Kitabı oku: «Seewölfe Paket 12», sayfa 14

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2.

Philip Hasard Killigrew, der auf der Achterducht saß, zog die Ruderpinne zu sich heran. Seine Männer pullten kraftvoll im Takt, das Boot schwenkte von der Bordwand der „Isabella VIII.“ weg und gewann rasch an Fahrt.

Edwin Carberry, der bullige Profos, deutete mit einer Kopfbewegung zum Schanzkleid der Galeone, wobei er sein mächtiges Rammkinn vorreckte.

„Nun sieh sich einer die beiden kleinen Stinte an! Die würden glatt hinterherspringen, wenn sie sicher wären, daß es hier keine Haie gibt.“

„Ein bißchen Respekt haben sie eben doch noch“, bemerkte Ferris Tucker grinsend. Er, der riesenhafte Schiffszimmermann mit den leuchtend roten Haaren, wußte ebenso wie die anderen, daß der Seewolf solche Bemerkungen nicht krummnahm.

„Das besagt gar nichts“, widersprach Ed Carberry. „Vor Haien hat sogar der hirnloseste Affenarsch Respekt. Das ist nichts weiter als Selbsterhaltungstrieb oder so was.“

Hasard drehte sich lächelnd um, während das Boot nun mit Direktkurs dem Ufer entgegenrauschte. Seine Söhne platzten fast vor Wut. Das las er trotz der Entfernung noch in den Gesichtern der Zwillinge. Mit zornfunkelnden Blicken starrten sie über das Schanzkleid. Daß sie nicht mit an Land durften, würden sie ihm mal wieder nicht verzeihen. Mit ihren zehn Jahren hatten sie eine verteufelte Portion Temperament und bisweilen ebensolchen Starrsinn. Welche Scherereien sie der Crew der „Isabella VIII.“ schon bereitet hatten, nun, daran mochten sie nicht gern erinnert werden. Aber der Seewolf blieb in solchen Fällen hart. Zu oft hatten seine Herren Söhne schon Kopf und Kragen riskiert, indem sie an Land auf eigene Faust die unsinnigsten Erkundungsgänge unternahmen. Jedesmal hatten die Männer der Crew sie dann wieder herauspauken müssen.

Äußerlich ähnelten sich die beiden wie ein Ei dem anderen. Schlank und schwarzhaarig, hatten sie den unverwechselbar gleichen Gesichtsschnitt wie der Seewolf. In ihren Bewegungen waren sie geschmeidig wie Katzen, und schon jetzt, mit ihren zehn Lebensjahren, standen sie ihren Mann bei den kleinen Arbeiten, die sie an Bord zu verrichten hatten.

„Sie werden sich schnell beruhigen“, sagte Hasard und wandte sich nach vorn, „und wenn es gar nicht anders geht, muß ich ihnen eben mal wieder den Hosenboden strammziehen.“

„Das ist ein Wort“, knurrte Ed Carberry, „die Sprache, die sie am besten verstehen.“ Er pullte als Schlagmann, und trotz des Gesprächs trieb er die übrigen fünf Rudergasten zügig zu höherer Schlagzahl an.

„Unser Profos redet so, als ob er eine Menge von Kindererziehung versteht“, bemerkte Dan O’Flynn feixend. Der schlanke junge Mann zog den Kopf ein wenig tiefer, denn Carberry saß auf der Ducht vor ihm und brauchte nur kurz hinzulangen, wenn er wollte.

Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia, bedachte seinen Freund Dan mit einem Seitenblick und entblößte die makellosen Reihen seiner perlweißen Zähne.

„Woher willst du wissen?“ fragte Batuti. „‚Isabella‘ hat schon viele Häfen angelaufen, und wo viele Häfen sind …“

„… sind auch eine Menge hirnrissige Bilgenratten“, fiel ihm der Profos schnaubend ins Wort, „solche, die den lieben langen Tag nichts Besseres zu tun haben, als dummes Zeug zu quatschen. Das färbt dann auf die ehrenwerten Sealords ab, und zurück auf ihrem Kahn, plappern sie das ganze dumme Zeug nach. Als ob sie die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten!“

„Oho, unser Profos hat es wieder erfaßt!“ rief Sam Roskill, der ehemalige Karibik-Pirat.

„Reines Ablenkungsmanöver“, sagte Bob Grey grinsend, „wer weiß, wie viele kleine Carberrys es gibt, denen er rund um die Erde öfter mal den Hintern versohlen muß.“

Der Profos lief rot an. Jetzt hatte er Mühe, mit seiner Schlagzahl nicht aus dem Takt zu geraten.

