Kitabı oku: «Seewölfe Paket 12», sayfa 6

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7.

Auch in der Nacht ließ die feuchte, schwüle Luft, die auf dem Fluß und dem Dschungel lastete, das Atmen zur Qual werden. Die meisten Männer der „Isabella“-Crew verfielen in einen unruhigen Schlaf, aus dem sie in kurzen Abständen immer wieder schweißgebadet erwachten.

An das Geschrei der Brüllaffen und die unzähligen anderen Geräusche, die aus dem nahen Dschungel herüberdrangen, hatten sie sich längst gewöhnt. Nur die dicke, schwüle Luft, die man fast in Scheiben schneiden konnte, und die wie eine Decke aus Blei über dem Regenwald lag, setzte ihnen zu.

Erst ein kurzes, aber heftiges Tropengewitter, das plötzlich heraufgezogen war, brachte durch seine Regenschauer einen Hauch von Abkühlung, der aber so schnell wieder verschwand wie der grollende Donner und die zuckenden Blitze, die zeitweise die „Isabella“ und ihre nähere Umgebung in grelles, gespenstisches Licht tauchten.

Mitternacht war vorüber, und das Tropengewitter hatte sich wieder verzogen. Nur noch vereinzelt war ein kraftloses Donnern aus der Ferne zu hören.

Bald war wieder Ruhe eingekehrt. Die Nacht, die über dem Fluß und den riesigen Urwäldern des südamerikanischen Kontinents lag, nahm ihren Verlauf wie wohl seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden.

Es gab keine besonderen Vorkommnisse. Obwohl die Wachen wegen des Vorfalls mit den Indianern ihre Aufgaben sehr genau nahmen, gab es nichts Auffallendes zu entdekken. Auf dem Fluß blieb alles still. Auch an den nahen Waldrändern, die sich bis zu den Ufern des Flusses hinzogen, ereignete sich nichts. Alles schien völlig normal zu sein.

Lange Zeit nach Mitternacht glaubten jedoch einige Männer, die sich unruhig im Schlaf hin und her wälzten, ein Knistern und Knacken zu hören. Es schien aus allen Richtungen zu ertönen, als lebe das Schiff. Es hörte sich nicht an wie das Knacken im Rumpf, an das wohl jedes Seemannsohr gewohnt war, sondern ganz anders, viel merkwürdiger.

Doch die Männer, die die Nacht im Mannschaftslogis verbrachten, schenkten diesen Geräuschen im Schlaf oder Halbschlaf keine besondere Aufmerksamkeit, zumal es zeitweise kaum noch zu hören war, weil es vom Gebrüll der Aluates übertönt wurde.

Sam Roskill, Bob Grey und Dan O’Flynn, die Deckswachen, die es zeitweilig hören konnten und das Schiff und seine Umgebung im Auge behielten, vermochten jedoch nichts zu entdecken.

„Ich glaube, unter dieser Höllenhitze leidet sogar unsere Lady“, sagte Bob Gray flüsternd zu Sam Roskill. „Ich bin froh, wenn wir morgen wieder hinaussegeln. Da gibt es wenigstens ab und zu eine frische Brise.“

An das merkwürdige Knistern und Knacken, das die „Isabella“ umgab, hatten sich die Wachen bereits gewöhnt, als der erste graue Schimmer den neuen Tag ankündigte. Man gewöhnte sich an alles, an die lästigen Moskitos, an die Geräusche des Regenwaldes und selbst an die fürchterliche, drückende Hitze. Was war dagegen schon ein leises Knistern und Raunen!

Erst am nächsten Morgen sollten die Männer an Bord der „Isabella“ bemerken, daß man sich niemals voreilig an etwas gewöhnen durfte.

„Heiliger Bimbam“, stöhnte der Kutscher und schlug entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen. „Das darf doch nicht wahr sein, nein, o nein …“

Das Gesicht des Kochs und Feldschers der „Isabella“ wurde augenblicklich blaß. Dann fuhr der dunkelblonde, etwas schmalbrüstige Mann herum und jagte an Deck, als seien tausend Taufel hinter ihm her.

„Sir!“ schrie er verstört. „Sir! Schnell, hierher! In der Kombüse und im Vorratsraum ist der Teufel los.“

Hasard sah den Kutscher verwundert an. Was war los mit ihm? Was hatte ihn so aus der Fassung gebracht? Er war doch sonst ein so ruhiger, eher zurückhaltender Mann. Jetzt schien er total aufgelöst zu sein, und das wollte bei dem Kutscher schon etwas heißen.

