Kitabı oku: «Dracula», sayfa 8
28 Juli. – Vier Tage in der Hölle, herumgeworfen in einem Strudel, und der Wind war ein Sturm. Niemand durfte schlafen. Die Mannschaft erschöpft. Weiß kaum, die Wachen zu besetzen, da niemand mehr dazu fähig erscheint. Der zweite Steuermann bot sich freiwillig an zu steuern und zu wachen, damit die Leute ein paar Stunden Schlaf ergattern konnten. Der Wind klingt ab; Meer ist noch wahnsinnig, aber seine Wildheit lässt nach; das Schiff läuft stabiler.
29. Juli – Wieder eine Tragödie. Hatte die Nacht über Einzelwachen aufgestellt, da die Mannschaft zu müde war für Doppelwachen. Als die Ablöse am Morgen an Deck kam, fand sie niemanden vor außer dem Steuermann. Ein lauter Aufschrei, und alle kamen an Deck. Kompletter Check des Schiffes, aber niemand wurde gefunden. Sind nun ohne zweiten Steuermann; die Mannschaft voller Panik. Der Steuermann und ich kamen überein, von nun an bewaffnet zu gehen und alle Anzeichen abzuwarten.
30. Juli – Vergangene Nacht. Freuen uns über die Nähe zu England. Schönes Wetter, alle Segel gesetzt. Zog mich völlig ausgelaugt zurück; schlief tief und fest; wurde aufgeweckt durch den Maat, der mir meldete, dass die beiden Männer auf Wache und Steuer fehlen. Nur ich, der Maat und zwei Männer sind übrig, das Schiff zu manövrieren.
1. August. – Zwei Tage lang Nebel und nicht ein Segel gehisst. Hatte gehofft, im englischen Kanal ein Signal für Hilfe abgeben oder irgendwo an Land gehen zu können. Kann die Segel nicht verkürzen, muss vor dem Wind laufen. Wage nicht, sie weiter herunter zu setzen, da ich die Leute nicht hätte, um sie wieder setzen zu können. Wir scheinen einem schrecklichen Unglück entgegen zu treiben. Der Steuermann ist stärker demoralisiert als irgendein anderer der übrigen Mannschaft. Sein stärkeres Naturell scheint in einem Kampf gegen sich selbst ausgerichtet zu sein. Die Leute sind jenseits der Furcht und arbeiten phlegmatisch und ruhig. Sie rechnen mit dem Schlimmsten. Es sind Russen, einer Rumäne.
2. August, Mitternacht – Wachte auf von einem wenige Minuten dauernden Schlaf, da ich einen Schrei, scheinbar vor meiner Tür, hörte. Ich konnte aufgrund des Nebels nichts sehen. Beeilte mich an Deck und stieß dort mit dem Steuermann zusammen. Er sagte mir, dass er den Schrei gehört hatte und sofort herbeigelaufen sei, dass er aber niemand sehe. Wieder einer weg! Gott steh uns bei! Der Steuermann meint, wir hätten die Meerenge von Dover bereits erreicht; er habe durch eine Lücke im Nebel North Foreland erkannt, als er den Schrei des Mannes vernahm. Wenn es wirklich so ist, sind wir in der Nordsee, und nur Gott kann uns durch den Nebel führen, der sich mit uns mitzubewegen scheint; aber Gott scheint uns im Stich zu lassen.
3. August – Um Mitternacht ging ich den Steuermann ablösen, als ich dorthin kam, traf ich ihn nicht an. Der Wind war gleichmäßiger, und da wir mit ihm segelten, ging das Schiff sehr ruhig. Ich durfte das Steuer nicht unbeaufsichtigt lassen und rief deshalb den Steuermann herbei. Nach einigen Augenblicken kam er im Schlafanzug an Deck gelaufen. Er sah wild und verstört aus und ich fürchte, dass er seinen Verstand verloren hat. Er trat dicht an mich heran und flüsterte mir heiser ins Ohr, als habe er Angst, die Luft könne zuhören: „Es ist hier; nun weiß ich es. Auf Wache letzte Nacht sah ich Es; wie ein Mensch, groß und mager; und gespenstisch bleich. Es stand am Bug und sah hinaus. Ich schlich mich hinter Es und stach mit meinem Messer danach; doch das Messer glitt durch, wie durch Luft.“ Wie er so erzählte, nahm er sein Messer und fuchtelte wild in der Luft herum. Dann fuhr er fort: „Aber Es ist hier und ich werde Es finden. Es ist im Schiffsraum, vielleicht in einer der Kisten. Ich will sie öffnen, eine nach der anderen, und darin nachsehen. Sie bedienen inzwischen das Ruder.