Hasard mußte sich anstrengen, um ein Lächeln zu unterdrücken.

„Wenn ihr nicht gleich die Luke haltet“, brüllte Ed Carberry los, „dann ziehe ich euch …“

„… die Haut in Streifen von euren Affenärschen“, fielen die anderen im Chor ein und mußten an sich halten, um nicht in Gelächter auszubrechen. Jeden einzelnen der Carberry-Sprüche kannten sie auswendig, und es gab Situationen, in denen sie es riskieren konnten, ihn ein bißchen auf den Arm zu nehmen.

Ed Carberry schluckte trocken hinunter. Seine Schläfenadern schwollen an, und sein Groll führte zunächst dazu, daß er die Schlagzahl noch mehr steigerte. Die anderen mußten sich anstrengen, um mitzuhalten. Das Boot jagte mit rauschender Fahrt dem Ufer entgegen, als gelte es, dem Leibhaftigen persönlich zu entrinnen.

Jeder andere Kapitän hätte nun eingreifen müssen, um die Autorität seines Profos’ nicht untergraben zu lassen. Der Seewolf wußte indessen, daß er diesem Wortgeplänkel keine Bedeutung beizumessen brauchte. Wenn, dann nur so viel, daß seine gesamte Crew in der Tat wie Pech und Schwefel zusammenhielt. Und zwischen dem Profos und dem Rest der Mannschaft gab es ein besonderes Vertrauensverhältnis, das durch die kleinen Freundlichkeiten eher noch gefestigt wurde.

Wellengang und hohe Fahrt ließen die beiden leeren Fässer auf den Bodenplanken der Jolle rumpeln. Wegen eines Sturmes südlich von Trinidad und Tobago hatte Hasard seinen ursprünglichen Plan aufgegeben, die beiden Inseln östlich zu umrunden und direkten Kurs auf die Kleinen Antillen zu nehmen. Durch den Serpents Mouth hatten sie daher Zuflucht im Golf von Paria gesucht. Günstigere Wetterbedingungen hatten es ihnen hier ermöglicht, ohne wesentlichen Zeitverlust weiter nach Norden zu segeln. Durch den Drachensund konnten sie voraussichtlich in drei Tagen das Karibische Meer erreichen.

Da sie nicht wußten, wie weit sie landeinwärts vordringen mußten, um geeignetes Frischwasser zu finden, hatte der Seewolf vorsorglich ausreichende Bewaffnung angeordnet. Jeder der Männer trug neben dem Entermesser eine Pistole, sechs geladene Musketen lagen quer über den mittleren Duchten des Beiboots.

Sehr rasch näherten sie sich dem schmutziggelben Strand, der von der dunkelgrünen Wand des tropischen Regenwalds begrenzt wurde. Hasard gab dem Profos ein Handzeichen, und die Männer zogen die Riemen in dem Moment ein, als der Bootskiel auf den weichen Sand knirschte.

Während der Seewolf seinen Blick prüfend über das undurchdringlich scheinende Dickicht gleiten ließ, sprangen Dan O’Flynn und Batuti als erste ins seichte Uferwasser, um das Boot höher an Land zu ziehen.

Die Gestalt wankte plötzlich auf den Strand und hob den Arm, um die Augen vor dem jähen grellen Sonnenlicht zu schützen.

In seiner Verblüffung vermochte Hasard nicht festzustellen, wo sich der Mann verborgen gehalten hatte.

Bevor der Seewolf einen Befehl geben konnte, geschah es.

Schüsse krachten in rascher Folge. Während Wolken von Pulverdampf aus dem Unterholz quollen, hetzte der Mann auf dem Strand los und schlug wilde Haken.

Die Männer aus dem Beiboot der „Isabella“ überwanden ihre Überraschung von einem Atemzug zum anderen. Worte waren überflüssig. Sie waren aufeinander eingespielt wie das Räderwerk in einem dieser neumodischen Uhrwerke.

Der Mann, der den Kugeln seiner Verfolger zu entkommen versuchte, zerrte eine Pistole unter seinem Gurt hervor.

Batuti und Dan O’Flynn stürmten bereits auf den Dschungel zu, etwa fünfzig Yards seitlich von der Stelle, an der die Schießer im Dickicht hockten. Ihr Feuer geriet jetzt ins Stocken. Sie schienen zu begreifen, daß ihre Lage schwierig wurde.