Mit raschen Schritten folgte er ihm. Dann blieb auch er wie angewurzelt stehen, als er die Bescherung sah. Im ersten Moment glaubte Hasard, ihm sträubten sich die Haare, als er einen Blick in die Kombüse und den Vorratsraum warf, deren Schotten offen waren.

Was er dort erblickte, schien die Armee des Teufels zu sein!

Augenblicklich fiel ihm das merkwürdige Knistern und Knacken ein, das ihnen während der vergangenen Nacht Rätsel aufgegeben hatte. Jetzt sah er die Ursache jener mysteriösen Geräusche vor Augen.

Riesige rote Feuerameisen waren in Millionenscharen über die Vorräte der „Isabella“ hergefallen. Die gesamte Kombüseneinrichtung sowie die Vorräte waren kaum noch zu sehen unter den Myriaden von krabbelnden und nagenden Insektenleibern, die einen wogenden Teppich bildeten, der alles überlagerte.

„Großer Gott, unsere Vorräte“, murmelte Hasard. „Die lassen keinen Krümel mehr übrig, und haben sie erst alles aufgefressen, werden sie auch noch das Schiff zerkleinern! Wie mögen diese Biester nur plötzlich an Bord gelangt sein?“

Der Kutscher zuckte hilflos mit den Schultern und versuchte mit einer raschen Bewegung einen Teil dieser knisternden und fressenden Insekten von einem Kombüsenregal zu streifen.

Blitzschnell zog er jedoch seine Hand zurück. Die Ameisen hatten ihn sofort angegriffen und äußerst schmerzhaft in die Haut gezwackt.

Der Kutscher begann seine rechte Hand wie irr zu schütteln. Die Bisse brannten teuflisch, und das Jucken, das darauf folgte, war auch nicht gerade angenehmer. Völlig am Boden zerstört sah er Hasard an, während diese Bordplage unermüdlich weiterfraß.

Beiden Männern war längst klargeworden, daß damit nicht nur sämtlicher Proviant ungenießbar geworden war, sondern daß nichts, aber auch gar nichts, übrigbleiben würde.

Im Nu hatte sich die ganze Crew der „Isabella“ versammelt, um die Plagegeister in Augenschein zu nehmen. Und immer wieder tauchte die Frage auf, wie die Ameisen wohl an Bord gelangt sein könnten. Während der alte O’Flynn seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, daß das alles nicht mit rechten Dingen zugehen könne, erwog der Profos die Möglichkeit, daß diese „elenden und gefräßigen Krabbeldinger wohl auf Kakerlaken durch die Luft geritten“ sein mußten, um an Bord zu kommen.

Es dauerte jedoch nicht lange, und die Männer hatten entdeckt, daß die roten Feuerameisen auf einem durchaus erklärbaren Weg auf ihr Schiff gelangt waren. In diesem Zusammenhang wurde ihnen auch plötzlich klar, warum die Indianer, die gestern auf sehr nachdrückliche Weise Pulver von ihnen hatten haben wollen, bei ihrem Rückzug Steine ins Wasser geworfen hatten. Was man gestern noch für eine Verrücktheit der Eingeborenen gehalten hatte, erhielt jetzt einen – wenn auch makaberen – Sinn.

Die Männer starrten immer wieder entgeistert auf das Bild, das sich ihnen an der Bordwand der „Isabella“ und auch außerhalb im Wasser bot.

Die Indios hatten durch die Steine, die sie ins flache Wasser geworfen hatten, Überbrückungspunkte für die Ameisen geschaffen, die noch jetzt für weitere Myriaden dieser emsigen Tierchen die Möglichkeit boten, die „Isabella“ zu entern.

Wo die Steine nicht ausreichten, bildeten die Tiere durch Hunderttausende von Leibern Brücken, über die ihre Artgenossen schwimmend und krabbelnd ihr Ziel erreichen konnten. Vermutlich hatten die Indianer auch Köder ausgelegt, um dieses teuflische Heer anzulocken.

Jetzt wurde die Mannschaft lebendig. Hasard gab sofort Befehl, den Anker zu hieven und die „Isabella“ ein Stück weiter in den Fluß zu segeln, um zumindest den noch weiter anrückenden Ameisenscharen die Möglichkeit zu nehmen, noch an Bord zu gelangen.

