Kitabı oku: «Seewölfe Paket 14», sayfa 12

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9.

Manuel Quintana wurde von Fieberkrämpfen geschüttelt. Er spürte, wie sich die Hand des Rudersklaven, der an seiner rechten Seite saß, auf seine Schulter legte. Er bewegte den Kopf leicht hin und her. Nein, er wollte keine Hilfe. Er wußte, daß er dieses Martyrium nicht lange überstehen würde.

Sein Rücken brannte wie Feuer. Niemand hatte sich um ihn gekümmert, seit Jesus Valencia, der erste Offizier, befohlen hatte, die Riemen wieder einzuholen, weil der Seegang zu stark geworden war. Valencia hatte ihn zwar gefragt, ob er sich einigermaßen fühle, aber er hatte nur genickt und erwidert, daß er in Ordnung sei.

Valencia hatte einen der Seeleute mit einer Art Salbe zu ihm geschickt, um ihm den Rücken zu verarzten, aber unbemerkt vom Ersten Offizier hatte der Zuchtmeister den Mann unverrichteter Dinge wieder zur vorderen Plattform geschickt und ihn dazu verdonnert, gegenüber Valencia das Maul zu halten.

Die Dunkelheit brach jetzt schnell herein. Der Himmel war bedeckt mit dunklen, schnell dahinjagenden Wolken. Fast wünschte sich Manuel Quintana, daß es endlich regnen würde. Von der Nässe versprach er sich eine Milderung seiner Qualen.

Er saß zusammengesackt auf der Ducht, die Arme auf den Knien. Die ungewohnten Eisenmanschetten hatten die Haut an seinen Knöcheln aufgescheuert. Er tastete an seinen Beinen entlang und stöhnte auf, als er die feuchten Wunden an seinen Knöcheln berührte. Er lehnte sich zurück und lehnte den Kopf in den Nacken. Am liebsten hätte er seine Verzweiflung in die hereinbrechende Nacht geschrien, doch er wußte, daß ihm das nur neue Qualen einbringen würde.

Plötzlich spürte er den leichten Druck an seinem Gesäß. Einen Moment verdrängte er dieses leichte Gefühl, das er unter den Schmerzen, die seinen Körper in Wellen durchfluteten, kaum registrierte. Doch dann durchzuckte es ihn heiß. Er erstarrte. Langsam wandte er den Kopf.

Seine fieberglänzenden Augen suchten den Zuchtmeister. Der riesige Kerl stand vor der achteren Plattform und unterhielt sich mit dem Mann, der die Takttrommel schlug.

Nur zwei Aufseher befanden sich auf dem Laufgang. Sie patrouillierten hin und her. Der Zuchtmeister hatte den Befehl dazu gegeben, da er gespürt hatte, daß die Erregung der Rudersklaven wegen der morgendlichen Ereignisse noch nicht abgeklungen war.

Aber die Aufseher waren alles andere als aufmerksam, Nach dem Zwischenfall mit einem ihrer Kollegen hatten sie sämtliche Ketten der Sträflinge kontrolliert. Zwei, die schon fast durchgescheuert waren, hatten sie ausgetauscht. Alle anderen waren noch in Ordnung gewesen. Es war ihnen ein Rätsel geblieben, wie der Mann seine Kette hatte sprengen können. Auch der Nachbar des Kerls schien nichts davon mitgekriegt zu haben, denn er hatte ihnen auch nach dreißig Peitschenhieben nichts verraten.

Als sich die beiden Aufseher in der Mitte des Laufganges getroffen hatten und einer zur achteren und der andere zur vorderen Plattform zurückging, wagte Manuel Quintana, mit der linken Hand nach seinem Rücken zu tasten.

Es ging wie ein Schock durch seinen Körper, als er den Griff des Messers spürte, das er immer unter seinem Hemd auf dem Rücken in seinem Gürtel stecken hatte. Seine Hand glitt zurück, und mit einem vorsichtigen Blick zur Seite vergewisserte er sich, daß auch sein Nachbar auf der Ducht nichts bemerkt hatte.

Manuel Quintana vergaß auf einmal seine Schmerzen. Haß war das Gefühl, das ihn zu beherrschen begann. Das Feuer in seinen Augen verstärkte sich.