Ed Carberry und Ferris Tucker hatten sich blitzschnell Musketen gegriffen und lagen flach, die Stiefel noch im seichten Wasser. Hasard schwang sich mit einem Satz nach außenbords und landete im kniehohen Wasser, mit Deckung hinter dem Spiegel des Bootes. Bob Grey und Sam Roskill lagen auf den Bodenplanken der Jolle und brachten ihre Musketen in Anschlag.

Hasard zog seinen Radschloßdrehling. Die schwere Waffe war mit einem Bündel von sechs Läufen ausgestattet, auf einer Achse drehbar gelagert.

Der Fliehende warf sich jetzt herum und brachte seine Pistole in Anschlag.

„Feuerschutz!“ rief der Seewolf. Noch während er die letzte Silbe hervorstieß, schnellte er los.

Die Musketen seiner Männer krachten ohrenbetäubend.

Batuti und Dan O’Flynn hatten das schützende Dickicht erreicht.

Der Mann auf dem Strand drückte ab, doch seine Pistole gab nicht mehr als ein Klicken von sich.

Das Feuer der Verfolger war verstummt.

Wieder krachten zwei Schüsse vom Beiboot her. Die Musketen waren jetzt abgefeuert. Blieben noch die Pistolen von Ed Carberry, Ferris Tukker, Bob Grey und Sam Roskill.

Hasard stürmte an dem Mann vorbei, der in fliegender Hast den zweiten Hahn seiner doppelläufigen Kurzwaffe spannte.

„In Deckung!“ brüllte der Seewolf. „Hinter das Boot!“

Aus den Augenwinkeln heraus sah er noch, wie ihn der Mann entgeistert anstarrte.

Dann krachten die Pistolen. Hasard konnte sich nicht mehr um den Verfolgten kümmern. Ihm blieben nur noch Sekunden, um das Dickicht zu erreichen. So lange, wie seine Männer den Feuerschutz aufrechterhalten konnten. Mit den kurzläufigen Waffen brachten sie auf die Entfernung zwar keine gezielten Schüsse zustande, aber es genügte immerhin, um die Gegner in Dekkung zu halten.

Nur noch fünf oder sechs Schritte trennten den Seewolf vom Unterholz, rechter Hand von der Stelle, an der die Pulverwolken hervorgequollen waren. Das Feuer seiner Männer verstummte.

Im Dickicht entstand Bewegung. Die Kerle, die dort lauerten, wußten sehr gut, wieviel Zeit man zum Nachladen einer einschüssigen Vorderladerwaffe brauchte.

Ed Carberry, Ferris Tucker und die beiden anderen nahmen sich diese Zeit nicht. Mit Gebrüll stürmten sie los, den Strand herauf.

Mit einem letzten Satz erreichte Hasard eine mehr als mannshohe Mangrovenwurzel. Zehn Schritte entfernt, zur Linken, blinkte heller Stahl im Sonnenlicht. Hasard wirbelte herum und riß den Drehling zum Beidhandanschlag hoch. Aus der Bewegung heraus spannte er den Hahn, zog durch, und der Flint sprühte Funken auf dem Reibrad.

Er war um die Zeitspanne schneller, die die Funken brauchten, um das Zündkraut zu erreichen. Während die Pulverfahne mit hellem Zischen emporstieg, sah Hasard den Helm und den Brustpanzer. Das Laufbündel lag in der Visierlinie, und einen Sekundenbruchteil nach dem Fauchen des Zündkrauts wummerte der Schuß.

Der Spanier hatte es noch geschafft, seine Pistole in Anschlag zu bringen. Aber die Kugel, die sich löste, zirpte in den azurblauen Himmel. Der Mann kippte zur Seite weg und rollte auf den Strand hinaus, wo er reglos liegenblieb.

Schüsse krachten jetzt aus dem Inneren des Dschungels.

Batuti und Dan O’Flynn!

Ein grimmiges Lächeln spielte um die Lippen des Seewolfs. Er verließ seine Deckung.

Edwin Carberry und die anderen waren fast heran. Der Fremde hatte sich ihnen angeschlossen und hielt ein furchterregend großes Haumesser in der Rechten.

Im Unterholz wurde es lebendig. Batuti und der junge O’Flynn scheuchten die Dons erbarmungslos aus ihrem Hinterhalt. Welche Motive die Spanier auch immer bewegten, für Philip Hasard Killigrew lag die Schlußfolgerung auf der Hand. Wer eine halbe Armee losschickte, um einen einzelnen Mann zu verfolgen, der hatte keine lauteren Absichten.

