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Kitabı oku: «Robert Blum», sayfa 11

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10. Die Reaction unter Könneritz. Die deutsch-katholische Bewegung
(1843–1845.)

Die ersten Schläge der neuen Sächsischen Regierung suchten die verhaßte Oppositionspresse zu zermalmen, an ihren Leitern Rache zu nehmen. Eine Reihe der kühnsten Blätter und Zeitschriften wurde einfach unterdrückt. Den Vaterlandsblättern wurde mit sofortiger Unterdrückung gedroht, falls sie in der bisherigen Richtung fortführen. Da sie sich nicht irre machen ließen, bescheerte ihnen der Minister später, gerade zu Weihnachten 1845, die angedrohte Vollziehung der Unterdrückung. Hatte man nicht das Recht und noch weniger die Moral auf seiner Seite, so hatte man doch die Macht, und der alte Spruch: „Es gibt Richter in Berlin“, vor dem schon die absolute Laune eines Friedrichs des Großen sich ehrfurchtsvoll beugte, hatte für einen Herrn von Könneritz nichts zu bedeuten, da der Sächsische Richterstand mit allem Herzeleid und aller Unbill, die der Presse angethan wurde, eben einfach nichts zu thun hatte.

In gleich grausamer und und schonungsloser Weise wurde gegen die der Regierung mißliebigen Schriftsteller verfahren, die das Unglück hatten, nicht innerhalb der grün-weißen Grenzpfähle geboren zu sein. Sie wurden einfach ausgewiesen oder, unter der Abforderung eines bündigen Versprechens für künftiges Wohlverhalten, mit sofortiger Ausweisung bedroht. Die letztere unwürdige Zwangsmaßregel wurde z. B. gegen Blum’s treuen Mitkämpfer Ludwig Steger angewendet. Offen erklärte der Minister des Innern vor der Kammer: Der deutsche „Ausländer“ habe kein Recht in Sachsen zu weilen, seine Duldung hänge von der Gnade der Polizei ab.

Sofort wurde auch Robert Blum vom reichverdienten Zorn der Reaction betroffen. Ein zu Anfang Januar 1843 in den „Vaterlandsblättern“ erschienener Leitartikel Blums hatte eine in mancher Beziehung eigenthümliche Strafuntersuchung gegen ein armes Dienstmädchen behandelt, und daran die entschiedene Forderung nach Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Strafverfahrens geknüpft. Die in jenem Artikel gegebene Sachdarstellung des Processes war – wie Blum freilich nicht wußte und nicht wissen konnte – in der Hauptsache unrichtig. Das stellte sich später heraus. Sowie Könneritz das Staatsruder ergriffen hatte, wurde wegen dieses Artikels den Vaterlandsblättern eine jener famosen Berichtigungen zugesandt, durch welche sich Herr von Könneritz, wenn auch durch sonst nichts, Anspruch auf Unsterblichkeit in der Geschichte der deutschen Stilistik und Grammatik erworben hat, und weiter wurde derselbe Artikel noch im September 1843 zum Gegenstand einer Strafuntersuchung gegen „den Theatersecretär Robert Blum und Consorten“ gemacht. Der Inhalt dieser Acten54 ist so charakteristisch für jene Zeit und nebenbei auch so unterhaltend, daß es sich wirklich verlohnt, dabei eingehender zu verweilen. Der neue sächsische Premier hatte persönlich als Chef des Justizministeriums den Strafantrag „wegen öffentlicher Beleidigung des sächsischen Richterstandes“ gegen den verhaßten Leipziger Theatersecretär gestellt und die Einleitung der Untersuchung veranlaßt.

Blum leugnete seine Urheberschaft keinen Augenblick, berief sich aber in seinen eigenen Auslassungen und den „Schutzschriften“ seines Advocaten Paul Römisch sowohl auf seinen guten Glauben bei Veröffentlichung jenes Rechtsfalles, als auf das berechtigte politische Interesse, das er in jenem Artikel wahrgenommen habe. Darauf erfloß am 22. Febr. 1844 von dem hohen Appellationsgericht Leipzig ein Erkenntniß erster Instanz, in welchem Blum zu zwei Monaten Gefängniß verurtheilt wurde, und zwar hauptsächlich aus folgenden Erwägungen: „Hat Blum demnach diesen Fall als Beleg dafür angeführt, daß man ‚der guten alten Zeit‘ – dem im Königreich Sachsen bestehenden Strafverfahren (!) – ‚für schlechte Juristen ein Ende machen, und die traurige Heimlichkeit – für Unfähigkeit und Härte – begraben solle‘, so liegt darin offenbar eine Verunglimpfung der königlich sächsischen Justizbehörden (?) … Erwägt man nun, daß diese Beleidigung dem Richterstande im Königreich Sachsen überhaupt (?) und in Bezug auf seine amtliche Thätlichkeit (!) in einem öffentlichen Blatte, überdies unter Anführen unwahrer Thatsachen zugefügt worden und dabei die Absicht Blumens (!), dadurch Mißtranen in deren gehörige Wirksamkeit hervorzurufen, nicht zu verkennen“, so &c.

