Kitabı oku: «Bevor er Tötet», sayfa 7
KAPITEL ZWÖLF
An diesem Abend kam Mackenzie um kurz nach sieben Uhr nach Hause und wusste genau, dass sie zu jeder Zeit wieder in den Dienst gerufen werden konnte. Zurzeit gab es einfach so viele Möglichkeiten, so viele verschiedene Spuren, die womöglich ihre Aufmerksamkeit benötigten. Sie konnte spüren, wie ihr Körper ermüdete. Sie hatte seit ihrer Ankunft an dem ersten Ort des Verbrechens nicht mehr gut geschlafen und sie wusste, dass sie nur dumme Fehler auf der Arbeit begehen würde, wenn sie sich jetzt nicht die Zeit zum Ausruhen gönnte.
Als sie zur Tür hereintrat, sah sie, dass Zack auf der Couch mit einer Xbox-Fernbedienung in der Hand saß. Vor ihm auf dem Tisch stand eine Flasche Bier, daneben auf dem Boden zwei leere. Sie wusste, dass er den Tag frei gehabt hatte und nahm an, dass er ihn genau so verbracht hatte. In ihren Augen ließ ihn das wie ein unverantwortliches Kind erscheinen und das war nicht, was sie sehen wollte, wenn sie an einem Tag wie heute nach Hause kam.
„Hey Babe“, sagte Zack, wobei er seine Augen kaum vom Fernseher löste.
„Hey“, gab sie trocken zurück und ging in die Küche. Das Bier auf dem Kaffeetisch hatte das Verlangen nach einem eigenen in ihr geweckt. Aber da sie zu müde und gereizt war, beschloss sie, stattdessen eine Tasse Pfefferminztee zu trinken.
Während sie darauf wartete, dass das Teewasser kochte, ging Mackenzie ins Schlafzimmer und zog sich um. Sie hatte das Abendessen verpasst und erkannt nun, dass fast keine Nahrungsmittel mehr im Haus waren. Sie war schon länger nicht mehr einkaufen gegangen und sie wusste ganz genau, dass Zack keinen Gedanken daran verschwendet hatte.
Nachdem sie sich eine kurze Sporthose und ein T-Shirt angezogen hatte, verließ sie beim Klang des pfeifenden Teekessels das Schlafzimmer. Als sie das Wasser über den Beutel goss, hörte sie die gedämpften Schüsse aus Zacks Videospiel. Weil sie neugierig war und zumindest das Thema anschneiden wollte, um seine Reaktion zu sehen, konnte sie ihre Frustration nicht für sich behalten.
„Was hast du zu Abend gegessen?“, fragte sie.
„Ich habe noch nichts gegessen“, antwortete er, wobei er es nicht für nötig hielt, vom Fernseher aufzuschauen. „Willst du etwa nichts kochen?“
Sie starrte finster auf seinen Hinterkopf und fragte sich für einen Moment, was Ellington wohl gerade tat. Sie bezweifelte, dass er wie ein Loser, der nie erwachsen geworden war, Videospiele zockte. Sie wartete einen Moment, dass ihre Wut abflachte, bevor sie in das Wohnzimmer trat.
„Nein, ich werde nichts kochen. Was hast du den ganzen Nachmittag gemacht?“
Sie konnte sogar über die Explosion in seinem Videospiel hinweg sein Seufzen hören. Zack pausierte das Spiel und drehte sich schließlich zu ihr um. „Und was genau willst du damit sagen?“
„Es war nur eine Frage“, erwiderte sie. „Ich wollte wissen, was du heute Nachmittag getan hast. Wenn du nicht die ganze Zeit Videospiele gespielt hättest, dann hättest du etwas zu Abend kochen können. Oder zumindest eine Pizza bestellen können.“
„Es tut mir leid“, sagte er voller Sarkasmus. „Woher soll ich denn wissen, wann du nach Hause kommst? Du redest ja nie mit mir darüber.“
„Dann ruf halt an und frag“, schnappte sie.