Sobald einige Kabellängen weiter flußaufwärts der Anker wieder geworfen worden war, überlegten die Männer fieberhaft, wie sie diese ungebetenen Gäste wieder loswerden könnten. Aber es wollte ihnen absolut nichts Brauchbares einfallen.

Einige Männer hatten sich breitflächige Holzstücke aus der Werkstatt Ferris Tuckers geholt und begannen, damit auf die Insekten einzuschlagen, aber sie gaben das bald wieder auf. Auf diese Weise würden sie es nie schaffen, das wurde ihnen rasch klar. Die Biester waren nicht nur sehr verfressen, sondern auch angriffslustig. Etliche rieben sich schon die schmerzende Haut, die dann durch die Bisse höllisch zu jukken begann. Das Jagdergebnis, das sie mit den Plankenstücken erzielt hatten, stand dazu in keinem Verhältnis.

Trotzdem überlegten sie fieberhaft weiter, wie sie dieser Plage Herr werden konnten, während die Ameisen längst auch über den Notproviant, den harten Zwieback, herfielen.

„Wenn diese Teufelsflöhe so weiterfressen“, stellte der Profos mit grimmigem Gesicht fest, „dann wird die ‚Isabella‘ bald so ähnlich aussehen wie das Wrack da unten an der Flußmündung.“

Noch während die verschiedensten Vorschläge von den Männern vorgebracht wurden, stellte Hasard fest, daß eine Gruppe an Land gehen mußte, um neue Vorräte zu beschaffen. Denn bereits jetzt schon gab es an Bord der „Isabella“ nichts mehr, was genießbar war.

Während der Kutscher und einige weitere Männer sich anschickten, ihr Glück mit Ausräuchern zu versuchen, ließ Hasard ein Boot abfieren, um zusammen mit Ed Carberry, Dan O’Flynn, Batuti, Jeff Bowie, Ferris Tucker und Stenmark im nahen Dschungel neue Vorräte zu holen.

Der Rest der Mannschaft würde inzwischen nichts unversucht lassen, um das Millionenheer der roten Feuerameisen wieder loszuwerden.

8.

Die Sonne war längst wie ein glutroter Ball am Horizont aufgetaucht und überschüttete den Fluß mit gleißendem Licht.

Hasard und seine sechs Begleiter pullten ihre Jolle ein Stück flußaufwärts.

Später, nachdem sie sich vergewissert hatten, daß sich keine Kaimane in der Nähe aufhielten, gingen sie an Land und vertäuten das Boot an einer kräftigen Astgabel, die bis dicht ans Ufer reichte.

Dann begannen die Seewölfe, sich einen Weg durch das Uferdickicht zu bahnen, das sich bis zur Wasserfläche hinzog. Dahinter erhob sich wie eine lebendige Mauer der tropische Urwald. Riesige Bäume, deren oberste Spitzen farbenprächtige Blumen trugen, sowie Zedern und Mahagonistämme mit seltsam geformten Blüten lösten das Gestrüpp ab, das etwas weiter landeinwärts von riesigen Chonta-Palmen überragt wurde.

Ein Gewirr von Lianen umrankte die Baumstämme. Stellenweise wirkten sie wie Schiffstaue, die herniederhingen. Das dichte, oft mannshohe Gestrüpp trotz der bereits aufgegangenen Sonne den Urwald noch etwas dunkel erscheinen. Bis jetzt waren nur wenige Sonnenstrahlen durch das Gewirr von riesigen Farnen und stachligen Sträuchern und durch das Netz von Wurzeln und Streben gedrungen.

Unermüdlich schlugen sich die Männer mit ihren Busch- und Entermessern einen Weg durch die üppig wuchernde Wildnis. Immer wieder schreckten sie Scharen von Dschungelbewohnern aus ihren Verstecken. Ganze Sippen von Brüllaffen und den etwas kleineren, dickfelligen Wollaffen schwangen sich laut kekkernd durch das Geäst.

Bunte Papageien und Schwärme kleinerer tropischer Vögel stoben kreischend in die Luft. Auch die Tukane mit ihren riesigen Schnäbeln stießen hoch oben im dichten Blätterdach des Urwaldes Warnrufe aus, als sie die ungewohnten Eindringlinge bemerkten.

