Kitabı oku: «Auf Gottes Wegen», sayfa 10

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Zur selben Zeit war Josefine wieder in dem Zimmer, das nach der Straße hinausging; es hatte ein einziges Fenster, das größer als zwei gewöhnliche war, und da stand sie und lehnte den Kopf ans Fensterkreuz. Der Pastor stand hinter ihr. Er nannte es einen bösen Zufall, daß er das im "Morgenblatt" geschrieben hatte. "Dein Bruder hat mir erzählt, er sei schon seit sechs Jahren verheiratet." Josefine fuhr hastig herum. Aber nach einer Weile des Nachdenkens sagte sie nur: "Unsinn!" und wandte sich wieder zum Fenster zurück. Der Pastor meinte auch, das könne nur ein schlechter Witz sein. Sie hätten sich doch nicht trauen lassen können, ehe sie gesetzlich geschieden war. – "Ganz merkwürdig war er – auf einmal fing er an, auf den Händen zu laufen!" Wieder wandte sie sich nach ihm um, mit ihren größten Augen. "Jawohl, auf den Händen ist er gelaufen", versicherte der Pastor. "Ums ganze Studierzimmer herum. Er behauptete, so sollte ich einmal zum Altar gehen. Wenn er Luther verhöhnt, so muß ich mich ja wohl damit abfinden, daß er auch mich verhöhnt!"

Sie wünschte offenbar nicht, daß er gerade jetzt über diese Begegnung sprechen sollte; es tat ihr zu weh. Er zog sich ins Studierzimmer zurück; aber er sah keineswegs bloß mißvergnügt aus, während er sich seine Pfeife stopfte.

Josefine hatte sich so unendlich viel von dem Wiedersehen und dem Zusammenleben mit dem Bruder versprochen. Sie hatte nicht die leiseste Andeutung hören wollen, daß es möglicherweise anders kommen könne, als sie erwartete. Wer weiß – was sie jetzt litt, war ihr vielleicht ganz gesund!

Aber war er denn selber heut so gewesen, wie er hätte sein sollen? O ja, er glaubte doch wohl. Gebe Gott, daß er es nur immer so sanftmütig ertrug! Denn bei dem einen Mal blieb es nicht; das ahnte er wohl.

Die Pfeife schmeckte, und das Predigtheft wurde wieder zur Hand genommen; aber der Gedanke an Josefine drängte sich dazwischen. Nie hatte er in ihrem ehelichen Verhältnis die Sicherheit gefühlt, deren andere sich erfreuten. Sie hatte ihre schwierigen Zeiten – und dies letztemal war es schlimm gewesen. Zweifellos, weil alle ihre Gedanken sich mit dem einen beschäftigten, der nun bald zurückkehren würde …

"Psst!"

"– Die Rechtfertigung ist eine Tat des Augenblicks in uns, ein Vorgang ein für allemal. Alle Sünden sind ausgelöscht; in Gottes Augen sind wir ebenso rein und heilig wie Christus."

2

Die beiden, die dort unten auf der Straße Frieden geschlossen hatten, wanderten Arm in Arm weiter. An der Ecke der Strandstraße stand auf einem Gerüst Maurer Andersen, ein vierschrötiger Mensch mit langem, braunem Bart und einer Schutzbrille – der ganze Mann weiß von Kalk. Er erkannte die hellgekleidete Dame wieder, die seinem Jungen beigesprungen war, und da sie jetzt Arm in Arm mit dem Brillenmann einherkam, den er vorher hatte hinaufgehen sehen, dachte er sich, das müsse der neue Doktor sein. Der Pastor war ja sein Schwager; von dem kamen sie jetzt jedenfalls zurück. Andersen hielt mit der Arbeit inne und grüßte; Ragni hielt ihren Mann an und sagte etwas – das sah Andersen. Er rief den Arbeitern, die da hämmerten, zu, sie möchten einen Augenblick still sein, und fragte dann, was sie gesagt habe. Sie wollte wissen, ob der Junge jetzt schlafe. Jawohl; aber sie möchten doch recht gern, der Herr Doktor solle nach ihm sehen, wenn er wieder wach sei; "Sie sind ja doch wohl der neue Herr Doktor?" – "Richtig geraten!" Jetzt kamen sofort die Leute im Haus drinnen an die Fenster, ebenso die im nächsten Haus; ein Vorübergehender blieb stehen, guckte die beiden an, ging weiter und erzählte es der ganzen Straße. Andersen benützte die Gelegenheit, auch gleich mit seinen schwachen Augen zu kommen. Jawohl, die würde sich der Doktor nächstdem einmal ansehen. Aus den Fenstern und auf der Straße sahen ihnen die Leute nach. Sie waren jung, was brauchte es weiter? Bald hatten sie vergessen, was kürzlich vorgefallen war, und fühlten – hier konnten sie heimisch werden!