„Warum sollte ich das tun?“, fragte Zack, während er die Fernbedienung fallen ließ und auf die Füße sprang. „Die paar Male, als ich dich angerufen habe, sprang sofort deine Mailbox an und du hast mich nie zurückgerufen.“
„Weil ich arbeitete, Zack“, erwiderte sie.
„Ich arbeite auch“, schoss er zurück. „Ich schufte mir in der verdammten Fabrik meinen Hintern ab. Du hast ja keine Ahnung, wie hart ich arbeite.“
„Doch, das weiß ich“, sagte sie. „Aber sag mir eines: Wann hast du mich das letzte Mal einfach nur auf meinem Hintern sitzen sehen? Ich komme nach Hause und werde normalerweise sofort mit deiner Dreckwäsche auf dem Boden oder dreckigem Geschirr in der Spüle konfrontiert. Und weißt du was, Zack? Ich arbeite auch hart. Ich arbeite verdammt hart und ich muss zudem noch jeden Tag diese Dinge sehen, bei denen du zusammenbrechen würdest. Ich kann es nicht gebrauchen, beim Nachhausekommen einen kleinen, videospielenden Jungen zu finden, der mich fragt, was es zu essen gibt.“
„Kleiner Junge?“, schreit er schon fast.
Mackenzie hatte nicht so weit gehen wollen, aber es war nun einmal geschehen. Es war die pure Wahrheit, die sie ihm nun schon seit Monaten vorenthalten hatte und jetzt, dass sie heraus war, fühlte sie sich erleichtert.
„So kommt es mir manchmal vor“, erklärte sie.
„Du Schlampe.“
Mackenzie schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück. „Du hast genau drei Sekunden, um das zurückzunehmen“, sagte sie.
„Oh, fahr zur Hölle“, entgegnete Zack, während er um den Tisch herumtrat und sich ihr näherte. Sie erkannte, dass er sie reizen wollte, aber er sollte es eigentlich besser wissen. Er wusste, dass sie ihn bei einem Kampf im Handumdrehen überwältigen konnte, das sagte er ihr immerhin immer wieder, wenn er ihr vorhielt, was ihn an ihrer Beziehung störte.
„Wie bitte?“, fragte Mackenzie, fast schon in der Hoffnung, dass er aggressiv werden und sie angreifen würde. Im selben Moment sah sie etwas ganz deutlich, nämlich, dass ihre Beziehung vorbei war.
„Du hast mich gehört“, sagte er. „Du bist nicht glücklich, genauso wenig wie ich. Das geht schon länger so, Mackenzie. Und ehrlich gesagt, habe ich genug davon. Ich habe genug davon, an zweiter Stelle zu kommen und ich weiß, dass ich nicht mit deiner Arbeit konkurrieren kann.“
Sie sagte nichts, da sie ihn nicht provozieren wollte. Vielleicht hatte sie Glück und der Streit wäre bald vorbei, womit ihre Beziehung zu einem Ende kommen würde, das sie beide wollten, ohne sich zu prügeln.
Schließlich sagte sie nur: „Du hast Recht. Ich bin nicht glücklich. Im Moment habe ich keine Zeit dafür, mit einem Freund zusammenzuleben. Und ich habe definitiv keine Zeit für solche Auseinandersetzungen.“
„Dann tut es mir leid, deine Zeit vergeudet zu haben“, sagte Zack leise. Er hob seine Bierflasche hoch, trank sie leer und stellte sie mit einem Knall auf den Tisch – so hart, dass Mackenzie befürchtete, das Glas könnte brechen.
„Ich denke, du solltest jetzt gehen“, meinte Mackenzie. Sie sah ihm in die Augen, damit er wusste, dass sie nicht mit sich verhandeln ließ. Bei vergangenen Auseinandersetzungen hatte er schon fast seine Sachen gepackt und war gegangen. Aber diesmal musste es wirklich passieren. Diesmal würde sie sichergehen, dass es keine Entschuldigungen, keinen Versöhnungs-Sex und keine manipulativen Unterhaltungen gab, bei denen sie betonten, wie sehr sie sich doch gegenseitig brauchten.
