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Die Muskulatur – Motoren und Zündzeitpunkte

Die Muskulatur des Pferdes bildet zusammen mit dem Skelett ein System der Energieumwandlung, also einen Motor. Ebenso wie in einem Motor muss daher die Kontraktion und Entspannung der Muskeln in einem oszillierenden Rhythmus erfolgen, also zu genau abgestimmten Zündzeitpunkten.

Im wirklichen Leben benötigt das Pferd sehr wohl Muskelkraft zur Fortbewegung, da die einzelnen Energieformen (kinetische, potenzielle und elastische Energie) nie ganz verlustfrei ineinander übergeführt werden können und immer auch ein Windwiderstand und Bodenunebenheiten zu überwinden sind. Bevor wir ab S. 51 die eigentliche Arbeit der Muskulatur genauer betrachten, soll hier in diesem Kapitel eine bildhafte Vorstellung für die von ihnen erzeugten Bewegungen entwickelt werden.

Das Becken des Pferdes als Taumelscheibenmotor (Illustration: shutterstock.com/Motionblur Studios)

Bis jetzt haben wir ein Modell des Pferdekörpers verwendet, bei dem „Becken“ und „Schultergürtel“ einfach durch zwei Stäbe simuliert wurden, die rechtwinklig und starr mit der Wirbelsäule als Körperlängsachse verbunden waren. An diesem Modell haben wir gesehen, wie die durch die Beine erzeugte „Taumelachsen“-Bewegung von Becken und Schultergürtel entlang der Wirbelsäule übertragen wird. Wenn wir als „Realitätstest“ die tatsächliche Anatomie des Pferdes an Becken und Schultergürtel ansehen, finden wir keine „Stäbe“ (Abb. S. 41):

Die Hüftgelenke des Pferdes sind nicht nur durch einen „Stab“ verbunden, sondern sie sind in das Becken wie in die Ränder einer großen Scheibe eingebettet, sodass wir keine stabförmige Taumelachse, sondern eine große „Taumelscheibe“ vor uns haben. Die „Taumelachse“, die wir in den bisher verwendeten Modellen als „Stab“ simuliert haben, findet sich in der Realität am ehesten noch durch das Schambein repräsentiert, aber bei genauem Hinsehen ist sie eher eine virtuelle Achse, denn in der direkten Verbindungslinie der beiden Hüftgelenke befindet sich ein Loch. Diese komplizierte Bauart ist notwendig, damit die Bauchmuskeln unten am Schambein ansetzen können und dennoch in der Mitte eine Aussparung entsteht, durch die beim Geburtsvorgang ein Fohlen passt. Hinsichtlich der Vektoren der Kraftübertragung kann man sich das „Loch“ jedoch wegdenken: Rücken-, Rumpfund Bauchmuskeln und die verschiedenen Muskeln, die den Oberschenkel und damit das Hinterbein des Pferdes bewegen, übertragen ihre Kraft direkt auf das Becken, das durch diese Muskeln in die Unendlichschleifenbewegung einer Taumelscheibe versetzt wird.

Wären wir Maschinenbauingenieure, so könnten wir uns die Funktion der am Becken angreifenden Muskelgruppen wie die der einzelnen Zylinder eines Motors vorstellen, die ihre Kraft auf eine Platte (Taumelscheibe) anstatt auf eine Kurbelwelle übertragen (ein Modell eines solchen Motors kann man beispielsweise unter bit.ly/Taumelscheibenmotor ansehen). Übertragen auf das Modell des Pferdekörpers hätten wir oben je einen Zylinder für die rechts- und linksseitige Rückenmuskulatur und unten je einen Zylinder für die Bauchmuskeln der rechten und linken Körperhälfte (Abb. unten). Das Becken als „Taumelscheibe“ in diesem Motor kann unterschiedliche Bewegungen ausführen, je nachdem in welcher Reihenfolge die Muskelgruppen kontrahieren (die vier „Zylinder“ gezündet werden):

Erfolgt die Kontraktion nacheinander überkreuzt in diagonaler Reihenfolge, so versetzt sie das Becken in die Unendlichschleifenbewegung, die wir bereits vom Skateboard kennen, und „startet“ die Hinterbeine in einer symmetrischen Gangart (Trab, Schritt, Tölt oder Pass).