Etliche Male ließ ein gefährlich klingendes Rascheln im Gebüsch die Männer anhalten und zu den Waffen greifen. Aber es handelte sich lediglich um einige Steißhühner, die am Urwaldboden nach Nahrung suchten, oder um einige Schnurrvögel, die sich gern in Bodennähe aufhielten, um ihre akrobatisch anmutenden Hochzeitstänze aufzuführen.

Entschlossen kämpften sich die Männer durch den Dschungel, während ihnen der Schweiß in Strömen über den Körper rann und ihnen stachlige Zweige die Haut aufritzten.

„Am besten, wir achten auf Wasserschweine, Tapire und Früchte“, sagte Hasard. „Besonders brauchbar sind Maniok und natürlich auch Bananen. Auf dem Rückweg können wir im Fluß vielleicht noch einige Fische erbeuten, vielleicht sogar einen riesigen Arapaima.“

Der Profos warf ihm einen schrägen Blick zu, als er etwas von Bananen hörte, die – wie sie gestern erfahren hatten – eine nicht unbedeutende Rolle im Ahnenkult der Eingeborenen spielten.

Dem Stand der Sonne nach mußte bereits die Mittagszeit herangerückt sein. Es war inzwischen heißer geworden, trotz des dichten Blätterdaches, das die Wirkung der sengenden Sonnenstrahlen etwas abbremste.

Plötzlich tat sich unmittelbar vor den Männern eine Lichtung auf.

Abrupt blieb Hasard, der die Gruppe anführte, stehen und hob die Hand. Niemand ging mehr einen Schritt weiter.

Die Männer hatten mit allem gerechnet. Sie hatten sich innerlich auf den Kampf mit Kaimanen, riesigen Würgeschlangen und auf einen Indianerüberfall eingestellt – nicht aber auf das Bild, das sich ihnen jetzt auf der Lichtung ganz unvermittelt bot.

Sie waren auf ein Indianerdorf gestoßen, vielleicht sogar auf jenes Dorf, aus dem die beiden Indios gestern erschienen waren, um Pulver zu fordern.

Die Seewölfe sahen ein gutes Dutzend Hütten, die aus Zweigen und Blättern bestanden. In der Mitte des Dorfes stand die Malóca, die Gemeinschaftshütte, die im Vergleich zu den übrigen Behausungen ungeheuer groß war. Die Männer schätzten das ovale Gebilde auf einen Durchmesser von fast hundert Yards und die Höhe auf mehr als zwanzig Yards. Die Malóca bestand aus Palmfasern und trockenen Blättern, mit denen ein gewaltiges Gerüst aus Pfosten abgedichtet worden war, und endete in einer gewaltigen Kuppel.

Die Seewölfe staunten, denn ein solches Bauwerk mitten auf einer Dschungellichtung stellte eine ungeheuerliche Leistung dar, besonders wenn man in Betracht zog, welch kümmerliche Werkzeuge den Eingeborenen zur Verfügung standen.

Natürlich war der Landtrupp, der die „Isabella“ mit frischen Vorräten versorgen sollte, längst von den Indianern bemerkt worden. Kaum hatten sich die Männer von ihrem ersten Erstaunen erholt, waren sie bereits von einer großen Schar brauner, nackter Gestalten mit grell bemalten Gesichtern umzingelt.

Reflexartig wollten sie zu den Waffen greifen, aber der Seewolf gebot ihnen sofort Einhalt, als er die zahlreichen Blasrohre sah, die auf sie gerichtet waren.

Die Situation war, wie wohl alle empfanden, nicht gerade begeisternd, denn wohin die Männer auch blickten – sie sahen in finstere, haßerfüllte Gesichter. Die Indianer, die sich um die sieben Männer der „Isabella“ geschart hatten, standen starr wie Marionetten. Im Hintergrund befanden sich zahlreiche Frauen und Kinder, die aber eilig zwischen den Hütten verschwanden. Wahrscheinlich hatten sie Angst vor den fremden weißen Männern, die plötzlich aus dem Urwalddickicht aufgetaucht waren.