“ Und mit einem warnenden Blick, seinen Finger an den Lippen, ging er unter Deck. Es erhob sich ein böiger Wind, und ich durfte das Steuer nicht verlassen. Ich sah ihn wieder an Deck kommen mit einer Werkzeugkiste und einer Laterne, und dann die vordere Stiege hinabsteigen. Er ist total verrückt, absolut übergeschnappt, und es hat keinen Sinn, ihn aufzuhalten. Er kann die großen Kisten nicht zerstören: Sie sind als „Erde“ gekennzeichnet und in so etwas herum zu stochern ist das törichteste Ding der Welt. So stehe ich hier, gebe auf das Steuer Acht und schreibe diese Eintragungen. Ich kann nur auf Gott vertrauen und warten, bis der Nebel verschwindet. Wenn ich mit dem gegebenen Wind keinen Hafen anlaufen kann, dann werde ich die Segel herunterlassen, still liegen und Hilfssignale aussenden…
Nun ist beinahe alles vorbei. Gerade, als ich Hoffnung schöpfte, dass der Maat etwas beruhigter wiederkommen werde – ich hörte ihn unten im Schiffsraum klopfen, und diese Arbeit ist gut für ihn, – da kam von der Luke empor ein plötzlicher, erschreckender Schrei, dass mir das Blut gefror, und dann lief er an Deck wie aus der Kanone geschossen – ein rasender Verrückter, mit rollenden Augen und furchtverzerrtem Gesichtsausdruck. „Retten Sie mich! Retten Sie mich!“, schrie er, und dann starrte er in die mit Nebel eingehüllte Ferne. Sein Schrecken verwandelte sich in Verzweiflung und mit beklommener Stimme sagte er: „Es wäre besser, wenn Sie mit mir kommen würden, ehe es zu spät ist, Kapitän. Er ist da, ich weiß nun das Geheimnis. Die See wird mich vor Ihm retten, und ich werde von allem befreit sein.“ Bevor ich noch ein Wort erwidern oder ihn packen konnte, war er auf die Brüstung gesprungen und stürzte sich ins Meer. Ich glaube, ich kenne nun auch das Geheimnis. Es war dieser Wahnsinnige, der die Leute nacheinander verschwinden ließ, und nun ist er ihnen gefolgt. Gott hilf mir! Wie soll ich über das alles Rechenschaft ablegen, all diese Gräuel, wenn ich den Hafen erreiche? Wenn ich ihn überhaupt erreiche! Wird das je geschehen?
4. August – Weiterhin Nebel, den der Sonnenaufgang nicht durchstoßen kann. Ich weiß um den Sonnenaufgang, denn ich bin Seemann, eine andere Erklärung dafür habe ich nicht. Ich wagte es nicht hinunterzugehen, da ich das Steuer nicht verlassen darf; so stand ich die ganze Nacht hier, und in der Finsternis sah ich Ihn – Es! Gott verzeih’ mir, aber der Steuermann hatte völlig recht, vom Schiff zu springen. Es ist besser, wie ein Mann zu sterben; und niemand wird etwas dagegen haben, wie ein Seemann zu sterben, in den blauen Fluten. Aber ich bin Kapitän und darf das Schiff nicht verlassen. Ich will den Feind oder diesen Satan verwirren, denn ich werde meine Hände am Steuerrad festbinden, wenn meine Kraft zu schwinden beginnt, und etwas darum winden, das Er – Es! – nicht zu berühren wagt; und dann komm’ guter Wind – oder auch schlechtes Wetter -, und ich werde meine Seele und meine Ehre als Kapitän gerettet haben. Ich werde schwächer, und die Nacht kommt heran. Wenn Er mir wieder ins Gesicht sieht, werde ich wohl keine Zeit mehr haben zu handeln… Wenn wir schiffbrüchig werden, mag man möglicherweise diese Flasche finden, und diejenigen, die sie finden, werden verstehen; wenn nicht,… gut, dann sollen alle Menschen wissen, dass ich meiner Pflicht treu geblieben bin. Gott, die Heilige Jungfrau und alle Heiligen, helft einer armen, unwissenden Seele, ihre Pflicht zu tun…
Natürlich ist die Untersuchung zu keinem Ergebnis gekommen. Es gibt keine Möglichkeit, die genannten Dinge zu beweisen; und ob der Mann die Morde selbst begangen hat oder nicht, darüber kann keiner mehr aussagen. Die Leute hier sind allgemein überzeugt, dass der Kapitän einfach ein Held ist, und dass ihm eine offizielle Beerdigung gewährt werden müsse. Es ist bereits arrangiert, dass den Leichnam ein Geschwader von mehreren kleinen Booten den Esk hinauf begleiten soll. Dann wird der Tote zurück zum Tate Hill Pier gefahren und nach einer Segnung in der Abtei am Friedhof über den Klippen begraben werden. Mehr als hundert Bootseigentümer haben sich bereit erklärt, ihn zur letzten Ruhestätte zu begleiten.