Zack wandte schließlich seinen Blick von ihr ab, wobei er stinksauer aussah. Trotzdem sorgte er dafür, ein paar Zentimeter Platz zwischen ihnen zu lassen, als er an ihr vorbei ins Schlafzimmer stürmte. Mackenzie hörte ihm von der Küche aus zu, wo sie ihren Tee umrührte.
Das bin ich also geworden, dachte sie. Alleine, kalt und emotionslos.
Sie runzelte die Stirn, denn sie hasste die Unvermeidbarkeit des Ganzen. Sie hatte einmal einen Mentor gehabt, der sie vor so etwas gewarnt hatte – dass ihre Leben zu beschäftigt und hektisch für irgendeine Art einer gesunden Beziehung werden würde, wenn sie eine Karriere bei der Polizei anstrebte.
Nach ein paar Minuten hörte Mackenzie, wie Zack zu sich selbst murmelte. Als sich die Schubladen im Schlafzimmer öffneten und schlossen, hörte sie die Worte verdammte Schlampe, arbeitssüchtig und herzloser verdammter Roboter.
Die Worte taten weh (sie versuchte gar nicht, vorzugeben, dass dem nicht so sei), doch sie ließ sie an sich abprallen. Anstatt sich auf sie zu fokussieren, begann sie, die Unordnung, die Zack im Laufe des Tages veranstaltet hatte, aufzuräumen. Sie räumte die leeren Flaschen sowie das dreckige Geschirr und ein paar dreckige Socken weg, während der Mann, der all das hier verursacht hatte – ein Mann, in den sie sich einmal verliebt hatte – vor sich hin flüchte und sie vom Schlafzimmer aus beschimpfte.
*
Um acht Uhr dreißig war Zack verschwunden, eine Stunde später lag Mackenzie im Bett. Sie checkte ihre E-Mails und sah, dass Nelson und ein paar andere Polizisten Berichte ausgetauscht hatten, doch nichts davon verlangte ihre sofortige Aufmerksamkeit. Zufrieden, dass sie vielleicht sogar ein paar Stunden ununterbrochenen Schlaf bekommen könnte, schaltete Mackenzie ihre Nachttischlampe aus und schloss ihre Augen.
Probeweise streckte sie ihre Hand aus und betastete die leere Seite des Bettes. Dass dort niemand lag, störte sie nicht zu sehr, da er aufgrund seiner Schichtarbeit oft nicht hier war, wenn sie ins Bett ging. Aber jetzt, da sie wusste, dass er für immer verschwunden war, schien das Bett viel größer zu sein. Als sie ihren Arm ausstreckte und die leere Seite des Bettes spürte, fragte sie sich, wann sie begonnen hatte, ihn nicht mehr zu lieben. Es war mindestens schon einen Monat her, das wusste sie sicher. Aber sie hatte nichts gesagt, weil sie gehofft hatte, dass das, was zwischen ihnen einmal gewesen war, vielleicht wieder aufflammen könnte.
Doch stattdessen hatten sich die Dinge verschlimmert. Sie dachte oft, dass Zack gespürt hatte, dass sie sich von ihm distanzierte, als ihre Gefühle für ihn nachgelassen hatten. Aber Zack war nicht der Typ Mensch, der so etwas akzeptierte. Er vermeid Konflikte so gut es ging und, so sehr sie es auch hasste, es zuzugeben, war sie ich ziemlich sicher, dass er so lange wie möglich hiergeblieben war, weil er Angst vor der Veränderung hatte und zu faul gewesen war, auszuziehen.
Während sie über diese Dinge nachdachte, klingelte ihr Handy. Großartig, dachte sie. So viel zu meinem Schlaf.
Sie schaltete ihre Nachttischlampe wieder an und erwartete, Nelsons oder Porters Nummer auf ihrem Display zu sehen. Oder vielleicht war es ja Zack, der sie bat, ihn zurückzunehmen. Doch stattdessen sah sie eine unbekannte Nummer.
„Hallo?“, fragte sie und bemühte sich, nicht müde zu klingen.
