Kitabı oku: «Seewölfe Paket 12», sayfa 11
Borago richtete sich vom Untergrund auf. Kewridis Pfeil hatte ihn nicht getroffen. Er lachte und deutete auf die Gestalt des jungen Mannes im Wasser. „Der wäre auch erledigt. Sehr gut. Los, einer von euch läuft den Weg hinauf, den diese beiden Hunde benutzt haben. Ich nehme an, daß es weiter oben einen Platz gibt, von dem man auf das Meer blicken kann. Wir müssen unseren Brüdern ein Zeichen geben, daß sie jetzt landen können. Wir warten auf sie und stoßen mit ihnen ins Innere der Insel vor, wie es geplant ist.“
Er schloß unwillkürlich die Augen und dachte daran, wie reich Surkut ihn belohnen würde, wenn die Landung und der Überfall auf Tubuagos Stamm klappten.
7.
Die Wasserfässer die Hügel hinaufzuschaffen, war nicht gerade eine leichte Arbeit. Es waren insgesamt sechs, zwei kleinere aus Edelkastanie und vier große aus Eiche, und die großen Fässer konnte man nur rollen, nicht tragen. Jetzt, in der größten Mittagshitze, war es für die acht Männer, die der Seewolf für das Wasserholen eingeteilt hatte, eine unangenehme, schweißtreibende Aufgabe, und sie fluchten dementsprechend.
Big Old Shane und Batuti wuchteten die zwei kleinen Kastanienholzfässer auf den Schultern den Hang hoch. Luke Morgan, Bob Grey, Stenmark, Will Thorne, Matt Davies und Sam Roskill hatten alle Hände voll damit zu tun, die vier anderen Fässer voranzubringen.
Als die Sonne auf ihren höchsten Punkt gestiegen war, erreichten die Männer die Quelle am Saum des Urwalds und begannen, das frische Naß mit den mitgebrachten Kellen in die Fässer zu schöpfen.
„Verdammt noch mal“, sagte Luke Morgan. „Ich will ja nicht meutern, aber für diese Scheißarbeit hätte sich Hasard auch eine bessere Zeit aussuchen können.“
„Wann denn wohl?“ fragte Will Thorne. „Mir stinkt die Sache genauso wie dir, aber vergiß nicht, daß wir heute nachmittag auslaufen wollen. Je schneller und je weiter wir nach Norden kommen, desto besser ist es doch, oder?“
„Ja, das stimmt“, meinte Luke einlenkend. „Also los, sehen wir zu, daß wir es so rasch wie möglich hinter uns bringen.“
„Mir stinkt die ganze Insel“, sagte Bob Grey. „Hölle, ich fühl mich hier nicht wohl.“
„Das hast du heute schon mal gesagt. Jedenfalls hat Jeff das behauptet“, meinte Sam Roskill. „Hör lieber ganz auf mit dem Reden, es strengt ja doch viel zu sehr an.“
Matt Davies blickte sich immer wieder mißtrauisch um. „Es liegt was in der Luft. Wir kriegen hier noch ganz dicken Ärger, das schwöre ich euch.“
Shane, der den Trupp anführte, lachte. „Hört, hört! Wir haben schon einen Nachfolger für den alten Donegal, falls der mal abdankt. Matt, Kopf hoch, wir sind ja gleich fertig, und diesmal geht es mit den Fässern bergab.“
„Gott sei Dank“, brummte der Mann mit der Eisenhakenprothese. Er bückte sich mit seiner Kelle, ließ sie mit Wasser vollaufen, richtete sich wieder auf und entleerte sie in die obere Öffnung des einen Fasses.