Keine Spur fand man noch von dem großen Hund; darüber besteht allgemeine Unzufriedenheit, denn die öffentliche Meinung wünscht, dass der Hund von der Stadt adoptiert werden sollte. Morgen soll das Begräbnis stattfinden, und die See wird ein weiteres Geheimnis bergen.
TAGEBUCH VON MINA MURRAY
8. August – Lucy war die ganze Nacht sehr unruhig, und auch ich konnte nicht schlafen. Der Sturm war schrecklich, und wie er so laut durch den Kamin brauste, schauderte es mich. Wenn ein starker Stoß kam, so klang es wie der Schuss aus einem entfernt abgefeuerten Gewehr. Seltsam genug, dass Lucy davon nicht aufwachte; aber sie stand zweimal auf und kleidete sich an. Glücklicherweise erwachte ich jedes Mal rechtzeitig und konnte sie, ohne dass ich sie dabei aufweckte, wieder auskleiden und zu Bett bringen. Es ist ein sehr seltsames Ding, dieses Schlafwandeln; denn sobald ihr Wille auf irgendeine physische Weise durchkreuzt wird, verschwindet ihre Absicht – so es eine gibt – und sie hält sich dann exakt an die Routine ihres Lebens.
Früh am Morgen standen wir beide auf und gingen hinunter zum Hafen, um zu sehen, ob sich in der Nacht irgendetwas ereignet hatte. Es waren nur sehr wenige Leute draußen, und trotzdem die Sonne strahlend schien, und die Luft klar und frisch war, drängten doch große, grimmige Wellen, die dunkel wirkten, denn der Schaum, der auf ihnen lag, war weiß wie Schnee, durch die Enge der Hafenmündung – es sah aus, als würde sich ein brutaler Mann durch eine Menschenmenge pressen. Irgendwie war ich froh, dass Jonathan wenigstens vergangene Nacht nicht auf See, sondern an Land war. Aber, ach, ist er an Land oder auf See? Wo ist er, und wie geht es ihm? Ich bekomme schreckliche Angst um ihn. Wenn ich wüsste, was ich tun soll, und ob ich überhaupt etwas tun könnte.
10. August – Die Beerdigung des armen Kapitäns war ergreifend. Alle Boote im Hafen schienen anwesend zu sein, und der Sarg wurde von Kapitänen den ganzen Weg von Tate Hill Pier bis zum Friedhof hinaufgetragen. Lucy kam mit mir, und wir gingen sehr früh zu unserem angestammten Platz, während ein Ehrengeleit der Boote den Fluss hinauffuhr bis zum Viadukt, und dann wieder zurückkam. Wir hatten eine gute Aussicht und konnten den feierlichen Umzug fast den ganzen Weg lang beobachten. Der arme Kerl wurde ganz in der Nähe unserer Bank beigesetzt, sodass wir auf diese steigen und alles genau sehen konnten. Die niedliche Lucy schien mir sehr aufgeregt. Sie war die ganze Zeit über unruhig und fühlte sich unbehaglich; ich kann nur vermuten, dass die nächtlichen Träume an ihr nagen. Sie ist in einer Sache ganz merkwürdig: Sie will mir nicht eingestehen, dass ein Grund für ihre Ruhelosigkeit besteht; vielleicht versteht sie es selbst nicht. Hinzu kommt, dass man den alten Herrn Swales an diesem Morgen tot, mit gebrochenem Genick, auf unserer Bank gefunden hatte. Er war, so informiert der Arzt, in einem Schreckensanfall auf den Sitz zurückgefallen; denn es lag ein Zug von Abscheu und Entsetzen auf seinem Gesicht, dass es einen, wie die Leute erzählten, hätte schaudern mögen. Armer, guter, alter Mann! Vielleicht hat er den Tod selbst mit seinen sterbenden Augen gesehen? Lucy ist so zerbrechlich und sensibel, dass sie Eindrücke viel intensiver verspürt als andere Menschen. Eben wurde sie ganz unruhig durch ein kleines Vorkommnis, auf das ich gar nicht geachtet hatte, obwohl auch ich Tiere sehr gern habe. Einer der Männer, der oft hier heraufkommt, um nach den Booten zu sehen, wurde von seinem Hund begleitet. Der Hund ist immer bei ihm. Sie sind beide ruhigen Gemütes, und ich habe den Mann nicht einmal ärgerlich gesehen, und den Hund kein einziges Mal bellen gehört. Während des Gottesdienstes wollte der Hund nicht zu seinem Herrchen kommen, das neben uns auf der Bank saß, sondern hielt sich einige Meter entfernt, bellte und heulte. Sein Herrchen sprach zuerst liebenswürdig auf ihn ein, dann wurde sein Ton ernster und schließlich ärgerlich; aber der Hund kam nicht bei Fuß, und hörte auch nicht zu lärmen auf. Er befand sich in einer Art von Wut, mit seinen wilden Augen, und sein Fell sträubte sich wie ein Katzenschwanz, wenn sich eine Mieze