Die Rumpfmuskulatur bewegt das Becken wie ein „Taumelscheibenmotor“. (Illustrationen links und Mitte: shutterstock.com/decade3d – anatomy online, rechts: Bill Todd)

Eine alternierende Kontraktion von Rücken- und Bauchmuskeln würde die Hinterbeine in symmetrische Sprünge starten (wie beim Terre à Terre).

Werden die Muskel-„Zylinder“ in kreisförmiger Reihenfolge nacheinander „gezündet“, starten die Hinterbeine im Galopp, wobei die „Drehrichtung“ über Links- oder Rechtsgalopp entscheidet.

Dieses Motorenmodell soll illustrieren, wie das Pferd seine Beine über seine Rücken-, Rumpf- und Bauchmuskulatur antreiben kann. Da am Becken jedoch nicht nur diese Muskelgruppen, sondern auch die Oberschenkelmuskulatur der beiden Hinterbeine ansetzt und außerdem allein die Pendel- oder Federwirkung der Hinterbeine das Becken in die entsprechende Bewegung versetzt, können sich alle drei Mechanismen gegenseitig verstärken (beim Beschleunigen) oder dämpfen (beim Bremsen oder Wechseln in eine andere Gangart).

Das Modell eines Motors soll außerdem eine intuitive Vorstellung von der Bedeutung des Zusammenwirkens der einzelnen Muskelgruppen vermitteln. Wie bei einem Automotor funktioniert die Kraftübertragung nur dann, wenn die Zündzeitpunkte der Zylinder stimmen – wenn die Muskelgruppen exakt in der richtigen Reihenfolge und im richtigen Moment ihre Kraft entfalten. Jede Kontraktion einer Muskelgruppe übt eine Dehnung auf die anderen Muskelgruppen aus, genau wie in einem Automotor das Zünden in einem Zylinder für Kompression des Kraftstoffgemisches in den anderen sorgt. Wenn wir von einem Pferd sagen, dass es „über den Rücken“ geht, dann funktioniert diese oszillierende Kraftübertragung. Leider gehen bei Weitem nicht alle Pferde unter dem Reiter „über den Rücken“. Die Ursache sind Schenkel- und Zügel-„Hilfen“, die im vermeintlich richtigen Moment ein Hinterbein unter den Schwerpunkt treiben oder versammeln sollen. Solche Hilfen kommen nie im wirklich richtigen Moment und hätten daher besser den Namen „Störungen“ verdient. Für den Fahrer eines Autos gibt es mit gutem Grund keine Möglichkeit, den Zündzeitpunkt des Motors während der Fahrt manuell zu verstellen!

Auch wenn wir bis jetzt nur die hintere Hälfte des Pferdes betrachtet haben, dieselben Grundsätze gelten auch für die „Vorderachse“. Hier ruht der durch die Rippen geformte Rumpf des Pferdes in einer Muskelschlinge, die am Schulterblatt verankert ist. Ebenfalls am Schulterblatt setzen die langen Rückenmuskeln und die Oberarmmuskulatur des Vorderbeines an. Auch hier haben wir daher funktionell eine „Taumelscheibe“, deren kraftübertragende Fläche durch den Querschnitt des Rumpfes gebildet wird. Die Kraftübertragung zwischen Vorhand und Rumpf ist jedoch durch die tragende Muskelschlinge federnd gedämpft, anders als an der Hinterhand, wo die Taumelscheibenbewegung über das Kreuzdarmbeingelenk als kraftschlüssige „Kupplung“ übertragen wird. Im Normalbetrieb sitzt der Motor des Pferdes hinten, die Vorhand wird eher mitbewegt, als selbst aktive Arbeit zu leisten (Dutto, Hoyt, Clayton, Cogger, & Wickler, 2006). Interessanterweise finden sich die Konstruktionsmerkmale einer straffen Kraftübertragung an der hinten liegenden Antriebsachse und einer eher elastischen Aufhängung der Vorderachse auch bei asymmetrisch konstruierten Skateboards. In den folgenden Kapiteln (ab S. 47) findet sich mehr zu den Gründen für dieses Konstruktionsprinzip und zu der Art und Weise, wie die Vorhand zum „Antrieb“ beiträgt.

