Kitabı oku: «Seewölfe Paket 12», sayfa 7

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9.

Auch die übrigen Bewohner des Indianerdorfes, die Frauen, die Kinder und die Alten, schienen inzwischen begriffen zu haben, daß man im Interesse des allgemeinen Friedens bestrebt war, eine Einigung zu erzielen.

Neugierig rückten sie näher, um die weißen Männer mit den feuerspeienden Waffen zu bestaunen. Eine gewisse Furcht und Zurückhaltung war jedoch unverkennbar. Die Seewölfe mußten den Eingeborenen auf alle Fälle einen gehörigen Schrecken eingejagt haben.

Wenig später wurde Hasard, den man als Anführer der Weißen betrachtete, verarztet und zu der großen Feuerstelle vor der Malóca, dem großen Gemeinschaftshaus, geleitet.

Während einige Frauen sofort an die Arbeit gingen, um ein Essen zuzubereiten, begann das Palaver, an dem die Dorfältesten und der, Dolmetscher teilnahmen. Von der „Isabella“-Crew waren es Hasard und Ed Carberry, die sich mit verschränkten Beinen niedergelassen hatten, um einen Kompromiß mit den Indianern auszuhandeln.

Die übrigen Seewölfe waren ein Stück abseits mit Händen und Füßen ins Gespräch mit den Eingeborenen vertieft, jedoch nicht, ohne dabei die Augen offenzuhalten, denn ein gewisses Mißtrauen existierte nach wie vor auf beiden Seiten. Besonders Batuti, dessen Hautfarbe sich von jener der weißen Männer so sehr unterschied, schien ihr Interesse zu gelten.

„Ihr habt gestern Pulver von uns verlangt“, eröffnete Hasard die Unterredung. „Weil wir nicht verantworten konnten, euch diesen Wunsch zu erfüllen, habt ihr uns die roten Feuerameisen geschickt. Ihr habt Köder ausgelegt, damit sie auf unser Schiff gelangen konnten, um alle Vorräte zu fressen. Kennt ihr ein Mittel, um diese Ameisen zu vertreiben oder zu vernichten?“

Die braunen Männer nickten eifrig, und nach einem kurzen Wortaustausch in der kehligen Eingeborenensprache sagte der Dolmetscher mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit: „Pulver!“

Hasard stieß hörbar die Luft durch die Nase.

„Mein Gott, diesen Burschen muß aber wirklich viel an dem Zeug liegen“, sagte er auf Englisch zu Ed Carberry. Dann nickte er den Indianern zu. „Gut“, fuhr er auf Spanisch fort. „Ich werde euch ein Faß Pulver geben, wenn ihr dafür sorgt, daß die Ameisen von unserem Schiff verschwinden.“

Diese Worte mußten für die Indianer wohl eine gute Botschaft bedeuten, denn sofort begannen sie mit einem lebhaften Geschnatter, das sie mit freundlichem Kopfnicken unterstrichen. Trotz allem behagte die Sache Hasard gar nicht. Wenn die Kerle wirklich Schußwaffen hatten, dann würden sie damit nur Unheil anrichten.

Fast bereute Hasard schon dieses Versprechen, da schaltete sich Dan O’Flynn ein, der hinzugetreten war und die letzten Sätze der Unterredung gehört hatte.

„Du kannst den Burschen ruhig auch zwei Fässer Pulver versprechen, Sir“, sagte er und grinste. „Ich habe gerade die Musketen und Pistolen gesehen, die im Gemeinschaftshaus aufbewahrt werden. Damit kann niemand mehr einen Krieg gewinnen. Die Dinger funktionieren ganz gewiß nicht mehr, denn die Schlösser und Hähne sind total eingerostet und durch die feuchte Dschungelluft völlig verdorben.“

„Gut, Dan“, sagte Hasard und atmete innerlich auf, ohne das jedoch die Eingeborenen merken zu lassen.

Jetzt meldete sich der Dolmetscher, der offensichtlich recht stolz auf seine spanischen Sprachkenntnisse war, zu Wort.

