Kitabı oku: «Arbeitsstrafrecht», sayfa 10
Anmerkungen
[1]
Vgl. auch den Diskussionsbeitrag von Rieble/Giesen/Junker/Krebber S. 47, nach dem die romanischen Rechtsordnungen „eine lange, ungebrochene Tradition des Arbeitsstrafrechts“ haben.
[2]
Vgl. Hahn S. 22 ff.
[3]
Hahn S. 24.
[4]
Hon-Firnberg S. 84.
[5]
Erste Ansätze, insbesondere im Hinblick auf die Begrenzung der Arbeitszeit, finden sich bereits im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794, vgl. Ignor/Mosbacher/Schlottfeldt § 9 Rn. 1.
[6]
Müller-Gugenberger/Henzler § 34 Rn. 1.
[7]
Vgl. hierzu Hahn S. 41 ff.
[8]
RGBl. 1884, S. 69.
[9]
RGBl. 1890, S. 141.
[10]
Vgl. hierzu Hahn S. 77 ff.
[11]
Verstöße von Arbeitnehmern hatten indessen (Geld-)Strafen zur Folge, da bei jenen ein „unmittelbares Interesse an der Verhütung von Unfällen“ nur durch Strafe begründet werden könne (RT-Drs. 1882 Nr. 19, S. 74).
[12]
RGBl. 1883, S. 73, 85.
[13]
RGBl. 1920, S. 147.
[14]
RGBl. I 1922, S. 657.
[15]
RGBl. I 1927, S. 184.
[16]
RGBl. I 1923, S. 1249.
[17]
RGBl. I 1923, S. 454.
[18]
RGBl. I 1925, S. 97.
[19]
Vgl. zur Entwicklung in der Weimarer Republik auch die ausführliche Darstellung bei Hahn S. 141 ff.
[20]
Vgl. 1. Kap. Rn. 13 f.
[21]
Sinzheimer Bd. I S. 360 ff.
[22]
Alsberg S. 3.
[23]
Alsberg S. 3.
[24]
Ausführlich hierzu Hahn S. 169 ff.
[25]
Hahn S. 196 ff.
[26]
Hahn S. 225.
[27]
Vgl. nur Ignor/Mosbacher § 1 Rn. 4.
1. Kapitel Grundlagen › B. Entwicklung und Bedeutung des Arbeitsstrafrechts › II. Bedeutung des Arbeitsstrafrechts
II. Bedeutung des Arbeitsstrafrechts
22
Das Arbeitsstrafrecht hat in den vergangenen Jahren – nicht zuletzt infolge der Vielzahl neugeschaffener gesetzlicher Regelungen[1] – zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die praktische Relevanz der Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten lässt sich beispielhaft an den folgenden Zahlenbeispielen illustrieren:
23
– | Aufgrund der wohl hohen Dunkelziffer von Gesetzesübertretungen in diesem Bereich besteht über Umfang und Entwicklung der sog. Schattenwirtschaft erhebliche Unsicherheit.[2] Für die Jahre 2019 und 2020 geht das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung Tübingen (IAW) von einem Umfang der Schattenwirtschaft von 324 bzw. 322 Mrd. € aus. Das entspricht einem Verhältnis zum offiziellen Bruttoinlandsprodukt von etwa 9,4 % und 9,1 %.[3] Damit ist weiterhin ein langfristig anhaltender, sinkender Trend zu verzeichnen. Im Jahre 2006 wurden schätzungsweise noch etwa 346,5 Mrd. €, fast ein Fünftel der deutschen Wirtschaftsleistung, in illegalen Jobs umgesetzt. Davon entfielen ca. 131,4 Mrd. € auf die Baubranche und das Handwerk (inkl. Reparaturen), 58,7 Mrd. € auf sonstige Gewerbe- und Industriebetriebe (KFZ, Maschinen etc.), 58,7 Mrd. € auf Dienstleistungsbetriebe (Gaststätten, Hotels etc.), 51,8 Mrd. € auf sonstige Gewerbebetriebe und haushaltsnahe Dienstleistungen (Nachhilfe, Friseur, Babysitten etc.) und 44,9 Mrd. € auf die Unterhaltungs- und Vergnügungsbranche.[4] Zwar wurde 2015 prognostiziert, dass der langfristige Rückgang zum Stillstand gekommen sei, da die steigenden Sozialbeiträge und die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 € die Anreize wieder verstärken würden, in der illegalen Wirtschaft zu arbeiten.[5] Ungeachtet dessen sank die Schattenwirtschaft dennoch auch im Jahr 2015 gegenüber dem Vorjahr von 11,6 % auf 11,2 %.[6] Der Rückgang der Schattenwirtschaft wird vor allem auf das kräftige Wirtschaftswachstum und die günstige Arbeitsmarktlage zurückgeführt.[7] Es wird davon ausgegangen, dass die Schattenwirtschaft in Deutschland trotz des verlangsamten Wirtschaftswachstums im Jahr 2020 weiter zurückgehen wird.[8] Allerdings bleibt die weitere Entwicklung – insbesondere auch mit Blick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie – abzuwarten. |
– | Im Jahr 2019 wurden bei den Unfallversicherern der gewerblichen Wirtschaft 800.101 meldepflichtige Arbeitsunfälle registriert, weitere 71.446 Arbeitsunfälle bei den Unfallversicherern der öffentlichen Hand.[9] |
