Kitabı oku: «Bevor er Tötet», sayfa 9

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KAPITEL SECHSZEHN

Mackenzie fühlte sich in Ellingtons Gegenwart ein wenig fehl am Platze und seltsamerweise verstärkte sich das Gefühl noch, als sie zwei Stunden später nebeneinander in einer Bar saßen. Sie wusste, dass sie beide müde und leicht erschöpft aussahen, womit sie sich gut an die restliche Kundschaft anpassten. Sie waren nicht die einzigen, die gut angezogen waren, manche Menschen kamen direkt von der Arbeit, weshalb sie ebenfalls Anzüge oder Kostüme trugen.

Schwaches Nachmittagslicht fiel durch die zwei Fenster auf der anderen Seite der Bar, aber das Neon hinter der Bar und die Spiegelung der Deckenlampen in den Alkoholflaschen erschufen diese Stimmung.

„Irgendeine Idee, wie Pope so schnell von dem Tatort erfahren haben könnte?“, fragte Ellington sie.

„Keine Ahnung. Auf dem Polizeirevier muss es einen Maulwurf geben.“

„Das denke ich auch“, meinte Ellington. „Und deshalb verstehe ich nicht, wie Nelson so hart mit dir ein kann. Du hättest keineswegs wissen können, dass die Bewegung zwischen den Bäumen ein Journalist war. Vor allem nicht, wenn Pope so davonrannte.“

„Lass uns das hoffen“, entgegnete sie.

Mackenzie wusste, dass sie noch gut davongekommen war. Ihr Vorgesetzter hatte gesehen, wie sie den fettleibigen und wehrlosen Journalisten grob auf den Boden gedrückt hatte. Und obwohl Pope nur einen kleinen Schnitt an der Schläfe, von seinem Sturz auf die Wurzel, davongetragen hatte, und sich auf Privateigentum befunden hatte, war es immer noch Grundlage für eine Bestrafung. Trotzdem hatte sie das Äquivalent eines Schlages auf die Finger erhalten. Sie hatte schon gesehen, wie Nelson weitaus schlimmere Strafen ausgeteilt hatte. Es ließ jedoch die Frage in ihr aufkommen, wie viel Vertrauen er in sie hatte. Dass er sie ihres Weges geschickt hatte, während Ellis Pope wahrscheinlich Beschwerdeanrufe tätigte, sprach Bände.

Natürlich hatte er ebenfalls verlangt, dass sie ihm aus den Augen und woanders hingehen solle, bevor sie den nächsten armen Kerl anfiel, der ihr zufällig über den Weg lief. Da sie ein kleines Fluchtfenster gesehen hatte, bevor er seine Entscheidung, sie den Fall weiter ermitteln zu lassen, ändern konnte, hatte sie genau das getan.

Während sie so verantwortungsbewusst wie möglich an einem in der Gegend gebrauten Bier nippte, versuchte sie sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal in eine Bar gegangen war, um der Welt zu entkommen. Normalerweise verwendete sie die Arbeit für solche Zwecke – etwas, das sie viel leichter zugeben konnte, nun, da Zack nicht mehr in ihrem Leben war. Aber jetzt, da sie für eine Weile von der Arbeit weggeschickt wurde, fühlte es sich surreal an, in der Bar zu sitzen.

Es war sogar noch seltsamer, neben einem FBI Agenten zu sitzen, den sie erst gestern kennengelernt hatte. In der kurzen Zeit, die sie mit Agent Ellington verbracht hatte, hatte sie schon einiges über ihn herausgefunden. Zum einen war er ein traditioneller Mann: er öffnete ihr die Türen, fragte immer erst nach ihrer Meinung, bevor er eine Entscheidung traf, bezeichnete alle Menschen, die älter waren als es mit Sir oder Ma’am und schien auch einen Beschützerinstinkt für sie entwickelt zu haben. Als sie die Bar betreten hatten, machten zwei Männer kein Hehl daraus, dass sie sich auscheckten. Als Ellington dies bemerkte, trat er neben sie, womit er den anderen ihre Sicht nahm.

„Sie wissen schon, warum die Männer auf ihrer Polizeiwache so gemein zu Ihnen sind, nicht wahr?“, fragte Ellington.