Für die Seewölfe gab es im Moment weder ein Vor noch ein Zurück. Es bedurfte nur eines geringen Luftstoßes, um die kleinen und wahrscheinlich auch absolut tödlichen Pfeile aus den langen Blasrohren zu pusten. Die Folge wäre ein grausamer Tod. Die Männer hüteten sich deshalb, mit einer raschen, unbedachten Bewegung zu den Waffen zu greifen. Sie waren sich sehr wohl im klaren darüber, daß sie im Augenblick keine großen Chancen hatten.

Nichts lag Hasard – selbst in diesem Moment – ferner als der Wunsch, ein Blutbad anzurichten, weder auf der einen noch auf der anderen Seite.

Er konnte den Haß der Indianer auf die Weißen sogar verstehen, denn zumeist war es bisher alles andere als Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, was man ihnen von dieser Seite entgegengebracht hatte.

Er entschloß sich deshalb zu einem Kompromiß, um den bewegungslos lauernden Gestalten zu beweisen, daß es auch Vertreter der weißen Rasse gab, mit denen man sich auf friedliche Weise einigen konnte.

Hasard trat einen Schritt vor, um eine Geste zu vollführen, die seine Absicht zum Ausdruck bringen sollte.

Aber zu dieser gutgemeinten Geste sollte es nicht mehr kommen!

Kaum hatte der Fuß Hasards den Boden berührt, da erfüllte ein leises, fast lautloses Zischen die Luft, und der Kapitän der „Isabella“ preßte mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hand gegen die linke Schulter.

Ein kleiner Pfeil ragte aus dem Hemd, das sich rasch blutrot verfärbte.

Die Seewölfe standen einen Moment wie erstarrt. Das Blut drohte den sechs Männern in den Adern zu gefrieren. Man hatte einen jener gefährlichen Pfeile, die – wie man annahm – mit tödlichem Gift getränkt worden waren, auf ihren Kapitän abgeschossen – und man hatte ihn getroffen!

Die Gesichter der Männer verfärbten sich augenblicklich kalkweiß. Es schien ihnen unfaßbar, was da geschehen war. Der Mann, für den sie durchs Feuer gehen würden, stand da, die Hand auf die Schulterwunde gepreßt und erwartete seinen Tod. Und sie waren hilflos und konnten nicht mehr für ihn tun.

Niemand von den Männern der „Isabella“ dachte jetzt noch an die eigene Sicherheit. Niemand dachte mehr an den Unterschied zwischen Leben und Tod. Die Männer drehten ganz einfach durch.

Ein wildes, ohrenbetäubendes „Ar-we-nack!“ dröhnte wie auf Kommando über die Dschungellichtung, die mittlerweile wie ausgestorben wirkte. Noch bevor die Indianer weitere Pfeile abschießen konnten, verwandelten sich die feindlichen Fronten, die sich bis jetzt lautlos gegenübergestanden hatten, in eine tobende Hölle.

Die Seewölfe nahmen sich nicht einmal die Zeit, ihre Waffen in Anschlag zu bringen. In einem wilden, letzten Aufbäumen warfen sie sich den nackten Gestalten entgegen und schlugen zu. Wenn schon Hasard, ihr Kapitän, sein Leben lassen sollte und sie wahrscheinlich auch, dann wollten sie es wenigstens so teuer wie möglich verkaufen.

Schreie tönten über die Lichtung, Blasrohre wirbelten durch die Luft und landeten irgendwo auf der Erde. Dazwischen klatschten harte Fäuste auf nackte Körper.

Es war das reinste Inferno, was da plötzlich über die Lichtung tobte.

Auch die Indianer stimmten ein lautes Wutgeheul an und setzten sich augenblicklich mit einer ungeheuren Geschwindigkeit und Geschmeidigkeit zur Wehr.

Worte in einer lauten, kehligen Sprache drangen an die Ohren der Seewölfe, vermischt mit den kräftigen Flüchen Ed Carberrys, der sich gerade mit drei braunen Gestalten am Boden wälzte.

Aber auch die anderen Mannschaftsmitglieder der „Isabella“ klotzten mächtig ran, denn ihrer Meinung nach ging es hier um das nackte Überleben. Und sie wollten leben, sie dachten nicht daran, sich hier, mitten im Dschungel, kaltblütig das Lebenslicht auspusten zu lassen. Allein der Gedanke an Hasard ließ die harten Männer rasend werden.

Batuti, der schwarze Mann aus Gambia, ließ die mächtigen Fäuste kreisen, und wo sie trafen, rührte sich nichts mehr.