Sie hatten noch ihre Pistolen.

Drei Mann lösten sich gleichzeitig aus dem Dickicht.

„Achtung!“ brüllte der Seewolf und hatte den Drehling schon im Anschlag.

Augenblicklich lagen Carberry und die anderen flach.

Das Wummern des Drehlings vermischte sich mit den helleren Pistolenschüssen der Spanier. Ihre Kugeln fauchten bedrohlich nahe über die am Boden Liegenden weg und rissen kurz vor dem Uferwasser Sandfontänen hoch. Doch die Schüsse des Seewolfs trafen mit erbarmungsloser Präzision. Die drei Spanier schafften es nicht mehr, ihre Säbel herauszureißen und den Kampf fortzusetzen. Aus dem Dickicht ertönten jetzt wildes Gebrüll, Kampfeslärm, Kommandos auf spanisch und das helle Klirren von Stahl, der auf Stahl prallte.

Hasard brauchte seinen Männern keine Zeichen zu geben. Sie waren bereits auf den Beinen. Gemeinsam mit ihm drangen sie in das Unterholz vor. Der Seewolf schob seinen Drehling unter den Gurt und zog den Cutlass. Hier, wo es kein übersichtliches Schußfeld gab, waren Pulver und Blei nicht viel wert.

Im Handumdrehen erfaßten sie die Lage.

Fünf Spanier waren es noch, die auf einer winzigen Lichtung auf Batuti und Dan O’Flynn eindrangen. Angesichts der drohend blitzenden Säbelklingen war deutlich, daß die beiden sich ihrer Haut nicht mehr lange erwehren konnten.

Hasard war als erster auf der Lichtung, sprang über zwei Spanier weg, die reglos am Boden lagen, und stieß den Cutlass hoch.

„Ar – we – nack!“ brüllte er mit Donnerstimme, und die anderen fielen mit ein.

„Ar – we – nack!“ Der alte Kampfruf derer von der Feste Arwenack in Cornwall hallte grollend durch den Dschungel und übertönte die kreischenden und zeternden Tierstimmen.

Die Spanier wirbelten herum, und ihre rasch aufgebaute Kampfformation, auf nur zwei Gegner abgestimmt, geriet in Unordnung. Einer von ihnen, ein Riese von Kerl, der die Rangabzeichen eines Teniente trug, stürmte mit heiserem Angriffsschrei auf den Seewolf los.

Hasard ließ ihn heran, parierte mit eiskalter Ruhe, und dann prallten die Klingen hell klirrend aufeinander. Aus den Augenwinkeln heraus sah Hasard, wie der Fremde sein Haumesser schleuderte. Einer der Spanier, der sich zu weit von den anderen weggewagt hatte, sank mit gurgelndem Laut zu Boden.

Nur noch Minuten währte der verbissene Kampf. Ein unsicherer Schritt seines Gegners gab dem Seewolf die Gelegenheit, blitzschnell zu reagieren. Er unterlief den neuerlichen Angriff, und die Klinge seines Cutlass flirrte schräg von oben nieder.

Jähe Stille kehrte ein, und für den Moment war auch die Lärmkulisse des Dschungels verstummt.

Hasard schob seinen Säbel zurück in die Scheide. Die Bewegung, mit der er es tat, hatte etwas Endgültiges. Es gab hier nichts mehr zu tun. Der Kampf war hart und grausam gewesen, doch sie hatten keine andere Wahl gehabt. Sie wußten, was ihnen geblüht hätte, wenn nur einer von ihnen den Spaniern in die Hände gefallen wäre.

Die Seewölfe wandten sich ab und nahmen den Mann in ihre Mitte, der ihnen sein Leben verdankte.

3.

Der Hafen der Festung Macuro bestand aus Pfählen. Hunderte von ihnen, vielleicht mehr als tausend, waren in den weichen Grund gerammt worden, damit sie die Bretter trugen, aus denen Stege, Anleger und Plattformen zusammengezimmert worden waren.

Bereitwillig hatten die Spanier das Verfahren der Eingeborenen übernommen, die ihre Hütten vor der Mangrovenküste bauten. Eine solche Pfahlbausiedlung grenzte unmittelbar westlich an den Hafen von Macuro. Zwischen dem Gewirr der algenbewachsenen Pfähle lagen flache Einbäume, und aus den Eingängen der Hütten starrten braunhäutige Menschen herüber, die das Geschehen in stumpfer Apathie verfolgten.