„Ich nehme an, dass sie einfach so erzogen wurden“, entgegnete Mackenzie. „Wenn ich keine Schürze anhabe und ihnen ein Sandwich oder ein Bier bringe, was für einen Nutzen habe ich dann?“

Er zuckte mit den Schultern. „Das könnte auch ein Grund sein, aber nein, ich denke, es liegt an etwas Anderen. Ich glaube, sie fühlen sich von dir eingeschüchtert. Sogar noch mehr, ich denke, dass einige von ihnen Sie richtig fürchten. Sie haben Angst, dass Sie sie dumm und unfähig aussehen lassen.“

„Wie kommen Sie darauf?“

Er schenkte ihr ein kleines Lächeln. Und auch wenn es nichts Romantisches an sich hatte, war es schön, auf diese Weise angeschaut zu werden. Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann Zack sie zuletzt so angesehen hatte – wie etwas, das man schätzen und nicht ausnutzen oder tolerieren sollte.

„Lassen Sie uns das Offensichtliche aus dem Weg schaffen: Sie sind jung und eine Frau. Sie sind praktisch der neue Computer, der ins Büro kommt und allen die Arbeit wegnimmt. Außerdem habe ich gehört, dass Sie ein laufendes Wörterbuch in Sachen Forensik und Ermittlungen sind. Neben Sie dann die Jagd auf den armen Polizisten heute dazu und wir haben das Ergebnis. Sie sind eine neue Rasse und die anderen sind alte Hunde. So die Richtung sehe ich das.“

„Dann haben sie also Angst vor dem Fortschritt?“

„Mit Sicherheit. Ich bezweifle zwar, dass sie es selbst jemals so sehen würden, aber im Grunde ist es das.“

„Soll ich das als Kompliment auffassen?“, fragte sie.

„Natürlich. Ich wurde nun zum dritten Mal mit einem hochmotivierten Detective zusammengetan und Sie sind bisher die engagierteste und zielstrebigste, die ich je gesehen habe. Ich bin froh, dass wir zusammenarbeiten.“

Sie nickte nur, denn sie wusste noch nicht, wie sie mit seinen Komplimenten und Einschätzungen umgehen sollte. Bei der Arbeit war er sehr professionell und vorschriftsmäßig – nicht nur bei seiner Herangehensweise an den Fall, sondern auch bei seinem Umgang mit ihr. Aber jetzt, da er etwas entspannter war, fiel es Mackenzie schwer zwischen Ellington im Dienst und in seiner Freizeit zu unterscheiden.

„Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, zum FBI zu gehen?“, fragte Ellington.

Die Frage erstaunte sie, weshalb sie für einen Moment sprachlos war. Natürlich hatte sie darüber nachgedacht. Das war ihr Kindheitstraum. Aber selbst als zielstrebige Zweiundzwanzigjährige, die eine Karriere in der Strafverfolgung vor sich hatte, war das FBI wie ein ferner Traum erschienen.

„Anscheinend schon, hm?“, meinte er.

„Ist es denn so offensichtlich?“

„Ein wenig. Es scheint Ihnen peinlich zu sein. Daran erkenne ich, dass Sie schon einmal mit dem Gedanken gespielt, ihn jedoch nie verfolgt haben.“

„Es war einmal mein Traum“, gab sie zu.

Es war ihr peinlich, das zuzugeben, aber etwas an der Art, wie er sie zu lesen schien, sorgte dafür, dass es ihr nicht so viel ausmachte.

„Sie haben die Fähigkeiten dafür“, sagte Ellington.

„Danke“, gab sie zurück. „Aber ich denke, meine Wurzeln hier sind zu fest. Ich glaube, es ist zu spät.“

„Es ist nie zu spät.“

Er schaute sie mit professionellem und intensivem Blick an.

„Soll ich ein Wort für dich einlegen und schauen, ob es auf interessierte Ohren fällt?“

Sein Angebot machte sie sprachlos. Einerseits wollte sie es mehr als alles andere auf der Welt, aber andererseits brachte es ihre alten Unsicherheiten wieder auf. War sie überhaupt qualifiziert genug, um für das FBI zu arbeiten?

Langsam schüttelte sie den Kopf.

„Danke“, sagte sie. „Aber nein.“

„Warum nicht?“, wollte er wissen. „Ich will ja nicht zu schlecht von Ihren Kollegen sprechen, aber sie nutzen Sie aus und behandeln Sie schlecht.“

„Was würde ich beim FBI machen?“, fragte sie.