Auch Ferris Tucker, der Schiffszimmermann, der die Gestalt eines Kleiderschrankes hatte, hieb rein, daß fast die Funken stoben.

Dan O’Flynn und Stenmark, der Schwede, beide flink und geschmeidig wie Raubkatzen, wichen geschickt ihren Gegnern aus und schossen die Fäuste wie Siebzehnpfünder in die quirlende, tobende und schreiende Menge.

Jeff Bowie, der stämmige Liverpooler mit den grauen Augen und der Hakenprothese an der linken Hand, wütete furchtbar mit diesem künstlichen Körperteil.

Die Indianer waren ohne Zweifel in der Überzahl, zumal weitere Bewohner des Urwalddorfes heranstürmten, um sich ins Kampfgetümmel zu stürzen.

Die letzten Frauen und Kinder der Eingeborenen, die sich noch an den Feuerstellen des Dorfes aufgehalten hatten, waren längst kreischend und schreiend in den Hütten oder im nahen Dschungel verschwunden. Aber fast zwei Dutzend braune Männer, die ihre Kampfkraft unter Beweis stellen wollten, waren eine harte Nuß, die auch die Seewölfe nicht so ohne weiteres knacken konnten.

Trotzdem legten die Männer ihre ganze Schlagkraft in diesen Kampf. Sie konnten sich lebhaft vorstellen, was mit ihnen geschehen würde, wenn sie als Besiegte aus dieser fürchterlichen Prügelei hervorgehen würden.

Wiederholt dröhnte der Schlachtruf der Seewölfe über die Dschungellichtung. Dazwischen erklangen laute Schmerzensschreie, obwohl der Kampf waffenlos über die Bühne ging.

Weder die Seewölfe noch die Eingeborenen hatten bisher Zeit und Gelegenheit gehabt, zu den Waffen zu greifen, was den Männern der „Isabella“ auch gar nicht eingefallen wäre.

Niemals hätten sie auf einen waffenlosen Gegner geschossen, und sie wußten, daß auch ihr Kapitän, Philip Hasard Killigrew, das niemals getan hätte.

Aber ihre Fäuste waren auch nicht zu verachten, und wer diese fürchterlichen harten Pranken erst einmal kennengelernt hatte, würde es in Zukunft unbedingt vermeiden, nochmals damit Bekanntschaft zu schließen.

Während sich Stenmark und Batuti mit einem ganzen Knäuel brauner, nackter Leiber auf dem von vielen Füßen zerstampften Boden der Lichtung wälzten, war Ed Carberry dabei, die Lichtung von Indianern zu säubern. Erstaunlicherweise wurden die Indios immer weniger, zumindest dort, wo die riesigen Pranken des Profos’ am Werk waren.

Blitzschnell flogen die braunen Gestalten kreuz und quer durch die Gegend. Einige landeten laut schreiend im nahen Dickicht, andere fanden sich einige Yards weiter oben auf dicken Astgabeln wieder, und weitere krachten wie Kanonenkugeln durch die Blätterwände der nächstgelegenen Hütten. Niemand fand die Gelegenheit, nach Waffen zu greifen. Indianer wie Seewölfe hatten „alle Hände voll zu tun“.

„Hopp, hopp, ihr Bilgenratten!“ röhrte der Profos. „Ich werde euch mal handfest die kleinen, braunen Affenärsche verdreschen. Und noch in den nächsten Jahrzehnten sollen eure Enkel und Urenkel von der Handschrift Edwin Carberrys erzählen. Hoho, ihr triefäugigen Waldameisen!“

Die Lichtung begann sich zu leeren. Diejenigen der Eingeborenen, die nicht durch die Fäuste der Seewölfe vertrieben worden waren, begannen von sich aus das Weite zu suchen. Wahrscheinlich sahen sie ein, daß diese Gegner eine Nummer zu groß für sie waren.

Selbst Hasard, dessen Verletzung die Ursache der wilden Prügelei war, hatte inzwischen den kleinen Pfeil aus der Wunde gezogen und sich, so gut es ging, am Kampf beteiligt.

Um dem Ganzen ein Ende zu bereiten, griff er mit dem gesunden Arm zum Gürtel und zog die Pistole. Dann krachte ein Schuß in die Luft, und ein lautes, ohrenbetäubendes Krachen dröhnte über die Lichtung und verlor sich in den Baumwipfeln.

