Kitabı oku: «Macht in der Sozialen Arbeit», sayfa 2
Heiko Loewenstein fragt in seinem Beitrag, ob und inwiefern Menschen Macht über ihr eigenes Handeln haben. Er argumentiert, dass eine akteursorientierte Praxis einer theoretisch konsistenten und empirisch angemessenen Konzeptualisierung von Handlungs- und Gestaltungsmacht bedarf. Hierzu geeignet erscheinen ihm aktuelle Agency-Diskurse, von denen er exemplarisch zwei komplementäre Ansätze darstellt: Giddens’ Agency-Begriff, der Handeln im Verhältnis zu Kultur im wesentlichen als Vollzug sozial geteilter und habitualisierter Routinen begreift, und der Ansatz von Emirbayer mit Mische und Goodwin, welche stattdessen eine relationale Perspektive entfalten, die den Menschen in sozialen Beziehungen betrachtet und die stärker die Frage nach sozialem Wandel akzentuiert. An einem Fallbeispiel werden praktische Phänomene dargestellt, für die Agency-Diskurse sensibilisieren und so eine akteursorientierte Praxis theoretisch fundieren. Loewenstein betont, dass Soziale Arbeit akteursorientiert sein muss, damit Menschen, die ihre Leistungen in Anspruch nehmen, nicht entmündigt werden; er betont aber auch, dass dabei nicht von einem naiven Verständnis von voraussetzungsloser Willensfreiheit auf der einen oder einem unbegrenzten Eigenverantwortungsimpetus auf der anderen Seite ausgegangen werden kann. Agency, so seine Kernthese, umfasse Möglichkeiten, in sensibler Abstimmung mit zeitlich-relationalen Kontexten sinnvoll zu handeln, Probleme zu lösen und durch stetige Veränderungen in den Beziehungen zu anderen Akteuren zu kreativem Handeln angeregt zu werden.
Die Machttheorie von Norbert Elias bildet den Ausgangspunkt von Klaus Wolfs Erörterungen zur „Notwendigkeit des Machtüberhangs in der Erziehung“. Die Herleitung des Machtbegriffes aus der Situation des Aufeinander-angewiesen-Seins bei Elias bietet nicht nur gerade für die Analyse der Erziehungswirklichkeit einen überzeugenden Ansatz, sondern sie impliziert auch von vornherein, dass Machtverhältnisse neben anthropologischen auch soziale Voraussetzungen haben, die sich ändern können und die damit sinnvoll nur in einer Dynamik von „Machtdifferentialen“ (Elias) zu beschreiben sind. Das Mehr an Abhängigkeit, über das der Mächtige verfügt, ist in Relation zu den Machtpotentialen des Mindermächtigen zu sehen. Wolf zeigt auf, dass etwa der „Vorsprung an Orientierungsmitteln“, den Erwachsene/Eltern gegenüber Kindern haben und der s. E. eine notwendige Bedingung von Erziehung darstellt, mit der zunehmenden Kompetenz der Kinder dahinschmilzt. Machtverhältnisse (Wolf nennt sie „Machtbalancen“) sind nicht nur dynamisch zu betrachten, sondern sie sind auch hinsichtlich der Machtquellen zu differenzieren, die ein komplexes Zusammenspiel aufweisen. Wolf hat sieben Machtquellen unterschieden, die er in seiner Untersuchung zur Heimerziehung (1999) der Analyse zugrunde gelegt hat und deren interdependente Wirkungsweisen er in seinem Artikel beschreibt. Dieses Modell bildet den Rahmen für die Beantwortung seiner zentralen Fragen nach den Machtmitteln und Machtquellen, die den Machtüberhang in der Erziehung hervorbringen, nach der Entwicklung des Machtüberhangs im Erziehungsprozess und nach seiner pädagogischen Legitimation.