Der Steuercomputer, der die „Zündzeitpunkte“ der Muskeln kontrolliert, sitzt in den Gangmuster-Schaltzentren im Rückenmark. Dort werden funktionell zusammengehörige Muskelgruppen in der richtigen Reihenfolge und zum richtigen Zeitpunkt aktiviert – zur Kontraktion oder zur exzentrischen Kraftentfaltung (Widerstehen einer Dehnung). Für die Erklärung des Prinzips haben wir nur vier Muskelgruppen angenommen (analog zum Vierzylindermotor die rechts- und linksseitigen Rücken- und Bauchmuskeln), aber in der Realität sind es weitaus mehr muskuläre Funktionseinheiten, die differenziert gesteuert werden müssen, um eine geschmeidige Bewegung in den einzelnen Gangarten zu erhalten. Diese Koordination kann nur funktionieren, wenn sie ungestört abläuft. Sobald das Pferd auf eine Störung reagieren muss, wird die regelmäßige Oszillation der Muskelkontraktionen unterbrochen. Stattdessen werden durch einen Reflex die Rücken-, Rumpf- und Bauchmuskeln rundum gleichzeitig angespannt, sodass sich der gesamte Körper des Pferdes versteift. Mit einem solch steifen Rumpf kann sich das Pferd besser ausbalancieren (falls die Störung ein plötzliches Loch im Boden ist) oder ausschlagen (falls es sich bei der Störung um einen Angreifer handelt). Sitzt die Störung allerdings ständig auf dem Rücken des Pferdes, ist diese Versteifung kontraproduktiv. Das Pferd bewegt sich dann in einem Modus, der in der Reitliteratur auch als „Schenkelgänger“ bezeichnet wird.

Gangarten

Die Multifidus-Muskeln verbinden benachbarte Wirbelkörper und können daher durch ihre Aktivität die Elastizität der Wirbelsäule beeinflussen. Dadurch kontrollieren und stabilisieren sie die Gangarten des Pferdes.

Viele Pferde können sich jedoch auch als Schenkelgänger immer noch relativ taktklar in den verschiedenen Gangarten fortbewegen. Dies steht eigentlich im Widerspruch zum eben diskutierten Modell der Rücken-, Rumpf- und Bauchmuskulatur als „Motor“, der die Beckenbewegung in der ausgewählten Gangart startet und durch rhythmische Aktivität unterhält – in diesem Modell sollte sich jede Störung im Kontraktionsrhythmus der Rumpfmuskulatur unmittelbar auf den Takt der Gangarten auswirken. Dies ist zwar der Fall, jedoch in weit geringerem Ausmaß, als man es erwarten würde (nur genaue Beobachter und offenbar die wenigsten Turnierrichter erkennen die Taktfehler der zahlreichen „Schenkelgänger“ unter den Grand-Prix-Pferden). Der Grund hierfür ist eine Gruppe von Muskeln, die wir bislang nicht betrachtet haben. Ihre Aufgabe ist die Stabilisierung einer Gangart auch bei Störungen, die beispielsweise durch unebenen Boden auftreten (hierzu sollte man sich Videos von wild lebenden Pferden ansehen, die über Geröllhalden traben oder galoppieren).

Dicht an der Wirbelsäule des Pferdes liegen die Multifidus-Muskeln, die mehrere Wirbelkörper an den Dornfortsätzen überbrücken.

Die Multifidus-Muskeln – Ihre Spannung kontrolliert die Beweglichkeit der Wirbel gegeneinander und damit das Gangmuster. (Illustration rechts: shutterstock.com/Motionblur Studios)

Bei diesen Muskeln handelt es sich vor allem um die sogenannten „Multifidus“-Muskeln, die unmittelbar an der Wirbelsäule liegen (Abb. S. 44). „Multifidus“ bedeutet übersetzt „vielgespalten“ und beschreibt, dass diese Muskeln vielfache Ansatzpunkte haben, mit denen sie jeweils mehrere (zwei bis fünf) Wirbelkörper überspannen. Dabei verlaufen sie schräg, indem sie die senkrechten dorsalen Dornfortsätze mit den rechts- oder linksseitigen horizontalen Dornfortsätzen der benachbarten Wirbelkörper verbinden. Diese Muskeln gehören zu dem ab S. 51 näher beschriebenen Typ, der vor allem zu exzentrischer Arbeit (Widerstehen einer Dehnung) unter Ausdauerbeanspruchung geeignet ist (Hyytiäinen, Mykkänen, Hjelm-Björkman, Stubbs, & McGowan, 2014).