Unter denen, die unwillkürlich grüßten, befand sich ein junger Mann mit fast zu üppigem Haarwuchs, blassem, merkwürdig gewölbtem Gesicht, schmächtig gebaut und hoch aufgeschossen; etwas Feines, Befangenes lag über ihm. Als sie ihn ansahen, errötete er. "Da hast Du wahrhaftig schon eine Eroberung gemacht!" flüsterte Kallem. Kurz darauf kam ein sonderbarer Gesell ihnen entgegen, lang, vornübergebeugt, in Bluse und Schurzfell. Schwarzes, verstaubtes Haar, das Gesicht ungewaschen, fast rußig. Er trug allerlei Handwerkszeug in seinen schmalfingrigen Händen; die hingen an außergewöhnlich langen Armen, die im Bogen hinter ihm herschlenkerten. Hätten sie im Takt geschwungen, sie hätten zusammenstoßen müssen. Eine Mütze trug er nicht; das kurzgeschnittene Haar ließ die ganze Kopfform erkennen. Die Stirn war weder breit noch hoch, aber ungewöhnlich fein gebaut. Die Wangenpartie länglich, mit vortretenden Backenknochen. In den kleinen, eiskalten Augen und um den zusammengekniffenen Mund etwas Höhnisches. Die Nase klein und flach, das Kinn ziemlich lang. "Du, sieh doch den!" flüsterte Kallem. "Pfui!" antwortete sie. Jetzt strich der Mensch mit forschendem Blick an ihnen vorüber. Kallem blickte ihn ebenfalls an, und als sie aneinander vorbei waren, drehten sich beide um. Eine alte Frau kam gewatschelt. "Wer ist der Mann da?", fragte Kallem. Sie sah erst Kallem an, und dann den andern. "Das ist Kristen Larssen." – "Ein Feinschmied?" – "Was für'n Ding?" – "Feinschmied." – "O ja. Aber Uhrmacher ist er auch. Und Büchsenmacher. Alles mögliche."

Der Strandweg war gegen die Bucht hin offen, ohne Steindamm. Im Wasser lag allerhand verfaultes Zeug, ebenso am Lande. Die ganze Stadt hatte etwas Unfertiges. Ein großes Haus neben einem kleinen; einmal ein steinernes Haus, dann ein hölzernes; und alles wie in der Eile und mit geringen Mitteln errichtet. Die Häuser lagen nicht einmal in einer geraden Linie, und die Straße war kaum eine Straße zu nennen. Die Leute, denen sie begegneten, noch nicht Städter, und doch auch nicht mehr Landleute. Durchgehends "mißtrauisch und freundlich", wie Kallem sagte. "Mischware".

Jetzt waren sie auf dem Marktplatz angelangt, von wo der Weg zur Kirche hinaufführte. Diese lag frei, hoch und schlank auf der Höhe. Hier waren sie Josefine begegnet, eben als sie hatten hinaufgehen wollen; denn dort oben, rechts von der Kirche, frei, in einem Park mit einem Garten vorn, lag ihr Haus. Von hier aus konnte man es nicht sehen.