– | Für das Jahr 2016 meldete die Deutsche Rentenversicherung 121.852 Verdachtsfälle hinsichtlich des Verstoßes gegen sozialversicherungsrechtliche Meldepflichten[10] – als besondere Begehungsweisen wurden unter anderem Scheinselbstständigkeit, Lohnsplitting und die Verwendung von Scheinrechnungen zur Verschleierung eigener, schwarz erbrachter Leistungen genannt.[11] |
24
Entsprechend sind die Normen des Arbeitsstrafrechts in den vergangenen Jahren verstärkt in den Fokus der Ermittlungs- und Bußgeldbehörden gerückt, und die Intensität der Strafverfolgung hat – nicht zuletzt durch die verstärkte Einbindung der Zollbehörden sowie Ausweitung ihrer Kompetenzen[12] – stark zugenommen.[13] Durch eine behördenübergreifende Kooperation[14] und über die gesamte Rechtsordnung verteilte Regelungen zur gegenseitigen Mitteilung von Verdachtsmomenten ist ein dichtes Netz ermittelnder Behörden geknüpft worden, wodurch das Risiko einer Entdeckung und Sanktionierung von Gesetzesübertretungen deutlich gestiegen ist.
25
Statistisch lassen sich Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Arbeitsstrafrechts nur schwer überblicken.[15] Dies liegt unter anderem daran, dass diese aufgrund der Zuständigkeit der Zollbehörden, beispielsweise im Bereich der illegalen Beschäftigung, nur sehr lückenhaft in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst werden,[16] nicht ausschließlich dem Arbeitsstrafrecht zuzurechnende Tatbestände statistisch nicht näher aufgeschlüsselt werden (vgl. etwa §§ 222, 229 StGB) und zudem bloße Ordnungswidrigkeiten nicht in die PKS aufgenommen werden. Unter dem Oberbegriff „Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen“ wurden für 2019 in der PKS 6.942 registrierte Fälle ausgewiesen,[17] denen etwa die Beitragsvorenthaltung nach § 266a StGB (für 2019: 9.884 registrierte Fälle) damit offensichtlich nicht zugerechnet wird.[18] Die Statistik der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) differenziert erst seit 2009 nach einzelnen Delikten im Bereich von Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung.[19] Die darin enthaltenen Gesamtzahlen illustrieren aber bereits deutlich die praktische Relevanz des Arbeitsstrafrechts und die Intensität der Strafverfolgung insoweit. Im Jahre 2019 wurden von den Zollbehörden 54.733 Arbeitgeber überprüft; es wurden 115.958 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten und 57.248 Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten abgeschlossen.[20] Die im Rahmen der straf- und bußgeldrechtlichen Ermittlungen festgestellte Schadenssumme betrug 755,4 Mio. €.[21]
26
Neben „Routine“-Überprüfungen – besonders intensive Kontrollen gibt es beispielsweise im Bereich des Arbeitsschutzes[22] – und wechselseitigen Mitteilungen anderer Behörden über verdächtige Sachverhalte sind in der Praxis oft auch (häufig anonyme) Anzeigen oder Hinweise von unzufriedenen Beschäftigten oder Konkurrenten der Auslöser für die Aufnahme von Ermittlungen, ebenso Hinweise oder Anzeigen von Betriebsräten.[23] Um sog. verdachtsunabhängige Prüfungen einzuleiten – welche häufig ein Straf- oder Bußgeldverfahren nach sich ziehen – genügen bereits Gerüchte oder Vermutungen.[24]
27
Die lange Zeit verbreitete These, die im Bereich des Arbeitsstrafrechts erfolgende Ahndung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten falle regelmäßig sehr milde aus,[25] kann jedenfalls heutzutage nicht mehr aufrechterhalten werden. Vielmehr zeigt sich ein Trend zur empfindlichen Sanktionierung, die – auch unter dem Gesichtspunkt der Abschreckung – eine Gesetzesübertretung für den Arbeitgeber zu einem „schlechten Geschäft“ machen soll.[26] So hat der Zoll im Jahr 2019 etwa 180.000 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung geführt.[27] Hinzu kommt, dass der Zoll immer weiter „aufrüstet“. Zur Wahrnehmung der durch das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch vom 11.7.2019[28] neu geschaffenen Aufgaben und Kompetenzen der Zollverwaltung sind allein für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit etwa 3.500 neue Arbeitsstellen vorgesehen.[29]
Anmerkungen
[1]
Vgl. dazu beispielhaft die Ausführungen im Elften Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung, BT-Drucks. 16/13768, S. 4 ff. oder jüngst das Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch v. 11.7.2019, BGBl. I 2019, S. 1066; vgl. auch BT-Drucks. 19/8691.