Radikalkonstruktivistische Positionen zur Problematisierung von Macht in Supervisionsprozessen sind der Gegenstand des Artikels von Heike Hör und Klaus Schneider. Nach einem Überblick über die – eher spärliche – Quellenlage zum Thema Macht und Supervision versuchen Hör und Schneider selbst, den Blick auf die Macht auch im Supervisionssetting als hilfreiche Unterscheidung nutzbar zu machen. Die Machtfrage stellt sich dabei in doppelter Weise: zum ersten hinsichtlich des Selbstverständnisses von Supervision und zum zweiten hinsichtlich der Kommunikations- und Organisationsstrukturen der zu supervidierenden Einrichtungen und Teams. In beiden Fällen ist der Blick auf Machtverhältnisse nützlich, um Spielräume und Grenzen des beruflichen Handelns auszuloten. Hör und Schneider sehen im kritischen Blick auf die Machtverhältnisse in Supervisionsprozessen eine Chance, die „Spielräume und Grenzen des beruflichen Handelns auszuloten“. Aus dieser Reflexion erwächst zum einen eine neue Sicht der eigenen Verantwortung von Supervisor*innen, zum andern aber auch die Pflicht, die Folgen der Zuschreibung von Macht seitens der Supervisand*innen zu bedenken. Werden Machtverhältnisse und Machtzuschreibungen im Supervisionsprozess transparent gemacht und Durchsetzungsstrategien thematisiert, lässt sich auch auf beiden Seiten für die Frage der Verantwortung mehr Klarheit gewinnen.
Der Beitrag von Juliane Beate Sagebiel zielt auf eine Zusammenschau verschiedener theoretischer Ansätze zur Macht hinsichtlich der Analyse der sozialarbeiterischen Praxis und ihrer gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Die Autorin zeigt das Ergebnis einer auf Fragen des „handlungspraktischen Nutzens“ gerichteten Untersuchung der bekanntesten Positionen zum Verständnis und zur Erklärung von Machtverhältnissen auf und gibt zunächst einen tabellarischen Überblick über die Beiträge der machttheoretischen Ansätze zum Beschreibungswissen, Erklärungswissen, Bewertungswissen und Handlungswissen für die sozialarbeiterische Praxis. Sie veranschaulicht die Bedeutung dieser Wissensbereiche für verschiedene Ebenen der professionellen Selbstreflexion und ordnet ihnen bestimmte Aufgaben hinsichtlich der praktischen Machtanalysen zu. Sagebiel versteht ihren Beitrag auch als Hilfe für die Praktiker*innen, „um auswählen und vergleichen zu können, welche Erklärungen und Bewertungen für welche Situationen brauchbar sind“. So zeigt sie abschließend in einem weiteren tabellarischen Überblick auf, welche Beobachtungsaufgaben für den/die Praktiker*innen der Sozialen Arbeit aus den verschiedenen Theorien erwachsen und welche Fragen sie zur kritischen Analyse und verantwortungsvollen Gestaltung der eigenen Praxis aus den Theorien ableiten können.