„Wir sind einverstanden“, erklärte er. „Ein Faß Pulver, und wir sagen, wie Ameisen tot.“

Hasard vollführte eine erfreute Geste. Dann erwiderte er: „Noch ein Faß Pulver, wenn ihr uns helft, die Vorräte zu ersetzen, die durch die Ameisen zerstört worden sind.“

Die Mitteilung Dan O’Flynns hatte ihn großzügig werden lassen, obwohl er sich bewußt war, daß dieses Angebot im Hinblick auf die unbrauchbar gewordenen Waffen der Indianer nicht unbedingt seriösen kaufmännischen Gepflogenheiten entsprach. Gleichzeitig sagte er sich jedoch, daß die Burschen mit funktionsfähigen Waffen und dem dazugehörigen Pulver doch nur Probleme heraufbeschworen hätten. Er bereitete sich deshalb auch keine Gewissensbisse über sein Angebot und versprach gleichzeitig noch einige Werkzeuge sowie ein paar Beile und Messer.

Die Indianer brachen in ein wildes Freudengeheul aus. Wie der Dolmetscher sogleich übersetzte, war man mit diesem Angebot auch vollauf zufrieden. Die gute Stimmung war augenblicklich wiederhergestellt. Einer der Dorfältesten rief sofort den Frauen an der Feuerstelle einige Worte im Befehlston zu. Wahrscheinlich hatte er sie aufgefordert, sich mit dem Braten des Wasserschweins zu beeilen.

Trotz der erfreulichen Entwicklung der Verhandlungen vergaß der Profos der „Isabella“ nicht, ab und zu einen schrägen Blick zu den Frauen hinüberzuwerfen, die am Feuer hantierten.

„Und wenn ich auf einem wilden Wasserschwein zur ‚Isabella‘ zurückreiten muß“, bemerkte er entschlossen, „ich werde auf jeden Fall keinen Bananenbrei anrühren. Lieber lasse ich mich von des Teufels Großmutter zum Abendessen einladen.“

Derselbe Mann, der die Frauen zu größerer Eile aufgefordert hatte, wandte sich an einige seiner Stammesgenossen, die sich vorsichtig genähert hatten.

Offensichtlich erteilte er irgendwelche Befehle, denn unmittelbar danach sagte der Dolmetscher: „Wir werden euer Boot beladen. Es gibt viele Früchte und auch viel Fleisch. Wir haben getrockneten Fisch, Wasserschweine, entgiftete Maniokwurzeln und Bananen.“

Der Seewolf nickte zufrieden, und die Eingeborenen, die soeben ihre Anweisungen erhalten hatten, stoben in Windeseile auseinander, um die Nahrungsmittel herbeizuschaffen.

Hasard wies auf sein Hauptanliegen. „Wann werdet ihr uns zeigen, wie wir die Ameisen vernichten können?“

Der Wortführer wandte sich sofort an den Häuptling, einen alten Mann mit faltigem Körper und langem, ergrautem Haar.

Einige Sätze wurden ausgetauscht, dann sagte er: „Die Nacht ist nicht mehr weit. Wenn sie vorbei ist und die Sonne über dem Fluß steht, bringen wir Pflanzen, und Ameisen sind bald tot. Diese Worte sind Wahrheit. Wenn ihr wollt, werden zwei Männer von uns euch zum Schiff begleiten.“

Hasard begriff sofort. Man wollte zwei Männer als Pfand mitschicken, um zu zeigen, daß man seine Versprechungen auch einhalten würde.

Der Seewolf schüttelte den Kopf.

„Nicht nötig“, sagte er. „Ich glaube euch. Ich halte euch für Männer, die ihr Wort halten – wie auch ich mein Versprechen halten werde. Wenn ihr morgen in der Frühe erscheint und uns helft, die Ameisen zu vertreiben, dann werden wir euch das Pulver und die anderen Sachen übergeben.“

Diese Worte lösten abermals ein erregtes, aber sichtlich zufriedenes Gespräch unter den Eingeborenen aus. Sie nickten immer wieder eifrig, um ihr Einverständnis zu zeigen. Ein wenig schienen sie auch über das ungewohnte Vertrauen erstaunt zu sein, daß die fremden weißen Männer ihren Versprechungen entgegenbrachten.