Jene Pfahlbausiedlungen hatten dem Land seinen Namen gegeben. Genau zweiundneunzig Jahre waren vergangen, seit die Entdecker Alonso de Ojeda und Amerigo Vespucci 1499 an der Küste entlang bis zum Maracaibosee gesegelt waren. Auf dieser Reise hatten sie zum ersten Mal die Pfahlbauten der Indios gesehen, und dabei waren Erinnerungen an Venedig wach geworden. Vespucci und de Ojeda hatten diese Land „Venezuela“ getauft, was nichts anderes als „Klein-Venedig“ bedeutete.

Ein hartes Lächeln kerbte sich in die Mundwinkel Gerhard von Echtens, während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen. Knapp drei Jahrzehnte nach jener ersten Erforschung Venezuelas war der Vertrag mit dem Augsburger Bankhaus geschlossen worden, der sich nun für die zwanzig Männer unter von Echtens Kommando als äußerst verhängnisvoll erwiesen hatte. Ob und wann die Auftraggeber in Deutschland jemals von diesem Zwischenfall erfahren würden, stand in den Sternen. Vorerst gab es für die Männer, die schwer an ihren Ketten zu schleppen hatten, jedenfalls nicht die geringste Hoffnung.

In Reihe wurden sie durch das Tor der Palisadenbefestigung getrieben. Jetzt erstreckte sich der gerodete Küstenabschnitt in voller Breite in ihrem Blickfeld. Barsche Befehle der spanischen Soldaten trieben sie voran und hinderten sie, sich Einzelheiten genauer einzuprägen.

Gerhard von Echten wandte kaum merklich den Kopf. Die Festungsanlage war mit hölzernen Ecktürmen ausgestattet. Auch das große Tor wurde beiderseits von solchen Türmen begrenzt. Ihre quadratischen Plattformen waren mit Dächern geschützt, und es bestand kein Zweifel, daß dort oben schwere Geschütze in stationären Lafetten ruhten. Eine wirksame Sicherung für den Hafen, die sicherlich auch landeinwärts auf ähnliche Weise bestand.

Die Gefangenen wurden auf einen der beiden breiten Stege getrieben, die vom Strand zu den einfachen hölzernen Piers hinausführten. Es wehte eine schwache Brise, die die Gluthitze nicht zu mildern vermochte.

Gerhard von Echten erreichte den Steg als letzter. Die schweren Fußketten, die er und seine Männer hinter sich herzogen, hatten ein Rillenmuster im Sand zurückgelassen. Zwei Soldaten, die ihn flankierten, bildeten die Nachhut des Bewachungskommandos. Von Echten ließ seinen Blick über die Piers gleiten. Er zählte sieben Galeeren, die dort vertäut lagen. Zur Rechten befand sich eine Werftanlage, auf deren Helling eine weitere Galeere lag. Hammerschläge und das Kreischen von Sägeblättern klangen herüber. Unter einem provisorischen Dach aus Segeltuch waren die Arbeiter vor der sengenden Sonne geschützt.

Sigmund Haberding, der vor von Echten ging, verfing sich plötzlich in den Fußketten seines Vordermannes, stolperte und konnte sein Gleichgewicht nicht halten. Als er sich mit den Händen abstützte, war einer der Soldaten blitzschnell zur Stelle und hieb ihm die Stiefelspitze in die Seite. Haberding unterdrückte einen Schmerzenslaut und schlug endgültig hin.

„Aufstehen, du Hund!“ brüllte der Soldat und trat abermals zu. „Willst du wohl parieren, du Dreckskerl!“

Sigmund Haberding krümmte sich. Keuchend begann er sich aufzurappeln.

Gerhard von Echten konnte seine Wut nicht unterdrücken. Doch er versuchte vergeblich, sich auf den Spanier zu werfen. Noch im Ansatz seiner Bewegung wurde er an den Oberarmen gepackt, und ein Knie stieß schmerzhaft in seinen Rücken. Der Atem des anderen Soldaten umwehte ihn von hinten.

„Schön ruhig bleiben, Amigo! Oder willst du einen Vorgeschmack auf die Hölle, die dich da draußen erwartet?“

Gerhard von Echten ließ seine Muskeln erschlaffen. Er schwor sich, daß dies seine erste und letzte unüberlegte Handlung gewesen war. Durch so etwas konnte er die Lage für seine Männer nur verschlechtern. Für eine sorgsam geplante Aktion gegen die Spanier war die Zeit noch nicht reif. Dazu mußten sie erst mit den Verhältnissen vertraut sein, mit dem Tagesablauf und mit allen Einzelheiten.

