Kitabı oku: «Seewölfe Paket 12», sayfa 12
9.
Der Anker war gelichtet, die „Isabella“ schwamm frei im Wasser der Bucht, aber die Kanus und Piraguas der Eingeborenen wimmelten bereits um sie herum wie Ameisen um den Leib einer großen Raupe. Al Conroy und Jeff Bowie zündeten die ersten beiden Geschütze der Steuerbordbatterie. Blacky verließ die Back und eilte ihnen – entgegen der Order des Seewolfs – zu Hilfe.
Die Culverinen spien Feuer, Rauch und Eisen aus und rollten zurück. Al, Jeff und Blacky brüllten „Arwenack“, denn sie sahen die beiden am weitesten zurückliegenden Kanus der Gegner durch die Luft fliegen und in tausend Trümmer auseinanderfetzen. Doch es war eher eine Selbsttäuschung, an einen Sieg zu glauben. Die anderen Boote waren dicht neben der Bordwand, unerreichbar für die Schüsse der 17-Pfünder.
„Al!“ schrie Ben Brighton. „An die vorderen Drehbassen! Die anderen – Musketenfeuer eröffnen!“
„Aye, Sir!“ brüllte Al Conroy, und bei diesen Worten befand er sich schon auf dem Weg zum Vordeck, um es zu entern und die Hinterlader zu zünden.
Ben hatte die Kampanje betreten und schwenkte eine der beiden achteren Drehbassen herum. Die Gabellafette erlaubte es, das kleine Geschütz in einen Schußwinkel zu bringen, in die man die Culverinen der „Isabella“ niemals hätte hieven können.
„Bewegt euch, ihr müden Säcke!“ schrie Carberry auf der Kuhl. „Die Hunde dürfen den Kahn nicht entern, ich will keine dieser Kanaillen hier auf unserem feinen sauberen Deck sehen, verdammt noch mal! He, Kutscher, schmeiß mir einen Blunderbuss ’rüber, damit ich ihnen selbst eine Ladung Blei in ihre hohlen Schädel pusten kann!“
Mit schrillen Lauten kletterten die Indios bereits an den Bordwänden hoch. Sie benutzten dazu keine Taue. Sie sprangen von ihren Booten aus bis zu den Stückpforten und zu den Rüsten hoch, klammerten sich wie die Affen daran fest und versuchten, sich durch die Pforten zu zwängen oder über das Schanzkleid zu klettern.
Al Conroy hatte die vordere linke Drehbasse so weit herumgedreht und gesenkt, daß sie auf ein Kanu zielte, dessen Insassen gerade die letzten Yards Distanz zum Schiff zurücklegten. Bevor sie sich unter der Galion und dem Vorsteven verstekken konnten, senkte Al die glimmende Lunte auf das Bodenstück der Basse. Es krachte und fauchte, und das Geschütz ruckte in seiner Lafette, als wolle es sich losreißen.
Gellendes Geschrei aus dem Kanu verkündete Al, daß er getroffen hatte. Er wechselte zu der anderen Drehbasse hinüber und wollte sie ebenfalls abfeuern, fand aber kein Ziel für die Kugel. Deshalb bückte er sich, griff sich eine Muskete und eilte zum Steuerbordschanzkleid der Back. Er beugte sich darüber, streckte die Waffe nach unten und drückte auf einen Indio ab, der sich das Hartholzmesser zwischen die Zähne geklemmt hatte und eben Anstalten traf, sich auf die Kuhl zu schwingen.
Im Krachen der Muskete ließ er seinen Halt los und stürzte in eine der Piraguas zurück.
Carberry, der Kutscher, Gary, Old O’Flynn und Jeff waren neben Al an der rechten Schiffsseite, um mit Musketen und Tromblons die Flut der braunen Leiber zurückzuhalten.
Blacky, Bill und die Zwillinge verteidigten das Backbordschanzkleid. Im Stakkato hallten jetzt die Schüsse, ihr Echo wurde von den Inselhügeln zurückgeworfen.
Ben Brighton hatte die Bodenstükke der beiden achteren Drehbassen ganz hochgedrückt und visierte über die Läufe die Piragua des Häuptlings Surkut an. Sie lag unter der Heckgalerie, und einige der Eingeborenen befanden sich noch an Bord, während der Rest der Besatzung – allen voran Surkut – über das Ruder zum Hennegat hinaufhangelten.