[2]
Möhrenschlager wistra 2010, Reg XXVI.
[3]
Pressemitteilungen des IAW vom 4.2.2020, S. 3; abrufbar unter www.iaw.edu/index.php/presse-detail/1166.
[4]
Nach eigenen Berechnungen von Schneider/Badekow S. 36.
[5]
Vgl. die Pressemitteilung vom 3.2.2015; abrufbar unter http://www.iaw.edu/index.php/presse-detail/510.
[6]
Pressemitteilung vom 6.2.2019, S. 3; abrufbar unter http://www.iaw.edu/index.php/presse-detail/901.
[7]
Vgl. nur die Pressemitteilungen vom 6.2.2018 („Schattenwirtschaftsprognose 2018: Gute wirtschaftliche Lage und positive Beschäftigungsentwicklung führen zu einem weiteren Rückgang“) und 6.2.2019 („Schattenwirtschaftsprognose 2019: Immer noch gute Arbeitsmarktentwicklung führt 2019 zu einem weiteren Rückgang“); abrufbar unter http://www.iaw.edu/index.php/pressemitteilungen; siehe auch BT-Drucks. 17/14800, S. 4 und Böttger/Gercke/Leimenstoll Kap. 11 Rn. 1.
[8]
Vgl. die Pressemitteilung vom 4.2.2020, a.a.O. („Trotz verlangsamten Wirtschaftswachstums im Jahr 2020 weiterer Rückgang der Schattenwirtschaft in Deutschland“).
[9]
Geschäfts- und Rechnungsergebnisse 2019 der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand; abrufbar unter https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/3941), S. 23.
[10]
BT-Drucks. 18/12755, S. 8 ff.
[11]
BT-Drucks. 18/12755, S. 8 f. .
[12]
Vgl. BT-Drucks. 19/8691, S. 2 f.; ausführlich hierzu unter: 1. Kap. Rn. 198 ff.
[13]
Vgl. hierzu auch Krug/Pannenborg ArbRAktuell 2019, 243.
[14]
Vgl. dazu etwa BT-Drucks. 16/13768, S. 8 f.; BT-Drucks. 17/14800, S. 4 f.
[15]
Aufgrund der hohen Dunkelziffern kommt der statistischen Erfassung registrierter Fälle ohnehin nur ein sehr beschränkter Aussagewert hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten zu.
[16]
Vgl. PKS Jahrbuch 2019 Band 4, S. 173.
[17]
PKS Jahrbuch 2019 Band 4, S. 173.
[18]
PKS Jahrbuch 2019 Band 4, S. 116.
[19]
Vgl. BT-Drucks. 17/2282, S. 2.
[20]
Jahresstatistik der Bundeszollverwaltung 2019, S. 18.
[21]
Jahresstatistik der Bundeszollverwaltung 2019, S. 18.
[22]
Vgl. HK-ArbSchG/Aufhauser § 22 Rn. 5 ff.
[23]
HK-SchwArbG/Wamers § 14 Rn. 22.
[24]
Vgl. Ignor/Rixen, 2. Aufl. 2008, § 1 Rn. 53 f.
[25]
Vgl. dazu Hahn S. 297 ff.
[26]
Ignor/Rixen, 2. Aufl. 2008, § 1 Rn. 52, 55.
[27]
Jahresstatistik der Bundeszollverwaltung 2019, S. 18.
[28]
BGBl. I 2019, S. 1066; dazu im Einzelnen 1. Kap. Rn. 198 ff.