Auch das königliche Oberappellationsgericht bestätigte, indem dasselbe sich unter Anderem auf die Decision neunundachzig vom Jahre – 1661! und auf Leyser’s Meditationen berief, die Strafe von zwei Monaten Gefängniß, überließ aber dem Untersuchungsgericht die Bestimmung, ob und in wieweit diese Strafe in Geld verwandelt werden könne. Nach den Rationen des höchsten Gerichtshofes hatte freilich das Vereinigte Criminalamt thatsächlich keine Wahl. Es mußte einfach die Gefängnißstrafe vollstrecken. In den Gründen der höchsten Instanz findet sich eine sehr bemerkenswerthe Stelle, welche besser als lange Abhandlungen beweist, welches Maß von Denkfreiheit dem beschränkten Unterthanenverstande damals zugebilligt wurde, wenn der Inhaber dieses Verstandes nicht Gefahr laufen wollte, in’s Gefängniß zu kommen. „An sich,“ heißt es da, „können Angriffe gegen das schriftliche und geheime Strafverfahren nicht nur als ein erlaubtes und keineswegs strafbares Unternehmen, sondern auch, nach Beschaffenheit der Umstände (!) und unter den erforderlichen (!) Voraussetzungen [einer gewissenhaften und unparteiischen (!) Darstellung und Erwägung der dafür (!) und dagegen streitenden Gründe, unter Beziehung auf wahre Thatsachen und von einer dazu gehörig qualificirten Person (!)], selbst als ein nützliches (!) und preiswürdiges Unternehmen angesehen werden. Eine solche, Beifall verdienende Tendenz aber kann dem in Frage stehenden Aufsatze und dem Verfasser desselben nicht beigelegt werden“!

Uns Heutigen will freilich scheinen, daß es hiernach überhaupt beinahe so schwierig gewesen sei, die „erforderlichen Voraussetzungen“ für eine „unparteiische“ Kritik jener Gesetzesschäden in einer Menschenseele zu vereinigen, als die Bedingungen zur Wählbarkeit in den hochpreislichen Landtag des Fürstenthums Liechtenstein, nach der damals bestehenden Verfassung. Denn dazu gehörte, außer einem nicht unbeträchtlichen Vermögen und der Absolvirung des Schwabenalters, auch eine nachweisbar „verträgliche Gemüthsart“.

Nicht ohne Galgenhumor sind die schriftlichen Eingaben Blum’s zu den Acten, durch die wenigstens im Gnadenwege eine Verwandlung der Freiheitsstrafe in Geld angerufen werden sollte. Die Vollstreckung der langen Gefängnißstrafe wäre in der That für ihn leicht zur Vernichtung seiner ganzen bürgerlichen Existenz geworden. Denn am 15. Mai 1844 war Ringelhardt’s Pachtzeit in Leipzig abgelaufen, und Dr. med. Schmidt, ein geistvoller edler Mann, der das Höchste auf der Schaubühne anstrebte, zugleich in seinem Fache durch Begründung einer noch heute bestehenden gelehrten medicinischen Zeitschrift berühmt, hatte das Theater in Leipzig übernommen und war eben Blum’s Principal geworden, als dieser seine Strafe antreten sollte. Blum malte nun die Geschäftsunkunde des Dr. Schmidt dem Vereinigten Criminalamt in den leuchtendsten Farben. Auf ihm, Blum, ruhe die ganze Ordnung aller Staatsangelegenheiten – des Leipziger Theaters. Er und Schmidt müßten fortwährend circa fünfzehn Schneider und Schneiderinnen bewachen und beobachten, zudem dieselbe Anzahl von Tischlern und Zimmerleuten, welche „die höchst unvollkommene und defecte Maschinerie“ mit den Anforderungen des Jahrhunderts zu versöhnen suchten. Endlich falle Blum allein zur Last „die Herstellung, Uebernahme und Ordnung aller Waffen, Rüstungen, Federn, Stiefeln, Sandalen, Perrücken, Bärte (!) und aller sonstigen Bestandtheile des Inventars.“