„Hi Detective White“, erklang die Stimme eines Mannes. „Hier ist Jared Ellington.“
„Oh, hi.“
„Rufe ich zu spät an?“
„Nein“, erwiderte sie. „Was ist denn los? Gibt es etwas Neues?“
„Nein, leider nicht. Ich habe sogar die Nachricht bekommen, dass wir die Ergebnisse der Holzanalyse nicht vor morgen früh erhalten werden.“
„Nun ja, immerhin wissen wir jetzt, wie der Tag morgen anfängt“, sagte sei.
„Genau. Hören Sie, ich wollte Sie fragen, ob wir uns zum Frühstück treffen könnten“, meinte er. „Ich würde gerne die Details des Falles mit Ihnen besprechen. Ich will sichergehen, dass wir dasselbe denken und kein Detail übersehen.“
„Natürlich“, antwortete sie. „Um wie viel Uhr – “
Sie brach ab und schaute zur Schlafzimmertür.
Eine Sekunde lang hatte sie etwas da draußen gehört. Wieder hatte sie das Knarzen dieser verdammten Diele gehört. Aber sogar noch mehr, sie hatte auch ein schlurfendes Geräusch vernommen. Langsam kletterte sie aus dem Bett, wobei sie das Telefon an ihr Ohr hielt.
„White, sind Sie noch dran?“, fragte Ellington.
„Ja, ich bin noch dran“, sagte sie. „Tut mir leid. Ich wollte wissen, um wie viel Uhr wir uns treffen wollen.“
„Wie wäre es um sieben Uhr in Carols Diner? Wissen Sie, wo das ist?“
„Ja, sagte sie, während sie zur Tür ging. Sie schaute hinaus, doch sah nur Schatten und dunkle, verschwommene Umrisse. „Sieben Uhr hört sich gut an.“
„Wunderbar“, erwiderte er. „Dann bis morgen.“
Sie hörte ihn kaum als sie aus dem Schlafzimmer hinaus in den kleinen Flur, der zur Küche führte, trat. Trotzdem brachte sie noch ein „Bis dann“, heraus, bevor sie auflegte.
Sie schaltete das Licht im Flur an, was die Küche erhellte und das Wohnzimmer gleichzeitig in einen trüben Schein tauchte. Genau wie ein paar Nächte zuvor war niemand dort. Aber um sicher zu gehen, betrat sie das Wohnzimmer und schaltete auch dort das Licht an.
Natürlich war niemand dort. Im Raum gab es keine Möglichkeit, sich u verstecken und die einzige Veränderung, die Mackenzie auffiel, war das Fehlen der Xbox, die Zack mitgenommen hatte. Mackenzie schaute sich noch ein weiteres Mal im Raum um, denn sie mochte die Tatsache nicht, dass sie sich so leicht erschrecken ließ. Sie lief sogar über die knarzende Diele, um das Geräusch mit dem, das sie gehört hatte, zu vergleichen.
Sie überprüfte, ob die Eingangstür verschlossen war, und ging anschließend zurück ins Schlafzimmer. Sie warf noch einen Blick hinter sich, bevor sie die Lichter löschen und sich schlafen legen wollte. Bevor sie ihre Lampe ausschaltete, nahm sie ihre Dienstwaffe aus dem Nachttischkästchen und legte sie darauf, sodass sie problemlos nach ihr greifen konnte.
Sie schaute sich im Dämmerlicht des Schlafzimmers um und wusste, dass sie ihre Waffe nicht brauchte, aber sich trotzdem sicherer fühlte, wenn sie sie sah.
Was war nur mit ihr los?
KAPITEL DREIZEHN
„Daddy? Daddy, ich bin’s. Wach auf.“
Mackenzie betrat das Schlafzimmer und machte sich auf etwas gefasst. Gleichzeitig wandte sie den Blick von ihrem toten Vater ab.
„Was ist passiert, Daddy?“
Ihre Schwester befand sich ebenfalls in dem Raum und stand auf der anderen Seite des Bettes, wo sie ihren Vater mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck ansah.
„Steph, was ist passiert?“, fragte Mackenzie.
„Er hat nach dir gerufen und du bist nicht gekommen. Es ist deine Schuld.“
„Nein!“
Mackenzie trat vor und kroch, obwohl sie wusste, wie verrückt es war, auf das Bett, wo sie sich an ihren Vater kuschelte. Sie wusste, dass sein Körper bald kalt und blass sein würde.
