mit Wein.

Statt darauf einzugehen, sagte Kacey ernst und kühl: »Du solltest nicht hier sein.«

Riath hatte zwei silberne Kelche mit rotem Wein gefüllt, stellte die Kristallkaraffe wieder auf das Tablett und drehte sich mit einem dunklen Blick zu Kacey um. »Wo sollte ich denn sein?«, fragte er absolut bedrohlich und verführerisch zugleich.

Kacey versuchte, sich nicht davon einlullen zu lassen. Es war jedoch überwältigend, dass sie nach all den Jahren – es waren fast acht – nun wieder in einem Raum beisammen waren, so nah, sich unterhielten, sich sehen und anfassen konnten. Kein Briefverkehr konnte mit dieser Empfindung mithalten, es war etwas völlig anderes, sich von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Beinahe fühlte er sich durch Riaths bloße Anwesenheit betört.

Und er konnte darin nicht einmal einen Sinn erkennen, er fühlte sich einfach nicht mehr real und gleichzeitig so lebendig wie nie zuvor.

Doch für alberne Philosophie und Jugendschwärmerei war weder der richtige Ort noch die richtige Zeit und ganz bestimmt war Riath nicht der richtige Mann dafür.

»Wie bist du durch das Alptraumfeld gekommen?«, fragte Kacey schließlich dünn, als fürchtete er sich. Doch das Einzige, wovor er sich fürchtete, war nicht Riath, sondern dass ihm schlicht die Antworten nicht gefielen, die er ihm geben würde.

Oder dass sie ihm gefielen, obwohl er sie verachten sollte.

Kurz um, das, was er am meisten fürchtete, war er selbst und das, was Riath hervorbringen konnte.

Riath lächelte arrogant. »Ein wirklich beeindruckender Zauber, ich habe für einen Moment meinem schlimmsten Alptraum gegenübergestanden – meiner nörgelnden Mutter.« Er erschauderte. »Doch du vergisst, dass ich… nun ja, dass ich nun mal ich bin.« Ein dunkles Lachen gluckste in seiner Kehle. »Ich lass mich nur ungern von meinem Kurs abbringen. Und sind wir ehrlich, du konntest mich nie von dir fernhalten.« Ein unverschämtes Zwinkern.

Kacey runzelte ärgerlich die Stirn. Dieses Feld war sein größter Zauber, seine beste Arbeit, und Riath spazierte einfach hindurch.

»Ich muss es wohl verbessern«, murrte er und wollte die Decke aufschlagen, um aufzustehen, doch dann bemerkte er, dass sein Hemd recht kurz war und er nicht mit raushängendem Geschlecht vor Riath herumspazieren wollte, also blieb er, wo er war, und zog die Beine an die Brust.

Riath nippte an seinem Kelch, die Hand auf den anderen gelegt, als überlegte er, ob er es wagen konnte, Kacey ein Wurfgeschoss in die Hand zu geben.

Im Moment war ihm davon abzuraten, das schien er zu spüren, denn er blieb, wo er war.

»Nun verkenn deine eigene Arbeit nicht«, sagte er wohlwollend, »ich habe noch nie so etwas beeindruckendes gesehen! Ich bin blind in den Nebel spaziert, bis ich begriff, dass es sich um einen Zauber handelt. Man spürt das Knistern der Magie kaum und die Alpträume und die Verwirrung, die das Kraftfeld weckt, sind wahrlich wie eine Klinge im Schädel, die dich versucht, zu spalten. Ich glaube nicht, dass irgendjemand, abgesehen von mir, dort hindurch kommt.«

»Du meinst, weil du dich selbst für eine Art Gott hältst?« Kacey sah ihn an und musterte ihn unterkühlt, aber er belog sich damit nur selbst. Riath ließ ihn alles andere als kalt. Das musste er ihm aber nicht auf die Nase binden. Und es bedeutete auch nicht, dass er ihm vergeben würde, nur weil er eine große Anziehung besaß, die Kacey sich nicht einmal erklären konnte. Nicht, ohne sich selbst herabzuwürdigen.

Riath grinste nur, wollte darauf nichts weiter erwidern, als wäre es unnötig.

Kacey schüttelte den Kopf, versuchte die Gedanken frei zu bekommen. »So war das nicht geplant«, hörte er sich sagen, spürte die Wut wieder hochkommen.

Nun stand er doch auf, wickelte sich das dünne Laken um die Hüfte und fuhr zu Riath herum, der lässig dem Gefühlsausbruch entgegensah, weil er darauf gewartet hatte.

»Carapuhr!«, erinnerte Kacey ihn unnötigerweise. »Du hast mir etwas anderes versprochen als das, was du getan hast!« Seine Augen brannten, seine Sicht verschwamm, er wusste nicht warum sein Herz sich anfühlte, als würde es bluten.

Was verletzte ihn mehr, Riaths verabscheuungswürdige Vorgehensweise, oder dass er ihn belogen hatte?

Riath blickte ihn gelangweilt an, tippte mit einem goldenen Ring, der einen großen Amethyst einrahmte, gegen den Kelch.