Auf das Vereinigte Criminalamt machte diese Unmasse von Schneidern, Bärten, Arbeitern &c. sichtlich einen tiefen Eindruck, denn es befürwortete die Strafverwandlung. Das Gesammtministerium, unter Könneritz’ Vorsitz, entschied über das Gnadengesuch, da der König verreist war. Es verwandelte die Strafe zur Hälfte in eine Geldstrafe von 20 Thalern. Die übrigen vier Wochen mußte Blum absitzen. Er fing am 26. October damit an, kam aber erst am 8. December damit zu Ende, weil er alle Augenblicke, unter allen möglichen Vorwänden, herausgelassen zu werden verlangte. Zuletzt enthalten die Acten gar keine Gründe mehr, wenn er seine Haft unterbricht. Kein Groschen für „Atzung“ findet sich in der Rechnung des „Stockmeisters“ gebucht. Warum, werden wir gleich sehen. Blum selbst schreibt nämlich aus diesem fidelen Gefängniß am 23. November 1844 an seine Schwester Margaretha Selbach: „Arbeit habe ich genug, an Unterhaltung fehlt mir’s nicht und meine Freunde besuchen mich schaarenweise. Da kommt tagtäglich ein Theil derselben, bringt mir ein anständiges Frühstück mit Weinen aller Art und wir essen, trinken, lachen und singen ein paar Stunden zusammen. Abends kommt meine Frau von fünf bis acht Uhr, oft die Kinder oder Agnes“ (seine Stiefschwester, deren Vater Schilder kurz zuvor gestorben war), „und so geht ein Tag nach dem andern hin. Die Sache ist kindlich dumm und nützt mir viel mehr, als sie mir schadet. Ich habe am Schillerfeste an der Tafel von etwa vierhundert Theilnehmern den Vorsitz geführt und man hat mir zugejubelt, wie’s selten Jemand geschehen ist. Es hat Niemand nur die Wimper gezuckt oder sich ein Wort erlaubt. Und sonst waren die Worte ‚Gefängniß‘ und besonders ‚Criminal‘ entsetzliche Dinge. Die Bürgerschaft aber hat mich eben zum Wahlmann gewählt und binnen acht Tagen bin ich – höchst wahrscheinlich55 – Stadtverordneter.“ – Am 8. December wurde er „nach vorgängiger Verwarnung vor Rückfall aus dem Arrest entlassen.“

Die persönlichen Verhältnisse Blum’s hatten sich in der hier in Rede stehenden Zeit (bis 1844) immer günstiger gestaltet, so daß er sich schon 1843 in Leipzig ein eigenes Hausgrundstück (Nr. 8 der Eisenbahnstraße, unmittelbar an der Leipzig-Dresdner Bahn gelegen) erwerben konnte. Der große Garten bot Blum reiche Gelegenheit selbst zu graben und zu pflanzen, was er so gern that. Auch seiner Liebhaberei für die Züchtung edler Tauben konnte er hier behaglich obliegen. Hier wurde ihm sein drittes Söhnchen geboren, das jedoch kaum ein Jahr alt der tückischen Bräune erlag. Als ihm ein Jahr nach diesem schmerzlichen Verluste seine Gattin das einzige Töchterchen schenkte, freute er sich des Glückes nicht in dem Grade wie früher. Er hatte auf Ersatz für den todten Knaben gehofft. „Das Vaterland braucht Männer,“ sprach er zu den Freunden. Man stand damals in der Aufregung, welche die Leipziger Augusttage hinterlassen hatten. Unser nächstes Capitel wird davon handeln.

Sein neues Heim in der Eisenbahnstraße bildete bald den gastlichen Herd, an dem wohl jeder Gesinnungsgenosse Leipzigs und ganz Deutschlands, der Leipzig berührte, einmal gesessen und sich des gesunden bürgerlichen Familienlebens erfreut hat, das Blum das seine nannte. Mancher schwerverfolgte Pole hat hier sein geächtetes Haupt geborgen. Selbst der verwöhnte Schlemmer Herwegh fühlte sich wohl da. Hoffmann von Fallersleben war schon in der Funkenburg heimisch gewesen und kam hier so oft er konnte. Schon am 10. April 1842 hatte er Blum beim Scheiden mit prophetischem Blick die schönen Verse hinterlassen:

An Robert Blum
 
Ja, immer Friede mit den Guten,
Und mit den Bösen immer Krieg!
Herr, führ’ uns in der Hölle Gluten,
Nur immer führ’ uns, Herr, zum Sieg!
 
 
Laß Recht und Freiheit nicht verderben
Und fallen durch der Feinde Hand,
Laß lieber uns im Kampfe sterben
Und rette Du das Vaterland!
 

Auch größere Gesellschaften tagten und nachteten hier, wegen deren Frau Eugenie in Küche und Keller sich gewaltig anstrengen mußte, so einmal auch der Geheimbund, der 1839 in Mainz gestiftet worden war; Itzstein, Hecker, Jacoby, die beiden schlesischen Grafen Reichenbach, Heinrich Simon u. A. und viele namhafte Sachsen nahmen daran Theil.