Die Straße gabelte sich unmittelbar vor der Kirche und führte nach zwei Seiten weiter. An dem Weg rechts mußte ihr Heim liegen. Als sie sich der Kirche näherten, sahen sie den Park hinter ihrem Haus und darin das Dach des großen Krankenhauses. Endlich – sie gingen ganz langsam, voller Spannung, ohne ein Wort zu reden – endlich der große Garten, und darin ihr Haus! Ein Holzbau im Schweizerstil, etwas zu breit, die Fenster groß und alle weit offen. Eine Veranda auf einen sandbestreuten Platz hinaus, zu dem eine Treppe hinunterführte. Daneben der Blumengarten, weiterhin der Gemüsegarten, und zu beiden Seiten, der Stadt zu, ein ziemlich großer Obstgarten. Die beiden nahmen alles gleichzeitig in sich auf. Das also war es! Sechs lange Jahre hatten sie – jedes für sich – dafür gearbeitet, es erträumt in wer weiß wie vielen Formen – nur nicht in dieser! Es hinverlegt nach wer weiß wie vielen Orten – bloß nicht hierher! All die geträumten Bilder waren ausgelöscht von dem, was sie hier vor sich sahen! Beide wandten sich um, maßen Weite und Leuchtkraft der Landschaft, und wandten sich dann lächelnd einander wieder zu. Seltsam – gerade in diesem Augenblick kein Mensch zu sehen – kein Laut, kein Geräusch, das an etwas – nah oder fern – erinnerte! Sie und ihr Heim! Das eine von ihnen sah, was das andere sah; des einen Sehen und Fühlen wurde geschärft durch das Bewußtsein, daß das andere ebenso sah und fühlte. Ragni löste ihren Arm aus Kallems Arm, ging nach dem Zaun hinüber – er war aus Wachholderstäben —, faßte durch die Stäbe, und pflückte ein paar Gräser und einen grünen Zweig; damit kam sie zurück und befestigte es an seinem Rock. Er sah etwas weiter oben einen Büschel Glockenblumen, ging hin, griff durchs Gitter darnach und kam damit zurück; sie nahm sie und sammelte noch mehr dazu; als es schließlich viele waren, sah es hübsch aus.

Neben dem Haus und auf dem Hof lagen Kisten, unausgepackte Möbel, Stroh, Sägespäne, Matten. Ragnis großen Flügel hatte man augenscheinlich soeben ausgepackt und die Beine daran geschraubt; aber kein Mensch war zu sehen.

Ein großer, freistehender Taubenschlag war da. "Denk doch, wenn jetzt Tauben angeflogen kämen? Tauben müssen wir uns halten!" – "Aber denk erst, wenn ein Hund gesprungen käme! Einen Hund müssen wir uns halten!" – Von hier aus führte keine Tür ins Haus; erst vom Weg aus, der Park und Garten trennte. Hier blieben sie stehen und wandten sich noch einmal um, der weiten Landschaft zu.

In der reichsten Gegend vielleicht, die das Land besaß, der sonnenfreudigsten, da lag den beiden das eigene Heim, die Mitte des Kompasses. Ragni lugte seitwärts, ob das Pfarrhaus zu sehen sei. Keine Spur! Kallem ahnte, nach was sie sah, und lächelte. Sie hörten durch die offenen Fenster drin die Arbeiter; jetzt hörte man sie mit Radau und Gelächter die Verandatreppe herunterkommen; sie gingen auf den Flügel los, ohne die beiden zu beachten, die weiter oben standen. Sie schwatzten, probierten, mühten sich ab, unter all dem überflüssigen Gelärme, das eine Arbeit, an die die Leute nicht gewöhnt sind, zu begleiten pflegt. Dann zogen sie mit dem Flügel zur Veranda ab, und bald hörte man sie wieder auf der Treppe trampeln. Kallem und Ragni blickten in den Park; hohe, schöne Bäume und hinten zwischen den Stämmen das Krankenhaus, ein mächtiger Holzbau auf Steinfundament, mit großen, kleinscheibigen Fenstern. Dann gingen sie durch die Tür in den Garten und auf ihr eigenes Haus zu.