Eigentlich hätte Ben durch den Boden der Heckgalerie feuern müssen, um die Piragua zu treffen, aber er zögerte, es zu tun, denn er wollte nicht das eigene Schiff beschädigen.
Dann half ihm ein Umstand, mit dem er nicht gerechnet hatte. Die Piragua war nicht am Heck der „Isabella“ vertäut worden, sie dümpelte auf den flachen Wellen der Bucht und trieb wieder ein Stück ab. Kaum war sie auch nur zur Hälfte in Sicht, zündete Ben die beiden Hinterlader kurz nacheinander.
Sie donnerten und jagten ihre Ladung mitten in die Piragua. Die Todeslaute der Indios drangen zu Ben hoch, und er sah die Gestalten ins Wasser kippen. Er verfolgte auch noch, wie einer der Krieger das Ruder losließ und ebenfalls in die Fluten stürzte. Der heiße Feuerschweif, den die Bassen ausgespuckt hatten, mußte ihn erfaßt und von seinem Halt weggerissen haben.
Ben bückte sich und nahm ein Tromblon – auch Blunderbuss genannt – zur Hand. Er richtete sich auf, beugte sich wieder über die Heckreling und sah Surkut und zwei andere, die soeben die Galerie erklettert hatten.
Ben richtete das Tromblon auf sie und zog den Stecher, doch es war schon zu spät. Sie verschwanden in der Kapitänskammer, deren äußere Tür leider nicht verriegelt war.
Die Ladung des Tromblons erwischte nur einen vierten Indio, der gerade in diesem Augenblick seinen bemalten Kopf über die Galerie steckte. Das gehackte Blei und Eisen trafen ihn voll. Schreiend glitt er von der Galerie ab, prallte auf seinen nachfolgenden Kumpanen und riß diesen mit in die Tiefe.
Ben drehte sich um und stürmte von der Kampanje aufs Achterdeck. In größter Hast enterte er aufs Hauptdeck ab und rief: „Aufpassen! Sie sind in der Hütte – drei Mann!“
Er hatte kaum ausgesprochen, da flog das Schott des Achterkastells auf, und die Öffnung spuckte die drei dunklen Leiber aus, die speerschwingend auf die Kuhl stürzten.
Carberry fuhr vom Steuerbordschanzkleid herum, tat zwei lange Schritte und riß seine Pistole aus dem Gurt. Eine Lanze, von Surkut geschleudert, raste auf ihn zu, aber er ließ sich so geistesgegenwärtig und behende fallen und rollte sich auf den Planken ab, wie Surkut es von einem Gegner dieser Größe nicht erwartet hatte.
Der Speer flog über Carberry weg und blieb im Großmast stecken. Carberry richtete sich neben der Kuhlgrätin halb auf, hielt die Pistole mit beiden Händen vorgestreckt und drückte ab. Die Kugel traf, aber sie schickte nicht Surkut, sondern einen von dessen Untertanen zu Boden.
Ben Brighton wollte auch mit der Pistole auf Surkut und den anderen Indio schießen, aber er mußte sie jetzt gegen die Wilden einsetzen, die scharenweise über das Steuerbordschanzkleid kletterten. Der Schuß raffte einen Kerl weg und beförderte ihn zurück ins Wasser, doch die anderen rückten unbeirrt nach und enterten die „Isabella“. Das Unheil war nicht mehr aufzuhalten. Die Seewölfe wichen zurück, zum Großmast und zur Kuhlgräting, wo der Profos mit seinem Säbel gegen Surkut zu kämpfen begonnen hatte.
Al Conroy hielt wutentbrannt den Luntenstock an eine der geladenen Steuerbord-Culverinen, denn zwei Indios klammerten sich von außen an deren Rohr fest und versuchten gleichzeitig, durch die Stückpforte aufs Hauptdeck vorzudringen. Sie gerieten sich dabei ins Gehege, und mitten in ihr Gezeter hinein donnerte der Schuß des Siebzehnpfünders.
Al sah kaum noch, wie der eine in die Bucht hinauskatapultiert wurde und der andere schreiend das heiße Eisenrohr losließ. Er wandte sich um, zog sein Entermesser und stürmte zur Mitte der Kuhl, denn dort tobte jetzt ein furchtbarer Kampf.