Sein Blick ging hinüber zum Tabernakel, wo die Gestalten der Aufseher nur noch als Schatten zu unterscheiden waren. Er starrte auf den größten der Männer. Das mußte der Zuchtmeister sein, der ihn auf Befehl des Kapitäns geschunden und gedemütigt hatte.

Manuel Quintana senkte den Kopf und begann, leise zu beten. Sein Nachbar drehte den Kopf und lauschte, aber verstand nichts von den Worten, die Quintana murmelte.

„Wie geht’s dir, Mann?“ fragte er leise. Ein Grinsen, in dem wenig Anteilnahme war, glitt über sein Gesicht. „Wenn du die Nacht überstehst, wirst du hart wie Eisen sein, Mann.“

Manuel Quintana hörte zwar die Stimme, aber nicht die Worte, die der Ruderknecht sprach. Seine Sinne waren nach innen gekehrt. Vor seinem geistigen Auge tauchte das Geiergesicht Kapitän Juan de Faleiros auf. Seine Hände begannen, automatisch zu zittern. Er verschränkte sie ineinander. Er mußte ruhig bleiben!

Er wußte plötzlich, daß es ihm nicht gelingen würde, sich an dem Kapitän zu rächen. In der Nacht würde dieser niemals den Laufgang betreten.

Aber es gab noch einen anderen, dessen Tod ihm seinen Seelenfrieden wiedergeben konnte.

Die große, dunkle Gestalt des Zuchtmeisters schob sich auf den Aufseher zu, der vom Großmast bis zum Tabernakel hin und her ging und Wache schieben mußte.

„Alles in Ordnung, Jaime?“ hörte er die Stimme des Zuchtmeisters fragen. „Was ist mit unseren beiden stolzen Kanonieren?“

„Sie ruhen sich ein wenig aus, damit sie morgen wieder bei Kräften sind und tüchtig pullen können“, antwortete der Aufseher.

Manuel Quintana konnte sein Gesicht nicht sehen, aber er war überzeugt davon, daß er grinste.

Wieder zitterten seine Hände. Er preßte sie zwischen den Knien zusammen und stöhnte unterdrückt auf. Er durfte nicht zittern! Er mußte eine ruhige Hand haben, wenn er seine Rache vollenden wollte!

Der Aufseher neben dem Tabernakel sagte etwas, und der Zuchtmeister erwiderte: „Hol dir was zu trinken. Ich werde mal nach meinen Lieblingen schauen.“

Manuel Quintana hielt den Atem an. Seine Zähne klapperten aufeinander, ohne daß er etwas dagegen tun konnte. Er meinte, es müsse auf dem ganzen Schiff zu hören sein. Ein kurzer Blick seitwärts zeigte ihm, daß die Männer auf seiner Ducht schliefen. Zwei hatten sich auf die etwas breiteren Planken zu ihren Füßen gelegt, sein Nebenmann war zur Seite gesunken und schnarchte leise.

Manuel Quintana sah, daß der Zuchtmeister an seinem Kameraden Antonio Sotero, der etwa vier Ruderbänke weiter achtern an Steuerbord saß, vorbeiging. Die Augen des riesigen Kerls waren spöttisch auf Manuel Quintana gerichtet. Nur einen Schritt vor ihm blieb er stehen. Sein gehässiges Grinsen verstärkte sich.

„Na, immer noch nicht müde, Ruderknecht?“ fragte er.

Manuel Quintana wollte ihn anspucken, doch sein Rachen war vom Fieber ausgedörrt, und er brachte keinen Speichel zustande. Mit krächzender Stimme erwiderte er: „Scher dich zum Teufel, Schinder!“

Die Peitsche in der rechten Hand des Zuchtmeisters zuckte vor wie der Kopf einer zubeißenden Schlange. Er hielt sie verkehrt herum, und der Knauf traf Quintana am Hals. Der Zuchtmeister schob sie unter das Kinn des Angeketteten und drückte von unten dagegen, so daß Quintana den Kopf heben mußte.

„Immer noch ein freches Maul, wie?“ sagte der Zuchtmeister zischend.

Der Mann neben Quintana war erwacht.