Zuerst ein kleines Wirtschaftsgebäude; sonst aber lag das Hauptgebäude nach allen Seiten frei.

Die Obstbäume fingen schon zu blühen an; es mußte warm sein hier oben. Und der Garten! Ragni dachte mit keinem Gedanken daran, daß der wohlbestellte Garten Josefines Werk war; sie freute sich darauf, selbst zuzugreifen. Das Haus mußte neu gestrichen werden; es sollte auch eine andere Farbe bekommen, nicht diese ärmliche gelbe. Ihr Haus, ihr Heim! Kallem trat dreimal fest auf die Erde; der Boden war sein! Er wollte gleich von hier ins Haus; aber nein, sie wollte zum Vordereingang hinein, die Verandatreppe hinauf. So gingen sie zwischen den Kisten und dem Stroh hindurch und guckten zu den Fenstern hinein. Das Haus war im Verhältnis zu seiner Länge und Breite niedrig, das Dach ragte weit vor und lag schwer darauf. Aber es war gut.

Auch die Veranda hatte keine Verhältnisse; sie war breit und die Treppe bequem.

Arm in Arm gingen die beiden hinauf; das erste, was ihnen in die Augen fiel, war eine Enttäuschung; die Eingangstür, eine Glastür, befand sich nicht in der Mitte des Zimmers, sondern ganz unten in der südlichen Wand. Sie sahen bald, daß es nicht anders möglich war, wenn die Veranda in der Mitte des Hauses liegen sollte; rechts lagen nämlich noch zwei Zimmer in einer Flucht mit dem Verandazimmer. Jetzt kamen die Männer, die den Flügel hineingetragen hatten, alle wieder heraus; sie dachten sich gleich, wer die beiden waren, und als sie Ragni erblickten, nahm erst der eine, dann nahmen alle andern Hut oder Mütze ab. Kallem grüßte, Ragni schlüpfte zu ihrem Flügel hinein, der mitten im Zimmer stand, holte den Schlüssel hervor und öffnete ihn, als müsse sie ihn gleich auf der Stelle genau prüfen; sie konnte nicht anders, sie mußte hören, ob er noch gestimmt war. Mit den Handschuhen an den Händen schlug sie Longfellows "Sweet home" an. Bei den ersten Klängen dieser Hymne an die Heimat nahm Kallem den Hut ab. Die andern sahen das, glaubten wohl, es sei ein Choral, und folgten seinem Beispiel.

Ragni hatte ihnen den Rücken zugewandt und bemerkte daher nicht, daß nun von rechts noch zwei Leute zum Vorschein kamen, ein Mann mit rundem, glänzendem Gesicht, und hinter ihm ein kleines Weibchen, das gern hereingeguckt hätte und doch auch nicht gern gesehen sein wollte. Aber jetzt öffnete sich auch die Tür gerade vor ihr, und ein Bauernmädchen spähte bescheiden herein, was das wohl für seltsame Töne sein mochten. Ragni dachte sich gleich, daß es ihr Dienstmädchen sei, das aus der Küche kam, und ging ihr entgegen. "Du bist Sigrid?" – Ja, freilich, es war Sigrid. – "Und wir sind Doktors." – "Kann mirs denken!" sagte sie und kam jetzt ganz herein, ein kräftiges, anmutiges Geschöpf. "Ist es das erstemal, daß Du bei fremden Leuten bist?" fragte Kallem. – Jawohl, es sei das erstemal. – "Und bei uns ist es das erstemal, daß wir haushalten," sagte Kallem; "das wird ganz famos gehen!"