Einführend in den zweiten Teil expliziert Benjamin Benz in seinem Beitrag die Machtressourcentheorie in der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung und fokussiert die Relevanz des Wohlfahrtsstaates für Adressat*innen, Fachkräfte und Organisationen der Sozialen Arbeit. Dabei fragt er, wie und mit welchem Ertrag für Machtfragen in der Sozialen Arbeit sich die Genese und Varianz wohlfahrtsstaatlicher Arrangements im internationalen Vergleich verstehen lassen. Der Rückbezug auf die Industrialisierung, die Demokratie als Herrschaftsform sowie Klassenstrukturen und soziale Bewegungen alleine reichten s. E. hierfür nicht aus. Vielmehr müssten konkretes politisches Handeln und Koalitionen sowie die Entwicklung von Machtressourcen in den Blick genommen werden, die sich mittels des Wohlfahrtsstaates realisieren lassen. In einem zweiten Schritt wendet er sich demgemäß unterschiedlichen Machtressourcen und deren Verteilung zwischen Individuen und sozialen Gruppen zu und arbeitet heraus, dass diese nicht um ihrer selbst willen eingesetzt, entwickelt und transformiert werden, sondern intentional, um ökonomische, politische und soziale Interessen und Wertvorstellungen durchzusetzen. Idealtypisch unterscheidet er mit Gøsta Esping-Anderson drei Wohlfahrtsregime, in deren Strukturmerkmalen Konkretisierungen der großen politischen Ideenfamilien und sozialen Bewegungen des Konservatismus, Liberalismus und Sozialismus deutlich werden. „Machtressourcen von KlientInnen(-Gruppen), Fachkräften und Organisationen der Sozialen Arbeit scheinen in verschiedenen Wohlfahrtsregimen und konkreten Wohlfahrtsstaaten unterschiedlich stark geschützt und entwickelt zu sein“, so Benz. Im Ergebnis plädiert er für eine professionelle Selbstverortung der Sozialen Arbeit dezidiert jenseits des Marktes, die die unterschiedliche Bedeutung von Markt, Staat und drittem Sektor für den Schutz, die Entwicklung und die Verteilung von Machtressourcen wahrnimmt und die Entwicklung eigener Machtressourcen zum Thema macht.
Karin Kersting stellt die Frage nach der Macht der Verhältnisse, welche Professionelle in sozialen Berufen dazu zwingen, gegen ihren Willen in ihrer Arbeit hinter dem normativ Gebotenen und hinter eigenen moralischen Ansprüchen zurückzubleiben. Es ist ihre Kernthese, dass die Gründe hierfür in „objektiv Kälte verursachenden Strukturen“ zu finden sind, welche nicht nur den professionellen Anspruch untergraben, sondern zugleich auch Deutungsmuster des Arbeitsalltags hervorbringen, welche das subjektive Differenzerlebnis mental zu neutralisieren vermögen. Die von Gruschka ausgelegte Metapher der „bürgerlichen Kälte“ (Theoremen der Kritischen Theorie Adornos und Horkheimers entnommen) bezeichnet das moralische Prinzip, den unauflösbaren Widerspruch von normativen Ansprüchen und strukturellen Bedingungen meist integrativ zu bearbeiten und so mehr oder minder entlastet und handlungsfähig zu bleiben. An Beispielen der Pflegepraxis zeigt Kersting die Strukturmomente auf, die zur Kälte führen, und beschreibt die unterschiedlichen Reaktionen der Professionellen auf den Widerspruch. Die in sozialen Berufen Tätigen lernen, in unterschiedlichen Ausprägungen sich „kalt“ zu machen. Kersting entwickelt hier eine Typologie der Reaktionsmuster, der mentalen Wege, sich mit der Macht der Verhältnisse zu arrangieren, was sie auch als einen Prozess der moralischen Desensibilisierung beschreibt. Was hier anschaulich für die Pflegepraxis beschrieben wird, lässt sich gewiss weitgehend auf die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit transferieren. Dies illustriert Kersting exemplarisch am Beispiel der Schuldnerberatung.