„He“, sagte er plötzlich. „Was ist eigentlich aus den Indios geworden? Sie waren verschwunden wie der Blitz. Die führen doch wohl nichts gegen uns im Schilde?“
„Sie sind ins Dorf zurückgekehrt“, entgegnete Shane. „Sie wollen sich auf jeden Fall auf einen Angriff dieses verrückten Surkut vorbereiten. Hast du nicht gehört, was Tubuago, Ilana und dieser Kewridi Hasard erklärt haben, ehe wir das Dorf verließen?“
„Wie konnte ich?“ sagte Matt. „Ich war doch nicht mit dabei.“
„Oh, verflixt“, sagte der graubärtige Riese. „Jetzt gerate ich langsam auch schon ins Schleudern. Muß an der Hitze liegen. Also: Surkut ist der Häuptling der Nordinsel – ein fanatischer Kriegshetzer, der die Maracá-Indios allesamt unterwerfen und dann auch noch einen Zug zum Festland unternehmen will.“
„Das alles haben die Leute aus dem Dorf Hasard erzählt?“ fragte Stenmark verblüfft. „Ja, wie denn bloß?“
„Durch Gesten und Zeichnungen“, erwiderte Big Old Shane. „Tubuago, der Häuptling, der uns den ganzen Proviant geschenkt hat, scheint aber nicht ganz von der Angriffswut dieses Surkut überzeugt zu sein. In seinen Augen ist der Kerl wohl eher ein aufgeblasener Sack, den man bloß anzustechen braucht, damit er in sich zusammenfällt.“
„Achtung“, sagte Matt Davies plötzlich. „Da ist was – da, im Gebüsch!“
Sie fuhren herum und blickten in die Richtung, in die Matt mit dem Finger wies. Doch im nächsten Moment atmeten sie erleichtert auf, denn es war nur ein großer, fasanenähnlicher Vogel, der schwerfällig aus dem Dickicht aufstieg und sich zu einer der ausladenden Baumkronen emporarbeitete.
„Mann“, sagte Batuti. „Matt, du machst mir ganz verrückt mit dein komisches Gerede.“
Matt seufzte. „Es heißt ‚mich‘, und auch der Rest war nicht ganz richtig, aber du lernst es wohl nie, was?“
„Mister Davies“, sagte Shane betont scharf. „Ich muß feststellen, daß du heute ausgesprochen schlechte Laune hast. Halt mal ein bißchen die Luft an und mach die Schotten dicht, klar?“
„Aye, Sir“, gab Matt mit griesgrämiger Miene zurück.
Schweigend setzten sie ihr Werk fort. Erst Luke Morgan begann wieder zu sprechen, und zwar, als ein paar Minuten später wieder ein knackender Laut hinter ihnen im Unterholz des Urwald zu vernehmen war.
„Du brauchst dich nicht aufzuregen, Matt“, sagte er. „Das ist wieder so ein merkwürdiger Vogel – oder eine Riesenschlange, weiter nichts.“
„Ihr Himmelhunde wollt euch wohl alle mit mir anlegen, wie?“ Matt grinste verkniffen. „Na, wartet, an mir beißt ihr euch die Zähne aus. Ich bin nicht so hitzig und jähzornig wie andere Leute.“
Luke wollte sofort etwas darauf erwidern, weil die Bemerkung natürlich ihn betraf, aber jetzt geschah etwas Unerwartetes, Ungeheuerliches, so schnell, daß er nicht einmal ansatzweise zu einer Raktion gelangte.
Hinter seinem Rücken war plötzlich ein verdächtiges Surren, etwa so, als steure ein großes Insekt auf ihn zu. Ein Schlag traf Luke zwischen die Schulterblätter, und ein heißer Dorn schien sich durch seine Haut in sein Fleisch zu bohren.
Der Schmerz war eine tosende Woge, die in rasender Schnelligkeit durch seinen Körper raste und sein Bewußtsein ausschaltete.
„Luke, verdammt!“ schrie Matt Davies. Er sah den Mann neben sich zusammenbrechen, ließ die Schöpfkelle los, griff nach seiner Muskete, die im Gras lag, und wirbelte gleichzeitig herum.
Auch die sechs anderen Männer der „Isabella“ fuhren zum Busch herum und sahen die braunhäutigen Gestalten, die sich aus dem Dickicht aufrichteten und ihre Lanzen und Pfeile auf sie richteten.