[29]
1. Kapitel Grundlagen › B. Entwicklung und Bedeutung des Arbeitsstrafrechts › III. Sanktionspraxis
III. Sanktionspraxis
28
Die Summe der erwirkten Freiheitsstrafen in den von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit abgeschlossenen Verfahren belief sich im Jahr 2019 auf 1.891 Jahre (1.715 Jahre/2018, 1.648 Jahre/2017), die Summe der Geldstrafen (einschließlich Wertersatz) von Urteilen und Strafbefehlen auf 36,6 Mio. € (33,4 Mio. €/2018, 31,6 Mio. €/2017) und die Summe der festgesetzten Bußgelder auf 57,4 Mio. € (49,3 Mio. €/2018, 64,4 Mio. €/2017).[1] Im Jahr 2016 entfielen beispielsweise auf 3.623 erledigte Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Arbeitnehmerüberlassung nach § 16 AÜG festgesetzte Verwarnungsgelder, Geldbußen und Verfallsbeträge in Höhe von 1.655.325 €.[2] Diese Zahlen lassen beispielsweise nicht erkennen, welche der verhängten Sanktionen rechtskräftig geworden sind und ob ggf. Haftstrafen zur Bewährung ausgesetzt wurden. Auch sind Daten in diesem Bereich infolge des erst vor einigen Jahren erfolgten Übergangs der Verfolgungszuständigkeit von der Bundesanstalt für Arbeit auf die Zollbehörden sowie aufgrund differierender Definitionen der Begriffe „Schwarzarbeit“, „illegale Beschäftigung“ u.Ä. durchaus vorsichtig zu interpretieren. Gleichwohl bestätigen sie den grundsätzlichen Eindruck, dass Sanktionsbereitschaft und -intensität zunehmen, wobei der Schwerpunkt im Bereich der Geldsanktionen liegt. In diesem Zusammenhang ist auch die Regelung des § 153a StPO (Einstellung gegen Geldauflage) zu nennen, welcher im Arbeitsstrafrecht eine ganz erhebliche praktische Relevanz zukommt.[3]
29
Im Bereich des Arbeitsschutzes werden insbesondere im Arbeitszeitrecht neben hohen Geldstrafen auch (in der Regel zur Bewährung ausgesetzte) Freiheitsstrafen verhängt, im Übrigen fallen Sanktionen in diesem Bereich vergleichsweise moderat aus.[4] Auch beispielsweise im Falle einer fahrlässigen Tötung kommt im Arbeitsschutzrecht eine Sanktionierung in Form von Freiheitsstrafe in Betracht, welche in der Regel zur Bewährung ausgesetzt wird.[5]
30
Neben der „originären“ Sanktionierung in Form von Freiheitsstrafe, Geldstrafe oder Bußgeld sind auch die dem Ermittlungsverfahren immanenten Unannehmlichkeiten und die außerstraf- und -bußgeldrechtlichen Konsequenzen zu bedenken,[6] welche als „Sanktion im weiteren“ Sinne sowohl für einzelne Betroffene als auch für Unternehmen als solche eine ganz erhebliche Belastung darstellen können.
Anmerkungen
[1]
Jahresstatistik der Bundeszollverwaltung 2019, S. 18.
[2]
Vgl. hierzu den Dreizehnten Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung, BT-Drucks. 18/12755, S. 44, 46.
[3]
Vgl. hierzu 3. Kap. Rn. 29 ff.
[4]
Ignor/Mosbacher § 1 Rn. 26.
[5]
Vgl. beispielhaft LG Nürnberg-Fürth NZV 2006, 433.
[6]
Vgl. hierzu 3. Kap. Rn. 88 ff. und Rn. 233 ff.
1. Kapitel Grundlagen › C. Grundbegriffe des Arbeitsstrafrechts
C. Grundbegriffe des Arbeitsstrafrechts
31
Eine sach- und fachgerechte Bearbeitung von Mandaten aus dem Bereich des Arbeitsstrafrechts erfordert grundsätzlich (auch) arbeitsrechtliche Expertise. Einblicke in und Erfahrungen aus der arbeitsrechtlichen Praxis, die für das den Einzelfall möglicherweise entscheidende Fingerspitzengefühl sorgen können, lassen sich in einem Buch nur äußerst eingeschränkt transportieren. In Anbetracht dessen ist aus unserer Sicht in diesem Rahmen das arbeitsrechtliche Grundgerüst vorzustellen, in welchem es sich zu bewegen gilt. Hierzu zählt vor allem die Aufbereitung der zentralen Grundbegriffe, vornehmlich eine definierende Darstellung der wesentlichen Normadressaten des Arbeitsstrafrechts.