Philip junior und Hasard junior hatten noch zwei Musketen nachladen können. Sie feuerten sie auf die Indios ab, die ihnen am nächsten standen. Dann aber waren auch die letzten Schüsse verhallt, und jetzt galt es, sich mit allen Mitteln im Nahkampf zu behaupten.
Auch Blacky schlug sich, so gut er konnte, und er dankte in diesem Moment dem Himmel, daß seine linke, nicht die rechte Schulter verwundet war, so daß er mit rechts immer noch einen Säbel führen konnte.
Surkut hatte sein Kaoba, das lange Häuptlingsmesser, gezogen und hieb damit wild auf den Profos ein. Carberry hätte sich den Kerl ohne viel Mühe vom Leib halten können, wenn nicht die anderen Gegner gewesen wären, die von allen Seiten auf ihn und seine Kameraden eindrangen.
Die Masse der braunen Leiber drohte die wenigen Seewölfe zu erdrücken. Immer dichter rückten sie zusammen, und bald war die Kuhlgräting die letzte rettende Insel im Meer des Grauens.
Da nutzte es auch nichts mehr, daß Arwenack von den Fockwanten aus Kokosnußschalen auf die Köpfe der Feinde schleuderte. Jeder Versuch eines hilfreichen Einsatzes von außen schien von vornherein zum Scheitern verurteilt zu sein, und es war nur noch eine Frage weniger Augenblicke, bis der Widerstand der elf von der „Isabella“ kläglich zusammenbrach.
War das das Ende?
Ferris Tucker schleuderte noch zwei Flaschenbomben mitten zwischen die Krieger der Nordinsel, die jetzt verwirrt und unschlüssig geworden waren, und damit war der Kampf auf den Hügeln im wesentlichen entschieden. Der Boden bebte, die Explosionen rissen kleine Krater und hoben die Leiber der Gegner wie Strohpuppen in den Mittagshimmel – Boragos Männer glaubten, daß böse Geister eingegriffen und sich gegen sie gewendet hätten.
Borago wollte versuchen, zur Bucht zu gelangen, um zu dem großen Schiff zu schwimmen, das augenscheinlich von Surkut und dessen Männern gekapert worden war. Siegesgeheul tönte von der Bucht zu den Anhöhen hoch.
Aber die weißen Männer unter der Leitung des großen Schwarzhaarigen und die Krieger des Häuptlings Tubuago versperrten ihm den Weg. Kurz zuvor war Borago wie durch ein Wunder dem Pfeil entgangen, den Tubuago auf ihn abgeschossen hatte. Seine rechte Schulter brannte wie Feuer, ihm war elend zumute, seine Verwegenheit wich einem eher jämmerlichen Gefühl. Die Wirkung der Drogen ließ nach, und in Boragos Geist nahm die Gewißheit Gestalt an, daß er die Feuerrohre der „Viracocha“ unterschätzt hatte – und nicht nur die. Er hatte sich auch nicht ausgemalt, daß die Weißen und die Indios der Ilha de Maracá bei einem derart massiven Angriff so erbitterten Widerstand leisten würden.
Ja, das Blatt hatte sich gewendet, und jetzt sah es bedrohlich aus für Borago und seine letzten zehn, fünfzehn Gefährten. Wenn sie nicht sterben wollten, dann gab es nur noch eine Möglichkeit: Sie mußten sich im Busch verstecken und trachten, ihre Kanus und Piraguas an der nördlichen Flußmündung zu erreichen.
Borago wandte sich nach Westen und lief davon. Als seine Krieger bemerkten, daß er aufgab, ließen auch sie von ihren Gegnern ab und schlossen sich ihm an.
„Sie hauen ab!“ schrie Smoky. „Ho, wir haben gewonnen, Freunde!“
„Sir!“ rief Ferris Tucker. „Soll ich ihnen noch eine Höllenflasche als Abschiedsgruß nachschicken?“
Der Seewolf schüttelte den Kopf. „Nein. Spar sie dir für das auf, was jetzt folgt. Los, wir müssen schleunigst zurück zur ‚Isabella‘ pullen. Verdammt, hört ihr, wie diese Teufel johlen?“
Ja, sie alle vernahmen es jetzt, und der Triumph über den Erfolg auf den Hügeln wich der Besorgnis um das Schicksal der Kameraden an Bord der Galeone.
Tubuago sah die Bestürzung in den Mienen seiner weißen Freunde, und er faßte sehr schnell seinen Entschluß.