Boragos kompletter Trupp war am Nordufer gelandet, und auf dem Marsch zum Dorf des Häuptlings Tubuago hatten sie die Stimmen der Weißen vernommen. Daraufhin hatte Borago beschlossen, zuerst an den verhaßten „Viracocha“ Rache zu üben. Diesmal hatte er mehr Männer hinter sich, diesmal würde er nicht zurückweichen. Er hatte sich vorgenommen, lieber zu sterben, als noch einmal eine Niederlage hinzunehmen.
„In Deckung!“ brüllte Big Old Shane, als jetzt ein ganzer Hagel von Pfeilen heranschwirrte.
Die Männer duckten sich hinter die Wasserfässer. Stenmark entging um Haaresbreite einem der Pfeile, der auf seine Brust gezielt gewesen war. Wütend hob auch er seine Muskete – und er hätte wie Matt Davies und die anderen mitten in die Horde der Indios hineingehalten, wenn Shane nicht geschrien hätte: „Über ihre Köpfe zielen – gebt Warnschüsse ab!“
Die Musketen krachten, aber die Eingeborenen zogen sich nicht zurück. Mit schrillen Rufen stürmten sie aus dem Dickicht. Ein paar Lanzen bohrten sich mit pochenden Lauten in die Wasserfässer, aus den entstandenen Löchern spritzte zischend das Naß.
„Feuer frei auf die Kerle!“ rief Big Old Shane.
Nur Sam Roskill und Will Thorne hatten ihre Flinten noch nicht benutzt. Jetzt drückten sie mit grimmigen Mienen ab – Sam mit einer Muskete, Will mit einem Tromblon, das auf diese kurze Entfernung die ideale Waffe gegen eine Übermacht von Feinden darstellte.
Sams Kugel traf nur einen Indio, der auch sofort mit einem gurgelnden Laut zusammenbrach. Wills Ladung aus dem Tromblon mit der trichterförmig erweiterten Mündung jedoch – sie bestand aus gehacktem Eisen, Blei und Glas – brachte vier oder fünf der braunen, grell bemalten Kerle zu Fall. Blutüberströmt blieben sie liegen.
„Pistolen ’raus!“ schrie Shane.
Sehr schnell hatten die Seewölfe ihre Steinschloß-, Radschloß- und Schnapphahnschloßpistolen gezückt und die Hähne gespannt, und genauso flink drückten sie wieder auf die Krieger Surkuts ab, die sich offensichtlich in keiner Weise einschüchtern ließen.
Wieder blieben einige Eingeborene auf der Strecke, aber die anderen stürmten weiter, schrien wie wahnsinnig und warfen sich auf die Männer der „Isabella“.
Unter normalen Bedingungen hätten die Indios jetzt doch die „Feuerrohre“ der weißen Männer respektiert. Aber Koka und Ebena taten ihre Wirkung und ließen nicht einmal einen Anflug von Furcht in ihnen entstehen.
Shane schätzte die Zahl derer, die jetzt noch auf seinen kleinen Trupp zusprangen, auf mindestens fünfzig. Dem ersten, der ihm zu Leibe rücken wollte, hieb er mit aller Kraft den Kolben seiner Radschloßpistole über den Kopf, den nächsten schickte er mit einem Fausthieb zu Boden. Aber die anderen drängten nach und schwangen ihre Speere und Messer gegen ihn, immer mehr, die Flut der Leiber schien nicht mehr abreißen zu wollen.
Da blieb keine Zeit, die Feuerwaffen nachzuladen und wieder damit auf die Angreifer abzudrücken. Im Nu tobte ein Handgemenge, das von den Indios derart wild und verwegen geführt wurde, daß die kleine Schar der Seewölfe unterzugehen drohte.
Matt Davies schützte den verletzten Luke Morgan mit seinem Körper. Er stand breitbeinig und leicht geduckt da und schwang sein Entermesser mit der gesunden Linken, während er mit seinem Eisenhaken, einer ebenfalls gefährliche Waffe, immer wieder nach den heulenden Kerlen schlug.