auf Kriegspfad befindet. Dann wurde der Besitzer ärgerlich; er sprang herbei und schlug den Hund. Dann fasste er das Tier am Genick und zerrte es – halb stoßend, halb ziehend – zum Grabstein, auf dem der Sitz fixiert ist. In diesem Augenblick, als das arme Tier diesen berührte, wurde es ruhig und begann zu zittern. Es versuchte gar nicht erst zu fliehen, sondern duckte sich, bebend und kauernd, und befand sich in einem so Mitleid erregenden Angstzustand, dass ich es, wenn auch ohne Erfolg, zu beruhigen versuchte. Lucy war auch voll Mitleid, aber sie konnte sich nicht entschließen, den Hund anzugreifen, sondern sah ihn nur gequält an… Ich fürchte, sie ist eine sehr sensible Natur und erträgt das Leben am besten ohne Schwierigkeiten. Sie wird von all dem heute träumen, da bin ich mir sicher. Die ganze Häufung der Ereignisse – das Schiff, das von der Hand eines toten Mannes gesteuert in den Hafen lief; sein Körper, der, mit Kruzifix und Rosenkranz in Händen, an das Steuerrad gefesselt war; die berührende Bestattung; der Hund, halb wütend, halb erschrocken – wird das Material ihrer Träume bilden.
Es wird das Beste für sie sein, denke ich, wenn sie körperlich ermüdet zu Bett geht, und deshalb werde ich mit ihr einen langen Spaziergang zu den Klippen der Robin Hood Bucht und zurück machen. Sie sollte dann keine besondere Lust zum Schlafwandeln haben.
ACHTES KAPITEL
TAGEBUCH VON MINA MURRAY
Gleicher Tag, 11 Uhr Nacht – Oh, wie bin ich müde! Wenn ich meinem Tagebuch gegenüber keine Verpflichtung hätte, so würde ich es heute nicht mehr öffnen. Wir machten einen netten Spaziergang. Lucy geriet nach kurzer Zeit in fröhliche Stimmung, die wir – vermute ich – einigen lieblichen Kühen zu verdanken hatten, die auf einem kleinen Feld nahe des Leuchtturms auf uns zukamen, um uns zu beschnuppern; und nichts versetzte uns in Angst und Schrecken. Außer unserer eigenen Angst vergaßen wir scheinbar alles. Es entstand der Eindruck, als wäre nichts geschehen, und es sei ein neuer Anfang gemacht worden. Wir tranken dann einen köstlichen Tee in der Robin-Hood-Bucht in einer netten, kleinen und altmodischen Gastwirtschaft; durch die Bogenfenster erblickten wir die mit Seetang bedeckten Felsen am Strand. Wahrscheinlich haben wir die Wirtin mit unserem Appetit schockiert. Männer sind diesbezüglich toleranter; gesegnet seien sie dafür! Dann gingen wir nach Hause, indem wir einige, besser gesagt viele, Verschnaufpausen einlegten; unsere Herzen waren noch immer in Furcht vor den wild gewordenen Stieren. Lucy war komplett müde, und wir entschlossen uns, sobald als möglich ins Bett zu kriechen. Es kam jedoch der junge Kurat (ein geistlicher Seelsorger) und Frau Westenraa fragte ihn, ob er nicht zum Abendessen bleiben wollte. Lucy und ich hatten hart mit dem Sandmann zu kämpfen; es war in der Tat ein harter Kampf, aber ich bin eine heldenhafte Natur. Ich denke, dass eines Tages die Bischöfe zusammenkommen müssen und man wird sehen, ob es nicht an der Zeit wäre, Kuraten eine bessere Ausbildung zukommen zu lassen, damit sie nicht soupieren – so sehr sie auch dazu genötigt werden möchten – und die registrieren, wenn junge Mädchen schläfrig sind. Lucy schläft und atmet sanft. Sie hat mehr Farbe in den Wangen als sonst und sieht, ach, so süß aus. Wenn sich Herr Holmwood schon in sie verliebt hat, und er sah sie nur im Wohnzimmer, so möchte ich wissen, was er jetzt sagte, wenn er sie nun sehen könnte. Einige der fortschrittlichen Autorinnen werden eines Tages die Forderung stellen, dass es Mann und Frau erlaubt sein müsse, sich erst gegenseitig im Schlaf zu sehen, bevor sie einen Antrag machen oder einen solchen annehmen. Aber die progressive Frau wird sich wohl in Zukunft nicht mehr damit begnügen, eine Bewerbung anzunehmen; sie wird selbst werben wollen. Und sie wird auch etwas Schönes daraus machen! Darin liegt einiger Trost. Ich bin so glücklich heute Abend, weil es der lieben Lucy wieder besser geht. Ich glaube tatsächlich, dass sie die Krise überstanden hat, und wir die Schwierigkeiten mit dem Schlafwandeln hinter uns gelassen haben. Ich wäre glücklicher, wüsste ich nur, ob Jonathan… Gott segne und beschütze ihn.