„Sie wären eine ausgezeichnete Agentin“, meinte er. „Vielleicht sogar ein Profiler.“

Mackenzie schaute gedankenverloren und überwältigt in ihr Bier. Sie war sprachlos und hatte das Gefühl, über vieles nachdenken zu müssen. Was, wenn sie wirklich eine Agentin werden konnte? Wie sehr würde sich ihr Leben ändern? Wie schön wäre es, eine Arbeit zu haben, die sie liebte, ohne von hinderlichen Männern, wie Nelson oder Porter, zurückgehalten zu werden?

„Geht es Ihnen gut?“, fragte Ellington.

Sie seufzte, während sie weiterhin in ihr dunkles Bier starrte. Sie dachte einen Moment an Zack und konnte sich nicht einmal an die letzte bedeutsame Unterhaltung mit ihm erinnern. Wann hatte er sie zuletzt so aufgebaut, wie Ellington es gerade tat? Und überhaupt, wann hatte zuletzt irgendein Mann sie in ihrer Gegenwart so gelobt?

„Ja, alles in Ordnung“, antwortete sie. „Ich schätze Ihre Worte wirklich sehr. Sie haben mir viel Stoff zum Nachdenken gegeben.“

„Gut“, erwiderte Ellington mit sanfter Stimme und ohne zu zögern. „Aber gestatten Sie mir eine Frage: Haben Sie sich schon immer selbst zurückgehalten?“

„Ich glaube nicht, dass es an mir liegt“, meinte sie. „Ich denke es ist nur…ich weiß es nicht. Vielleicht meine Vergangenheit?“

„Der Tod Ihres Vaters?“

Sie nickte.

„Das ist ein Teil davon“, stimmte sie ihm zu.

Es sind auch meine zahlreichen gescheiterten Beziehungen, dachte sie, aber es erschien ihr unangebracht, das zu erwähnen. Während sie darüber nachdachte fragte sie sich plötzlich, ob es zwischen den beiden Dingen eine Verbindung gab – zwischen dem Tod ihres Vaters und ihren Beziehungen. Vielleicht ließ sich ja doch alles auf seinen Tod zurückführen.

Würde sie jemals darüber hinwegkommen? Sie wüsste nicht wie. Egal, wie viele Verbrecher sie hinter Gitter brachte, nichts schien zu helfen.

Er nickte, als ob es sie verstehen könnte.

„Ich verstehe“, meinte er.

Dann grinste sie ihn an, damit er wusste, dass sie scherzte, und fragte ihn: „Versuchen Sie etwa meine Psyche zu analysieren, Agent Ellington?“

„Nein, ich rede nur mit Ihnen. Ich höre zu. Nichts weiter.“

Mackenzie trank ihr Bier aus und schob das Glas zum Rand der Bar. Der Barkeeper nahm es, füllte es auf und stellte es wieder vor ihr ab.

„Ich weiß, dass mich der Fall deshalb so sehr mitnimmt“, fügte sie hinzu. „Ein Mann missbraucht Frauen. Vielleicht nicht sexuell, aber er fügt ihnen Schmerzen und Scham zu, als ob er damit eine gestörte Aussage machen will.“

„Haben Sie schon einmal an einem ähnlichen Fall gearbeitet?“

„Ja. Ich meine, ich wurde schon bei häuslicher Gewalt gerufen, bei denen ein Ehemann ziemlich grob mit seiner Frau umging, und ich habe auch schon zwei Frauen nach einer Vergewaltigung befragt. Aber nichts wie dieser Fall.“

Sie nahm einen Schluck von ihrem Bier und erkannte, dass sie zu schnell trank. Sie hatte noch nie viel Alkohol getrunken und dieses Bier – das dritte an diesem Abend – brachte sie an eine Grenze, die sie seit ihrer Zeit auf dem College vermieden hatte.