Batuti hatte zunächst seinen Bogen von der Schulter nehmen wollen, aber im Nahkampf konnte er damit doch nicht mehr viel ausrichten. Also zückte er seinen Morgenstern, sprang ein Stück zur Seite und schwang ihn hin und her, so, daß er der Meute der Gegner damit in die Flanke fiel, seine eigenen Kameraden jedoch nicht gefährden konnte.
Bob Grey, Stenmark, Will Thorne und Sam Roskill hatten jetzt auch ihre schweren Schiffshauer aus den Gurten gezogen und kämpften erbittert. Sie zogen alle Register, die ihnen zur Verfügung standen, doch sie mußten schnell erkennen, daß sie gegen die wie wahnsinnig um sich stechenden und schlagenden Indios auf verlorenem Posten standen.
Big Old Shane brachte sich mit ein paar heftigen Säbelhieben neben Matt Davies und schrie: „Rückzug zum Schiff! Matt, du läufst vor und alarmierst Hasard! Ich nehme Luke mit! Los, räumen wir das Feld, bevor es zu spät ist!“
Matt brachte sich mit einem Satz nach rechts.
„Arwenack!“ brüllte er, dann versuchte er, eine Bresche in die Traube der Leiber zu treiben, die sie niederzuwalzen drohte. Er sah dicht vor sich das verzerrte Gesicht eines bulligen Indios auftauchen, riß den Eisenhaken hoch und setzte sich zur Wehr, aber obwohl er den Kerl traf, konnte er dessen vorschnellendem Hartholzmesser doch nicht mehr ganz ausweichen. Siedendheiß lief es ihm über den linken Arm. Er fluchte, spürte, wie die Kraft aus seinem Arm wich, ließ das Entermesser aber doch noch auf seine Widersacher niedersausen. Dann hielt er sich zwei Krieger vom Leib, die von rechts auf ihn zurückten, indem er mit dem spitzgeschliffenen Haken nach ihnen hackte. Er hörte sie aufschreien, sah sie zurückprallen und hatte den Weg frei.
Er stürmte in Richtung Ankerbucht. Shane hatte unterdessen Luke Morgan vom Boden aufgehoben und ihn sich über die Schulter gelegt. Batuti hielt ihm den Rücken frei. Bob und der Schwede waren links und rechts neben ihm, um ihn ebenfalls zu schützen, während er Matt nacheilte. Will Thorne und Sam Roskill bildeten die Nachhut. Sie ließen die Wasserfässer und ihre leergeschossenen Musketen, die am Boden lagen, im Stich und trachteten, Abstand zwischen sich und die Indios zu bringen, doch diese gaben immer noch um keinen Deut nach – im Gegenteil, sie schienen jetzt noch mehr Energie darauf zu verwenden, die weißen Männer zu stoppen und niederzuschlagen.
Sam Roskill fühlte sich plötzlich zurückgerissen: Ein Indio klammerte sich an seinem Arm fest und versuchte, ihm den Schiffshauer zu entwinden. Ein anderer sprang vor, hob seinen Speer und schickte sich an, die Spitze in Sams Brust zu jagen.
8.
Einige der Männer an Bord der „Isabella“ zuckten wie von Peitschenhieben getroffen zusammen, als an Land die Schüsse und Schreie erklangen.
„Verflucht und zugenäht!“ schrie Old O’Flynn. „Shane und die anderen sind in eine Falle geraten! Der Teufel soll diese Scheiß-Maracá-Insel holen!“
Hasard blickte zu Bill und zu Gary Andrews auf, die nach wie vor im Groß- und Vormars hockten.
„Könnt ihr etwas sehen?“ rief er. „Gibt Shane uns vielleicht ein Zeichen?“
„Nein, Sir!“ schrie Gary Andrews.
„Zwischen den Hügeln steigt nur Pulverrauch auf!“ rief Bill.