Nach einem dritten Fußtritt des Soldaten gelangte Sigmund Haberding wieder auf die Beine. Der andere lockerte seinen Griff und ließ von Echten schließlich los. Einen Moment war der träge Marschtritt der Gefangenen ins Stocken geraten. Sofort setzte wütendes Gebrüll der Bewacher ein, und unter Hieben und Stößen bewegten sich die gepeinigten Männer weiter voran.

Gerhard von Echten spürte, daß die Spanier jetzt geradezu auf einen weiteren Zwischenfall lauerten. Sie hatten Blut geleckt und würden beim nächstenmal nur noch härter und gemeiner zuschlagen. Bevor Haberding sich wieder nach vorn wandte, wechselte von Echten einen raschen Blick mit ihm. Sie verstanden sich ohne Worte. Sei vorsichtig, bedeutete der Blick, gib ihnen keinen Anlaß mehr, ihr Mütchen an dir zu kühlen!

Der Steg führte etwa fünfzig Yards weit hinaus und knickte dann rechtwinklig nach links ab. Der andere Steg, mehr als hundert Yards entfernt, war ebenfalls rechtwinklig gebaut, jedoch in entgegengesetzter Richtung. In dem Bekken, das dadurch gebildet wurde, lagen vier einmastige Schaluppen, die offenbar nur einen äußerst geringen Tiefgang hatten. Zum Meer hin ließen die Kopfseiten der Stege einen Durchlaß von zehn Yards Breite. Den Flanken der Stege vorgelagert waren jene kurzen Piers, an denen die Galeeren mit dem Heck vertäut lagen. Die Galionssporne zeigten auf die offene Wasserfläche hinaus.

Über das, was sie auf einem solchen Schiff erwartete, gab sich keiner der zwanzig Deutschen irgendwelchen Illusionen hin. In allen Häfen dieser Welt kursierten Geschichten darüber, welche Erniedrigungen und Torturen Galeerensklaven erdulden mußten. Diese Schauergeschichten hatten vergessen lassen, daß Galeeren und Galeassen früher eigentlich nur von berufsmäßigen Ruderern bemannt gewesen waren – wie etwa in den ruhmreichen Zeiten Venedigs. Aber seit es üblich geworden war, Menschen auf den Ruderbänken anzuketten, stand allein das Wort „Galeere“ für den Inbegriff der Hölle.

Während sie weitergetrieben wurden, hatte Gerhard von Echten nur flüchtig Gelegenheit, die flachen Schiffe zu betrachten. Zweifellos waren sie für den Einsatz in den flachen Küstengewässern des Golfes von Paria besser geeignet als zwei- oder dreimastige Segelschiffe, die ausschließlich die Windkraft nutzten. Sechs der an den Piers vertäuten Galeeren waren von einheitlicher und schmuckloser Bauart, etwa dreißig bis fünfunddreißig Yards lang, mit nur einem Mast, an dem ein Lateinersegel geführt wurde.

Eine Galeere hob sich jedoch durch ihr Äußeres von den anderen ab, und es verwunderte Gerhard von Echten nicht, daß sie geradewegs auf dieses Prunkschiff zugeführt wurden.

Es war gut fünfzig Yards lang und hatte ein reich verziertes Heck. Wappenschilde und Medaillons waren mit kunstvoll geschwungenen Linien verbunden. Die Einlegearbeiten leuchteten in verschiedenen Farben, der Schriftzug „Virgen de Murcia“ war mit Blattgold unterlegt. Über dem ausladenden Heckaufbau dehnte sich ein Sonnendach aus schwerem, rot gefärbtem Segeltuch, das an den Kanten mit Fransen besetzt war. Wie bei allen Galeeren üblich, gab es an den beiden Außenseiten der Plattform je eine herabhängende Treppe, über die man an Bord gelangte. Das massive Stufenholz war fest eingebaut, wurde also während der Fahrt nicht eingeholt.

Ein untersetzter Sargento, der die Gruppe der Soldaten befehligte, baute sich neben der Steuerbord-Hecktreppe auf und stemmte die Fäuste in die Hüften. Auf seinen barschen Befehl hasteten vier Soldaten an Bord. Die übrigen stellten sich in Reihe auf, um die Gefangenen auf der Pier zu flankieren.