„Ich weiß nicht, ob meine Intuition Ihnen hilft“, bemerkte Ellington, „aber dieser Kerl wird in ein paar Tagen gefasst sein. Da bin ich mir ziemlich sicher. Er wird zu dreist und eine dieser Spuren wird schließlich zum Ziel führen. Außerdem ist die Tatsache, dass Sie diese Ermittlung leiten, ein großes Plus.“

„Wie können Sie so sicher sein?“, fragte sie. „Meine Leistung meine ich? Und warum sind Sie so nett?“

Er schenkte ihr neues Selbstvertrauen und stärkte zur selben Zeit einen Charakterzug an ihr, den sie für einen ihrer schlechten Eigenschaften hielt. Sie wusste, dass sie Männern gegenüber, die ihr Komplimente machten, in die Defensive ging, vor allem, weil diese Männer es häufig nur auf eines abgesehen hatten. Als sie sah, dass Ellington sie anlächelte, dachte sie, dass es gar nicht so schlecht wäre, wenn er diese eine Sache wollte. Sie begann sogar zu glauben, dass sie es sehr genießen würde. Natürlich würde er morgen zurückgehen und sie sah ihn wahrscheinlich nie wieder.

Vielleicht brauche ich genau das, dachte sie. Eine Nacht. Keine Gefühle, keine Erwartungen, einfach nur ein dunkler und zu guter FBI Agent, um wahr zu sein, der immer die richtigen Dinge sagte –

Sie drängte den Gedanken zurück, weil er, ehrlich gesagt, viel zu verlockend war. Dann wurde ihr bewusst, dass Ellington ihre Frage, warum er zu ihr so nett war, immer noch nicht beantwortet hatte.

Er verkniff sich sein Lächeln und gab ihr schließlich die Antwort.

„Weil du eine Pause verdienst. Ich bekam meine Position, weil ein Freund von mir einen Freund hatte, der den stellvertretenden Leiter des FBI kannte. Und ich kann Ihnen garantieren, dass die Hälfte der Neandertaler auf Ihren Polizeirevier das gleiche von sich sagen können.“

Sie lachte und das Geräusch ließ sie erkennen, dass sie kurz davorstand, ihre Grenze zu überschreiten. Während sie versuchte, sich zu erinnern, wann sie das letzte Mal betrunken gewesen war, trank sie das Glas leer und schob es zum Rand der Bar. Doch als er Barkeeper es nachfüllen wollte, schüttelte sie mit dem Kopf.

„Kannst du fahren?“, fragte sie. „Ich vertrage nicht viel. Tut mir leid.“

„Ja, kein Problem.“

Als der Barkeeper mit ihren Rechnungen kam, schnappte sich Ellington schnell ihre, bevor sie danach greifen konnte. Während sie ihn beobachtete, beschloss sie, herauszufinden, wie eine emotionslose Nacht mit einem traumhaften Mann sein könnte. Immerhin hatte sie nun ihr Haus und Bett für sich alleine. Was konnte schon schiefgehen?

Sie gingen hinaus zum Auto und Mackenzie bemerkte, dass Ellington ziemlich nahe an ihr lief. Er hielt ihr die Tür auf, was ihn in ihren Augen noch liebenswerter erscheinen ließ. Als er die Tür schloss und zur Fahrerseite ging, lehnte Mackenzie ihren Kopf gegen die Stütze am Sitz und holte tief Luft. Von einem verlassenen Haus, hinter dem eine tote Frau an eine Stange gefesselt war, zu einer möglichen Nacht mit einem Mann, den sie erst gestern kennengelernt hatte – war das alles wirklich in weniger als vierundzwanzig Stunden passiert?

„Ihr Auto steht noch auf der Polizeiwache, nicht wahr?“, fragte Ellington.

„Das stimmt“, erwiderte sie. In diesem Moment begann ihr Herz schnell zu schlagen, weshalb sie hinzufügte: „Aber wir kommen sowieso bei meinem Haus vorbei – wenn Sie möchten, können wir auch dort anhalten.“

Er sah sie verwirrt an und seine Mundwinkel schienen sich nicht zwischen einem Lächeln und einer Grimasse entscheiden zu können. Es war offensichtlich, dass er ihren Vorschlag verstanden hatte; sie zweifelte nicht daran, dass er solche Angebote schon vor ihr erhalten hatte.

„Oh Gott“, sagte und rieb seinen Kopf. „Um Ihnen meinen starken Willen und Charakter noch mehr zu beweisen, werde ich Ihnen nun sagen, dass ich verheiratet bin.“

Mackenzie warf einen Blick auf seine linke Hand – die gleiche Hand, die sie schon in der Bar mehrmals betrachtet hatte, nur um sicherzugehen. Er trug keinen Ring.