„Zwanzig Männer folgen Boragos Bande!“ schrie er. „Paßt auf, daß sie nicht ins Schabono gelangen! Ihr anderen – mir nach!“
Er lief hinter Hasard, Ferris, Smoky, Pete, Dan und den anderen her, die jetzt schon unten in der Senke waren und gerade den nächsten Hang hinaufstürmten.
Der Seewolf langte als erster bei den Jollen an und sah Big Old Shane, der beide Boote zu Wasser gebracht hatte und neben Luke Morgan auf der einen Ducht kauerte. Luke lag reglos in seinen Armen. Wieder spürte der Seewolf die eiskalte Hand, die nach seinem Herzen griff, und in seinem Hals war ein dicker, pelziger Klumpen.
Er kletterte zu Shane ins Boot und sagte: „Was ist, Shane? Ist er – tot?“
Shane schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe ihm den Pfeil ’rausziehen können, sehr tief steckte er nicht. Irgendwie hat unser alter Morgan, dieser Hitzkopf, mächtiges Glück gehabt, denn eine seiner Rippen scheint die Pfeilspitze aufgehalten zu haben. Das weiß ich aber noch nicht genau, Sir, das kann uns bloß der Kutscher bestätigen.“
„Los!“ rief Hasard. „Leg Luke hierher, zu mir, vor die Heckducht. Wenn wir uns nicht höllisch beeilen, sehen wir weden den Kutscher noch die anderen lebend wieder!“
Ferris, Smoky, Pete, Dan, Batuti, Bob, Stenmark, Will, Matt und Sam waren jetzt auch eingetroffen, warteten ins seichte Wasser und schwangen sich in die Jollen. Sofort packten sie die Riemen und pullten an.
Tubuago und seine Krieger waren ebenfalls heran. In Ermangelung ihrer Kanus, die an einem ganz anderen Platz der Insel lagen, gingen sie ins Wasser, klemmten sich ihre Messer zwischen die Zähne und begannen zu schwimmen, erstaunlich gewandt und schnell und ohne größeren Kraftaufwand. Wie Fische glitten sie durchs Wasser und folgten den Jollen, die Kurs auf die „Isabella“ nahmen.
„Ferris“, sagte der Seewolf. „Halte dich mit den Flaschen bereit. Lieber jage ich unser eigenes Schiff in die Luft, als daß ich es mir von diesen Hunden wegnehmen lasse. Lieber versenke ich den verdammten Kahn, als daß ich unsere Leute abschlachten lasse.“
10.
Ben Brighton, Carberry, der Kutscher, Blacky, Gary, Al, Old O’Flynn, Jeff, Bill und die Zwillinge verteidigten die Kuhlgräting wie eine Festung. Ringsum waren die braunen Leiber, waren quirlige Bewegung und ohrenbetäubendes Geschrei, und wie Zähne hackten die Messer der Indios nach den Körpern der Gegner.
„Wir können uns nicht mehr halten!“ brüllte Carberry. „Es gibt nur noch eine Möglichkeit, Ben!“
„Ja!“ schrie Ben zurück. „Einer von uns muß versuchen, sich bis zur Pulverkammer durchzukämpfen. Wir sprengen uns mit dem Schiff in die Luft. Wir gehen alle vor die Hunde, aber wenigstens nehmen wir diese Dreckskerle mit auf die Höllenreise!“
Old O’Flynn brach plötzlich mit einem Wehlaut zusammen. Ein Messerstich hatte ihn getroffen. Er preßte die Hand gegen die blutende Brust.
Philip und Hasard packten seine Arme und zogen ihn ein Stück weiter zur Mitte der Grätin. Besorgt beugten sie sich über ihn, aber er grinste sie schief an und sagte: „Na, ihr Rübenschweinchen? Habt ihr noch nie einen alten Mann bluten sehen?“
„Ihr gesengten Säue, ihr Teufelsbraten, ihr Hurensöhne!“ schrie der Profos die Indios an. „Euch haue ich reihenweise die Schädel ein, wenn ihr nicht das Deck räumt!“
Aber selbst er, der wie ein Berserker kämpfte, mußte vor dem Ansturm der Leiber immer weiter zurückweichen.