„Hau ab, Fettsau“, sagte er wütend. „Laß uns wenigstens in der Nacht ruhig schlafen, wo wir deine dreckige Visage nicht sehen müssen.“

Der Zuchtmeister kümmerte sich nicht um ihn. Ihn hatten Beleidigungen noch nie gestört. Bisher hatte er sie höchstens zu Vorwänden benutzt, um seiner Freude am Quälen freien Lauf zu lassen.

„Wie geht’s deinem Rücken, Ruderknecht?“ fragte der Zuchtmeister grinsend und hieb Quintana mit der flachen Linken darauf.

Manuel Quintana richtete sich steil auf. Tränen des Schmerzes schossen ihm in die Augen. Seine Hand lag plötzlich auf seinem Rücken, und er spürte den Griff des Messers an seinen Fingern. Für einen kurzen Moment war er versucht, es herauszureißen und dem brutalen Kerl in den Leib zu stoßen. Aber trotz des Schmerzes und der Fieberschauer, die in seinem Körper tobten, ahnte er, daß der Schinder auf der Hut war. Er rechnete sicher immer damit, von einem der Sträflinge angefallen zu werden.

Der Zuchtmeister lachte leise auf.

„Du bist das größte Miststück, dem ich in meinem Leben begegnet bin, Fettsau!“ stieß der Mann neben Quintana hervor. „Dich sollte man in siedendem Öl baden!“

Diesmal wandte der Zuchtmeister den Blick und starrte den Mann an.

„Morgen bist du dran, Fernandez“, sagte er kalt. „Dein Rücken wird ziemlich unter deinem großen Maul zu leiden haben.“

Der Rudersträfling klappte den Mund zu und preßte die Lippen aufeinander. Er warf Quintana einen schiefen Blick zu und sagte sich wohl, daß es sich eigentlich nicht gelohnt hatte, dem Zuchtmeister die Meinung zu geigen.

Der Riese nahm den Peitschenknauf vom Kinn Quintanas, stieß ihn damit noch einmal vor die Brust und drehte sich dann um.

Manuel Quintanas rechte Hand umklammerte immer noch den Knauf seines Messers. Er sah den breiten Rücken des Zuchtmeisters vor sich, der breitbeinig den Laufgang entlang schritt.

Jetzt! schrie es in ihm, aber er zögerte. Plötzlich traute er sich nicht mehr zu, den Rücken des gehenden Mannes zu treffen.

Dann sah er, wie der Zuchtmeister neben der Ducht stehenblieb, auf der Antonio Sotero festgekettet war. Der Schinder klopfte ihm mit dem Peitschenstiel auf die geschundene Schulter, und das Stöhnen Soteros war bis zu Quintana zu hören.

Manuel Quintana wandte den Kopf. Der zweite Aufseher befand sich immer noch in der Nähe der vorderen Plattform. Offensichtlich wollte er dem Zuchtmeister bei seiner „Inspektion“ nicht in die Quere geraten. Quintana sah, daß er sogar den Kopf gewandt hatte und nach vorn über die beiden Vierundzwanzigpfünder hinweg aufs bewegte Meer schaute.

Die rechte Hand mit dem Messer hob sich. Auf einmal war das Zittern fort. Manuel Quintana spürte eine Ruhe in sich, die er sich niemals zugetraut hatte. Die Dunkelheit war inzwischen hereingebrochen, und die Konturen des Zuchtmeisters, der nur wenige Schritte von ihm entfernt auf dem Laufgang stand und seinen Kameraden quälte, waren nicht mehr klar zu erkennen.

Der Mann neben Manuel Quintana stieß einen leisen Pfiff aus, als er das Messer in der Faust seines Nebenmannes sah. Einen Augenblick glaubte Quintana, der Mann wollte ihn zurückhalten, doch da zischte dieser: „Los, wirf, Mann! Eine solche Gelegenheit kriegst du nie wieder!“

Fernandez hatte zu laut gesprochen. Der Zuchtmeister, der Ohren wie ein Luchs hatte, drehte sich um.

In diesem Augenblick zuckte Manuel Quintanas Hand mit dem Messer vor. Der Stahl wirbelte durch die Luft, und auch die vorgereckte Faust des Riesen konnte seine Flugbahn nicht mehr verändern. Tief senkte sich die Schneide in die linke Brust des Zuchtmeisters.

Manuel Quintana sah mit weit aufgerissenen Augen, wie der Körper des Schinders zu wachsen schien, dann langsam wie ein Rohr im Winde zu wanken begann und schließlich umkippte und mit krachendem Laut auf die Planken des Laufganges schlug.