Gleich darauf begann das Mahl. Große Stücke des gebratenen Wasserschweins wurden auf Pflanzenblätter gelegt und den Seewölfen gereicht. Bananenbrei war zur allergrößten Zufriedenheit des Profos’ nicht dabei. Somit hielten sich die Männer auch nicht zurück, ordentlich zuzugreifen.

Die Atmosphäre wirkte entspannt, und beide Seiten – die Indianer wie auch die Seewölfe – sammelten erneut die Erfahrung, daß Mißverständnisse nicht unbedingt mit Waffengewalt bereinigt werden müssen, sondern sich auch durch Gespräche beseitigen lassen – auch wenn es Gespräche mit „Händen und Füßen“ sind.

Noch rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit verließen die Seewölfe die Indianer, die zum Stamm der Tupinambá gehörten. Das Dorf, das die Eingeborenen „Icoraci“ nannten, lag nicht sehr weit vom Fluß entfernt, und die Männer stiegen schon bald in ihr vollbeladenes Boot.

Als sie die „Isabella“ erreicht hatten, vertäuten sie es so, daß die gefräßigen Insekten, die sich noch immer an Bord ihres Schiffes aufhielten, nicht an den neuen Proviant herankonnten.

10.

Als der neue Tag anbrach, atmeten die Seewölfe auf, denn eine lange, qualvolle Nacht lag hinter ihnen. Sie würden das unaufhörliche Knistern und Knakken an Bord der „Isabella“ wohl bis zum Ende ihrer Tage nicht mehr vergessen.

Wie ihnen eine kurze Inspektion bewies, hatten sich die Feuerameisen in den Nachtstunden bemüht, auch noch die allerletzten Lebensmittelreste zu fressen. Nichts, was die Männer an Bord bisher versucht hatten, war geeignet gewesen, diese gefräßigen Biester zu vertreiben.

Hasard ertappte sich immer wieder dabei, daß er den Flußlauf hinaufblickte. Noch nie hatte er Indianer so sehnlich erwartet wie an diesem Tag. Obwohl sich von Zeit zu Zeit geringe Zweifel einstellten, war er dennoch davon überzeugt, daß die Eingeborenen, mit denen sie sich nach einer wilden Prügelei am gestrigen Spätnachmittag geeinigt hatten, ihr Wort halten würden.

Er hatte bisher nie den Fehler begangen, fremde Völker mit anderen Sitten und Gebräuchen als unzivilisierte Wilde anzusehen. Er behandelte sie, wo es ging, als Partner, und die Resultate gaben ihm immer wieder recht.

Die Seewölfe wurden auch diesmal nicht enttäuscht.

Die Sonne stand noch keine Stunde am Himmel, da tauchten zwei der langen, schmalen Boote der Indianer an der Flußbiegung auf und hielten auf die „Isabella“ zu.

„Na endlich“, sagte Ben Brighton, der neben Hasard auf dem Achterdeck stand, und seine Stimme klang erleichtert.

Der Profos, der gerade mit dem längst von seinem Landausflug zurückgekehrten Sir John auf der linken Schulter von der Kuhl zum Achterdeck aufenterte, blickte ebenfalls erwartungsvoll den Booten entgegen.

„Hoffentlich hilft das versprochene Zeug auch“, sagte er, „sonst fallen die Biester noch über uns her oder fressen gar noch unsere Lady.“

„Ich bin zuversichtlich“, erwiderte Hasard. „Wenn die Indianer es verstehen, diese Insekten auf eine so raffinierte Art und Weise auf unser Schiff zu locken, dann sollte es mich sehr wundern, wenn sie nicht auch ein wirksames Gegenmittel kennen. Lassen wir uns überraschen, Ed. Gleich werden sie hier sein.“

Wenig später hatten die beiden Boote, die mit je drei Indios besetzt waren, die „Isabella“ erreicht.

Nachdem die Eingeborenen an Bord geklettert waren, zeigte ihnen Hasard die beiden versprochenen Pulverfässer sowie einige Beile, Messer und andere Werkzeuge, die sie bereits auf der Kuhl bereitgelegt hatten.

Die braunen Männer nickten sehr zufrieden.

„Gut!“ sagte der Dolmetscher. Er umrundete neugierig die Fässer und wiederholte dabei immer wieder das spanische Wort für „gut“.