»Wie konntest du das tun?«, entfuhr es Kacey, er schüttelte entrüstet den Kopf, suchte verzweifelt nach einem Anzeichen auf Reue, doch da war nichts in Riaths kühlem Gesicht. »Du hast mir versprochen, Lohna heim zu bringen, du wolltest sie beschützen und aus der Gefahr herausbringen. Für mich, für das Kaiserreich!« Seine Stimme brach, er musste einen Kloß hinunterwürgen. »Deinetwegen ist die jetzt tot, Riath!«

Schweigen erfüllte den Raum, während sie sich in die Augen sahen. Kacey wartete auf eine Erwiderung, aber Riath ließ nur den Kelch gemächlich kreisen.

Kacey wollte ihn erwürgen.

»Wieso?«, brüllte er ihn an. »Das haben wir so nicht besprochen, du wolltest nur Melecay schaden, nicht dem Kaiser! Wir hatten eine Abmachung, Riath!«

Ein leichtes Lächeln breitete sich auf Riaths Gesicht aus. »Endlich zeigst du dein wahres Gesicht.«

Perplex zuckte Kacey zurück, dann begriff er und wandte sich mit einem ärgerlichen Schnauben ab.

»Muss hart sein, immer den gütigen Hirten zu spielen«, höhnte Riath weiter, »wenn man das Temperament eines Drachen in sich trägt.«

»Fick dich«, knurrte Kacey und starrte in die blauen Flammen des Geistfeuers.

»Ich sag´s ja«, meinte Riath hämisch.

Kacey ging zum Kamin und stützte sich am Sims ab. Vermutlich war die Vorrichtung nichts als Dekoration, denn wann brauchte man im schwülen Elkanasai schon einmal ein Feuer, wenn man nicht gerade so wie er bei jedem Windzug kurz vor dem Erfrieren stand? Doch Riaths Feuer war ohnehin kein normales Feuer, es brannte nur dort, wo sein Herr es wollte.

Kacey versuchte, sich zu beruhigen, er durfte sich nicht auf Riath einlassen, musste an Moral und Idealen festhalten, die ihn zu einem guten, besonnen Magister machten. Er trug Verantwortung, er durfte sich nicht von niederen Gefühlen wie Wut leiten lassen, selbst wenn er und Riath den gleichen Zorn teilten. Es ging nicht nur um das, was sie wollten.

Darum durfte es nicht gehen.

»Ich wollte nie, dass sie stirb.« Riath bewegte sich mit dem Kelch in der Hand ein wenig durch den Raum, kam aber nicht direkt näher. »Ich wollte sie nur dazu bringen, dass sie Carapuhr verlässt. Wie ich es dir versprochen habe, wollte ich sie nach Hause schicken, um sie von der Frontlinie wegzubekommen, damit dein Vater nicht länger an ein Bündnis mit dem Großkönig gebunden ist. Ich habe ihr Vertrauen gewinnen müssen, ja, ich habe sie als Freundin gewonnen, ja, wir mochten uns sehr, sie hat sich verliebt…«

»Du hast sie ausgenutzt.« Kacey packte den Sims immer fester. »Sie verführt.«

Riath stockte, im Augenwinkel sah Kacey sein aufblitzendes Grinsen. »Du bist eifersüchtig?«

Kacey starrte ihn fassungslos an. »Sie war meine Schwester!«

»Ich weiß.«

»Ich habe sie gemocht! Sie war… liebevoll und gütig … sie … sie war unschuldig, Riath! Und du… du hast sie absichtlich ins Verderben gestürzt, du…«

»Ich wollte nie, dass sie stirbt«, wiederholte Riath ruhig. »Und ich habe ihr nie etwas vorgespielt. Tatsächlich habe ich sie gewarnt, habe ihr erklärt, dass sie mein Herz nicht erreichen kann. Sie sagte, sie wüsste das, doch offensichtlich glaubte sie, sie könnte meine Liebe gewinnen. Entsprechend enttäuscht war sie, als es ihr nicht gelang.« Er sprach aufgebrachter, das Thema ging ihm nahe und er wollte sich nicht so einfach als ihr Mörder abschreiben lassen. Er sah Kacey tief und kalt in die Augen. »Ich wollte für sie sorgen, für sie und das Kind, das sie in sich trug, ich dachte, sie versteht, worum es geht, denn sich machte mir vor, sie würde auf Seiten der Zauberkundigen stehen, doch das war von ihr gespielt, um in meine Hose zu kommen. Nicht, dass ich mich darüber beschwere, ich hatte Spaß daran, keine Frage, auch wenn ich zu arrogant war zu begreifen, dass ihre Loyalität an eine erzwungene Ehe gebunden sein sollte. Ich habe sie beschützen wollen, Kacey, aber sie ist vor mir weggelaufen, als sie herausfand, dass ich sie nur von Carapuhr wegbringen wollte, und nicht die Absicht hegte, sie zur Frau zu nehmen. Sie floh, als sie die Wahrheit erfuhr. Nicht aus Angst, aus Rache.«

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