Mithilfe der Multifidus-Muskeln kann das Pferd die Elastizität seiner Wirbelsäule und damit seine Gangarten beeinflussen.

Die symmetrischen Gangarten Schritt, Trab, Tölt und Pass unterscheiden sich in der Phasenverschiebung zwischen hinterem und vorderem Beinpaar: Im Trab mit seiner diagonalen Fußfolge ist diese Phasenverschiebung maximal (wenn das Hinterbein fußt, ist das gleichseitige Vorderbein maximal angehoben), im Passgang minimal (gleichseitiges Hinter- und Vorderbein bewegen sich fast synchron). Schritt und Tölt liegen hinsichtlich Phasenverschiebung dazwischen. In den vorausgegangenen Kapiteln haben wir gesehen, wie die „Taumelachsen“-Bewegung über die Lendenwirbelsäule auf Brustkorb und Vorhand übertragen wird. Je elastischer die Wirbelsäule reagiert, desto mehr Phasenverschiebung ist möglich. Wir können uns die Bewegung entlang der Wirbelsäule auch als Wellenbewegung vorstellen, da durch die Beinbewegung sowohl eine axiale Torsionswelle als auch eine horizontale Flexionswelle erzeugt wird. Denken wir an die La-Ola-Welle im Fußballstadion: Jeder Zuschauer hat seinen Sitzplatz. Der Eindruck der Welle entsteht, wenn die Zuschauer zeitlich versetzt nacheinander aufstehen und sich anschließend wieder hinsetzen. Etwas Analoges geschieht mit den Wirbelkörpern bei der Fortbewegung – jeder Einzelne rotiert und pendelt um seine Ausgangsposition. Die benachbarten Wirbelkörper folgen dieser Bewegung mit einem kleinen zeitlichen Abstand, da sie über die Zwischenwirbelgelenke und Bandscheiben elastisch miteinander gekoppelt sind. Die Zuschauer im Fußballstadion können verschiedene La-Ola-Wellen produzieren, ganz kurze (wenn jeder Zuschauer auf einer geradzahligen Sitzplatznummer aufsteht, während alle auf ungerader Platznummer sitzenbleiben) und ganz lange (wenn die linke Hälfte des Stadions aufsteht, während die rechte sitzen bleibt). Die extrem kurzen Wellenlängen der La-Ola-Wellen wären aber nicht mehr möglich, wenn sich die Zuschauer mit den Armen unterhaken. Die Multifidus-Muskeln haben die Rolle dieser Arme – je straffer sie die Wirbelkörper miteinander verbinden, desto langwelliger wird die Gangart.

Das Pferd kann also mithilfe dieser Muskeln eine Gangart „wählen“ und gegenüber Störungen stabilisieren. Die Multifidus-Muskeln justieren sozusagen die Elastizität des Pferdekörpers für eine bestimmte Gangart, sodass diese taktklar und autonom mit der Eigenelastizität von Körper und Beinen aufrechterhalten wird. Die Steuerimpulse der Gangmuster-Schaltzentren im Rückenmark sind daher hauptsächlich beim Ändern eines Bewegungszustandes (Beschleunigen, Bremsen, Wenden oder Gangartwechsel) oder beim Stabilisieren einer Gangart gegenüber äußeren Störungen notwendig. Dies wird durch Untersuchungen zu einem bei Pferden auftretenden Gendefekt eindrücklich belegt (Andersson, et al., 2012):

Die Veranlagung zu Tölt oder Pass entsteht bei Pferden durch einen Gendefekt, durch den in den Neuronen der Gangmuster-Schaltzentren eine verkürzte Form des Proteins DMRT3 gebildet wird. Das normale, lange DMRT3-Protein hilft beim Austausch schneller Steuerimpulse zwischen linker und rechter Körperseite und zwischen vorderer und hinterer Körperhälfte (Kapitel 1 ab S. 13). Pferde mit normalem DMRT3-Gen lernen daher als Fohlen sehr schnell den Trab und das schnelle Anspringen in den Galopp. Pferde mit verkürztem DMRT3-Protein dagegen haben mehr Probleme mit dem Austausch dieser schnellen Steuerimpulse und brauchen daher länger, bis sich die symmetrischen Gangarten stabil und taktrein entwickelt haben. Außerdem haben sie Probleme, schnell in den Galopp einzuspringen. Die verkürzte DMRT3-Version wurde in Pferderassen selektiert, in denen sie Vorteile bietet. Bei Islandpferden, die sich oft auf eisigem oder moorigem Boden fortbewegen mussten, hat die Töltveranlagung Vorteile, da sie eine schnelle Fortbewegung mit maximaler Anzahl stützender Beine auf dem Boden ermöglicht. Bei Trabrennpferden wurde die DMRT3-Mutation durch Zuchtauslese gefördert, da sie das unerwünschte Angaloppieren im Rennen verhindert.