„Nun zu den Ameisen“, sagte Hasard und sah die Indianer erwartungsvoll an.

Der Wortführer nickte und winkte einen seiner Begleiter heran. Sofort begann dieser, aus zwei kleinen Körben, die sie mitgebracht hatten, halbgetrocknete Lianen auszupacken.

„Feuer“, sagte der Dolmetscher. „Viel Rauch, und Ameisen sind schnell tot.“ Die Seewölfe staunten über diese simple Methode. Ein ganz klein wenig Skepsis ließ sich aber nicht von der Hand weisen.

Ferris Tucker und der Kutscher holten sofort einige Messingbecken mit glühender Holzkohle, die sie bereits vorbereitet hatten, und augenblicklich begann man mit der Ausräucherung der gefährlichen Insekten.

Ed Carberry, der die ganze Zeremonie mit zweifelndem Gesichtsausdruck verfolgte, rümpfte bald die Nase.

„Jetzt ist unsere Lady nur noch ein verräucherter und stinkender Kasten“, stellte er fest. „Nicht einmal in der Hölle kann es so fürchterlich stinken und qualmen.“

Die übrigen Männer waren ganz seiner Meinung, aber gleichzeitig registrierten sie, daß wohl auch die lästigen und gefräßigen Ameisen nicht sonderlich von den dicken, schwarzen Rauchschwaden erbaut waren. Schon bald begannen sie nämlich, ihren Geist aufzugeben. Das Knistern wurde immer leiser, und es dauerte nicht lange, und auch die letzte Ameise rührte sich nicht mehr. Sie waren ausgerottet, und zwar absolut gründlich, wie die Crew mit Erstaunen und Erleichterung feststellte.

Als die Prozedur zu Ende war und Hasard sich davon überzeugt hatte, daß sie nur noch die toten Ameisen wegzufegen brauchten, erhielten die Indianer das versprochene Schießpulver sowie die Werkzeuge samt Beilen und Messern. Weil sie Wort gehalten hatten, brachte der Kutscher auf Geheiß Hasards noch einige Blöcke Steinsalz herbei, über das die kleinen Kerle mit den langen, blauschwarzen Haaren sofort gierig herfielen. Es schien ihnen noch wertvoller als das Pulver zu sein.

Die Männer konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie die Gesichter von Philip und Hasard, den Zwillingssöhnen des Seewolfs, sahen, die mit essigsaurer Miene und Augen, rund wie Ankerklüsen, den Heißhunger der Indianer auf Salz miterlebten.

Als dann noch Sir John über die Kuhl flatterte und etwas von „hinkenden Kanalratten“ und „triefäugigen Heringen“ krächzte, fühlten sie, daß „ihre“ Welt wieder in Ordnung war.

Wie es schien, hatten die Seewölfe neue Freunde gefunden.

Als die beiden Boote mit den winkenden Indianern hinter der Flußbiegung verschwunden waren, gab Philip Hasard Killigrew Befehl, den Anker zu hieven und die Segel zu setzen.

Dann nahm die „Isabella VIII.“ Fahrt auf, damit „der stinkende Kahn“, wie der Profos sich ausdrückte, „endlich mal wieder frische Luft holen“ konnte.

Bald lag der Urwaldfluß weit hinter ihnen. Nachdem der schlanke Rahsegler die Baja de Marajo verlassen und das offene Meer erreicht hatte, fiel er nach Backbord ab und ging, wie ursprünglich geplant, auf Nordwestkurs – dem nahen Äquator entgegen …


1.

Jetzt, zu Beginn des Monats März 1591, befand sich die „Isabella VIII.“ wieder in den Gewässern der nördlichen Erdhalbkugel und lief in einer warmen Tropennacht unweit des Äquators und des gewaltigen Deltas der Amazonas-Mündungen eine stille, geschützt liegende Inselbucht an.

Die Insel hieß „Ilha de Maracá“ und gehörte zu einem kleinen Archipel nahe der Ostküste der „Tierra Firme“, wie die Spanier und die Portugiesen den südlichen Teil der Neuen Welt zu nennen pflegten.