Den Seinen in Köln ließ Blum bei jeder Gelegenheit erfreuliche Beweise seines ökonomischen Wachsthums in Gestalt kleiner Geschenke und Geldspenden zukommen. Seiner Briefe an die Eltern (vornehmlich an die kranke Mutter) und Geschwister sind gleichwohl wenige. Theils fehlte es ihm an Zeit, theils drückte ihn das Gefühl, daß er über die Angelegenheiten, welche im Vordergrund seines Interesses standen, über die politischen und kirchlichen Fragen der Zeit sich nicht ergehen konnte, ohne zu verletzen oder Theilnahmlosigkeit zu begegnen. Für die kindliche und brüderliche Liebe des Briefstellers sind gleichwohl auch diese Briefe rühmlich und interessant wegen manchen Schlaglichtes, das sie auf seinen Charakter, auf seine Weltanschauung werfen. So schreibt er z. B. seiner älteren Stiefschwester Elise (geb. 1819, S. 52), als ihm diese glückselig anvertraut hatte, sie sei mit einem Abiturienten verlobt, folgenden köstlichen Brief (13. Juli 1842):

„Daß Du von Deiner Liebe nie läßt, daß sie ewig dauert – nun, das versteht sich ja von selbst; wer einem Mädchen, die zum Erstenmale sich vergafft hat, Vernunft predigen will, der muß mit seiner Zeit schlecht hauszuhalten wissen. Zum Glück dauern diese Ewigkeiten nur bis sie – aus sind, worüber selten Jemand graue Haare erhält. Ich will Dir prophetisch vorhersagen, daß Deine Ewigkeit nicht über das erste Studiensemester Deines Geliebten hinauswährt; wenn sie an nichts Anderem verbleicht, so stirbt sie an der Langweiligkeit Eurer Liebesbriefe, die stets dasselbe enthalten. Wir alten Leute sind ein fatales Volk, daß wir so schonungslos in Euren Blüthen wühlen. Ihr glaubt uns nicht und habt Recht, aber unser trockner Ernst hat das Gute, daß er Euch wenigstens davor bewahrt, vor Schmerz zu sterben wenn die reizenden Farben verblassen … Ich halte die ernste Liebe eines Schülers für eine Pflichtwidrigkeit, denn mit der ernsten Liebe übernimmt der Mann heilige und schwere Pflichten, bei deren Uebernahme er seine Kräfte und Mittel wohl wägen muß; wer demnach noch nicht in die Möglichkeit versetzt ist, diese Pflichten zu erfüllen, der nimmt – um bei dem rein materiellen Vergleiche zu bleiben – etwas an, was er nicht bezahlen kann, und diese Handlung nenne ich nicht redlich. Aber es ist noch eine andere Seite der Sache vorhanden: Die Liebe ist für einen jungen Mann, der noch nicht feststeht im Leben, mit seinem Wollen und Streben, seiner Ueberzeugung und seinem Charakter noch nicht ganz im Klaren ist, nur ein Ballast, ein hemmendes Bleigewicht, das er nachschleppt. Das Vaterland, sein Volk, die Ehre, die Freiheit, die Wahrheit, das Recht, sie alle haben gerechtere Ansprüche an den jungen Mann, als ein Mädchen; für alle diese Güter muß er sein Leben ungescheut in die Schanze schlagen können, wenn er ein wahrer Mann werden will; das kann er aber nicht, wenn er sein Leben thörichterweise verpfändet hat, ehe er seinen Werth und seine Bestimmung kannte. Daß wir solche Männer leider sehr wenige haben, ist unser Unglück, aber es stimmt meine Forderung nicht herab. Wenn die Schüler sich „für ewig“ vergeben, so müssen wir Dreißiger von Staatswegen angehalten werden, uns Krücken anzuschaffen. Ich bin sehr glücklich und zufrieden in meiner Häuslichkeit, aber ich habe sie erst dann begonnen, als ich meiner Frau auf das Bestimmteste erklärt, daß ich sie und meine Kinder verlasse, sobald eine höhere Pflicht mich ruft und dies steht so fest bei mir – allerdings auch bei meiner Frau – daß selbst die Gewißheit, daß die Meinen betteln müssen, mich nicht einen Augenblick abhalten würde, mein Leben einer großen Sache, meinem Vaterlande zu weihen. Glaubst Du, daß diese Auffassung des Lebens mich nicht berechtigt, von dem, der mir als ein „würdiger Bruder“ präsentirt wird, etwas mehr Ernst zu verlangen, als hier vorliegt; daß er sich erst für’s Leben rüstet, ehe er seine Blüthen naschen will?“