Die Rezeption der Machtanalytik Foucaults in der Sozialen Arbeit verfolgt der Artikel von Roland Anhorn. Der Autor zeichnet die Rezeptionsentwicklung von der bis in die Neunzigerjahre bestehenden Ignoranz bis zur aktuell verkürzenden und somit verfälschenden Inanspruchnahme der Foucaultschen Theorien von Macht und Herrschaft nach und zeigt auf, wie durch den neuzeitlichen Wissen/Macht-Konnex eine moderne „Produktivität“ der Machtpraktiken entstanden ist, aus der auch für die Soziale Arbeit analytisch-kritische Aufgaben erwachsen. Die bei Foucault lange bestehende mangelnde Differenzierung zwischen Macht und Herrschaft wie auch der Mangel an einer vertiefenden Rezeption späterer Schriften Foucaults in der Sozialen Arbeit verleitet auch die aktuelle Rezeption und Nutzung der Machttheorie Foucaults zu einer zwar analytisch ergiebigen, aber gegenüber den strukturellen Herrschaftsbedingungen blinden Bestandsaufnahme. „Macht“, so kritisiert Anhorn, wird nun in Verbindung mit Freiheit ohne Herrschaft gedacht (und lässt sich vermeintlich auch so praktizieren). In diesem Verständnis lässt sie sich widerspruchsfrei in gängige Ideologeme der Sozialen Arbeit (Aktivierung, Selbstwirksamkeit, Empowerment usw.) integrieren. Foucaults kritisch gemeinter These von der Produktivität moderner Macht wird so eine affirmative Wendung gegeben. Mit „Macht“, verstanden als positives und konstruktives Moment des „Sozialen“, lässt sich Soziale Arbeit als (verdeckt bleibender) Teil gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse scheinbar in neuer Weise legitimieren. Diese inzwischen verbreitet positiv-konstruktive Nutzung des Foucaultschen Machtbegriffes, die durch die Aussparung seiner Herrschaftskritik nicht nur harmlose, sondern affirmative Wirkung erzielt, geht so an den kritischen Potenzialen seiner Theoriebildung vorbei.
Einen anderen Focus auf Foucault legt der Beitrag von Hans-Uwe Rösner. Ausgehend von Foucaults historiographischem Verfahren der „Genealogie“ gibt Rösner zunächst eine detaillierte Einführung in das machtanalytische Denkgebäude Foucaults und führt in die verschiedenen Machttypen und Disziplinarmechanismen ein. Dabei wird der allmähliche Wandel des Machtbegriffes in Foucaults Schriften – bis hin zum Begriff der „Gouvernementalität“ – deutlich. An den unterschiedlichen Sicherheitsdispositiven – Pastorat, Staatsräson, Polizei und Liberalismus – zeigt der Autor kritisch die Logiken auf, denen sich Soziale Arbeit andienen kann und angedient hat. Alternativ zu ihnen steht Foucaults Vorschlag einer „Ästhetik der Existenz“, die eine Praxis der Selbstsorge in relativer Autonomie gegenüber äußeren Standardisierungskräften verspricht und damit einer Kritischen Sozialen Arbeit wohlgefällig scheint. Dennoch kritisiert Rösner, dass „Foucaults Begriff der Selbstsorge nicht ausreicht, die Freiheit verbürgenden Handlungsspielräume in der Sozialen Arbeit angemessen wahrzunehmen“. Vielmehr – und darin folgt der Autor den Ansätzen Ulrich Bröcklings und Judith Butlers – braucht eine Theorie des fürsorgeabhängigen Subjekts neben dem Begriff der Selbstsorge auch einen Begriff der Fürsorge, die den Anderen in seiner Verschiedenheit anerkennt und dennoch Verantwortung für ihn ermöglicht.