Mackenzie schreckte auf, der Alptraum hatte sie um 3:12 Uhr morgens schweißüberströmt aus dem Schlaf gerissen. Sie saß dort schweratmend und komplett verwirrt, und begann zu weinen.
Sie vermisste ihren Vater so sehr, dass es wehtat.
Sie saß dort alleine und weinte sich in den Schlaf.
Aber sie wusste, dass es noch Stunden dauern würde, bis sie wieder einschlief. Wenn überhaupt.
Aber auf seltsame Weise sehnte sie sich danach, den Fall neu aufzurollen. Wenn es nur nicht so sehr wehtun würde.
*
Als Mackenzie in paar Stunden später bei Carol’s Diner ankam, war sie wach und aufgeweckt. Als sie über den kleinen Tisch hinweg Agent Ellington betrachtete, war es ihr peinlich, wie sehr ihr Alptraum sie mitgenommen und wie leicht sie sich gestern Abend gefürchtet hatte. Was zur Hölle war nur los mit ihr?
Sie wusste, was es war. Der Fall nahm sie mit, weckte alte Erinnerungen, von denen sie eigentlich angenommen hatte, dass sie schon verarbeitet waren. Es beeinflusste ihre Lebensweise. Sie hatte von andern gehört, denen so etwas passiert war, aber hatte es bis jetzt noch nicht selbst erfahren.
Sie fragte sich, ob Ellington jemals so etwas durchgemacht hatte. Von ihrer Seite des Tisches, sah er ordentlich und professionell aus – genau, wie Mackenzie sich einen FBI Agenten vorstellte. Er war durchtrainiert aber kein Muskelprotz, er war selbstsicher aber nicht arrogant. Es fiel ihr schwer, sich vorzustellen, dass ihn irgendetwas sehr mitnehmen würde.
Er bemerkte ihr starren und erwiderte ihren Blick, anstatt peinlich berührt wegzuschauen.
„Was ist?“, fragte er.
„Nichts, wirklich“, sagte sie. „Ich frage mich nur, wie es sein muss, zu wissen, dass man mit nur einem einzigen Anruf das FBI dazu bringen kann, sich mit einem Fall zu beschäftigen, der mich mehrere Stunden Überzeugungsarbeit kosten würde, damit sich die eigene Polizeibehörde damit beschäftigt.“
„Es läuft nicht immer so glatt“, entgegnete Ellington.
„Nun ja, bei diesem Fall scheint das FBI motiviert zu sein“, meinte Mackenzie.
„Das ritualisierte Vorgehen an den Tatorten schreit geradezu nach einem Serienmörder“, sagte er. „Und jetzt, da eine weitere Leiche gefunden wurde scheint es, dass genau so etwas vorliegt.“
„War Nelson entgegenkommend?“, wollte sie wissen.
Ellington lächelte, wodurch sein Charme unter seinem sorgsam beherrschten Äußeren zum Vorschein kam. „Er versucht es. Manchmal ist es einfach schwer, aus der Kleinstadt-Mentalität auszubrechen.“
„Davon könnte ich ein Lied singen“, warf Mackenzie ein.
Die Kellnerin kam um ihre Bestellungen aufzunehmen. Mackenzie entschied sich für ein vegetarisches Omelett, wohingegen sich Ellington eine große Frühstücksplatte bestellte. Nun, da sie keine Ablenkung mehr hatten, faltete Ellington seine Hände und beugte sich vor.
„Also“, meinte er. „Wo genau stehen wir bei dem Fall?“
Mackenzie wusste, dass er ihr eine Chance gab, ihm zu zeigen, wie sie arbeitete. Es lag in seiner Stimme und in dem kleinen Lächeln, das kaum seine Mundwinkel verzog. Er sah auf raue Weise gut aus und Mackenzie fühlte sich leicht unwohl bei der Tatsache, dass ihre Augen immer wieder zu seinem Mund wanderten.