Der Seewolf zögerte nicht. Eine der Jollen lag drüben am Strand, die zweite jedoch dümpelte an der Bordwand der „Isabella“. Er drehte sich um und sagte: „Los, Ferris, Smoky, Pete und Dan mit mir! Ferris, nimm so viele Höllenflaschen mit, wie du kannst!“
„Aye, Sir!“ schrien die vier.
Hasard schwang sich über das Schanzkleid der Kuhl, enterte an der Jakobsleiter in die Jolle ab und nahm auf der Heckducht Platz. Den Radschloß-Drehling legte er vor sich auf den Bootsboden. Ungeduldig wartete er auf seine Begleiter, die jetzt ebenfalls auf den Sprossen der Leiter erschienen und in Windeseile nach unten sausten.
Kaum hatten sie auf den Duchten Platz genommen, drückte Hasard die Jolle mit einem Bootshaken von der „Isabella“ ab. Er verstaute den Haken, griff nach der Ruderpinne und rief: „Ruder an! Pullt, was das Zeug hält, die Männer brauchen dringend unsere Hilfe! Hört euch das an!“
Das Gebrüll, das aus den Hügeln herüberdrang, sprach für sich. Hin und wieder waren die Stimmen der Seewölfe zu vernehmen, aber sie gingen in dem Geheul der Indios unter, die in großer Überzahl aufgetaucht sein mußten.
Hasard hatte es geahnt: Die braunhäutigen Teufel von der Nordinsel hatten nicht geruht, sie waren auf Rache aus und wollten jetzt, in einem kühnen Handstreich, hier alles an sich reißen.
Ferris, Smoky, Dan und Pete pullten, als säßen ihnen tausend Dämonen der Hölle im Nacken. Die Jolle glitt immer schneller voran. Hasard lenkte sie so, daß sie direkt neben dem anderen Beiboot auf dem Strand landen mußte.
„Sir!“ schrie Bill plötzlich zu ihnen herüber. „Achtung! Jemand läuft den Hang hinunter – es ist Matt Davies!“
Der Seewolf hob den Kopf und entdeckte Matt, der wie von Furien gehetzt die Anhöhe hinunterstürmte. Sein linker Arm baumelte schlaff nach unten. Hasard konnte mit bloßem Auge die rote Blutspur erkennen, die sich daran entlangzog. Matt hielt zwar noch seinen Schiffshauer, drohte ihn aber jeden Moment zu verlieren.
„Sir!“ brüllte er. „Es gibt Zunder! Diese Bastarde sind wieder gelandet! Luke hat einen Pfeil abgekriegt, und die anderen sind auch übel dran, wenn nicht …“
„Wir kommen!“ unterbrach Hasard. „Wir haben Flaschenbomben!“
„Verfluchte Scheiße!“ stieß der rothaarige Schiffszimmermann wutentbrannt aus. „Wie haben die Hunde bloß ungesehen auf der Insel landen können? Ich denke, Tubuago hat überall Wachtposten aufstellen lassen!“
„Dafür gibt es nur eine Erklärung“, sagte Hasard, während er sich bereits halb aufrichtete, um ins Wasser zu springen. „Surkuts Männer waren schneller als Tubuagos Krieger. Sie haben uns alle überrumpelt.“
„Wer hätte denn auch damit gerechnet, daß sie am hellichten Tag angreifen?“ fragte Pete Ballie.
„Keiner, das ist es ja“, sagte Dan. „Mann, wir hätten noch viel vorsichtiger sein müssen.“
Hasard hatte keine Zeit, sich mit Selbstvorwürfen zu plagen, sonst hätte er sich jetzt gesagt, daß es leichtsinnig von ihm gewesen war, die acht Männer zum Wasserfassen an Land zu schicken. Doch hatte er diese Entwicklung voraussehen können?
Er sprang in die Brandung, hetzte mit langen Sätzen zu Matt und schrie: „Was ist mit deinem Arm? Ist die Wunde tief?“
„Nein, Sir“, gab Matt zurück. „Nicht der Rede wert. Nur ein alberner Schnitt.“
Der Seewolf lief an ihm vorbei und hastete zu den Hügeln. Ferris, Dan, Pete und Smoky waren ebenfalls aus der Jolle heraus, zogen sie nur ein Stück auf den weißen Sand und stürmten dann ihrem Kapitän nach.