Heiko Kleve zielt in seinem Beitrag darauf, die sozialarbeiterische Ambivalenz von Macht und Ohnmacht im Schnittpunkt zwischen der Luhmannschen Systemtheorie und der postmodernen Theorie der Ambivalenzreflexion zu verorten. Grundlegend für Kleves Überlegungen ist die Frage nach der Unterscheidung von Macht und Ohnmacht in der Sozialen Arbeit. Kleve geht es um den Nachweis, dass ein Verständnis von Macht als intentionalem Handeln zu kurz greift und sie vielmehr – mit Luhmann – durch ihre Anbindung an die Politik als symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium zu verstehen ist. Macht schreibt sich jenseits von psychischen Systemen in Kommunikationsstrukturen ein und sie schleicht sich auf politischem Wege in die Soziale Arbeit ein, so „dass auch dort Politik, also Macht prozessieren kann, wo die Beteiligten meinen, es gehe um Soziale Arbeit“. Dabei ist postmodern nach seiner Auffassung relevant, dass Macht und Ohnmacht nicht einfach einzelnen Phänomenen zugeordnet werden können, sondern grundsätzlich – als die zwei Seiten einer Unterscheidung – im selben Phänomen oszillieren. Eine der politischen Ermächtigungen von Sozialer Arbeit besteht darin, dass Soziale Arbeit in der Unterscheidung von Norm und Abweichung Definitionsmacht auszuüben hat; sie hat zu kategorisieren und zu objektivieren. Allerdings ist Soziale Arbeit postmodern in eine Situation hineingestellt, in der sich nicht mehr sagen lässt, was normal und was abweichend sei. Dies zwingt Soziale Arbeit zuweilen in ein dialogisches Verhältnis zu ihrem Klientel, will sie nicht willkürlich verfahren. Und dort steht ihrer Definitionsmacht nun die Macht der Klientel entgegen, ihre Ziele durchzusetzen oder sich dem Kontrakt zu entziehen und die Hilfebeziehung aufzulösen. Unter postmodernen Bedingungen lässt sich Macht und Ohnmacht daher nicht einfach einer der beiden Seiten zuordnen, sondern ihr Verhältnis ist den Prozessen der Aushandlung ausgesetzt.
In die Ausgangsfrage des dritten Teiles „Stellt Soziale Arbeit eine Macht gesellschaftlicher Veränderung dar“? führt der Beitrag von Wilfried Hosemann ein. Hosemann geht die Frage nach der Funktion Sozialer Arbeit hinsichtlich der Herstellung sozialer Gerechtigkeit aus dem Blickwinkel recht unterschiedlicher Ansätze an, zum Ersten aus der Perspektive der Habermasschen Diskurstheorie, zum Zweiten aus der Sicht der Rawlsschen Gerechtigkeitstheorie, auf der Basis der Theorie der Wohlfahrtsgesellschaft von Margalit und schließlich mittels der Unterscheidung gesellschaftlicher Inklusion und Exklusion im Anschluss an Luhmann. Die Machtfrage Sozialer Arbeit wird hier einmal von ihrer gesellschaftlichen Position aus beantwortet, zum andern aber auch von ihrer Funktion als einer Instanz sozialer Gerechtigkeit her. Hosemann sieht den Auftrag Sozialer Arbeit im Schnittpunkt zweier Funktionen, der gesellschaftlichen Funktion der „Beobachtung der Probleme und Schwierigkeiten im sozialen Geschehen“ und der moralischen Funktion, dem Einzelnen in dieser Gesellschaft „ein Leben, das der Würde des Menschen entspricht,“ zu gewährleisten. Zu diesen Funktionen ist Soziale Arbeit durch den Sozialstaat ermächtigt und sie kann sie nur erfüllen, indem sie den Freiraum besitzt, soziale Gerechtigkeit und ihre Lösungen immer neu aus den Lebensverhältnissen heraus zu bestimmen.
Silvia Staub-Bernasconi beginnt ihren Beitrag mit dem Hinweis auf eine handlungstheoretische Tradition, die im internationalen Kontext als „Radical Social Work“ und im deutschsprachigen Kontext als „Kritische Soziale Arbeit“ bezeichnet wird. Ihre These ist, dass ein Tripelmandat professioneller Sozialer Arbeit, das sich sowohl auf Wissenschaftsbasierung ihrer Interventionen als auch auf einen Ethikkodex mit den zentralen Werten „soziale Gerechtigkeit“ und „Menschenrechte“ bezieht, sowohl allgemeine Machtkritik als auch professionelle Politik ins Zentrum professioneller Arbeit rückt.