„Sorgt für Deckung!“ rief Ben. „Ich sehe jetzt zu, daß ich die Pulverkammer erreiche!“ Er wartete nicht länger, stieß sich von der Gräting ab, jumpte über die Köpfe und Rücken der Wilden und landete auf der Nagelbank. Hier ergriff er ein Fall, hangelte daran hoch und versuchte, die Fockwanten der Backbordseite zu erreichen, ehe Surkut und seine Kerle, die überall auf dem Hauptdeck zu sein schienen, ihn mit ihren Pfeilen herunterschießen konnten.
Carberry, Blacky, Gary, Al und die anderen mit Ausnahme von Old O’Flynn brüllten wie verrückt und starteten eine heftige, verzweifelte Attacke auf die Indios, die sie wenigstens so lange ablenkte, wie Ben brauchte, um in die Webeleinen der Fockwanten zu gelangen. Er kletterte weiter nach oben. Ein paar Pfeile sirrten ihm nach, doch sie trafen ihn nicht.
Er war jetzt beim Vormars und packte das Vormarsstag mit beiden Händen. Schon glitt er daran hinunter, in gezügelter Eile, nicht zu schnell, um sich nicht die Hände zu versengen. Die Indios quittierten es mit einem zornigen Geschrei, als er die Back erreichte.
Von hier aus wollte Ben das Vordecksschott erreichen, nach unten in den Schiffsbauch steigen und in der Pulverkammer die Lunte entfachen, die ihrer aller Ende herbeiführen würde.
Doch die Indios drohten ihm den Weg zum Schott abzuschneiden. Sie waren bereits auf beiden Niedergängen, die die Back mit der Kuhl verbanden und schoben sich mit gezückten Messern auf ihn zu.
Ben schwenkte die eine Drehbasse herum, die Al Conroy vorher nicht mehr gezündet hatte. Er beugte sich zu dem Kupferbecken, in dem nach wie vor schwach die Holzkohle glomm, steckte das Luntenende hinein, richtete sich wieder auf und setzte das Zündkraut im Bodenstück des Geschützes in Brand. Er sprang zur Seite und wich so weit zurück, bis er an der vorderen Querbalustrade der Back war.
Die Drehbasse wummerte, der Schuß fegte flach über die Back weg, lag aber immer noch so hoch über der Kuhl, daß er die Männer auf der Gräting nicht gefährden konnte. Ben hatte keine Zeit gehabt, die Basse sorgfältig zu justieren, aber der Schuß nahm immerhin zwei oder drei Gegner mit, und plötzlich war der Backbordniedergang wieder frei. Ben konnte, wenn er sehr schnell war, bis in die Kombüse gelangen und von dort aus zu der Pulverkammer der „Isabella“ gelangen.
Hasard und seine Begleiter enterten bereits an der Backbordseite der „Isabella“ auf – unbemerkt von Surkut und seinen Indios, die sich alle an Bord der Galeone befanden –, als der Drehbassenschuß krachte.
„Das können nur unsere Leute gewesen sein“, zischte Hasard Ferris Tucker zu, der gleich unter ihm an der Jakobsleiter hing. „Die Indios können unsere Geschütze nicht zünden, sie sind mit ihrem Umgang nicht vertraut.“
„Also gibt es doch noch eine Hoffnung?“
„Vielleicht. Warte mit den Höllenflaschen, bis ich dir den Befehl dazu gebe, sie einzusetzen.“
Vorsichtig schob er sich weiter hoch, verhielt über den Rüsten und spähte durch eine der Stückpforten. Zwischen dem Süll und dem bauchigen Rohr der Culverine konnte er gerade die Köpfe seiner Männer sehen, die auf der Gräting standen und sich erbittert gegen die Indios zur Wehr setzten. Surkuts Krieger tobten vor Wut, sie schienen zum entscheidenden Schlag auszuholen.
Hasard kletterte höher und glitt über das Schanzkleid. Noch hatten die Indios ihn nicht bemerkt – weder ihn noch die anderen Männer, die jetzt behutsam auf das Hauptdeck stiegen.
Auch Tubuago und dessen Leute hatten schwimmend das Schiff erreicht. Sie enterten von allen Seiten, schienen mit ihren Leibern an den Bordwänden zu kleben.
Hasard sah einen besonders großen Federbusch aus der Masse der braunen Leiber hervorragen, und er folgerte richtig, daß es sich bei dem Träger dieses Kopfputzes um den Häuptling der Nordinsel handeln mußte. Diesen Mann beschloß er, sich herauszugreifen.