„Wir müssen erst einmal auf Hinweise waren und sie dann unter die Lupe nehmen“, antwortete sie. „Das letzte Mal, als wir dachten, einen vielversprechenden Hinweis zu haben, entpuppte er sich als komplett falsch.“
„Aber ihr habt einen Kerl gefangen, der Kinderpornographie vertrieb“, stellte Ellington klar. „Dann war es also nicht komplett umsonst.“
„Das stimmt. Aber trotzdem, ich nehme an, dass Sie die Hierarchie auf unserer Polizeiwache bemerkt haben. Wenn ich den Fall nicht bald löse, werde ich sehr lange in meiner Position feststecken.“
„Da wäre ich mir nicht so sicher. Nelson hat eine sehr hohe Meinung von Ihnen. Ob er es nun vor den anderen Polizisten zugeben würde oder nicht ist eine andere Sache. Deshalb soll ich Ihnen helfen. Er weiß, dass Sie es schaffen können.“
Zum ersten Mal wandte sie den Blick ab. Sie wusste nicht, wie sie diesen Fall lösen sollte, wenn sie bei jedem kleinen Geräusch in ihrem Haus erschrak und mit ihrer Waffe auf dem Nachttischkästchen schlief.
„Ich denke, wir sollten mit der Holzprobe anfangen“, sagte sie. „Wir besuchen, wer auch immer in der Gegend diese Art Holz verkauft, bis hin zu den Holzfällern. Wenn das nichts bringt, werden wir damit anfangen müssen, Hailey Lizbrooks Kolleginnen zu befragen.“
„Gute Ideen“, erwiderte er. „Ich werde Nelson ebenfalls vorschlagen, Undercover-Polizisten in einigen der Stripclubs in einem Radius von einhundert Meilen einzusetzen. Wir können ein paar Agenten aus der Polizeiwache in Omaha hinzuziehen. Beim Durchsehen alter Fälle – was Sie laut Nelson in einem früheren Treffen perfekt gemeistert haben – können wir schließen, dass wir nach einem Mann suchen, der es auf Prostituierte abgesehen hat. Wir können nicht einfach annehmen, dass es nur Stripperinnen sind.“
Mackenzie nickte, obwohl sie so langsam anzweifelte, dass der Fall in den 80ern, bei dem eine Prostituierte an eine Holzstange angebunden war, mit diesem Fall etwas zu tun hatte. Trotzdem war es schön, zu hören, dass ein erfahrener Agent ihre Bemühungen schätzte.
„Okay“, sagte Ellington. „Ich muss Sie das jetzt fragen.“
„Was denn?“
„Es ist offensichtlich, dass Sie hier untergraben werden. Aber es ist auch offensichtlich, dass Sie hart arbeiten und sich auf Ihrem Gebiet auskennen. Sogar Nelson hat mir gesagt, dass Sie eine seiner vielversprechendsten Detectives sind. Ich habe mir Ihre Akte angeschaut, wissen Sie? Ich war von allem, was ich sah, beeindruckt. Warum bleiben Sie also hier, wo Sie nur verspottet werden und keine faire Chance erhalten, wenn Sie doch sofort an einem anderen Ort als Detective arbeiten könnten?“
Mackenzie zuckte mit den Schultern. Das hatte sie sich selbst schon häufig gefragt und die Antwort war zwar morbide aber einfach. Sie seufzte, denn sie wollte sich nicht damit beschäftigen, aber zur selben Zeit wollte sie die Chance nicht vertun. Sie hatte in paar Mal mit Zack über ihre Gründe, hier zu bleiben, gesprochen – damals, als sie noch miteinander sprachen – und Nelson kannte einen Teil ihrer Geschichte. Aber sie konnte sich nicht daran erinnern, wann jemand sie das letzte Mal dazu aufgefordert hatte, darüber zu reden.
„Ich wuchs am Rande Omahas auf“, begann sie. „Meine Kindheit war…nicht die beste. Als ich sieben Jahre alt war, wurde mein Vater getötet. Ich fand seine Leiche im Schlafzimmer.“
Ellington zog die Augenbrauen zusammen, sein Gesicht war voller Mitleid.
„Das tut mir leid“, sagte er sanft.
Sie seufzte.