Nach einem kurzen Rückblick auf die 1970er Jahre und deren Hinterlassenschaften für die Soziale Arbeit hinterfragt Staub-Bernasconi das aus ihrer Sicht heute wie eine Zauberformel herumgereichte und inzwischen „zahnlose“ Empowermentkonzept. Sie bemängelt, dass Kritische Soziale Arbeit wohl Machtstrukturen analysieren kann, aber relativ hilflos ist, wenn es darum geht – abgesehen von Empfehlungen zur Bewusstseinsbildung und Arbeit in sozialen Bewegungen – für den Praxisalltag handlungstheoretische Folgerungen abzuleiten. Denn Voraussetzung für eine solche praktische Nützlichkeit ist eine differenzierte Machtdiagnose, die von der Analyse von individuellen und kollektiven Unrechtserfahrungen ausgeht, aber zugleich auch die sozialen Regeln der Machtstrukturierung mit einschließt und deren Entstehung erklärt.
Die sozialen (Macht)Strukturregeln können „behindernd“, d. h. menschenfeindlich und damit illegitim (Behinderungsmacht) oder „begrenzend“, d. h. menschenfreundlich und damit legitim (Begrenzungsmacht) sein. Mittels dieser Unterscheidung definiert sie – illustriert an verschiedenen Beispielen – „Empowerment“ handlungstheoretisch neu, zum einen als Erschließung und Umgang mit Machtquellen für den Abbau von Blockierungen seitens der Machtträger im Hinblick auf legitime Forderungen und zum andern als Veränderung von sozialen Behinderungs- in soziale Begrenzungsregeln in sozialen Systemen. Beide methodischen Ansätze werden mittels verschiedener Beispiele veranschaulicht.
Der Beitrag von Margrit Brückner gilt der Diskussion dreier aufeinander folgender Fragen: Wie ist Soziale Arbeit in Machtverhältnisse eingebunden? Wie geht sie in ihren Arbeitsformen mit diesen Einbindungen um? Und welche Handlungsmöglichkeiten- und einschränkungen hat Soziale Arbeit unter diesen Bedingungen, wenn es ihr Ziel ist, zum Kampf gegen soziale Benachteiligung beizutragen? Diesen Fragen geht der Beitrag in Auseinandersetzung mit institutionellen Machtverhältnissen im Kontext kapitalistischer Strukturen und mit Ungerechtigkeiten und Anerkennungsdefiziten infolge hierarchischer Geschlechterverhältnisse nach. Während sich die Darstellung beispielhaft untersuchter Machtverhältnisse zunächst auf gesellschaftliche Strukturen und darin eingelassene Handlungsmöglichkeiten und -grenzen konzentriert, geht es Brückner im Weiteren vorrangig um das Handeln in diesen Verhältnissen, zunächst bezogen auf die Institutionen, dann konkretisiert auf die Umgangsweisen der Professionellen mit den Adressat*innen Sozialer Arbeit. Die Aufgaben einer sozialarbeitsbezogenen Machtanalyse umfassen nach Brückner im Wesentlichen fünf Fragen: Aus welchen Machtverhältnissen ist Soziale Arbeit hervorgegangen und inwieweit sind diese Machtansprüche heute noch wirksam? Wie ist Soziale Arbeit in sozialpolitische Machtstrukturen eingebunden und wie wirkt sich diese Abhängigkeit aus? Welche Machtverhältnisse kann es in Institutionen Sozialer Arbeit geben? In welcher Weise ist Macht in den Handlungsformen Sozialer Arbeit vorzufinden? Wie spiegeln sich in den jeweils eröffneten Handlungsmöglichkeiten theoretische Annahmen zur Macht? Margrit Brückner betont, dass nur eine gegenüber der gesellschaftlichen Realität und gegenüber den eigenen Denk- und Handlungsweisen kritische Soziale Arbeit die Basis eines menschenrechtsorientierten, gesellschaftspolitischen Gestaltungsanspruchs sein kann, denn Sozialer Arbeit kommt immer auch eine gesellschaftliche Verhältnisse stützende Funktion zu, die Teil des demokratisch zu legitimierenden sozialstaatlichen Gefüges sein muss.