Ragni ging mit hinaus in die Küche. Dort fiel ihr sofort ihr neues Tischservice in die Augen, das eben ausgepackt und abgewaschen war. Jetzt aber konnte sie es nicht mehr aushalten; sie ging hinaus in den Korridor und die Treppe hinauf; sie mußte allein sein. Die Tür zu ihrem Schlafzimmer stand gerade vor ihr offen; sie ging hinein und trat auf die Altane, die über der Veranda lag. Womit hatte sie solch großes Glück verdient? Was wog ihre Arbeit, ihre Sehnsucht im Vergleich zu dem, was hier in dem Haus eines reichen Mannes für sie bereit stand? Und doch – in diesem großen, unverdienten Glück war eine Angst … Auch von hier spähte sie hinüber – gen Norden. Ob das Pfarrhaus zu sehen war? Nein, es war nicht zu sehen.

Josefine hegte einen Groll gegen sie; das hatte sie sogleich gefühlt. Und ob der Bruder das auch häßlich fand – er hing doch an seiner Schwester; ja, etwas war an ihr, das er ganz besonders liebte; in solchen Dingen täuschte sie sich nie.

Kallem besah sich die Räume unten. Das Paar an der Tür rechts hatte sich wieder zurückgezogen, und die Männer waren bei der Arbeit. Das Verandazimmer war groß; die Fenster gingen auf einer Seite nach der Kirche, auf der andern nach dem Garten; aber er würde Ragni vorschlagen, jene zu verhängen. Einfarbige, hellgraue Wände, die Decke hellblau mit goldenen Sternen; die Farben waren alt; nur der Fußboden war neu gestrichen, ebenfalls hellgrau. Im Zimmer links waren sie noch dabei, frisch zu tapezieren. Was, immer noch nicht fertig? Und auch im nächsten Zimmer noch nicht? Zwei waren dort an der Arbeit, der Mann und die kleine Frau, die vorhin in der Tür aufgetaucht waren. "Guten Tag!" grüßte Kallem. "Guten Tag!" erwiderte das runde, glänzende Gesicht mit dänischem Tonfall. Kallem trat näher an den Tisch heran, vor dem der Mann stand und die Tapeten zurecht schnitt. Die Frau hielt sich dicht an seiner Seite; jetzt verkroch sie sich ganz hinter ihm. "Ist das Ihre Frau?" – "Jawohl, meine Frau; und außerdem mein Gesell; Gesell und Frau; aber meine Gesellenfrau ist sie darum doch nicht!" Das kleine Weibchen hinter ihm kicherte, wenn auch fast unhörbar. Der Mann hatte hervorstehende rollende Augen, in denen ein Schelm saß. "Ich dachte, Ihr wärt fertig." – "Man arbeitet unter Hindernissen, Herr Doktor!" Sie gluckste vor Lachen, aber immer wie aus einem dicken Pack heraus. – "Ist Ihre Frau auch Dänin?" – "Nein, Norwegerin; aber wir passen trotzdem gut zueinander." Sie duckte sich, fortwährend kichernd, noch tiefer hinunter.

Der Raum, in dem sie standen, war lang und schmal; Kallem sah sofort, daß es das Eßzimmer werden mußte, wahrscheinlich auch das Wartezimmer für die Kranken. Das dahinter, mit den Fenstern nach vornheraus und nach Südost, war selbstverständlich sein Arbeitszimmer, in dem er Patienten empfing, wenn er nicht im Krankenhaus war. Er ging gar nicht erst hinein, sondern vom Eßzimmer gleich hinaus auf den Gang. Da war rechts die Küchentür. Auf dem Küchentisch sah er eine Reihe Bierflaschen stehen; einige leer, andere noch voll. "Wem gehören die Flaschen?" – "Dem Sattler." – "Sie meinen dem Tapezierer?" – Kallem begriff mit einemmal, was da für "Hindernisse" vorgelegen hatten, und daß der Mann betrunken war, und die Frau noch mehr. Darum waren die Männer so lang im Hause geblieben, bis sie den Flügel geholt hatten! Sie waren mit Bier traktiert worden. "Bitte, rufen Sie mir den Dänen mal heraus!" Das Mädchen ging, und sofort kam auch das runde, glänzende Gesicht mit hundert Schelmen in den Augen zum Vorschein und dahinter die Frau, die einmal rechts und einmal links davon hervorguckte.