11. August, 3 Uhr morgens – Wieder Tagebuch. Kein Schlaf und daher kann ich ebenso gut schreiben. Ich bin zu aufgewühlt, um schlafen zu können. Wir hatten ein Abenteuer, ein mir tödlichen Schreck einjagendes Erlebnis. Ich schlief ein, als ich mein Tagebuch geschlossen hatte… Plötzlich wurde ich wach und sprang aus dem Bett mit einem furchtbaren Gefühl der Angst und der Leere. Lucys Bett konnte ich nicht sehen, da es so dunkel war; ich schlich hinüber und fühlte nach ihr; doch das Bett war leer. Ich machte Licht und bemerkte, dass sie gar nicht im Zimmer war. Die Tür war zu, aber nicht abgesperrt; doch ich weiß, dass ich sie geschlossen hatte. Ich fürchtete, die Mutter aufzuwecken, da sie sich öfter als sonst, zu später Stunde nicht so gut fühlt; deshalb zog ich einige Kleidungsstücke an und machte mich auf die Suche. Noch bevor ich das Zimmer verließ, kam ich auf die Idee, dass mir vielleicht ihre Kleidung Auskunft über den somnambulen Ausflug geben könnte. Schlafrock würde demnach bedeuten, dass sie sich im Haus, Straßenkleider, dass sie sich außerhalb des Hauses befinde. Schlafrock und Straßenkleider lagen an ihren üblichen Plätzen. „Gott sei Dank“, sagte ich zu mir, „weit kann sie nicht sein, da sie nur im Schlafgewand ist.“ Ich rannte hinunter und sah im Wohnzimmer nach. Nicht da! Dann sah ich in allen offen stehenden Räumen des Hauses nach, mit stärker werdender Angst, die mir das Herz zuschnürte. Endlich kam ich zum Haustor und fand es geöffnet vor. Es war nicht weit offen, aber das Schloss war nicht eingeschnappt. Die Leute des Hauses sind darauf bedacht, das Haustor jede Nacht sorgfältig zu schließen, deshalb musste ich annehmen, dass Lucy so fort ging, wie sie war. Da war keine Zeit, sich auszumalen, was geschehen könnte; ein vages, übermächtiges Angstgefühl ließ mich alle Details vergessen. Ich ergriff einen langen, warmen Schal und rannte davon. Die Glocke schlug eben ein Uhr, als ich in Crescent ankam, und es war keine Seele auf der Straße. Ich eilte die Nord-Terrasse entlang, fand aber keine Spur von der weißen Gestalt, die ich hier vermutete. Vom Rand der Westklippe, gerade über dem Pier, sah ich über den Hafen hinweg zur Ostklippe, in der Hoffnung oder der Furcht – weiß nicht was es war -, Lucy auf unserem Lieblingsplatz zu finden. Der strahlende Vollmond wurde hin und wieder durch schwere, treibende Wolken verdeckt, sodass über der gesamten Szene abwechselnd Licht und Schatten lag. Eine oder zwei Sekunden konnte ich nichts sehen, da gerade der Schatten einer Wolke die St.-Marien-Kirche und alles um sie herum verdunkelte. Dann, als die Wolke vorüber zog, konnte man das brüchige Mauerwerk der Abtei sehen. Und als ein schmaler Lichtstrahl, wie mit einem Schwert in die Landschaft gehauen, hinweg zog, wurde die Kirche mitsamt dem Friedhof nach und nach sichtbar. Was auch immer meine Erwartung war, sie wurde nicht enttäuscht, denn dort, auf unserem Sitz, sah ich im silbernen Mondlicht eine halb zurückgelehnte und schneeweiße Gestalt. Es kam viel zu rasch wieder eine Wolke, und der Schatten schluckte alles Licht. Ich hatte den Eindruck, als stünde etwas Dunkles hinter dem Sitz, auf dem sich die weiße Gestalt befand, und beugte sich über sie; was es war, Mensch oder Tier, kann ich nicht sagen. Ich wartete nicht ab, bis ich wieder etwas sehen konnte, sondern eilte die steilen Treppen hinab zum Pier und am Fischmarkt vorbei zur Brücke, dem einzigen Weg, auf dem die Ostklippe zu erreichen war. Die Stadt schien wie tot, da keine Seele mehr zu sehen war; es war mir auch lieb so, denn ich wollte keine Zeugen von Lucys Zuständen haben. Zeit und Entfernung erschienen mir endlos lang; meine Knie schlotterten, und