Gerhard von Echten sah, wie der Unterführer höhnisch grinsend eine Verbeugung und eine einladende Handbewegung andeutete.

„Vorwärts, Amigos, für euch haben wir die besten Plätze reserviert!“

Die Vordersten in der Formation der Gefangenen setzten sich in Bewegung und erklommen die Stufen, die zur Heckplattform hinaufführten. Nach und nach folgten ihnen die anderen. Das Klirren ihrer Ketten vereinte sich zu einem alles bestimmenden Geräusch. Nur für wenige Schritte genossen sie den wohltuenden Schatten unter dem Sonnendach, dann wurden sie von der Gluthitze empfangen, die mittschiffs über den Plankengängen und den Ruderbänken lastete. Die Brise war nicht stark genug, um den Geruch von Menschenschweiß und Kalfaterpech zu verwehen.

Atemlose Stille herrschte an Bord, nur unterbrochen vom Klang der Ketten. Einhundertdreißig Augenpaare waren groß und starr auf die Neuankömmlinge gerichtet. Ausnahmslos Indios hockten auf den Ruderbänken. Ihre Gesichter waren ausdruckslos, nur ihre Augen schienen einen Rest von Leben bewahrt zu haben, der das Ungeheuerliche des Geschehens zu erfassen vermochte.

Gerhard von Echten sah mit einem Blick, daß genau zwanzig Plätze frei waren, gleich achtern, vor der schattigen Heckplattform, die der Schiffsführung vorbehalten blieb. Es gab insgesamt fünfzig Ruderbänke, auf jeder Seite fünfundzwanzig. Jeweils drei Ruderer saßen auf einer Bank, und jeder hatte einen Riemen von gut zwölf Yards Länge zu bewegen.

Jetzt ertönten wieder die barschen Befehle der Soldaten, als sie die Gefangenen auf die freien Ruderbänke scheuchten. Von der sehr flach gebauten Back löste sich eine Gestalt, bei deren Anblick die Indios sofort die Köpfe tiefer zogen.

Ein Schauer lief Gerhard von Echten über den Rücken, als er den Kerl sah. Ein Riese von Statur, sowohl in seiner Körpergröße als auch in seiner Breite. Mindestens zwei Zentner Lebendgewicht schleppte der Bursche mit sich herum. Außer einer Leinenhose mit breitem Gurt über dem mächtigen Bauch war er unbekleidet. Kleine tückische Augen funkelten in seinem feisten Gesicht. Sein Kahlkopf leuchtete in der Sonne. Da er eine schwere Lederpeitsche in der Rechten trug, bestand kein Zweifel über die Aufgabe, die dieser Koloß an Bord der „Virgen de Murcia“ zu erfüllen hatte.

Er watschelte mit beträchtlicher Geschwindigkeit über den Plankengang heran, der sich von der Back bis zum Achterdeck in erhöhter Position zwischen den Ruderbänken entlangzog.

Einige der Gefangenen verhedderten sich in ihren Ketten, als sie von den Soldaten auf die Bänke gestoßen wurden.

Gerhard von Echten hielt den Atem an. Er wußte, was jetzt folgte.

Der kahlköpfige Stockmeister stieß einen heiseren Wutschrei aus. Mit einem letzten Satz, der seine Körpermassen erbeben ließ, war er zur Stelle. Die geflochtene Lederschnur der Peitsche zischte nieder. Ein scharfer, klatschender Laut folgte.

Der Getroffene, der zwischen den Bänken gestrauchelt war, schrie schmerzerfüllt auf. Er stürzte gegen die Indios auf der Bank davor, doch die braunhäutigen Männer rührten sich nicht und wagten nicht, ihm aufzuhelfen.

Noch zweimal schlug der Stockmeister zu. Abermals gellten Schrei, als zwei weitere Männer getroffen wurden, die nicht sofort den rechten Platz auf ihrer Bank gefunden hatten.

Gerhard von Echten empfand ohnmächtige Wut, die wie eine brennende Woge in ihm aufstieg. Der Anblick des kahlköpfigen Fettwanstes, der breitbeinig auf dem Plankengang lauerte, brachte seinen Zorn fast zum Überkochen. Von Echten mußte alle Willenskraft aufwenden, um sich zu beherrschen. Er folgte Sigmund Haberding und den anderen, die sich wieder in Bewegung setzten.