Plötzlich stürmte der Seewolf mit erhobenem Degen vor und warf sich in das Meer der Leiber. Sein Angriff erfolgte so überraschend für die Indios, daß sie nicht sofort auf die neue Gefahr reagierten, und diese wenigen Atemzüge genügten Hasard, bis zu Surkut zu gelangen.
Er zog ihm die Spitze des Degens schräg von links nach rechts über die nackte Brust, und zu der roten Bemalung des Mannes fügte sich eine neue rote Spur, die nicht im Einklang mit den übrigen Kriegszeichnungen stand.
Ungeachtet der tödlichen Gefahr, die neben und hinter ihm war, trieb der Seewolf den entsetzten Kerl vor sich her bis zum Steuerbordschanzkleid. Jetzt endlich erlangte Surkut die Fassung wieder. Heftig wechselte sein Mienenspiel, sein Mund zuckte, in seinen Augen glomm das Feuer des Wahnsinns. Er brüllte, hob das Kaoba und wollte damit auf Hasards Gesicht einstechen.
Doch der Seewolf war auf der Hut. Er sprang ein Stück zurück. Der heimtückische Stoß mit dem Messer ging ins Leere. Hasard unternahm einen neuen Ausfall und drängte Surkut bis an eine der Culverinen zurück, so daß der Kerl jetzt in die Enge getrieben war und keinen Ausweg mehr hatte.
„Arwenack!“ schrien die Männer auf der Gräting. „Arwenack – der Seewolf ist da!“
Ferris, Smoky, Shane und all die anderen fuhren jetzt ebenfalls zwischen die Eingeborenen der Nordinsel und holten sie mit Säbel- und Entermesserhieben von der Kuhlgräting fort. Tubuago und seine Krieger landeten an Deck und mischten sich in den erneut heftig entbrennenden Kampf ein, und jetzt war das Kräfteverhältnis zwischen beiden Parteien hergestellt.
Das Gefecht hätte noch einige Zeit hin und her branden können, wenn Hasard nicht die Entscheidung herbeigeführt hätte. Er fintierte und täuschte Surkut Schwäche vor, um diesen aus der Reserve zu locken. Surkut ging darauf ein und versuchte, sich blitzschnell zu ducken, vorzuschnellen und dem Seewolf das Häuptlingsmesser in den Leib zu stoßen.
Hasard jedoch ließ die Degenklinge durch die Luft pfeifen – und plötzlich segelte das Kaoba quer über die Kuhl. Surkut hielt sich die blutende rechte Hand. Seine Mundwinkel begannen zu flattern, seine Augen huschten in panischer Angst hin und her.
„Spring!“ schrie Hasard ihn an. Er deutete auf das Wasser der Bucht. „Dort hinein, rasch – ehe ich mich vergesse!“
Surkut begriff, kletterte über das Schanzkleid, blieb jedoch auf den Rüsten der Hauptwanten stehen und blickte sich zögernd zu Hasard um.
Der Seewolf vollführte eine heftige Bewegung mit dem Degen. Wieder pfiff die Klinge durch die Luft, diesmal im Zickzack und dicht vor Surkuts angstverzerrtem Gesicht. Da ließ sich der glorreiche Häuptling des „grimmigen Volkes“ ins Wasserfallen.
„Surkut flieht!“ schrie Tubuago. „Seht doch, er ist genau der Hasenfuß, als den ich ihn immer eingeschätzt habe!“
Das verstanden natürlich alle Eingeborenen, auch die von der Nordinsel. Ihres Oberhauptes beraubt, begannen sie zu zaudern und sich vor dem Gegner zurückzuziehen.
Eine Piragua war von der Bordwand der „Isabella“ abgetrieben, sie dümpelte nicht weit von Surkut entfernt. Er versuchte, sie zu erreichen, doch plötzlich wirbelte etwas durch die Luft und landete mit einem polternden Laut in dem Boot. Eine von Ferris Tuckers Höllenflaschen! Hasard hatte den Befehl gegeben, so viele Kanus und Piraguas wie möglich zu versenken, damit der Gegner nur mit Mühe zur Nordinsel zurückgelangen konnte, denn so einfach sollte Surkut nicht davonkommen.