mein Atem keuchte, als ich mich die endlosen Stufen zur Abtei hinauf plagte. Ich muss sehr rasch gelaufen sein, und nun kam es mir vor, als seien meine Füße aus Blei und alle meine Gelenke in meinem Körper eingerostet. Als ich beinahe schon auf der Höhe angelangt war, konnte ich den Sitz und die weiße Gestalt darauf genau sehen, denn ich war jetzt nahe genug, um selbst in der Dunkelheit alles zu erkennen. Ohne Zweifel, irgendetwas Langes und Schwarzes beugte sich über die halb zurückgelehnte weiße Gestalt. Im Schrecken rief ich: Lucy! Lucy! und die sonderbare Gestalt erhob den Kopf – und ein bleiches Gesicht mit roten, glühenden Augen drehte sich zu mir. Lucy antwortete mir nicht, und ich lief zur Eingangstür des Friedhofs. Als ich dort ankam, versperrte mir die Kirche die Sicht auf die Bank, und für eine Minute verlor ich sie aus den Augen. Als ich Lucy wieder sehen konnte – auch die Wolken waren vorüber gezogen und heller Mondschein fiel auf sie – saß sie da, halb zurückgelehnt, und der Kopf lag über die Lehne der Bank. Sie war ganz allein und es war weit und breit keine Spur von einem lebenden Wesen.
Als ich mich über sie beugte, sah ich, dass sie noch schlief. Ihr Mund stand offen und sie atmete – nicht so sanft, wie sie es sonst tat, sondern mit langem, schwerem Keuchen, als bemühte sie sich, mit jedem Atemzug ihre Lungen voll mit Luft zu bekommen. Wie ich an sie herantrat, bewegte sie im Schlaf die Hand und zog den Kragen ihres Nachthemdes fester um die Kehle zu. Es überkam sie dabei ein leichter Schauer, als ob sie Kälte verspüre. Ich legte den wärmenden Schal um sie und zog die Ecken um ihren Hals zusammen, denn ich fürchtete, sie könne sich eine tödliche Krankheit in der kühlen Nachtluft einhandeln, unbekleidet wie sie war… Ich zögerte aber noch, sie zu wecken und befestigte den Schal mit einer großen Sicherheitsnadel, damit ich meine Hände frei hatte, um ihr helfen zu können; ich muss aber ungeschickt gewesen sein in meiner Angst und hatte sie am Hals gekniffen oder gestochen; denn, als ihr Atem allmählich wieder ruhiger wurde, legte sie des Öfteren ihre Hand an die Kehle und stöhnte. Nachdem ich sie sorgfältig eingewickelt hatte, zog ich ihr noch meine Schuhe an und versuchte, sie schonend zu wecken. Zuerst reagierte sie gar nicht, aber nach und nach wurde ihr Schlaf weniger fest, und sie seufzte und stöhnte von Zeit zu Zeit. Letztlich aber schritt die Zeit mächtig voran, und, neben vielen anderen Gründen, wollte ich sie möglichst rasch nach Hause bringen. Ich schüttelte sie heftig, und sie öffnete die Augen und wachte auf. Sie schien nicht sehr überrascht zu sein, mich zu sehen, aber sie war sich ohne Zweifel nicht darüber im Klaren, wo sie sich eigentlich befand. Lucy ist immer hübsch beim Aufwachen; und selbst jetzt, wo ihr Leib von Kälte geschüttelt wurde, und sie darüber entsetzt sein müsste, mitten in der Nacht unbekleidet auf einem Friedhof aufzuwachen, verlor sie nicht ihre Grazie. Sie zitterte ein wenig und hing sich an mich; als ich ihr sagte, sie müsse jetzt sofort mit mir heimgehen, stand sie mit dem Gehorsam eines Kindes auf und sagte kein Wort. Als wir so gingen, fügte der Kies meinen nackten Füßen Schmerzen zu und Lucy vernahm sogar mein leises Zusammenzucken bei jedem Schritt. Sie blieb stehen und bestand darauf, ich sollte meine Schuhe anziehen, aber ich tat es nicht. Als wir auf den Fußweg außerhalb des Friedhofs kamen, wo noch von dem Unwetter her eine Regenpfütze stand, verschmierte ich meine Füße mit Schmutz, indem ich einen Fuß über den anderen setzte, damit nicht jemand, der uns etwa auf dem Heimweg begegnen würde, in der Lage wäre zu erkennen, dass ich mit nackten Füßen spazierte.