Es gab eine kleinere Insel weiter im Norden, die offenbar noch keinen Namen hatte, und vier bis fünf Meilen im Südosten der „Ilha de Maracá“ lag ein Eiland namens „Ilha Jipioca“, das allerdings nicht einmal halb so groß wie die Nordinsel war. Wieder etwas weiter südlich schließlich lag das „Cabo Norte“, das Nordkap, das in den Atlantik hinausragte.

Der Seewolf bezog alle diese Daten aus seinem umfangreichen Kartenmaterial. Er hatte am Vortag mit Dan O’Flynn zusammen Berechnungen angestellt, und dank ihres navigatorischen Geschicks war es ihnen gelungen, die Insel in der Dunkelheit zu finden, indem sie sich am Mond und an den Sternbildern orientierten.

Hier, wo der zweite nördliche Breitenkreis die „Ilha de Maracá“ in ihrer Mitte durchschnitt, wollte sich Philip Hasard Killigrew auf die Suche nach Frischfleisch und Trinkwasser begeben – nach jagbarem Wild und einer Quelle also, die seiner Meinung nach auf der Insel anzutreffen sein mußten.

Die erbarmungslose Hitze und die große Feuchtigkeit des Amazonasgebietes hatten die Vorräte an Bord der Galeone stark reduziert. Fleisch und Speckseiten waren verdorben, vom Frischgemüse und vom Obst ganz zu schweigen. Das Brot war zum größten Teil so stark angeschimmelt, daß es nicht mehr genießbar war, im Mehl krochen die Würmer, in der Fässern faulte das Süßwasser, und das Salz war zerflossen wie ein gärender Brei.

Da sich auch keine lebenden Tiere mehr an Bord befanden, die man hätte schlachten können, sah sich der Seewolf vor die dringende Notwendigkeit gestellt, größere Mengen Nachschub für die Kombüse und die Vorratslasten der „Isabella“ zu beschaffen. Das Festland wollte er jedoch nicht mehr anlaufen, um nicht zuviel Zeit zu verlieren, und so schien ihm die „Ilha de Maracá“ für seine Zwecke genau der richtige Platz zu sein.

Vor Morgengrauen wählte er die Männer aus, die ihn als Landtrupp bei der Erkundung der Insel begleiten sollten. Es waren Ben Brighton, Big Old Shane, Ed Carberry, Ferris Tucker, Blacky, Dan O’Flynn und Smoky. Old Donegal Daniel O’Flynn übernahm auf Hasards Anweisung hin für die Zeit seiner Abwesenheit das Kommando an Bord der „Isabella“.

Im Hereinbrechen des neuen Tages schickte Old O’Flynn einen argwöhnischen Blick zum Strand der Bucht hinüber. Er stand an der Backbordseite des Quarterdecks, hatte die Hände auf das Schanzkleid gelegt und schien angestrengt nachzudenken. Keiner der Männer, die in seiner Nähe waren, bezweifelte im geringsten, daß es wieder die üblichen düsteren Vorstellungen waren, die seinen Geist beschäftigten.

Shane wollte den Alten ansprechen, aber Ferris Tucker hielt ihn zurück und gab ihm durch eine Geste zu verstehen, daß es besser wäre, Old Donegal in Ruhe zu lassen. In der Tat gerieten Old O’Flynn und der graubärtige Riese schon oft genug aneinander, besonders dann, wenn es um die „Gesichter“ und die üblen Ahnungen des Alten ging.

Der Seewolf trat nun allerdings neben Old O’Flynn und sagte: „Nun rück schon heraus mit der Sprache, Donegal. Du kannst uns ruhig verraten, was uns erwartet, wenn wir die Insel betreten. Wir sind auf alles vorbereitet.“

Der Alte wandte den Kopf, und plötzlich hellten sich seine Züge auf. „Wie, du meinst, ich würde euch euren Untergang prophezeien und alle möglichen Fallen wittern? Nein, nein, diesmal täuschst du dich.“ Er lachte kurz auf. „Wenn du mich schon fragst, also, ich glaube, daß wir diesmal eine richtig schön gelegene Insel und eine nette freundliche Bucht erwischt haben.“

Hasard hob verblüfft die Augenbrauen. „Ist das dein Ernst?“

„Mein voller Ernst.“

„Und wir werden auch Wild und eine Quelle entdecken?“

„Bin ich ein Hellseher?“ fragte der Alte mit verschmitzter Miene zurück. „Bei der Vegetation, die ich von hier aus sehe, könnte das gut der Fall sein, aber es bleibt eben nur eine Vermutung.“