Genau genommen sind die Auswirkungen dieses Gendefektes jedoch paradox: Durch den Verlust des normalen DMRT3-Proteins und den dadurch bedingten Defekt beim Austausch der schnellen neuronalen Steuerimpulse treten plötzlich die zusätzlichen Gangarten Tölt und (oder) Pass bei den betroffenen Pferden auf. Der Befund wird jedoch erklärlich, wenn man die Gangarten des Pferdes als „Ganzkörperschwingungen“ versteht. Der Körper eines jeden Pferdes kann in allen fünf Gangarten schwingen, aber die Steuerimpulse der Gangmuster-Schaltzentren stabilisieren normalerweise für jeden Geschwindigkeitsbereich nur eine Gangart. Der Energieaufwand der Fortbewegung ist am geringsten, wenn die für den jeweiligen Geschwindigkeitsbereich passende Gangart ausgewählt wird. Ein 500-kg-Pferd geht bei einem Tempo von etwa 6 bis 8 km/h vom Schritt in den Trab über und bei etwa 15 km/h vom Trab in den Galopp. Die Gangmuster-Schaltzentren wirken daher so wie ein Automatikgetriebe, das bei der richtigen Geschwindigkeit in den nächsten Gang schaltet. Pferde mit DMRT3-Defekt müssen dagegen in früher Jugend lernen, „manuell“ mithilfe ihres Kleinhirns zu schalten. Je nach Training und Umwelt kommen dadurch auch die Gangarten Tölt und Pass zum Vorschein (Danner, Wilshin, Shevtsova, & Rybak, 2016).

Was bedeuten diese Befunde für das Reiten eines Pferdes? Erstens sollte der Reiter so auf dem Pferd sitzen, dass die für die jeweilige Gangart typische Ganzkörperschwingung des Pferdes unbeeinflusst erfolgen kann. Zweitens – es ist möglich, die Schwingungen und damit die Gangart eines Pferdes zu beeinflussen. Ein Reiter, der dies versucht, sollte aber die Schwingung des Pferdekörpers fühlen und verstehen. Er sollte wissen, welche Änderung der Schwingung einen positiven gymnastizierenden Effekt auf das Pferd hat. Und er sollte die Schwingung des gesamten Pferdekörpers entsprechend beeinflussen und nicht punktuell am Kopf des Pferdes ziehen oder an seinen Rippen stochern.

Die Rolle von Kopf und Hals in der Balance des Pferdes

Kopf und Hals des Pferdes stabilisieren seine Balance und tragen zum Antriebsmechanismus seiner Fortbewegung bei.

Wir sprechen von Ganzkörperschwingungen, haben aber bislang Kopf und Hals des Pferdes völlig außer Acht gelassen. Unser Simulationsmodell (Gan, Wiestner, Weishaupt, Waldern, & Remy, 2016) existierte in zwei Varianten (mit und ohne Kopf), wobei das „kopflose“ Modell die natürliche Bewegung etwas schlechter abbildete. Das ist einerseits nicht wirklich überraschend (schließlich haben Pferde bekanntlich Köpfe, und zwar ziemlich große), wirft aber dennoch die Frage nach Hals und Kopf des Pferdes in der Bewegung auf. Ein langer Hals und ein schwerer Kopf sind nicht typisch für alle Tierarten, die schnell (Gepard) oder ausdauernd (Wolf) laufen können. Ein Pferd braucht natürlich einen schweren Kopf, um große Zähne mit viel Kaufläche unterzubringen, sodass es seine harte, energiearme Pflanzennahrung „in einem Durchlauf“ zerkleinern kann (die meisten spezialisierten Pflanzenfresser sind Wiederkäuer und wenden einen zweiten Durchlauf an, nachdem sie die Pflanzen im Pansen eingeweicht haben). Den großen Pferdekopf aber auch noch an einen langen Hals zu hängen scheint kontraproduktiv, da dadurch umso größere Hebelkräfte wirken. Gerade Pferderassen, die besonders schnell laufen können (englisches Vollblut, Achal-Tekkiner), haben jedoch besonders lange Hälse. Kopf und Hals haben also ganz offensichtlich eine wichtige Funktion bei der Fortbewegung (Zsoldos & Licka, 2015).