Ebenso characteristisch sind folgende Aeußerungen am Schlusse eines überaus herzlichen Glückwunschschreibens an seine Schwester Gretchen (2. Jan. 1844), vor deren Hochzeit mit Selbach. Es heißt da:

„Mit Rathschlägen und Ermahnungen will ich diesen Brief nicht füllen. Nur das Eine muß ich Dir sagen: wie alles Glück der Welt, in der geistigen, wie in der körperlichen, so wurzelt das Glück der Liebe auch in der Freiheit. Je selbstständiger der eine Gatte neben dem andern steht, um so inniger sind Beide verbunden; je weniger Opfer der angeborenen Eigenthümlichkeiten und Neigungen verlangt werden, um so freudiger werden sie gegeben. Trage die Gewohnheiten Deines bisherigen Lebenskreises, in welchem Dein Wort und Deine Ansicht oft unbedingt und allein galt56 nicht in Deine Ehe über und vergiß nie, daß des wahren Mannes Herz von der Häuslichkeit und der Kinderstube nicht ausgefüllt werden kann und darf. Er hat an das Leben und das Leben an ihn andere Ansprüche als das Weib und ihn diesen entziehen zu wollen, heißt die Natur seines Wesens, also auch sein Glück und Wohl zerstören.“

Eine so kühne und entschlossene Mannesseele gehörte dazu, um mit der unscheinbaren Kraft eines schlichten deutschen Bürgers den Kampf aufzunehmen, den in unseren Tagen das ganze deutsche Reich mit seiner gewaltigen Staatsmacht seit seinem Bestehen kämpft: den Kampf mit Rom.

Nicht aus lebhaftem Interesse für die inneren Angelegenheiten der katholischen Kirche ist Robert Blum in diesen Kampf eingetreten. Er selbst erinnerte sich kaum noch, daß er katholisch sei; seine Kinder hatte er protestantisch taufen lassen; über den starren katholischen Kirchenglauben der Mutter hatte er in den Briefen an seine Braut schon 1839 hart und bitter geurtheilt. Aber die herausfordernde Anmaßung, welche seit dem für Preußen so schmählichen Ende der Kölner Bischofswirren und seit der sichtbarlichen Begünstigung der katholischen Hierarchie unter Friedrich Wilhelm dem Vierten und selbstverständlich auch in Dresden die katholische Kirche überall in Deutschland gegenüber dem Fortschritte und der Aufklärung zur Schau trug, rüttelte auch die kirchlich Gleichgültigsten auf. Die sächsische Regierung begünstigte sichtlich das „Volksblatt“ und den „Bayard,“ von denen das erstere ein hierarchisches orthodoxes Lutherthum, das letztere die rohesten ultramontanen Bestrebungen vertrat, beide mit einer Niedrigkeit der Gesinnung, einer Gemeinheit des Ausdrucks und einem zelotischen Fanatismus, wie sie bis dahin in Sachsen niemals erlebt waren. Das war aber nur die passive Seite der Regierungsthätigkeit; die active machte sich bald in derselben Richtung geltend. Als nun gar im Jahre 1844 Bischof Arnoldi von Trier es wagte, ein altes Stück Tuch unter dem Namen des heiligen Rockes auszuhängen, und eine große Wallfahrt dahin zu arrangiren, um einen großen Ablaß als Gegenleistung zu bieten – da ging ein Schrei der Entrüstung durch die ganze gebildete Welt, denn die Nerven für derlei Wunderdinge waren damals noch nicht so abgestumpft wie heute nach all den Wunderblutungen, Kirschbaum- und Höhlenmadonnen &c. Am 15. August 1844 erschien in den „Sächsischen Vaterlandsblättern“ ein „Offenes Sendschreiben an den Bischof Arnoldi von Trier“, unterzeichnet von einem unbekannten katholischen Priester Johannes Ronge, in welchem die Ausstellung des heiligen Rockes ein den Aberglauben und Fanatismus beförderndes Götzenfest genannt wurde.

Zu gleicher Zeit erfuhr man, daß schon am 22. August der Caplan Czerski in Schneidemühl in Posen mit einem Theile seiner Gemeinde aus der katholischen Kirche ausgeschieden war. Schon am 19. October vereinigten sich die Ausgetretenen zu einer christlich-apostolisch-katholischen Gemeinde. Am 15. December folgte in Breslau unter Führung des ordentlichen Professors des canonischen Rechtes, Regenbrecht, ein Massenaustritt und am 4. Februar 1845 daselbst die Constituirung einer deutsch-katholischen Gemeinde, die schon im März 1845 zwölfhundert Mitglieder zählte. Sie berief Ronge, der natürlich inzwischen mit allen Kirchenstrafen belegt worden war und bei dem edeln schlesischen Grafen Reichenbach eine Freistätte gefunden hatte, als Seelsorger.