Big Old Shane trat einen Schritt näher und stemmte die Fäuste in die Seiten. „Sag mal, willst du uns auf den Arm nehmen, Donegal?“ fragte er drohend. „Du bist doch sonst nicht so zimperlich mit deinen verdammten Voraussagen.“

Old O’Flynn musterte ihn angriffslustig. „Shane, paß auf, daß du an Land nicht hinfällst und dir die Ohren brichst. Ich sehe ein paar knorrige Wurzeln auf deinem Weg und eine giftige Schlange, die dir in den Hintern beißt, wenn du der Länge nach am Boden liegst. Genügt das?“

„Ja, mir reicht’s“, entgegnete der ehemalige Schmied von Arwenack. „Dir bringe ich einen Skorpion mit, du Witzbold, und den stecke ich dir heute abend in die Hosentasche. Mal sehen, was dann passiert.“

Höhnisch verzog Old O’Flynn seinen Mund. „Du findest ja doch keinen, du krummbeiniger Eisenbieger. Ich in meinem Alter sehe noch so gut wie ein Seeadler, aber du kannst auf eine Kabellänge Entfernung ja nicht mal einen Felsen von einer Jungfrau unterscheiden.“

Shane wollte ihm eine geharnischte Antwort geben, doch Hasard unterband den beginnenden Streit in seinem Ansatz.

„Abentern an Bord der Jolle“, befahl er. „Wir setzen jetzt über und fangen mit der Erforschung der Insel an. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“

Das Boot war bereits abgefiert worden und dümpelte an der Bordwand des Schiffes. Hasard stieg aufs Hauptdeck hinunter, kletterte über das Schanzkleid und hangelte an der Jakobsleiter nach unten.

Die sieben Männer folgten ihm. Wenig später hatte sich die Jolle von der „Isabella“ gelöst und glitt unter gleichmäßigem Riemenschlag zum Strand der Bucht hinüber.

Grau kroch das erste Licht des Tages von Osten her über die Insel und löste die milchigen Schleier auf, die sich vom Wasser der Bucht bis zu den flachen Kuppen der Hügel im Inneren der Insel emporzogen.

Hasard, der die Ruderpinne der Jolle hielt, blickte zu den Hügeln auf und fragte sich im stillen, ob sich Old O’Flynn in seiner ausgesprochen optimistischen Äußerung über das, was sie auf der „Ilha de Maracá“ erwartete, diesmal nicht ein wenig geirrt hatte.

Keiner konnte auch nur ahnen, was sich wirklich ereignen würde.

Die Ankerbucht der „Isabella“ befand sich am Ostufer der Insel, und von dort aus war es unmöglich, alles zu überblicken. So erhoben sich zwischen dem Ostufer und den sandigen kleinen Buchten der Südseite die Hügel, die auch Bill, dem Ausguck im Großmars, die Sicht bis dorthin versperrten.

Folglich vermochten weder die an Bord der „Isabella“ zurückgebliebenen Männer noch Hasard und seine sieben Begleiter zu verfolgen, was sich um diese Zeit an einer der halbkreisförmigen, mit weißem Sand ausgefüllten Buchten im Süden tat.

Als der Seewolf mit seinem kleinen Trupp gerade landete und das Boot verließ, stiegen fünf Mädchen von einem der mit Buschwerk und niedrigen Bäumen bewachsenen Hänge ab und liefen auf den Strand. Sie stießen kurze, entzückte Rufe aus, lachten und benahmen sich völlig unbeschwert.

Sie hießen Ilana, Mileva, Ziora, Saila und Oruet, und sie gehörten dem kleinen Stamm von Indios an, der auf dieser Insel ein ziemlich sorgenfreies Leben führte.

Ilana blieb stehen und streifte als erste ihren engen Rock ab. Danach öffnete sie ihr kunstvoll besticktes Hemd, das in seinen bunten Mustern an eine der Molas im Dorf erinnerte, Applikationsnähereien, wie sie vor allen Hütten hingen.