„Ich weiß“, sagte er. „Ich trage den Ring nie auf der Arbeit. Ich hasse es, wie er sich anfühlt, wenn ich nach meiner Waffe greife.“

„Oh mein Gott“, sagte Mackenzie. „Ich bin – “

„Nein, es ist schon in Ordnung“, entgegnete er. „Und glauben Sie mir, ich fühle mich geschmeichelt. Ich meinte alles, was ich in der Bar gesagt habe. Und obwohl ich weiß, dass mich mein primitiver männlicher Instinkt den Rest meines Lebens verfluchen wird, so liebe ich meine Frau und meine Tochter doch sehr. Ich glaube, ich – “

„Können Sie mich einfach zu meinem Auto bringen?“, fragte Mackenzie peinlich berührt. Sie schaute aus dem Fenster und wollte am liebsten schreien.

„Es tut mir leid“, sagte Ellington.

„Das muss es nicht. Es ist meine Schuld. Ich hätte es besser wissen sollen.“

Er startete den Motor und fuhr vom Parkplatz. „Besser als was?“, wollte er wissen, während sie zur Polizeistation fuhren.

„Nichts“, entgegnete sie und weigerte sich ihn anzusehen.

Aber in dieser Stillen, die schwer im Auto lag, dachte sie: Ich hätte es besser wissen sollen, als anzunehmen, dass so schönes wahr sein kann.

Während sie still zur Wache fuhren, wollte sie sich am liebsten zusammenrollen und sterben, sich hassen und sich fragen, ob sie gerade die beste Möglichkeit, die sich für sehr, sehr lange Zeit in ihrem Leben ergeben würde, vertan hatte.

KAPITEL SIEBZEHN

Am nächsten Tag wachte Mackenzie durch das Piepen einer empfangenen Nachricht auf. Sie war schon einmal wach gewesen und hatte sich ihre Unterwäsche angezogen. Als sie nun nach ihrem Handy griff, um die Nachricht zu lesen, wurde ihr ganz bange, denn sie sah, dass sie von Ellington war.

Ich bin auf dem Heimweg. Ich rufe später wegen dem Fall an.

Sie spielte mit dem Gedanken, ihn auf der Stelle anzurufen. Sie wusste, dass sie sich gestern wie eine unreife Jugendliche verhalten hatte. Verdammt, sie war noch nicht einmal wirklich zurückgewiesen worden. Ellington war lediglich seinem Charakter treu geblieben, womit sie treuer Ehemann zu der langen Liste seiner bewundernswerten Eigenschaften hinzufügen konnte.

Schließlich verwarf sie diese Idee jedoch wieder. Es war ihr immer noch peinlich und sie fühlte sich geschlagen, was nicht häufig vorkam. Der Mörder war immer noch da draußen und sie waren bei den Ermittlungen noch immer keinen Schritt weiter als vor drei Tagen. Sie hatte ihren Freund verloren, mit dem sie seit drei Jahren zusammengewohnt hatte, und hätte vierundzwanzig Stunden später fast etwas mit einem FBI Agent angefangen. Als ob das nicht schon genug wäre, hatte sie gesehen, wie ihre Zukunft sein könnten, wenn sie mit Ellington zusammen wäre, wie ihr Job sein könnte, wenn sie respektiert und geschätzt wurde. Nun war all das verschwunden.

Jetzt hatte sie nur Porter und Nelson vor sich, die sie inmitten eines Falles, der ihr unter die Haut ging, Zweifel entgegenbrachten.

Als sie sich ein T-Shirt anzog, setzte sich auf das Bett und schaute zu ihrem Handy. Plötzlich wollte sie nicht Ellington anrufen, sondern jemand anderen – einen Menschen, der dasselbe Trauma und Gefühl des Versagens hatte, das sie so gut kannte.

Mit einem Kloß im Hals nahm Mackenzie ihr Handy von der Kommode und scrollte durch ihre Kontakte. Als sie zu dem Namen Steph kam, drückte sie auf ANRUFEN und hätte fast sofort wieder aufgelegt.

„Mackenzie“, meldete sich Stephanie. „Es ist noch früh.“

„Du schläfst nie länger als fünf“, bemerkte Mackenzie.