Matt Davies drehte sich um und schloß sich ihnen an. Er brachte sich neben Ferris und wollte ihm etwas zurufen, doch der Schiffszimmermann schrie bereits: „Teufel, Matt, du bleibst besser hier!“
„Wegen des Arms? Du hast sie wohl nicht mehr alle!“
„Achtung!“ brüllte Gary Andrews vom Vormars der „Isabella“. „Da ist Shane!“
Die wuchtige Gestalt des grauhaarigen Schmieds von Arwenack erschien auf der Kuppe der Anhöhe. Er trug Luke und hielt ihn mit der linken Hand fest, mit rechts hob er den Säbel und winkte Hasard und dessen Gefolge zu.
„Sie sind hinter uns!“ rief er. „Verflucht, sie sitzen uns auf den Fersen! Sie sind wie von Sinnen!“
„Flaschenbomben fertigmachen!“ schrie der Seewolf.
„Gebt mir eine Pistole!“ stieß Matt Davies aus.
Dan warf ihm eine Miqueletschloßpistole zu. Matt ließ den Schiffshauer fallen, fing die Waffe trotz seiner Verwundung mit der Linken aus der Luft auf und spannte den Hahn mit seiner Prothese. Er biß die Zähne zusammen und sagte: „Wenigstens einen Schuß will ich diesen Hunden noch verpassen.“
Ferris Tucker hatte die erste Höllenflasche zum Vorschein gebracht und versuchte, die Lunte mit Feuerstein und Feuerstahl zu zünden, was aber im Laufen nahezu unmöglich war.
Pete war mit zwei Sätzen neben ihm und rief: „Gib her, ich helfe dir!“
Sie langten auf der Kuppe an und konnten über die daran anschließende Senke hinweg sehen, wie die Indios auf dem gegenüberliegenden Hügel Batuti, Bob, Stenmark und Will verfolgten.
„Shane, bring Luke zur ‚Isabella‘!“ schrie der Seewolf. „Ihr anderen, mir nach!“ Er blieb stehen, legte mit dem Radschloß-Drehling auf die Gegner an und gab den ersten Schuß ab. Er zielte weit nach rechts und holte einen der Indios aus der Flanke der Meute heraus, so daß er seine eigenen Leute nicht in Gefahr brachte.
„So ein Dreck!“ rief Ferris Tucker. „Wohin soll ich die Flaschen werfen? Wenn ich nicht aufpasse, gehen unsere Kerls mit dabei drauf!“
„Warte noch!“ erwiderte der Seewolf, dann lief er in die Senke hinunter.
Er hielt immer wieder nach Sam Roskill Ausschau, konnte ihn jedoch nirgends entdecken. Eine eisige Hand schien nach seinem Herzen zu greifen. Was war mit Sam geschehen?
Diesmal geht es nicht gut aus, dachte er entsetzt, diesmal gehen ein paar von uns über die Klinge – o Hölle, wie konnte das nur passieren?
Von Bord der „Isabella“ ertönte wieder ein Ruf. Diesmal wurde er von Bill ausgestoßen. „Deck, Boote in Sicht! Sie laufen in die Bucht ein! Sie greifen uns an!“
Ben Brighton, der jetzt das Kommando über das Schiff hatte, sah nach Steuerbord und stieß eine üble Verwünschung aus. Wie ein Spuk hatten sich die Kanus und Piraguas hinter der nördlichen Landzunge hervorgeschoben und Kurs auf die Einfahrt der Ankerbucht genommen, während sich alles auf die Vorgänge an Land konzentriert hatte. So waren die Gegner jetzt schon bedrohlich nah heran, so nah, daß das Zusammentreffen mit ihnen unvermeidlich war.