Robert Blum, in dessen Organ zuerst dem Bischofe von Trier der Krieg verkündet worden war, sorgte dafür, daß der Herd dieser gährenden Bewegung nicht auf Schlesien beschränkt bleibe. In Wort und Schrift, durch öffentliche Reden im ganzen Lande, durch Flugblätter, Broschüren und Zeitungsartikel ist er unablässig thätig gewesen, um überall eine Massenlossagung von Rom, die Bildung deutsch-katholischer Gemeinden zu erzielen. Sehr Vieles von dem, was er damals gesprochen und geschrieben, ist nicht blos interessant als eine für den Mann charakteristische Aeußerung – sondern heute nach dreiunddreißig Jahren noch so treffend, als sei es heute geschrieben – so wenig hat Rom, die alte Erbfeindin unseres Volkes, sich seitdem geändert. Mit köstlicher Ironie z. B. schildert ein Artikel Blum’s in den „Vaterlandsblättern“ „die Wunder des heiligen Rockes“ – nicht etwa in jenem frivol-lustigen Tone des bekannten Studentenliedes:

 
Freifrau von Droste-Vischering
Zum heiligen Rock wallfahrten ging,
 

sondern im Tone der heiligsten, den Feind niederschmetternden, siegesfreudigsten Ueberzeugung: „Das wahre Wunder, welches der heilige Rock zu Trier gewirkt, ist, daß er endlich auch die verblendetsten Geister aufgescheucht aus der Ruhe des Nichtsthuns, daß er auch dem Befangensten den Schleier gerissen vom getrübten Auge und dem schlichten Worte der Wahrheit einen jubelnden Einzug bereitet in Millionen Herzen. Es giebt nur ein Mittel, das Joch abzuwerfen, welches jetzt nur noch locker auf unserem Nacken liegt; es heißt: Trennung von Rom, Aufhebung der Ohrenbeichte und des Cölibats. Eine deutsch-katholische Kirche!.. Wollen wir länger die Knechtschaft tragen? Unsere Väter haben den äußeren Feind bekämpft, der unser Vaterland unterjochte. – Rom hat im Frieden seine Fremdherrschaft um so fester begründet. Der äußere Feind nährte und stärkte unsere Vaterlandsliebe und unser Nationalgefühl – Rom verdammt Beides, wenn es seinen Interessen entgegen. Der äußere Feind hätte unsere staatliche Entwickelung befördern müssen – Rom duldet die gegenwärtige staatliche Gestaltung nur gezwungen und hat die ganze Grundlage unseres Staatslebens nicht anerkannt, ja zum Theil ausdrücklich verdammt. Der äußere Feind knüpfte das Band zwischen Fürsten und Völker fester, indem er dieselben zu Einem Interesse vereinte – Rom muß diese Einigkeit lockern und trennen, weil sie seinem Interesse feindlich ist.“ Am Schlusse heißt es: „Was bisher geschah, waren nur Trennungen in unserer Kirche selbst, es waren Theile, die sich ablösten von dem alten Körper. Erheben wir einstimmig, ein Beispiel dem ganzen Vaterlande, den Ruf: Trennung von Rom! Aufhebung der Ohrenbeichte und des Cölibats! Eine deutsch-katholische Kirche! O, daß es – das größte Wunder des heiligen Rockes – bald geschehe! Amen!“

Dieses Ziel wurde in Leipzig erreicht durch die Bildung einer deutsch-katholischen Gemeinde, 12. Februar 1845. Blum hielt die Eröffnungsrede. Anonyme Drohbriefe von ultramontanen Handlangern höher stehender Gesellen hatte er schon vorher in Fülle erhalten. Jetzt suchte man die erste Feier der jungen Gemeinde durch brutalen Skandal zu entweihen. Als Blum reden wollte, stürzte eine Rotte angestifteter erwachsener Buben auf ihn los, um ihn niederzuschlagen und zerriß ihm Kleidung und Wäsche. Er hatte indeß den Fall vorhergesehen und für starke Polizeibedeckung gesorgt. Mit um so größerer Begeisterung hing die Gemeinde dann an den Lippen ihres Vorstandes. Er begann seine Rede57 mit den Worten:

„Meine verehrten Anwesenden! Ich habe mich entfernt, als ein pöbelhafter Angriff, wie er in einer gebildeten Gesellschaft niemals zu erwarten war, gegen mich gerichtet wurde; nicht weil es mir an Muth fehlte, denselben abzuwehren (denn was wäre eine Ueberzeugung, die nicht Unbilden erdulden, ja selbst Leben und Blut dafür zu opfern lehrte), sondern weil ich es für Pflicht hielt, die Einleitung zu dessen Bestrafung zu treffen. Wir stehen in einem freien hochgebildeten Staate hier mit Erlaubniß unserer städtischen Behörde; deshalb habe ich den Schutz der Gesetze angerufen gegen rohe Unsitte, und er ist mir sofort zu Theil geworden. Jetzt stehe ich hier, kühn zu thun und zu sagen, was ich muß. Meine verehrten Glaubensgenossen! Sie haben nicht gebetet, als sie dazu aufgefordert wurden. Aber unser Glaube lehrt uns, unsern Gott zu ehren, nicht durch das Wort, sondern durch die That. Ehren wir also ihn, den Gott der Wahrheit, durch die Wahrheit; sprechen wir dieselbe offen und ehrlich, ungeschminkt und leidenschaftlos aus und belehren wir uns gegenseitig. Aber dulden und achten wir auch jede Ueberzeugung, werden wir jeder Meinung gleich gerecht, indem wir sie zum ungeschmälerten Ausspruche kommen lassen. Vergessen wir nie, daß unser Heiland gesagt hat: „Liebet einander!“ und entsagen wir also jedem Hasse und Zwiespalt. Wir werden uns vielleicht trennen, aber trennen wir uns wie Männer, die sich achten und sich am Scheidewege die Hand reichen, um jeder eine andere Bahn zu wandern.“

Den Kern der Rede bildete eine geschichtliche Darlegung über den Abfall der römischen Kirche von den Heilswahrheiten des Erlösers und über die Entartung dieser Kirche durch die Hierarchie, das Cölibat, die Laster der Päpste, die Inquisition, die Jesuiten u. s. w. Alles das lasse sich geschichtlich beweisen.

„Aber wozu brauchen Sie auch weitere Beweise?“ rief er am Schlusse, „Sehen Sie um sich im Vaterlande, und überall werden Ihrem Blicke die Beweise begegnen, daß Rom fort und fort seinen Frieden untergräbt, Haß und Zwietracht säet und die Einigkeit und Brüderlichkeit zerstört, in welcher die Menschen verschiedener Bekenntnisse so gern mit einander leben. Jedes Blatt der Tagesgeschichte bezeugt uns, wie das Unkraut aufgegangen ist, welches Rom ausgestreut, und wie Unduldsamkeit und Glaubenshaß von demselben eben so sehr gepflegt als ausgeübt werden. Und strecken nicht seine Jesuiten ihre Polypenarme beutegierig wieder um die ganze Erde? Haben sie nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft unseres Vaterlandes bereits ganze Länder verschlungen und in die Nacht der Finsterniß und des rohesten Fanatismus gestürzt? Ja, sind wir im Herzen unseres Vaterlandes trotz aller Verbote wohl sicher vor ihren Schlingen? Endlich, hat denn Rom wohl irgend dem Einflusse einer allmächtigen Bildung nachgegeben? Hat es nicht im vorigen Sommer den gotteslästerlichen Ablaßkram unverschämter getrieben als zu den Zeiten Tetzel’s und nach langjährigen Verdummungsversuchen ein großes schnödes Triumphfest gefeiert über den scheinbar bezwungenen Menschenverstand?

Und was die Ohrenbeichte betrifft, so fühle nur Jeder an seine eigene Brust und lasse sich sagen, wie diese unheilvolle Zwangseinrichtung ihn empört; wie seine Entrüstung mächtig ist, wenn er sich beugen soll vor seines Gleichen wie vor Gott; wie jede wahre Reue und Bußfertigkeit vernichtet, die Aufrichtigkeit des Bekenntnisses zerstört, der Verstellung, Heuchelei und Unwahrheit aber die Bahn gebrochen wird im Herzen! Wer vermag aufzutreten und zu sagen, daß er eine aufrichtige Beichte ablegt? Niemand. Er fügt sich dem Zwange widerstrebend und ungenügend, bis das Ganze für ihn eine inhaltleere, unmoralische Förmlichkeit wird, oder er sich empört abwendet und auf den Trost des Abendmahls verzichtet.

Die Schädlichkeit des Cölibats endlich bedarf keiner beredten Darlegung, jeder Priester ist ein lebender Beweis dafür. Sein frevelhaft halb zertretenes Dasein spricht aus seinem ganzen Wesen, und das römische Joch beugt seinen Nacken. Leset die ergreifenden Schilderungen, wie der Priester vom ersten Vorbereitungsschritte zu seinem Berufe an systematisch geknechtet, durch leeres Gebetgeplärre und beschäftigten Müßiggang zur Werkheiligkeit erzogen und allmählich bis zum willenlosen Werkzeuge erniedrigt wird. Ja, blicket Euch um im Leben, und bald wird es in Eurem tiefsten Innern selbst rufen: Trennung von Rom, Aufhebung des Cölibats und der Ohrenbeichte!