Eine Feuerfaust zerschlug das Boot in hundert Trümmer, das Grollen der Explosion zog über die Bucht. Surkut tauchte entsetzt unter, seine Männer an Bord der „Isabella“ schrien auf. Ihre Panik wuchs. Sie gingen von Bord und folgten ihrem Anführer, dem jetzt weder Koka noch Ebena noch aufwieglerische Reden halfen, die Ordnung wiederherzustellen und eine Wende herbeizuführen.
„Wir haben es geschafft“, sagte Hasard. Er drehte sich um und wollte schon aufatmen, weil offenbar keiner seiner Männer verwundet worden war. Auch Ben Brighton stieg mit erleichterter Miene von der Back. Die „Isabella“ hatte nicht geopfert zu werden brauchen, der Tod war um Haaresbreite an ihrer Besatzung vorbeigegangen.
Dann aber sah Hasard O’Flynn verkrümmt auf der Kuhlgräting liegen, und er erstarrte vor Entsetzen.
Borago hatten den Pfad wiedergefunden, der zu den Kanus führte, und diesen Weg durch den heißen, stickigen Dschungel, in dem Gefahren lauerten und Krankheiten brüteten, schleppte er sich jetzt entlang.
Seine Kumpane hatte er aus den Augen verloren. Er hatte die Laute vernommen, die hinter ihm im Dikkicht ertönt waren. Sie gaben ihm Auskunft darüber, daß Tubuagos Männer ihnen folgten, daß sie Gegner um Gegner überwältigten – daß er, Borago, wahrscheinlich der einzige war, dem die Flucht glückte.
Das Rufen seiner Feinde blieb hinter ihm zurück. Er traf auf den schmalen Flußlauf, der zwischen den Mangroven hindurch auf die See hinausführte, sah die versteckten Kanus friedlich daliegen und erkannte auch die Gestalt Bisaasis am Boden, den er mit seinem Messer ermordet hatte.
Nach Kewridis Gestalt forschte Borago vergebens. Sie trieb nicht im Wasser. Er dachte nicht weiter darüber nach. Ein Krokodil oder eine Schlange hat seinen Leichnam fortgeschleppt, sagte er sich.
Seine Schmerzen und die Übelkeit und Ohnmachtsgefühle, die ihn zu übermannen drohten, trieben ihn zur Eile. Er kletterte in eins der Kanus, griff nach einem Paddel und versuchte mit zusammengebissenen Zähnen, das Boot von den Wurzeln der Mangroven zu befreien, die wie Gespensterfinger nach ihm zu greifen schienen.
Er bemerkte nicht die blutüberströmte Gestalt, die sich hinter ihm aus dem neben seinem Boot liegenden Kanu erhob und ein Hartholzmesser über dem Kopf schwang.
„Borago!“ stieß die Gestalt kaum verständlich hervor. „Hier – bin ich – und dies – ist die Rache für Bisaasis – Tod …“
Borago drehte sich um. „Kewridi! Du – nein, nicht!“
Kewridi beugte sich vor und fiel in das Nachbarkanu hinüber. Im Fallen rammte er Borago den Dolch in die Brust, ehe dieser eine Geste der Abwehr unternehmen konnte. Borago versuchte noch, nach Kewridis Hals zu greifen und ihn zu würgen, doch seine Kräfte ließen schnell nach, und er spürte, wie das Leben aus seinem Körper entwich, und zu den Hekura, den Geistern, floh, die den Kriegern der Nordinsel den Sieg hatten bringen sollen und sie doch so schmählich im Stich gelassen hatten.
Kewridi verlor das Bewußtsein und blieb reglos über Boragos Leichnam liegen.
Luke Morgan kam zu sich und sah über sich das freundliche Gesicht eines ausgesprochen schönen Mädchens.