Der Verband bestand aus zehn Kanus und Piraguas. Ganz vorn, in der größten Piragua, stand aufrecht und mit verschränkten Armen ein breitschultriger Indio, der einen mächtigen Federschmuck auf dem Haupt trug. Ben glaubte sein triumphierendes Grinsen sehen zu können.
„Das ist Surkut mit dem zweiten Teil seiner Bande!“ rief Ben. „Los, schnappt euch die Spaken und dann ’ran an das Spill! Wir lichten den Anker, damit wir beweglicher sind! Die anderen – auf Gefechtsstation! Hölle, wir wollen den Hurensöhnen einen gebührenden Empfang bereiten! Gary, sofort abentern, jetzt wird jeder Mann an Deck gebraucht!“
Gary schwang sich über die Umrandung des Vormarses, als wolle er aus luftiger Höhe auf die Kuhl springen. Für einen Augenblick wirkte es tatsächlich so, als würde er abrutschen und stürzen, doch dann sah Bill, der ihn beobachtete, wie der Fockmastgast geschickt in den Wanten nach unten hangelte.
Gary war sich der prekären Lage, in der sie sich befanden, genauso bewußt wie die anderen, und er tat das Menschenmögliche, um so schnell wie möglich an die Geschützbatterie zu gelangen.
Die „Isabella“ war hoffnungslos unterbemannt. An Bord befanden sich jetzt nur noch Ben, der Profos, der Kutscher, Blacky, Gary, Al Conroy, Old O’Flynn, Jeff Bowie, Bill und die Zwillinge, also nur neun Männer – von denen der eine an der Schulter verletzt war – und zwei Kinder.
Der einzige Vorteil, den sie in dieser Situation hatten, bestand darin, daß die „Isabella“ nach wie vor gefechtsbereit war, daß sie also die Kanonen nur noch zu zünden brauchten.
Doch wie viele Schüsse konnten sie überhaupt abgeben? Mit beängstigender Geschwindigkeit schoben sich die Eingeborenen-Kanus heran. In jedem Boot saßen zehn vom Gesicht bis zu den Beinen bemalte Krieger – hundert Indios also gegen die winzige Besatzung der Galeone!
Jesus, schoß es Sam Roskill noch durch den Kopf, gütiger Herr im Himmel, einmal muß es ja aus sein! Allmächtiger, hast du denn wirklich geglaubt, du könntest deinen Hintern noch bis zur Schlangen-Insel tragen und eines Tages vielleicht sogar noch bis nach Old England? Mann, wie überheblich bist du eigentlich?
Für einen Mann, der den Tod so dicht vor Augen hatte, waren das eine ganze Menge Überlegungen und im Grunde auch erstaunlich sachliche Erwägungen. Aber wie denn – hätte er vielleicht schreien und um sein Leben betteln sollen? Nein, diese Blöße gab sich ein Sam Roskill nicht. Sollte er denn tatsächlich auf dieser Insel verrecken, so wollte er seinen Mördern dabei allenfalls noch höhnisch ins Gesicht grinsen.
Er versuchte zwar noch, den Kerl abzuschütteln, der ihm am Arm hing, aber der klammerte sich derart hartnäckig fest, daß es von vornherein aussichtslos war. Sam drohte zu Boden zu gehen, konnte seine Waffen nicht mehr einsetzen und sah die Spitze des Speeres in diesem Augenblick auf sich zuzucken.
Er ließ sich fallen und hoffte, dadurch dem tödlichen Speer zu entgehen. Aber auch das war eine Illusion, wie er wußte. Nein, es ließ sich nicht mehr vermeiden.
Dann aber geschah etwas wirklich merkwürdiges – nein, fast grotesk wirkte das schon, wie der Kerl mit dem Speer jetzt doch wie angenagelt stehenblieb und zu schwanken begann, als habe er eine halbe Gallone Whisky im Leib.
Der Speer fiel zu Boden. Der Indio brach in den Knien zusammen und fiel aufs Gesicht, und Sam konnte gerade noch den Pfeilschaft sehen, der mitten im Rücken des Mannes steckte, ehe er sich mit seinem anderen Gegner auf dem Untergrund überrollte und ihm dabei die linke Faust gegen die Schläfe knallte.