In ihrem Beitrag „Hannah Arendt und die soziale Frage“ verdeutlich Sophia Ermert die für Hannah Arendts Perspektive grundlegende Unterscheidung zwischen Macht und Gewalt. Für Arendt ist Macht eine produktive Kraft, die entsteht, wenn Menschen gemeinsam und im Einverständnis miteinander handeln. Gewalt hingegen versteht sie als das zerstörerische, gemeinsames Handeln einschränkende Gegenstück. Insofern scheint Arendts Machtverständnis für die Soziale Arbeit hilfreich, um etwa zu diskutieren, wie zwischen Fachkräften und Adressat*innen durch gemeinsames Handeln positive Macht im Arendtschen Sinne entstehen kann. Ermerts These ist jedoch, dass eine Übertragung von Arendts Machtbegriff auf den Kontext Sozialer Arbeit diskussionswürdig ist, weil Arendt das Entstehen von Macht an spezifische Bedingungen knüpft. Diesen Bedingungen spürt der Beitrag nach, indem er Hannah Arendts Gesellschaftskritik und ihre Kritik am Politikbegriff der Moderne entlang der Kategorien von privat und öffentlich nachzeichnet. Die zentrale Frage ist für die Verfasserin schließlich, inwiefern die Bedingungen für das Verhältnis zwischen Professionellen und Adressat*innen erfüllt sind und somit das Entstehen von Macht im Arendtschen Sinne denkbar ist.
Den Abschluss bildet ein Artikel von Albert Mühlum, der Soziale Arbeit in einer Situation scheinbar ohnmächtiger Ausweglosigkeit thematisiert, nämlich in der Konfrontation mit der Grenzsituation des Sterbens. In der Auseinandersetzung mit dem modernen Tabu des Sterbens und der „ärgerlichen Todestatsache“, die beim Sterbenden wie auch bei den Angehörigen oft Verzweiflung und Verlegenheit hinterlässt, ist Soziale Arbeit einmal mehr gefordert, gegen den Strom zu schwimmen und der gesellschaftlichen Ausgrenzung derer, die – hier durch ihr Sterben – das Tabu verletzen, die Stirn zu bieten. Sie gerät damit zwangsläufig in Konflikt mit der kalten „Sterbekultur“ technisierter westlicher Dienstleistungsgesellschaften. Soziale Arbeit braucht daher Macht, sich als Gegenkraft gegen Mechanismen der sozialen Isolation, der medizinisch-technischen Verwaltung des Sterbens und des entlastenden Rückzugs hilfloser Angehöriger zu formieren.
Die Frage der Macht stellt sich aber auch im Umgang mit den Optionen der Sterbehilfe im doppelten Sinne des Wortes, als Hilfe zum baldigen Tode wie auch als Begleitung der Vorbereitung auf das Sterben. Soziale Arbeit greift – etwa in der Hospizbewegung – die Unterstützungsbedürftigkeit der Sterbenden auf und „ermächtigt“ sie, ihre letzte Lebenszeit mit größtmöglicher Autonomie zu gestalten, wichtige Anliegen noch zu erledigen und würdevoll Abschied zu nehmen.
In der Sterbebegleitung als einer Hilfe zum „gelingenden Sterben“ liegt so für Helfer und Betroffene die Chance, einen Machtgewinn gegenüber dem Sterben zu erreichen. In dem die hospizliche Arbeit sich bei der Alternative „Flüchten oder Standhalten“ klar für das Ausharren entscheidet und versucht, das Sterben als Teil des Lebens und damit als einen gestaltbaren Zeitraum zu qualifizieren, trägt sie dazu bei, die Ohnmacht des Alleinseins im Sterben zu überwinden und die so oft verleugneten sozialen Anforderungen des Sterbens in die Gemeinschaft zurückzuholen.