Sie ließ das Hemd wie achtlos sinken und schritt auf die Brandung zu, mit anmutigen Bewegungen und leicht schwingenden Hüften, ihrer vollendeten Schönheit bewußt. Die anderen folgten ihrem Beispiel und gingen ihr nach. Sie waren unbekümmert in ihrer Nacktheit und benahmen sich so ausgelassen wie Kinder, als sie das Wasser erreichten.

Sie liefen lachend durch die Brandung. Oruet geriet ins Stolpern und fiel, aber Ilana drehte sich sofort um und half ihr wieder auf.

Die drei anderen kicherten. Mileva wollte Ilana und Oruet mit Wasser bespritzen, doch der zurechtweisende Blick Ilanas hielt sie zurück.

Ilana und Oruet waren die besten Freundinnen, sie benahmen sich wie Schwestern, und stets war Ilana hilfreich um das etwas schwerfälligere Mädchen bemüht, als habe ihr das jemand besonders ans Herz gelegt.

Als sie noch Kinder gewesen waren, hatte Ilana, die Kessere und Mutigere von beiden, bei einer ihrer Eskapaden nur hundert Schritte vom Dorf entfernt einmal eine höchst unliebsame Begegnung mit einer giftigen Schlange gehabt. Das Reptil hatte sich vor ihr aufgerichtet, um zuzustoßen, und Ilana war vor Schreck wie gelähmt gewesen. Oruet jedoch, die alles beobachtet hatte, hatte überraschend geistesgegenwärtig gehandelt und einen Stein aufgehoben, der so groß war, daß sie ihn kaum halten konnte. Diesen Stein hatte sie auf die Schlange geworfen – und Ilana hatte ihr dies nie vergessen.

Oruet prustete und sagte: „Danke, Ilana. Ich bin aber auch zu ungeschickt. Ich glaube, ich bin ein richtiger Tolpatsch.“

„Unsinn. Komm, ich will, daß du jetzt endlich richtig schwimmen lernst.“

„Das lerne ich nie.“

„Du mußt dich dazu zwingen“, sagte Ilana. „Eines Tages könnte es lebenswichtig für uns alle sein, uns im Wasser fortzubewegen.“

„Du meinst, weil Surkuts Männer kommen könnten?“

„Ja.“

„Tubuago, dein Vater, sagt, daß Surkut es niemals wagen würde, uns zu überfallen. Surkut hält große Reden, aber im Grunde seines Herzens ist er ein Hasenfuß.“

„Das mag sein“, sagte Ilana. „Aber er versteht es, seine Männer gegen uns aufzuwiegeln. Bald wird ihr Haß gegen uns so groß sein, daß sie sich nur noch wünschen, uns alle totzuschlagen.“

Entsetzt riß Oruet die Augen auf. „Rede doch nicht so, Ilana. Ich kann es nicht ertragen, wenn du so etwas sagst.“

Ilanas Miene veränderte sich, sie lächelte plötzlich wieder. „Du hast wirklich recht. Wir sollten uns unser Morgenbad nicht verderben. Laß uns ins tiefere Wasser waten.“

„Ilana“, sagte Oruet. „Wenn Kewridi dich jetzt so sehen könnte – wenn er wüßte, daß du hier bist, würde er bestimmt dort drüben zwischen den Büschen hocken und dich beobachten.“

„Er weiß es aber nicht. Keiner von den jungen Burschen aus dem Dorf weiß, daß wir hier sind, und das ist auch gut so, denn sie sind alle viel zu stürmisch und können sich nicht zurückhalten.“ Ilana lachte, griff nach Oruets Arm und zog sie mit sich zu den anderen, die inzwischen schon bis zur Brust im Wasser standen und ihnen zuwinkten.

Kewridi war ein junger Jäger und Fallensteller, der Ilana seit einiger Zeit den Hof machte, jedoch von Tubuago, dem Häuptling der Maracá-Indios, immer wieder energisch zurückgewiesen wurde. Ilana stand seinem Werben halb angetan, halb reserviert gegenüber, denn sie wußte selbst nicht genau, wie sie sich verhalten sollte.