Der Indio wollte ihn immer noch nicht loslassen, aber Sam brachte sich in eine günstige Lage, hob seinen Rücken, kniete sich auf die Ellbogen des Eingeborenen und hieb noch einmal zu, auf dieselbe Stelle wie vorher und diesmal noch ein bißchen kräftiger.
Der Indio stöhnte nur noch ein bißchen, dann lag er still. Sam erhob sich, packte seinen Schiffshauer und blickte sich um.
Jetzt hatte er die Erklärung für die unverhoffte Hilfe: Aus dem Dschungel stürzten wieder braunhäutige Gestalten hervor, aber diesmal waren es nicht die Krieger Surkuts, sondern die Männer aus dem Dorf des Häuptlings Tubuago. Natürlich – auch sie hatten die Schüsse vernommen und waren aufgebrochen, um ihren weißen Freunden zu Hilfe zu eilen.
Im Eifer des Gefechts hatten weder Shane oder Sam noch die anderen Männer des Landtrupps an diese Möglichkeit gedacht. Der Einsatz der Insulaner erfolgte spät, aber vielleicht doch immer noch rechtzeitig genug.
Sam hetzte los und reihte sich in die vorderste Gruppe der Krieger ein.
„Dort entlang!“ schrie er und wies mit der Hand den Weg zur Ankerbucht. „Wir müssen sie erwischen, diese Schweinebande!“
Obwohl er wußte, daß die Indios ihn nicht verstehen konnten, stieß er Verwünschungen gegen die Krieger Surkuts aus und wünschte sie alle zum Teufel, denn er mußte sich irgendwie Luft verschaffen.
An der Spitze der Indios lief er durch eine Senke zur nächsten Hügelkuppe hinauf und traf gerade rechtzeitig genug ein, um Will Thorne, der in schwere Bedrängnis geraten war, Hilfe zu leisten.
Drei Eingeborene hatten Will festgesetzt. Er schlug sich, so gut er konnte, aber er konnte sich nicht mehr lange halten.
Sam ging mit einem Fluch dazwischen und schickte einen Gegner durch einen Entermesserhieb zu Boden. Er wollte sich den nächsten vornehmen, doch der fiel wie von selbst, weil ihn ein Pfeil getroffen hatte.
Will tötete den dritten durch einen blitzschnellen Ausfall, dann sahen Sam und er, wer den Pfeil abgeschossen hatte. Es war Tubuago höchstpersönlich. Er stand inmitten seiner Krieger und schrie Befehle, legte einen neuen Pfeil an die Bogensehne und zielte auf Borago, den er in der Meute der Widersacher entdeckt hatte.
„Gut so!“ schrie Sam Roskill. „Weiter so! Wir schaffen es, jetzt wendet sich das Blättchen!“
Borago wollte sich auf Stenmark stürzen, doch ein Schuß, vom Seewolf abgeben, traf seine Schulter. Borago vollführte eine heftige Drehung und ging in die Knie, um ihn herum schien alles zu verschwimmen.
Im nächsten Moment ging auf dem Hügel die Flaschenbombe Ferris Tuckers hoch, dort, wo sich nur die Indios der Nordinsel befanden, die versuchten, einen Bogen zu schlagen und den Seewölfen den Fluchtweg zur Ankerbucht abzuschneiden.
Ein greller Blitz stach himmelan, Leiber wirbelten durch die Luft, und unter dem fetten schwarzen Rauch, der sich nach allen Seiten ausbreitete, schrien Surkuts Männer auf. Die Meute geriet ins Stocken. Tatsächlich schien sich eine Wende abzuzeichnen, denn die Seewölfe und die Krieger Tubuagos nahmen den Feind jetzt in die Zange.
Doch in der Bucht dröhnten die Kanonen der „Isabella“. Schwer rollte der Donner über das Wasser gegen die Hänge der Insel Maracá an. Ein neues Drama nahm seinen Lauf.