Glaubt nicht, daß es etwas Neues ist, meine verehrten Glaubensgenossen, was wir hier erstreben; die edelsten Geister unseres Volkes haben bereits das Gleiche erstrebt. Abgesehen, daß alle Kirchenversammlungen, von der ersten bis zur letzten, gegen die Anmaßungen Roms gekämpft haben; daß auf dem Concil zu Trident dasselbe reif zum Falle war und sich nur dadurch retten konnte, daß es durch zwei Jesuiten die Versammlung gegen einander hetzen, aufwiegeln und äußerlich mit den elegantesten Kleinlichkeiten beschäftigen ließ; daß schon im 9. Jahrhundert der Patriarch Photius, im 11. der Patriarch Cerularius das römische Joch als unerträglich abwarfen und die griechisch-katholische Kirche gründeten – so haben auch die edelsten Geister der neuesten Zeit zu gleichem Zweck gearbeitet. 1785 traten die Erzbischöfe von Cöln, Mainz, Salzburg und Trier in Ems zusammen und verlangten fast dasselbe, wie wir heute. Wessenberg, Hontheim, Reichlin-Meldegg, und Theiner schrieben entschieden gegen die römische Tyrannei und gegen das Cölibat; in den letzten 15 Jahren aber richteten viele Geistliche in Belgien, Luxemburg, Würtemberg, Nassau, Baiern und Baden ihre Bestrebungen gegen das Cölibat. Sie arbeiteten alle vergebens, weil die Zeit ihnen nicht günstig war.

Auch uns möchten die Römlinge einlullen bis zu dem Augenblicke, wo es wieder möglich ist, unsere Bestrebungen zu verkümmern. Die Einen bitten heuchlerisch, „den Frieden nicht zu stören“, während es doch keinen Frieden giebt und geben kann zwischen Vernunft und Unvernunft, Licht und Finsterniß, Tag und Nacht. Andere weisen mit verstellter Besorgniß auf „die aufgeregte Zeit“ und wollen die Zeit der Ruhe erwarten. Aber die Zeit der Ruhe ist wohl geeignet zum Aufbauen und Vollenden, schaffen aber und einen weltumgestaltenden Gedanken ins Leben führen, kann nur die Begeisterung, und die Begeisterung erheischt Leben, Bewegung, Aufregung. Andere in unserer nächsten Nähe endlich weisen mit spießbürgerlicher Sorgfalt auf ihren „Kirchenbau“ und fürchten, daß er einstürzt, ehe er aufstieg. O, über diese kleinliche Marthasorge! Vielleicht haben wir keine Kirche – aber erheben wir unser Herz zu Gott in der freien Natur oder auf unserm Boden – es ist besser und Gott wohlgefälliger als das fremde Geplärre der Römlinge in den prunkvollsten Marmorhallen.

Ja, meine verehrten Glaubensgenossen, jetzt werft das Joch ab, jetzt brecht die schmachvollen Ketten Roms, jetzt macht Euch frei. Fühlt an Euer Herz und erkennet den Schlag der Weltgeschichte, der Euch mahnt zu einer That! Unser Vaterland, die ganze gebildete Welt sieht auf uns und erwartet unseren Entschluß. Wir können, wir müssen ein großes Beispiel geben. Einst war unser Sachsen die Wiege einer Kirchenverbesserung, an welche sich durch Roms Umtriebe Krieg, Verwüstung, Blutvergießen und Entsetzen aller Art knüpften, laßt es die Wiege einer zweiten Verbesserung sein, die Frieden und Einigkeit wieder herstellt, für die Ewigkeit. Unter einer freien Verfassung, unter einer erleuchteten freisinnigen, jedem Fortschritte freundlichen Regierung können wir uns befreien. O, zögern wir nicht, denn unser Entschluß wirkt auf die ganze gebildete Welt. Machen wir die Bruderliebe, welche der Bildung der Zeit und unsern Gefühlen entspricht, endlich zur Wahrheit; Rom hat sie auf der Zunge, aber Fluch im Herzen.

Ich habe gesprochen nach meiner Ueberzeugung, wer es anders weiß, der rede!“

Fussnote_54_54
  Ergangen bei dem Vereinigten Criminalamt der Stadt Leipzig. Rep. I. Nr. 6664, 1843.


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Fussnote_55_55
  Das gelang erst ein Jahr später.


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Fussnote_56_56
  Gretchen war Lehrerin.


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Fussnote_57_57
  Beilage zu Nr. 26. der Sächs. Vaterl. – Bl. 1845.


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