Das Glück war uns hold, und wir kamen nach Hause, ohne auch nur einer Seele begegnet zu sein. Nur ein Mann, der nicht mehr ganz nüchtern zu sein schien, kam uns auf der Straße entgegen; wir versteckten uns in einem Torbogen, bis er in einem der kleinen, abschüssigen Höfe – in Schottland nennt man sie „Wynds“ – verschwunden war. Die ganze Zeit schlug mein Herz so laut, dass ich mehrmals glaubte, ohnmächtig zu werden. Ich war angsterfüllt um Lucy, nicht nur wegen ihrer Gesundheit, da ihr das Abenteuer geschadet haben könnte, sondern auch wegen ihres Rufes, falls die Sache bekannt würde. Als wir daheim unsere Füße gereinigt und zusammen ein Dankgebet gesprochen hatten, brachte ich sie in ihr Bett. Bevor sie einschlief, bat sie mich – sie flehte mich an – niemandem gegenüber ein Wort zu verlieren über ihr nächtliches Abenteuer; auch zu ihrer Mutter nicht. Ich versprach es ihr nur zögernd; als ich aber dann an die Gesundheit ihrer Mutter dachte, wie es sie angreifen, und wie sehr die Sache wahrscheinlich – nein, sicher – missdeutet würde, wenn etwas an die Öffentlichkeit sickerte, hielt ich es für klüger, das Versprechen zu geben. Ich hoffe, ich habe richtig gehandelt. Ich verschloss die Türe, und der Schlüssel hängt an meinem Handgelenk; so darf ich doch wenigstens hoffen, meine Nachtruhe ungestört genießen zu können. Lucy schläft tief, der Widerschein der Morgendämmerung liegt hoch und fern über dem Meer.
Am gleichen Tag, mittags. – Alles geht gut. Lucy schlief, bis ich sie weckte, und sie schien die ganze Nacht über ihre Lage nicht geändert zu haben. Das nächtliche Abenteuer hat ihr scheinbar auch nicht geschadet; eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein, denn sie sieht heute Morgen blühender aus als in den vergangenen Wochen. Es tat mir nur leid, dass ich sie durch eine Ungeschicklichkeit mit der Sicherheitsnadel verletzt hatte. Es muss tatsächlich nicht unbedeutend gewesen sein, denn die Haut an ihrer Kehle ist durchstochen. Ich muss ein Stückchen der zarten Haut aufgespießt und durchstoßen haben, denn es sind zwei kleine rote Punkte wie Nadelstiche zu sehen, und auf dem Kragen ihres Nachthemdes ist ein Tropfen Blut. Als ich mich bei ihr entschuldigte und mir Vorwürfe machte, lachte sie mich aus und verspottete mich und sagte, sie spüre gar nichts davon. Glücklicherweise wird die Wunde keine Narbe hinterlassen, da sie zu winzig ist.
Am gleichen Tag, Nacht. – Wir verbrachten einen glücklichen Tag; die Luft war klar, die Sonne strahlte, und eine kühle Brise wehte. Wir aßen in Mulgrave Woods zu Mittag. Frau Westenraa fuhr auf der Straße, und Lucy und ich gingen zu Fuß den Strandweg. Am Eingangstor trafen wir wieder zusammen. Ich war etwas traurig, denn ich dachte, wie uneingeschränkt glücklich ich wäre, hätte ich Jonathan bei mir. Aber so! Ich muss mich nur gedulden. Am Abend bummelten wir auf der Kasino-Terrasse herum und hörten schöne Musik von Spohr (Louis Spohr; Komponist; lebte von 1784 bis 1859) und Mackenzie (Alexander Mackenzie; Komponist; lebte von 1847 bis 1935) und gingen früh zu Bett. Lucy scheint gegenüber früher ruhiger geworden zu sein, und schlief bald ein. Ich werde die Türe schließen und den Schlüssel wie schon zuvor in Sicherheit bringen, wenn ich auch für diese Nacht mit keinen Schwierigkeiten rechne.
12. August – Meine Erwartungen waren falsch, denn ich wurde zweimal in der Nacht durch Lucy geweckt, die fortgehen wollte. Sie schien selbst im Schlaf ungeduldig zu sein, als sie die Tür versperrt vorfand und ging mit einer Art von Protest wieder zu Bett. Ich erwachte zur Morgendämmerung und hörte die Vögel draußen vor dem Fenster zwitschern. Lucy wachte ebenfalls auf und sah zu meiner Freude frischer aus als am Tag vorher. Ihre ganze Heiterkeit schien zurückgekehrt zu sein; sie kam in mein Bett, schmiegte sich an mich und erzählte mir von Arthur. Ich sagte ihr, wie besorgt ich um Jonathan sei, und sie versuchte mich zu trösten. Gut, sie hatte damit einigen Erfolg, denn Mitleid kann zwar nichts an den Tatsachen ändern, aber es kann helfen, es erträglicher zu machen.