„Das stimmt. Aber ich wollte nur anmerken, dass es noch früh ist.“

„Tut mir leid“, sagte sie, was in ihren Unterhaltungen mit Steph häufig vorkam. Nicht, weil sie es wirklich so meinte, sondern weil Steph geschickt darin war, Schuldgefühle über die banalsten Dinge bei ihren Gesprächspartnern auszulösen.

„Was hat Zack diesmal getan?“, fragte Steph.

„Es ist nicht Zack“, entgegnete Mackenzie. „Wir haben uns getrennt.“

„Gut“, sagte Steph nüchtern. „Er war sowieso nur Platzverschwendung.“

Für einen Moment schwiegen beide. Es war offensichtlich, dass es Steph auch nichts ausgemacht hätte, in ihrem ganzen Leben nie wieder mit ihrer Schwester zu reden. Das hatte sie schon mehrmals deutlich gemacht. Sie hassten sich nicht wirklich, aber ihre Unterhaltungen brachten immer wieder die Vergangenheit auf. Und die Vergangenheit war etwas, vor dem Steph die meiste Zeit ihrer dreiunddreißig Jahre davongelaufen war.

Wie immer hörte sich Steph am Telefon verschlafen an.

„Kein Grund für Details. Wir können die Rechnungen kaum bezahlen. Mein alkoholsüchtiger Freund verprügelt mich gerne, ich habe ständig Migräne. Wovon soll ich dir erzählen?“

Mackenzie holte tief Luft.

„Nun ja, wie wäre es mit dem gewalttätigen Freund?“, fragte Mackenzie. „Warum zeigst du ihn nicht wegen häuslicher Gewalt an?“

Steph lachte nur. „Zu viel Ärger. Nein danke.“

Mackenzie zwang sich dazu, ihre Meinung zu anderen Themen für sich zu behalten. Dazu gehörten: Wie wäre es, wenn du wieder zurück auf die Universität gehst und an deinem Abschluss arbeitest, damit du aus deinem aussichtslosen Job herauskommst? Aber jetzt war nicht der richtige Moment für solche Ratschläge. Jetzt, über das Telefon, würden die Dinge oberflächlich bleiben. Beide hatten vor langer Zeit gelernt, dass es so besser war.

„Also, raus damit“, sagte Steph. „Du rufst nur an, wenn dein Leben gerade nicht funktioniert. Ist es, weil du dich von Zack getrennt hast? Wenn ja, dann sage ich dir, dass es deine beste Entscheidung seit langem war.“

„Das ist ein Teil davon“, entgegnete Mackenzie. „Aber es liegt auch an diesem Fall, der mir unter die Haut geht, wie ich es noch nie erlebt habe. Ich fühle mich dadurch, ich weiß nicht, unfähig. Und dann gibt es auch noch die Tatsache, dass ich gestern einen verheirateten Mann in mein Bett eingeladen habe und – “

„Hat er dich flachgelegt?“, unterbrach Steph sie.

„Steph! Ist das alles, was du mitbekommen hast?“

„Es war das interessanteste. Wer war es?“

„Ein FBI Agent, der uns bei dem Fall helfen sollte.“

„Oh“, meinte Steph, für die die Unterhaltung schon zu Ende war. Etwa fünf Sekunden lang herrschte Stille, bevor sie ihre Frage wiederholte: „Also, hat er dich nun flachgelegt?“

„Nein.“

„Autsch“, entgegnete Steph.

„Hast du keine Lust zu reden?“

„Nicht wirklich. Ich meine, wir kennen uns ja kaum, Mackenzie. Was willst du von mir?“

Mackenzie seufzte voller Traurigkeit.

„Ich will meine Schwester“, sagte sie, womit sie sich selbst überraschte. „Ich will eine Schwester, die ich anrufen kann und die mich hin und wieder anruft und mir von dem ekligen Kerl auf der Arbeit erzählt, der seine Hände nicht bei sich behalten kann.“

Steph seufzte. Dieses Geräusch schien die vollen achthundert Meilen, die zwischen ihnen lagen, zu überqueren und sie direkt ins Gesicht zu schlagen.