„He, Moment“, sagte er heiser. „Wenn das hier die Hölle ist, dann bin ich aber verdammt gut aufgehoben. Wie heißt du, Täubchen?“
Das Mädchen kicherte und zog sich zurück. Ein anderes Gesicht erschien im diffusen Licht des zur Neige gehenden Tages über Luke. „Oh“, sagte Luke. „Verzeihung, Sir – ich, äh, nein, das hätte ich wirklich nicht gedacht – daß ich noch lebe, meine ich. Oder bist du auch tot und leistest mir hier Gesellschaft?“
„Sir“, sagte von rechts eine andere Stimme. „Ich bitte darum, an Bord unseres Schiffes zurückkehren zu dürfen, denn ich halte das dämliche Gefasel von Mister Morgan nicht mehr aus. Kaum hat er die Klüsen auf, der Stint, redet er nichts als Quark.“
„Du sollst dich nicht aufregen, Donegal“, warnte der Seewolf. „Das hält nur den Heilungsprozeß auf, hat der Kutscher gesagt.“
„Also gut. Aber dann legt mich wenigstens ein Stück weiter weg von diesem Strohkopf, möglichst so, daß ich Ilana, Oruet, Saila, Mileva und Ziora im Auge behalte – diese entzückenden Geschöpfe.“
„Das könnte dir so passen“, sagte Blacky, der jetzt zu ihnen trat. „Wir legen dir am besten ein Stück Segeltuch über die Augen, Donegal, sonst kriegst du beim Anblick der kleinen Ladys bloß einen Herzschlag.“
„Darf ich mal was fragen, Sir?“ sagte Luke.
„Bitte.“
„Wo sind wir hier?“
„Im Schabono, dem Dorf der Maracá-Indios.“
„Und wir sind alle Gefangene der Wilden, die uns überfallen haben?“
„Nein. Wir haben gesiegt“, sagte der Seewolf. „Und du hast mächtig Glück gehabt, wie Shane es richtig ausdrückte. Der Pfeil, den man dir in den Rücken gejagt hat, ist an einer Rippe abgeprallt. Bald geht’s dir wieder besser, und auch Donegal wird am Leben bleiben, denn der Messerstich, den er abgekriegt hat, hat nur eine Fleischwunde hervorgerufen.“
„Mister O’Flynn“, sagte Luke. „Darüber bin ich nicht unbedingt erfreut.“
„Ganz meinerseits“, gab der Alte zurück. „Eines Tages müssen wir ja wirklich in der Hölle braten, aber dann hoffe ich, daß wir zusammen bleiben, denn ich will dein krebsrotes Gesicht sehen, wenn du im Kessel hockst.“
Blacky und Matt Davies, der sich inzwischen ebenfalls zu ihnen gesellt hatte, grinsten. Matt trug den Arm in einer Schlinge, die der Kutscher ihm angelegt hatte.
Hasard lächelte. „Ihr könnt nachher weiterstreiten, ihr beiden. Wir sind alle mit einem blauen Auge davongekommen, und jetzt bleiben wir doch noch ein paar Tage hier, damit die Verwundeten ihre Blessuren an der Sonne vernarben lassen können. Tubuago hat uns angeboten, die Verletzten von den Mädchen versorgen zu lassen, und das haben wir natürlich angenommen. Wir werden jetzt die Wasserfässer endlich an Bord der ‚Isabella‘ schaffen, die Gefechtsschäden reparieren und dann Pläne für unsere Weiterreise schmieden.“
„Sir“, sagte Matt Davies. „Was ist eigentlich aus diesem Kewridi geworden, der – wenn ich richtig verstanden habe – Borago getötet hat?“
„Der Kutscher hat ihn in seiner Hütte untersucht“, erwiderte Hasard. „Kewridi hat viel Blut verloren, und er wird sehr lange liegen müssen, aber er wird es überstehen, das hat der Kutscher mir versichert. Ilana wird ihm eine gute Krankenschwester sein.“
„Ilana – war das die Schönheit, die eben bei mir war?“ fragte Luke.
„Ja.“
Luke seufzte. „Von der träume ich heute nacht. Ganz bestimmt. Sir, du kannst mich auch hier zurücklassen, wenn du auf mich verzichten kannst, meine ich.“
„Ilana ist schon in festen Händen“, erklärte der Seewolf. „Tubuago hat gesagt, daß er sie Kewridi zur Frau geben wird, und Ilana ist einverstanden.“
Luke seufzte noch einmal. „Sir, dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als meine Wunden zu lecken und nach meiner Genesung auch weiterhin Menschen wie Mister O’Flynn zu ertragen.“
„Es sei denn, du willst abmustern“, sagte Hasard. „Willst du es tun? Es steht dir frei, Luke.“
Entsetzt blickte Luke Morgan zu seinem Kapitän auf. „Mann, Sir, ich hab doch bloß ein bißchen geunkt. Abmustern? Davor soll mich der Henker bewahren.“
„Dann ist es ja gut“, sagte Hasard und lächelte …