Der Zufall wollte es, daß Haberding und von Echten ihren Platz nebeneinander auf der letzten Bank an Steuerbord zugewiesen erhielten. Sie mußten den Kopf weit in den Nacken legen, wenn sie zu der Schmuckbalustrade aufblicken wollten, die die Plattform unter dem Sonnendach begrenzte. Gerhard von Echten war Vormann auf seiner Bank, saß also direkt am Plankengang und würde später den Takt vorzugeben haben, wenn die Schinderei begann.

Die Spanier ahnten offenbar nicht, daß Sigmund Haberding sein Stellvertreter war. Äußerlich war Haberding nicht das, was man einen auffälligen Menschen nennen konnte. Dunkelblond, mittelgroß und von schmaler Statur, schien er alles andere als ein harter Kämpfer zu sein. Doch dieser Eindruck trog.

Gerhard von Echten hatte in seinem Leben nur wenige Leute kennengelernt, die Intelligenz und körperliche Kraft und Gewandtheit gleichermaßen hatten. Sigmund Haberding, Baumeister und Landvermesser von Beruf, gehörte zu dieser seltenen Spezies. Bei der Planung der Venezuela-Expedition hatte er keine Eventualitäten außer acht gelassen. Die Gruppe unter Gerhard von Echten war dank der Leistung seines Stellvertreters exzellent ausgerüstet gewesen und hätte monatelang ohne fremde Hilfe im unwegsamsten Dschungel aushalten können. Nur eins hatte niemand einplanen können: jene unliebsame Konfrontation mit den Spaniern, die sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen hatte.

Der Sargento und sein Bewachungskommando blieben unter dem Sonnendach des Achterdecks. Eine andere Gruppe von Soldaten, die offenbar zur Schiffsbesatzung gehörten, eilte von der Back her auf die neuen Ruderknechte zu. Sie schleppten Ringe und Eisenstangen heran, mittels derer die Fußketten der Gefangenen an den Stützleisten vor den Bänken befestigt wurden. Die Handketten wurden unlösbar mit den Griffstücken der schweren Riemen verbunden. Unlösbar jedenfalls für die Gefangenen, weil die Augbolzen mit dem Hammer festgeschlagen wurden und später nur mit einer Zange herausgezogen werden konnten.

Der Stockmeister wartete geduldig, bis die Soldaten ihre Arbeit verrichtet hatten und sich wieder auf die Back begaben. Sie verfügten dort ebenfalls über ein Sonnendach aus Segeltuch, das auf einer Firststange ruhte. Letztere lag in einer Halterung am Fockmast und auf einer Traverse vor dem Galionssporn.

Im Gegensatz zu den kleineren Galeeren hatte die „Virgen de Murcia“ zwei Masten, an denen Rahsegel gefahren wurden. Dieses war unüblich, denn die Galeeren, die Gerhard von Echten aus dem Mittelmeerraum kannte, verwendeten ausnahmslos Lateinersegel. Möglicherweise hatten sich die Baumeister dieser Prunkgaleere aber für die Rahbesegelung entschieden, weil sie für die bisweilen auftretenden tückischen Stürme im Golf von Paria besser geeignet waren.

Überhaupt mußten die hier stationierten Galeeren in Venezuela gebaut worden sein, denn eine Überquerung des Atlantiks war mit Schiffen dieser Art ein allzu waghalsiges Unterfangen. Das Armierungssystem der Galeere war so überholt wie der Schiffstyp selbst. Auf einer Plattform am Bug ruhte ein überschwerer Mörser. Außerdem gab es vier Drehbassen, je zwei vorn und achtern an Backbord und Steuerbord. Den Rest an Feuerkraft hatte die Schiffsbesatzung mit Musketen und Armbrüsten zu bewerkstelligen.

Nach Meinung der Spanier waren Galeeren aber wegen ihrer Wendigkeit und ihres geringen Tiefgangs für Einsätze in Küstennähe noch immer am besten geeignet. Gegner dieser Ansicht behaupteten indessen, daß Galeeren heutzutage bestenfalls noch gut dafür waren, größere Segelschiffe bei ungünstigem Wind in den Hafen zu schleppen. Dieselben Gegner wiesen auch darauf hin, daß eine Galeere gegen ein Kriegsschiff unter Segeln nur dann eine Chance hatte, wenn es ihr gelang, vier Strich von achtern heranzurudern. Nur dadurch gelangte sie in den toten Winkel der feindlichen Bordgeschütze, und das wiederum war meist nur bei einer Flaute möglich.

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