„Das bin nicht ich“, sagte Steph. „Du weißt, dass Dad jedes Mal, wenn wir reden, aufkommt. Und von dem Moment an geht alles den Bach runter. Es wird sogar noch schlimmer, wir reden über Mom.“

Das Wort Mom schien ihr ebenfalls über das Telefon ins Gesicht zu schlagen. „Wie geht es ihr?“, fragte Mackenzie.

„So wie immer. Ich habe letzten Monat mit ihr gesprochen. Sie hat mich nach Geld gefragt.“

„Hast du ihr welches geliehen?“

„Mackenzie, ich habe kein Geld, das ich ihr leihen könnte.“

Wieder herrschte Schweigen. Mackenzie hatte Steph schon mehrmals Geld angeboten, doch jeder Versuch wurde nur von Spott, Wut und Verachtung gestraft, weshalb Mackenzie nach einer Weile einfach aufgehört hatte, es anzubieten.“

„Ist das alles?“, frage Steph.

„Eine Sache noch“, erwiderte Mackenzie.

„Was denn?“

„Als du mit Mom geredet hast, hat sie mich auch nur einmal erwähnt?“

Steph war eine Weile ruhig, bevor sie antwortete. Als sie es tat, lag wieder dieser schläfrige Ton in ihrer Stimme. „Willst du dir das wirklich antun?“

„Hat sie nach mir gefragt?“, wollte Mackenzie mit lauterer und schärferer Stimme wissen.

„Das hat sie. Sie fragte mich, ob du ihr vielleicht Geld leihen würdest. Ich sagte ihr, sie solle dich selbst fragen. Das war es.“

Traurigkeit überkam Mackenzie. Das war alles, was ihre Mutter je von ihr gewollt hatte.

Sie hielt sich das Telefon ans Ohr, während sie spürte, wie sich die Tränen in ihren Augen sammelten, und sie nicht wusste, was sie sagen sollte.

„Hör zu“, meinte Steph. „Ich muss jetzt wirklich los.“

Und die Leitung war tot.

Mackenzie warf das Telefon auf das Bett und starrte es einen Moment lang an. Die Unterhaltung hatte nicht einmal fünf Minuten gedauert, sich doch wie eine Ewigkeit angefühlt. Trotzdem war sie seltsamerweise besser verlaufen als sie vorherigen, bei denen sie über die Familie gestritten und sich gegenseitig die Schuld für den Absturz ihrer Mutter und den Tod ihres Vaters zugeschoben hatten. Und doch war dieser Anruf auf eine Weise schlimmer gewesen.

Sie dachte über die Jahre nach, die zwischen dem Tod ihres Vaters und der Einweisung ihrer Mutter in eine psychiatrische Klinik lagen. Als dies geschah, war Mackenzie siebzehn Jahre alt und Steph auf der Uni gewesen, wo sie auf einen Abschluss in Journalismus hinarbeitete. Danach hatte sich die Lage zwischen den dreien verschlechtert, doch Mackenzie war die einzige gewesen, die das überstanden und das Beste aus den schwierigen Umständen gemacht hatte.

Als sie sich fertig anzog, dachte sie an ihre Mutter und fragte sich, warum die arme Frau sie so sehr hasste. Es war eine Frage, die sie tief in sich vergrub und mit der sie sich nur beschäftigte, wenn sie äußerst deprimiert war.

In dem Versuch, nicht an diesen Punkt zu gelangen, nahm sie ihr Handy, ihren Polizeiausweis und die Waffe. Dann ging sie entschlossen zur Arbeit. Aber was würde sie dann machen? Was wäre ihr nächster Schritt?

Zum ersten Mal, seit sie zum Detective befördert worden war, hatte sie das Gefühl, in einer Sackgasse festzustecken.

Sackgasse, dachte sie, wobei sich in ihrem Geist eine Idee formte.

Sie dachte über den Feld weg nach, an dem das zweite Opfer gefunden worden war. War dieses Feld nicht zu einer Sackgasse geworden?

Und wie war es bei dem verlassenen Haus? Die steinige Straße, die zu dem Ort führte, an dem das dritte Opfer ermordet worden war, endete in einem kleinen dreckigen Viereck vor dem Haus in einer Sackgasse.

„Sackgasse“, sagte sie laut, als sie das Haus verließ.

Und plötzlich wusste sie, wohin sie gehen musste.

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Yaş sınırı:
16+
Litres'teki yayın tarihi:
10 ekim 2019
Hacim:
251 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9781632919618
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