„Er war Privatdetektiv“, fügte sie hinzu. „Zuvor war er jedoch fünf Jahre lang Streifenpolizist gewesen.“
Er seufzte ebenfalls.
„Meiner Theorie nach hat mindestens jeder fünfte Polizist eine Art ungelöstes Trauma in seiner Vergangenheit, das mit einem Verbrechen zusammenhängt“, meinte er. „Dieses Trauma löst bei ihnen das Verlangen aus, zu schützen und zu dienen.“
„Ja“, erwiderte Mackenzie, sie war sich nicht sicher, wie sie auf die Tatsache, dass Ellington sie ihn weniger als zwanzig Sekunden analysiert hatte. „Das kann gut möglich sein.“
„Wurde der Mörder deines Vaters je gefunden?“, fragte Ellington.
„Nein. Von den Akten zu schließen, die ich gelesen habe, und dem bisschen, was meine Mutter mir erzählte, ermittelte er eine kleine Gruppe, die Drogen von Mexiko ins Land schmuggelte. Der Fall wurde noch eine Weile weiterverfolgt, doch nach drei Monaten aufgegeben. Das war alles.“
„Das tut mir leid“, sagte Ellington.
„Als ich dann erkannte, dass es im Justizsystem viele fahrlässige, schlampige Arbeit gab, wollte ich in der Strafverfolgung, genauer gesagt als Detective, arbeiten.“
„Dann hast du deinen Traum mit fünfundzwanzig erreicht“, entgegnete Ellington. „Das ist beeindruckend.“
Bevor sie darauf antworten konnte, brachte die Kellnerin das Essen. Sie stellte die Teller hin und als Mackenzie begann, ihr Omelett zu verputzen, war sie überrascht zu sehen, dass Ellington ein stilles Gebet sprach.
Sie musste ihn unwillkürlich anstarren, während er seine Augen geschlossen hielt. Sie hatte ihn nicht für einen religiösen Mann gehalten und ihn beim Beten vor dem Essen zu beobachten, berührte irgendetwas in ihr. Sie warf einen Blick auf seine linke Hand, doch sah keinen Ehering. Sie fragte sich, wie sein Leben wohl war. Hatte er eine Junggesellenhöhle mit Biervorrat im Kühlschrank, oder war er mehr der Typ Mann, der einen Weinschrank und IKEA Regalen hatte, in denen sich eine Mischung aus klassischer und zeitgenössischer Literatur befand?
Sie arbeitete hier mit einem offenen Buch. Es interessierte sie viel mehr, wie er FBI Agent geworden war. Sie fragte sich, wie er sich im Verhörraum oder im Hitze des Gefechts, wenn Waffen gezogen waren und der Verdächtige entweder kurz davorstand, sich zu ergeben, oder das Feuer zu eröffnen. In dieser Hinsicht wusste sich nichts über Ellington – und das war spannend.
Als er seine Augen öffnete und begann zu essen, wandte Mackenzie den Blick ab und richtete ihn auf ihr Essen. Doch sie konnte sie nicht lange beherrschen.
„Okay, was ist mit dir?“, fragte sie. „Warum hast du dich für einen Job beim FBI entschieden?“
„Ich war ein Kind der Achtziger“, erwiderte Ellington. „Ich wollte wie John McClane und Dirty Harry werden, nur mit mehr Raffinesse.“
Mackenzie lächelte. „Das sind großartige Vorbilder. Gefährlich, aber riskant.“
Er wollte gerade etwas erwidern, als sein Telefon klingelte.
„Entschuldigung“, sagte er, während er in seine Jackentasche griff und sein Telefon herausholte.
Mackenzie hörte der einseitigen Unterhaltung zu, die sich als sehr kurz herausstellte. Nach ein paar zustimmenden Bemerkungen und schnellen Dankes legte er auf und schaute verloren auf sein Essen.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie.
„Ja“, antwortete er. „Allerdings müssen wir das hier mitnehmen. Die Ergebnisse der Holzanalyse sind angekommen.“
Er schaute sie direkt an.
„Das Holzunternehmen, von dem sie stammen, befindet sich weniger als eine halbe Stunde entfernt.“