Die fünf Mädchen bewegten sich im klaren, türkisfarbenen Wasser und blickten zum Himmel auf, der sich über ihnen allmählich blau zu färben begann. Die Brise aus Südosten, die den herben Duft der See landeinwärts trug, spielte mit ihren schwarzen Haaren, und das Licht der Sonne setzte ihren Körpern einen bronzefarbenen Schimmer auf.

Ilana bemühte sich darum, Oruet das Schwimmen in Rückenlage beizubringen. Sie tat das nicht zum erstenmal, aber ihre Geduld schien unerschütterlich zu sein. Immer wieder erklärte sie ihrer Freundin, daß man den Rücken durchdrücken und die Beine so ausgestreckt wie möglich halten müsse – und immer wieder ging Oruet unter.

Die Vertrautheit mit dem nassen Element war bei den Inseln-Indios eine Selbstverständlichkeit und Notwendigkeit, die meisten von ihnen waren gute Schwimmer und Bootsfahrer. Jede Mutter pflegte mit ihrem Neugeborenen zuallererst ein kaltes Bad zu nehmen, um es abzuhärten und an das Wasser zu gewöhnen. Auch den Mädchen brachte man das Schwimmen bei, und die größte Zahl von ihnen waren überdies hervorragende Taucherinnen, die Muscheln und Korallen aus der Tiefe holten.

Nur bei Oruet waren bislang alle Versuche fehlgeschlagen, sie diese Fertigkeiten zu lehren. Ihre Eltern, ihre Brüder und alle anderen Verwandten hatten es schon aufgegeben, sie entsprechend zu unterrichten. Nur Ilana hielt nach wie vor fast starrsinnig an ihrem Vorhaben fest.

Oruet tauchte wieder auf. Sie spuckte etwas Wasser aus und rieb sich die Augen.

„Hör jetzt mal gut zu“, sagte Ilana. „Das Wasser trägt dich, du darfst nur keine Angst davor haben. Das Wasser ist dein Freund, wenn du die Furcht verlierst. Du kannst dich darauf ausruhen wie auf deiner Schlafmatte, du brauchst es nur zu wollen. Oruet – du bist ja schon wieder mit den Gedanken woanders!“

„Sieh doch“, sagte Oruet. Sie blickte an Ilanas Schulter vorbei, und ihre Stimme hatte einen seltsam belegten Klang.

Ilana wandte sich um.

Jetzt sah sie die kleinen Wasserfahrzeuge, die das Südkap der Insel von Westen her gerundet haben mußten. Es waren Kanus und Piraguas, mehr als ein halbes Dutzend an der Zahl. Sie waren voll besetzt mit braunhäutigen Männern, die die Paddel wie große Messer ins Wasser stachen.

„Da!“ rief jetzt auch Ziora. „Das sind bestimmt Surkuts Männer!“

„Ilana“, sagte Oruet. „Du hattest recht mit deinen Befürchtungen. Oh, wie recht du hattest.“

Ilana fuhr im Wasser zu ihr herum. „Fort!“ stieß sie aus. „Ans Ufer, ehe es zu spät ist. Ich gehe mit dir, Oruet.“ Sie beschrieb eine hastige Gebärde zu Mileva, Ziora und Saila hin und rief: „Ihr schwimmt dort hinüber – so schnell ihr könnt!“ Sie wies zum nordöstlichen Bereich des Strandes und fügte hinzu: „Sie dürfen uns nicht erwischen!“

Sie wagte nicht, sich auszumalen, was geschah, wenn die Flucht vor den Männern mißlang. Sie zerrte Oruet mit sich fort, gelangte in etwas flacheres Wasser und kam schneller voran. Bald hatten sie sich beide der Brandung so weit genähert, daß sie laufen konnten. Hoch spritzte das Naß auf. Hinter ihrem Rücken ertönten das Lachen und Grölen der Männer, die jetzt sehen konnten, daß die Mädchen völlig unbekleidet waren.

Mit geradezu unheimlicher Schnelligkeit schoben sich die Kanus und Piraguas auf den weißen Sandstrand zu. Die Distanz schrumpfte, und schon richteten sich einige der Indios in den Booten auf, um über die Bordwand zu springen und den Mädchen nachzuhetzen.

Sie betrachteten die fünf Mädchen als ihre Beute, eine Beute, die es zu nehmen und zu unterwerfen galt.

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