"Die Flaschen da gehören Ihnen?" – "Nicht so ganz!" – "Ihr seid also mehrere?" – "Ja – beim Trinken!" – "Aber Sie haben sie bezahlt?" – "Das Bier, ja; aber nicht die Flaschen; die muß man zurückgeben." Die Frau kicherte.

"Darf ich fragen, wie Sie heißen?" – "Sören Pedersen heiss' ich, jawohl, Sören Pedersen!" – "Also hören Sie mal, Sören Pedersen, wollen Sie mir die Flaschen da verkaufen?" – "Das Bier, meinen Sie?" – "Das Bier." – "Aber gern!" – "Dann haben wir heut Nacht doch was zu trinken; wir müssen nämlich durcharbeiten heut Nacht; wir möchten morgen fertig sein. Wir arbeiten mit. Wollen Sie?" – "Wenn der Herr Doktor befehlen." – "Und dann darf ich Sie wohl bitten, heute mit uns zu Abend zu essen?"

In drei, vier Sätzen sprang Kallem jetzt die Treppe hinauf. Ragni stand im Sonnenglanz draußen auf der Altane. Sie wandte sich nach ihm um. Er fragte, ob sie ihr Gebet verrichtet habe. Ja; sie sei fertig.

Auch er blieb ein Weilchen auf der Altane stehen und sah nach dem Inselkindchen hinaus, das da vor seiner Mutter spielte – von hier aus konnte man es sehen – auf die Bucht mit den Wasserfurchen, auf die Berge dahinter in ihrer vornehmen Ferne. Er blickte hinüber, nach rechts, wo Pastors wohnten; sie merkte es wohl. "Sie können uns doch zum Donnerwetter nicht behandeln, als ob wir nicht verheiratet wären? Nicht? Das wollen wir doch sehen!"

Sie zog ihn ins Zimmer und wies auf die Farbe der Wände in ihrem Schlafzimmer; mattweißer Ölanstrich, wie sie es sich gewünscht hatte. Alles sollte weiß sein hier oben, mit Ausnahme der langen Gardinen und Portieren, die von der Decke herab über den beiden Betten, dem Altanfenster und der Tür hängen sollten. Die waren blau in Farbe und Muster, zu den Ornamenten an den Betten und übrigen Möbeln passend. Sie wurde ganz gesprächig; aber Kallem mußte das Krankenhaus besehen; und da wollte sie mit.

Das erste, was er auszusetzen hatte, als sie im Park davor standen, waren ein paar alte schöne Bäume: die standen viel zu nah – die mußten weg. Statt ihrer sah er im Geist schon einen großen freien Platz mit einem Springbrunnen in der Mitte, von dem nach allen Seiten hin Wege in den Park führten. Das Krankenhaus war zweistöckig, gelb gestrichen, mit ungewöhnlich großen Fenstern, aber sehr kleinen Scheiben. Im Unterbau, einem mächtigen Steinsockel, war die Wohnung für die Dienerschaft und den Verwalter eingerichtet. Es sah sehr behaglich aus; Gardinen an allen Fenstern, und Blumen davor. Der Eingang befand sich an der linken Seite des Hauses; ein dichtes, hohes Gitter hegte einen sehr großen Hofraum ein. Kallem freute sich, als er längs des Gitters Ahornbäume stehen sah; er wußte, in vierzehn Tagen konnten hier amerikanische Zelte für die Kranken aufgeschlagen sein – den ganzen Sommer über.

Die Haustür war offen; kein Portier. Im Fenster der Portierloge lagen fromme Schriften und Traktate zum Verkauf aus. Kein Anschlag an der Tür, der angab, wann Besuchszeit sei für die Kranken. Den Portier sahen sie dann im inneren Hof; ein älterer Mann mit ernsten, forschenden Augen; er trug eine Brille, über die er hinwegblickte, und die er abnahm, als er merkte, wen er vor sich hatte. "Sie sind der neue Herr Doktor?" – "Ja." Jetzt nahm er auch seine Mütze ab: "Willkommen!" Der Patient, mit dem er sich eben unterhalten hatte, schlich davon; er war bleich und trug – trotz des sommerlich warmen Tags einen dicken wollenen Schal um den Hals; er hielt sich in der Entfernung, grüßte auch nicht. Der Portier ging mit ihnen.