13. August – Ein weiterer ruhiger Tag im Bett mit dem Schlüssel am Handgelenk wie schon zuvor. Wieder wachte ich auf in der Nacht und fand Lucy sitzend im Bett und, noch schläfrig, auf das Fenster zeigen. Ich stand ruhig auf, schob den Vorhang zurück und sah hinaus. Es war ein leuchtender Mondschein und der sanfte Effekt des Lichtes über dem Meer und dem Himmel war unbeschreiblich schön – und alles vereinte sich in einem großen stillen Mysterium. Zwischen mir und dem Mondlicht flatterte eine große Fledermaus, die sich wieder und wieder in weiten und wirbelnden Kreisen näherte und entfernte. Einmal oder zweimal kam sie ganz nahe, war aber, wie ich vermute, erschreckt, mich zu sehen und flog dann quer über den Hafen weg, hin zur Abtei. Als ich mich vom Fenster wegdrehte, hatte sich Lucy schon wieder hingelegt und schlief friedlich. Dann rührte sie sich die ganze Nacht nicht mehr.
14. August – Den ganzen Tag über lesen und schreiben auf der Ostklippe. Lucy scheint den Platz ebenso lieb gewonnen zu haben wie ich, und sie ist nur schwer hier wegzubringen, wenn es Zeit ist zum Lunch, Tee oder Abendessen nach Hause zu gehen. Heute Nachmittag äußerte sie sich sonderbar. Wir waren eben dran, zum Dinner nach Hause zu gehen, und waren oben auf den Stufen angekommen, die vom Westpier heraufführen; da blieben wir stehen, um die Aussicht noch einmal zu genießen, wie wir es sonst auch tun. Die untergehende Sonne stand schon tief am Horizont und begann gerade, hinter Kettleness zu versinken; das rote Licht fiel auf die Ostklippe und die alte Abtei – alles badete in wunderbar rosigem Glühen. Wir schwiegen lange, plötzlich murmelte Lucy wie im Selbstgespräch:
„Wieder seine roten Augen! Es sind die gleichen!“ Es waren seltsame Worte, die in keinem Zusammenhang standen, und sie erschreckten mich. Ich wendete den Kopf nach ihr, aber so, dass es nicht aussah, als wollte ich sie anstarren. Dann bemerkte ich, dass sie sich im Halbschlaf befand; ein eigenartiger Ausdruck lag auf ihrem Gesicht, über den ich mir nicht Klarheit verschaffen konnte. Ich sagte nichts, folgte aber der Richtung ihres Blickes. Sie schien auf unsere Bank hinüberzuschauen, auf der eine einzelne dunkle Gestalt saß. Ich war etwas erschreckt darüber, denn für einen Moment kam es mir vor, als habe der Fremde große Augen, leuchtenden Flammen gleich; im zweiten Hinsehen zerfloss die Illusion. Das rote Sonnenlicht schien auf die Fenster der St.-Marien-Kirche, die hinter unserem Lieblingssitz lag, und als die Sonne untertauchte, erweckten Widerschein und Lichtbrechung den Eindruck, als bewege sich drüben eine Gestalt. Ich machte Lucy auf diese Erscheinung aufmerksam, und sie kam rasch zu sich; aber sie sah sehr traurig aus; vielleicht gedachte sie der unheimlichen Nacht, die sie da erlebt hatte. Wir verloren nie wieder ein Wort darüber; so vermied ich es denn auch heute, und wir gingen heim zum Essen. Lucy hatte Kopfschmerzen und ging frühzeitig ins Bett. Ich sah sie einschlafen und beschloss dann noch, allein einen kleinen Spaziergang zu machen; ich ging nach Westen, den Klippen entlang, und war voll sehnsüchtiger Traurigkeit nach Jonathan. Als ich heimkehrte – es war dann heller Mondschein, so hell, dass selbst die Teile unseres Hauses in Crescent, die im Schatten lagen, noch recht gut zu sehen waren – warf ich einen Blick auf unsere Fenster und sah Lucys Kopf heraushängen. Ich glaubte, sie warte auf meine Rückkehr, und zog deshalb mein Taschentuch, um ihr zu winken. Sie bemerkte nichts und rührte sich nicht. In diesem Augenblick kroch der Mondschein um die Ecke des Gebäudes und das Licht fiel auf das Fenster. Da lag Lucy mit dem Kopf auf dem Fensterbrett mit geschlossenen Augen. Sie schlief fest und auf dem Fenstersims neben ihrem Kopf saß etwas, das wie ein großer Vogel aussah. Ich fürchtete, sie könne sich erkälten; so rannte ich die Treppen hinauf. Als ich in das Zimmer trat, ging sie eben in ihr Bett zurück, im tiefsten Schlaf und schwer atmend. Sie hielt die Hand an den Hals gedrückt, als wolle sie sich vor Kälte schützen.
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