Augenblicklich kehrte Stille ein.

Die Seewölfe, deren Brustkästen sich schwer atmend hoben und senkten, hielten plötzlich inne und starrten mit Verwunderung auf ihren Kapitän, der bei einer Verletzung durch Pfeilgift eigentlich schon hätte tot sein müssen.

Auch die Indianer stoppten plötzlich das laute Geschrei und Wutgeheul, mit dem sie die Gegner angesprungen hatten.

Ein muskulöser Mann mit bunt bemaltem Gesicht, den die Seewölfe sofort als jenen erkannten, der gestern auf der „Isabella“ kaltschnäuzig und frech einige Fässer Pulver verlangt hatte und dem sie wahrscheinlich auch die Invasion der roten Feuerameisen zu verdanken hatten, rappelte sich vom Boden hoch. Sein Gesicht war verschwollen und um einige Farben reicher geworden. Die ersten Schritte legte er hinkend zurück. Und plötzlich lag eine gewisse Scheu und Furcht in der Art, wie er sich den Männern der „Isabella“ näherte.

„Wir Frieden mit weißen Männern“, erklärte er in seinem verdrehten Spanisch. Offensichtlich hatte er, gleich seinen Stammesgenossen, begriffen, daß sie keine Chance mehr gegen diese rauhen Kerle hatten, daß sie sang- und klanglos untergehen mußten, wenn sie nicht klein beigeben würden.

„Bitte, aufhören mit Prügel“, setzte er noch hinzu. „Wollen Frieden. Weißer Mann wird nicht sterben.“ Er deutete bei diesen Worten auf Hasard, dessen Hemd an der linken Schulter blutdurchtränkt war. „Pfeil war nicht giftig!“

Als Hasard dazu nickte und feststellte, daß es sich wohl nur um eine kleinere Fleischwunde handeln könne und er keinerlei Anzeichen einer Vergiftung verspüre, da ging ein Aufatmen durch die Reihe der Seewölfe. Wo Gesichter eben noch grimmig und wild entschlossen dreingeblickt hatten, zeigte sich plötzlich wieder ein Grinsen. Die Männer fühlten sich sichtlich erleichtert darüber, daß ihrem Kapitän, dessen Schritt nach vorn von den Eingeborenen wohl falsch verstanden worden war, nichts Ernsthaftes geschehen war.

Verschreckte und lädierte Indianer krabbelten wieder auf die Beine und warfen ängstliche Blicke auf die sieben Männer, die vor ihnen standen. Sie hielten sich in respektvoller Entfernung. Keiner wagte sich mehr in die unmittelbare Nähe dieser weißen Teufel. Zwei braune Männer ließen sich gerade mit verstörten Gesichtern an einem Baum hinunter, in dessen Geäst sie der Profos katapultartig hinaufgeschleudert hatte. Samt und sonders schienen sie die Nase endgültig voll zu haben und einzusehen, daß hier keine Tsantas zu holen waren.

Aufgeregt und mit gedämpften Stimmen begannen die Indios aufeinander einzureden, während die ersten Frauen und Kinder scheu und ängstlich aus den Hütteneingängen lugten.

„Wir haben friedliche Absichten“, sagte der Seewolf auf Spanisch. „Nur der Zufall hat uns in euer Dorf geführt.“

Inzwischen waren zwei weitere Männer zu jenem braunen Burschen getreten, der wenigstens etwas Spanisch sprach. Rasch wurden einige Worte gewechselt.

Dann sagte der Dolmetscher: „Auch wir wollen Frieden. Wir sind keine bösen Menschen, aber vorsichtig. Viele weißen Männer haben schon Tod zu uns gebracht. Haben alles weggenommen, unsere Hütten zerstört Aber ihr habt nicht mit Feuerwaffen auf uns geschossen, habt niemand von uns getötet.“

Wieder betonte Hasard, daß sie nicht erschienen seien, um zu töten. Sie seien lediglich auf der Suche nach neuen Lebensmittelvorräten, weil viele große Ameisen auf ihrem Schiff alle Vorräte auffressen würden.

Betroffen blickten sich bei diesen Worten der Dolmetscher und die beiden anderen Indianer an, die wohl zu den führenden Häuptern des Dorfes zählten. Irgend etwas, das auf ein schlechtes Gewissen hindeutete, ließ sie für einen Moment die Augen zu Boden senken.