1. Kapitel Grundlagen › C. Grundbegriffe des Arbeitsstrafrechts › I. Arbeitgeber i.S.d. Arbeitsstrafrechts
I. Arbeitgeber i.S.d. Arbeitsstrafrechts
32
Adressat der dem materiellen Arbeitsstrafrecht zuzuordnenden Strafnormen – wie auch der entsprechenden Regelungen – ist regelmäßig der Arbeitgeber. Eine Definition dazu, wer als „Arbeitgeber“ gilt – und damit als potentieller Täter in Betracht kommt – ist allerdings in keiner der anzuwendenden arbeitsstrafrechtlichen Regelungen zur Verfügung gestellt. Das ist für strafrechtliche Maßstäbe eher ungewöhnlich, zumal eine Sanktion auf der Grundlage der vorbeschriebenen Normen ausscheidet, wenn im konkreten Fall die Arbeitgebereigenschaft nicht dargelegt werden kann. Den Arbeitsrechtler wiederum überrascht es wenig, dass für den Bereich des Arbeitgeberstrafrechts der Arbeitgeberbegriff nicht legal definiert wurde. Denn seit jeher stellt der Gesetzgeber dem Rechtsanwender für den Bereich des Individual- und Kollektivarbeitsrechts weder eine Legaldefinition des Arbeitgeber- noch des Arbeitnehmerbegriffs zur Verfügung.[1] Hieran hat sich auch durch die Einfügung von § 611a in das BGB im Jahr 2017 im Ergebnis nichts geändert. Die Neuregelung beschreibt lediglich die Hauptpflichten im Arbeitsvertrag, ohne aber dessen Parteien legal zu definieren. Auch unter Geltung des § 611a BGB kann daher im Ausgangspunkt auf den eigenständig von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Arbeitgeberbegriff auch für das Arbeitgeberstrafrecht zurückgegriffen werden.
1. Arbeitgeberbegriff
a) Arbeitgeber im arbeitsrechtlichen Sinne
aa) Arbeitsrechtliche Definition des Arbeitgeberbegriffs
33
In seiner ständigen Rechtsprechung knüpft das BAG für die Bestimmung des Arbeitgeberbegriffs an den Arbeitsvertrag an. Es sieht in der Folge denjenigen als Arbeitgeber an, der mit einem Arbeitnehmer[2] einen Arbeitsvertrag geschlossen hat, aus dem er die Arbeitsleistung verlangen kann und zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet[3] ist.[4] Dieser Definition hat sich die Lehre weitestgehend angeschlossen, zugleich aber eine vereinfachte Version der Definition entwickelt, wonach Arbeitgeber ist, wer mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt.[5] Dabei kann Arbeitgeber nach diesen Maßgaben sowohl eine natürliche, eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts sowie eine rechtsfähige Personengesellschaft sein.[6]
34
Trotz dieser für das Arbeitsrecht allgemein anerkannten Definition des Arbeitgeberbegriffs erhält er sich für die einzelnen Normen eine gewisse Relativität. Beleg hierfür bildet § 6 Abs. 2 AGG, der für die Regelungen des 2. Abschnitts des Gesetzes den Arbeitgeberbegriff abweichend von der anerkannten Definition festschreibt. Nach dieser Vorschrift ist Arbeitgeber nicht nur, wer Arbeitnehmer, sondern auch, wer Auszubildende, arbeitnehmerähnliche Personen oder Heimarbeiter beschäftigt.
bb) Arbeitgeber kraft gesetzlicher Anordnung
35
Soweit sich eine Arbeitgeberstellung auf Grundlage der vorstehenden Definition an sich nicht feststellen lässt, kann sich diese gleichwohl aufgrund gesetzlicher Anordnung oder als gesetzliche Fiktion ergeben. So ordnet beispielsweise § 10 Abs. 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG an, dass ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher als zustande gekommen gilt, wenn der Verleiher über eine Genehmigung der Arbeitgeberüberlassung nicht verfügt. Das so kraft Gesetzes fingierte Arbeitsverhältnis bringt es mit sich, dass der Entleiher rechtlich als Arbeitgeber gilt. Ebenso rückt der Insolvenzverwalter, auf den mit der Eröffnung des Verfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergeht, in die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers ein.[7] Regelmäßig wird dies in den Eröffnungsbeschlüssen ausdrücklich festgelegt. Nicht selten ordnet das Insolvenzgericht zudem an, dass bereits mit der Bestellung zum („schwachen“) vorläufigen Insolvenzverwalter die Arbeitgeberstellung auf den vorläufigen Insolvenzverwalter mit allen Rechten, vor allem aber Pflichten übergeht.