Das Haus hatte – zu beiden Seiten eines hellen Korridors – je eine Reihe Zimmer, die nach vorn groß, die nach dem Hof zu kleiner; in beiden Stockwerken gleich. Der Portier war nicht nur Portier, sondern auch Verwalter und ältester Aufseher des Hauses. Als solcher stellte er die übrigen Beamten vor, wie sie ihnen gerade in den Weg liefen. Ganz nette Leute, Männer wie Frauen; unter den letzten zwei Diakonissinnen, – die waren die allerfreundlichsten.

Das erste, was Kallem notwendig erschien, war, das Haus von den alten, verpesteten Typhusstuben zu reinigen und einen besonderen Typhuspavillon für den Winter zu errichten. Der Operationssaal war recht hell; aber ein neuer, gebohnter Fußboden mußte sogleich gelegt werden. Der Ventilationsapparat war miserabel. Mit Ausnahme dieser und noch einiger geringerer Mängel – z.~B. die kleinscheibigen Fenster – war das Haus gut; die Zimmer hoch, die Gänge geräumig; das Ganze machte den Eindruck von Helle; es gefiel ihm sehr.

Der Krankenbestand war in Anbetracht der Jahreszeit gar nicht gering. Sein Spezialstudium, die Tuberkulose, war durch drei Patienten vertreten – zwei Knaben und ein etwa zehnjähriges Mädchen, magere, wachsbleiche, armselige Geschöpfe. Er freute sich darauf, sie bald in seine amerikanischen Zelte legen zu können. Der frühere Besitzer des Krankenhauses, der alte Doktor Kule – ein Onkel von Ragnis erstem Mann —, war gestorben. Kallem hatte es sehr billig erstanden, da sich im Augenblick niemand anders fand, der es übernehmen wollte. Hier konnte er sich einrichten und seine Zeit einteilen, ganz wie er wollte; er hatte freie Hand. Der Bezirk gab einen Beitrag; ein Komitee, bestehend aus dem Distriktsarzt und einem zweiten Arzt, führte die Oberaufsicht; aber er war ganz sein eigener Herr. Dieser erste Besuch machte ihnen beiden Freude. Sie kehrten in ihre Wohnung zurück, guten Muts und fürchterlich hungrig, nahmen in der Küche eine kleine Vespermahlzeit zu sich, tranken ein Glas Wein dazu, und dann noch eins auf das große Ereignis: daß sie zum erstenmal im eigenen Hause aßen.

Im Wohnzimmer stand noch alles bunt durcheinander. Trotzdem ging Ragni an den Flügel. Sie hatte sich – seit fünf oder sechs Jahren – ganz heimlich an Übersetzungen aus der englischen Literatur, besonders der Versliteratur versucht. Ein bißchen warm vom Wein – ein bißchen verlegen – schlug sie ein paar Akkorde an – bat ihn, sich nicht vor sie hin zu stellen – schlug wieder Akkorde an und sang mit einer kleinen, weichen Stimme, die mehr rezitierte als sang:

 
Wir sind daheim!
Unser Wesen und Sein
Soll hier blühn und gedeihn
Aus zartestem Keim!
In Dingen, Gedanken,
In Stimmen, in Blumen,
Soll alles sich ranken
Um uns.
 
 
Hier wird mein Sinn
Durch dich offenbart.
Und du, der nun sehend ward,
Sieh, wer ich bin,
Die sündig und selig-fröhlich,
Beglückt dich und kränkt,
Und stets sich versenkt
Harmonisch und selig
In dich!
 
Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
09 nisan 2019
Hacim:
380 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
İndirme biçimi:
Metin
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