Wer als Herausgeber eines solchen Bandes das Anliegen verfolgt, möglichst vielfältige Ansatzpunkte zur Diskussion des Machtproblems zusammenzutragen, könnte leicht der Versuchung erliegen, am Ende auch Bilanz zu ziehen und die Vereinbarkeit der Standpunkte zu prüfen. Den Versuch zu unternehmen, so heterogene Theoriepositionen zu einander in den Vergleich zu stellen oder gar summarisch eine Theorie der Macht auf Versatzstücken unterschiedlicher Ansätze gründen zu wollen, ist sicher höchst problematisch. Nichtsdestoweniger könnte es doch reizvoll sein, von der Perspektive des einen Ansatzes auch einmal auf die Theorieelemente eines anderen Ansatzes zu blicken. Denn durchaus lassen sich Perspektiven gewinnbringend verschränken, gerade weil von den Ansätzen so unterschiedliche Fragen zur Machtproblematik vorausgesetzt worden sind.
Im Blick auf andere Theorien zur Macht, die den Gebrauch des Machtbegriffes als sinnvoll voraussetzen, stellt sich der Konstruktivist etwa die Frage, welcher Nutzen für diese Theorien von der Metapher der „Macht“ ausgeht. Ein Beispiel: Konstruktivistisch lässt sich etwa analysieren, auf welcher Beschreibungsebene in verschiedenen Ansätzen von Macht gesprochen wird: Kommt „Machtverhältnissen“ eine beobachterunabhängige Qualität zu? Wer ist es, der „Macht“ beobachtet – der/die Mächtige, der/die von Macht Betroffene oder dritte außenstehende Beobachter? Und was wird beobachtet, wenn von Macht die Rede ist?
Allerdings: Eine konstruktivistische Beleuchtung des Interaktionsverhältnisses von Professionellen und Adressat*innen in der Sozialen Arbeit gestattet, die Praxis des Unterscheidens in Interventionen der Sozialen Arbeit als ein Machtphänomen zu erkennen, sie ist aber weitgehend blind gegenüber den Generierungsprozessen, gegenüber der Geschichte der Unterscheidungen. Hier liegt u. E. etwa die Nahtstelle für eine Zusammenführung konstruktivistischer Theorie zur Intervention mit neostrukturalistisch kritischen Analysen zur Entstehung und Praxis symbolischer Macht, wie sie etwa von Foucault und Bourdieu erarbeitet worden sind.
Weitere Beispiele perspektivischer Verschränkungen von Theoriepositionen und ergänzender Bezugnahmen ließen sich entwickeln. Allein, ein solcher Versuch kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Die Leser*innen mögen ihn unternehmen, indem sie die Erträge der Lektüre zusammenführen.
Freiburg im Breisgau und Ludwighafen im Januar 2021, die Herausgeber
Literatur
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1 Huxoll/Kotthaus 2012.
2 Schmid 2014.
3 Sagebiel/Pankofer 2015.
4 Stoevesand/Röh 2015.
5 Stehr/Anhorn/Rathgeb 2018.
6 Hunold 2018.
7 Vgl. Kessl in diesem Band.
8 Popitz, 1992, S. 272.
9 Herriger 2002, S. 195.
10 Bünder 2002, S. 185. Störungen der Reziprozität wurden bereits bei Ann Weik (1982) als „Machtfallen“ bezeichnet; auch sie ging von der Idealvorstellung balancierter Machtverhältnisse aus.
11 Vgl. hierzu den Beitrag von Anhorn in diesem Band.
12 Gerade ein tauschtheoretisches Verständnis von Macht erlaubt es, politische und ökonomische Bedingungen („Tauschbedingungen“) zu erfassen, welche konkrete Durchsetzungschancen bestimmen. Ein solches Verständnis wird etwa von Friedberg eingenommen (vgl. Friedberg 1995, insbes. S. 111 ff.).