Der Kopf als stabilisierendes Gegengewicht

Im Kapitel „Der Pferderücken“ (S. 36 ff.) war bereits von der Rolle der Wirbelsäule beim Tragen des Körpergewichtes die Rede. Die vier Beine unterstützen den Rumpf an den vier „Ecken“, wodurch die Wirbelsäule einerseits in ihrer Längsachse komprimiert wird. Da aber das Gewicht des Rumpfes an der Wirbelsäule „hängt“, wird diese auch nach unten durchgebogen (Prinzip Hängematte). Gegen dieses Durchbiegen stabilisieren die an der Rückenseite der Wirbelkörper gelegenen Zwischenwirbelgelenke. Pferde, die im Stehen schlafen, lassen den Rücken maximal durchhängen, sodass die Zwischenwirbelgelenke „einrasten“ und das Körpergewicht komplett ohne Muskelkraft vom Skelett getragen wird (zusätzlich ist hierfür noch ein Einrasten der Kniescheibe am unterstützenden Hinterbein notwendig). Im Kapitel „Kraftübertragung“ (S. 39 ff.) haben wir jedoch gesehen, dass die Zwischenwirbelgelenke in der Bewegung nicht „einrasten“ dürfen, da sonst die Bewegung der Beine nicht in eine Ganzkörperschwingung übertragen werden kann. Hier kommt nun die Funktion von Kopf und Hals des Pferdes ins Spiel: Diese wirken in der Bewegung als Gegengewicht und verhindern so das Durchhängen des Rückens und damit das Einrasten der Zwischenwirbelgelenke (Loscher, Meyer, Kracht, & Nyakatura, 2016) (Abb. S. 47):

Kopf und Hals als Gegengewicht (Illustration: shutterstock.com/decade3d – anatomy online, Foto: shutterstock.com/Hibiki Nakata)

Anatomie der Halswirbelsäule des Pferdes (Illustration links: Motionblur Studios, Fotos rechts: Rod Nikkel Saddle Trees and Western Saddle Fit)

Eine solche Hängebrücke funktioniert nur, wenn sie austariert ist. Bei einem Pferd in Bewegung ist ein einmaliges Austarieren von Hals und Rücken jedoch nicht ausreichend, da der Rumpf in den symmetrischen Gangarten die bereits beschriebene „Skateboard“-Bewegung ausführt. Hals und Kopf stabilisieren den Rücken gegenüber den dabei auftretenden Kräften, indem sie gegenläufige Kompensationsbewegungen ausführen (Dunbar, Macpherson, Simmons, & Zarcades, 2008). Diese Kompensationsbewegungen können ohne aktive Muskelarbeit entstehen, da sich die durch die Beine erzeugte Taumelachsenbewegung entlang der gesamten Wirbelsäule auch auf die Halswirbel überträgt. Die Anatomie der Halswirbel hat sich beim Pferd so entwickelt, dass der Kopf optimal als stabilisierendes Gegengewicht und Endpunkt der Taumelwelle fungieren kann (Abb. S. 48).

Damit der Kopf dieser Funktion als stabilisierendes Gegengewicht nachkommen kann, muss die Stirnlinie des Pferdes deutlich vor der Senkrechten verlaufen: Nur dann besteht ein Bewegungsspielraum für ein Nicken, durch das das Nackenband angespannt und der Rücken gehoben wird. Pferde tragen daher bei allen natürlichen, vom Menschen unbeeinflussten Bewegungsabläufen den Kopf in einem Winkel von 22 bis 30 Grad vor der Senkrechten (McGreevy, Harman, McLean, & Hawson, 2010). Die einzige Ausnahme ist dann, wenn das Pferd sich „versammelt“ und den Rücken allein mit der Kraft der Hinterhand anhebt (mehr dazu ab Seite 57).

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