Manuel Quintana hörte die überraschten Ausrufe der anderen Aufseher. Der Mann von der vorderen Plattform hatte sich bei dem lauten Fall des Riesen abrupt umgedreht. Im ersten Moment hatte er nicht gewußt, was geschehen sein konnte, doch dann mußte er den großen, dunklen Schatten gesehen haben, der mitten auf dem Laufgang lag.

Schreiend rannte er auf den regungslos daliegenden Zuchtmeister zu. Auch von der achteren Plattform tauchten zwei Aufseher auf, die ausgerollten Peitschen in den Händen.

Einer beugte sich über den Zuchtmeister, sah erschrocken das Messer aus seiner Brust ragen, legte sein Ohr daneben und sagte, als er sich aufrichtete, mit heiserer Stimme: „Er ist tot!“

Die Worte klangen in Manuel Quintanas Hirn wie Paukenschläge. Er fühlte sich auf einmal leicht. Seine Schmerzen waren nur noch wie unangenehme Träume, die ihm am Rand seines Bewußtseins begegneten. Er hörte die Stimme seines Nebenmannes wie aus weiter Ferne und begriff den Sinn der Worte nicht. Die Dunkelheit verschwamm vor seinen Augen und wich einem sanften Rot, das ihn über die Grenze zwischen Traum und Nichts führte.

Fernandez sah Manuel Quintana zusammenbrechen und begann zu grinsen. Etwas Besseres hätte dem Mann nicht passieren können. Wer bewußtlos war, konnte schwerlich das Messer geworfen haben, das den Zuchtmeister getötet hatte.

Fernandez dachte plötzlich voller Schreck an die Peitsche, die er unter seinem Sitz versteckt hatte. Niemand von den Aufsehern hatte es am Morgen bemerkt, wie er sie an sich gebracht hatte, nachdem sie von Antonio Sotero mit dem Fuß zwischen die Duchten geschleudert worden war.

Er mußte das Ding loswerden, denn sicher würden alle Sträflinge nach diesem Mord an dem Zuchtmeister auf Waffen untersucht werden.

Er holte die Peitsche hervor, und bevor einer der Aufseher es bemerken konnte, warf er die Peitsche auf den Laufgang, so daß sie nur zwei Schritte von dem toten Zuchtmeister hinter den Füßen eines Aufsehers liegenblieb.

Der Mann hatte ein Geräusch gehört und drehte sich um. Da er keine Bewegung unter den Ruderknechten sah, kümmerte er sich wieder mit den anderen um den toten Zuchtmeister.

„Sie haben Rayo ermordet!“ brüllte einer von ihnen.

Seine Stimme brach die Stille, die über der „San Antonio“ hing, als wäre eine Granate ins Schiff eingeschlagen.

Carlos Mendez, der Zweite Offizier, der Wache hatte, lief auf die Männer zu und drängte sie beiseite. Von der vorderen Plattform schob sich Teniente Ribera heran, und nur Sekunden nach dem Schrei tauchte der Glatzkopf Juan de Faleiros aus dem Niedergang auf, der zu seiner Kammer unter Deck führte.

Der Kapitän hatte vergessen, seine Perücke aufzusetzen. Außerdem war er in sein langes Nachtgewand gekleidet, das am Kragen, den Ärmeln und am Saum mit Spitzenrüschen besetzt war. Sein Anblick löste ein Johlen der Ruderknechte aus, und die Aufseher begannen sofort, mit Peitschen auf die Männer einzuschlagen. Es dauerte Minuten, bis wieder einigermaßen Ruhe herrschte.

Jesus Valencia war nur wenige Sekunden nach dem Kapitän an Deck erschienen. Jetzt stand er neben Juan de Faleiro und starrte wie der auf den Körper des leblosen Zuchtmeisters nieder, in dessen Brust ein Messer steckte. Sein Wams um das Messer herum hatte sich mit Blut vollgesogen.

Jesus Valencia sah, wie der hagere Kapitän am ganzen Körper zitterte. Die Wut schien ihn fast umzubringen. Die Tatsache, daß jemand an Bord gewagt hatte, einen seiner Vertrauten zu ermorden, brachte ihn fast um den Verstand.

Er bückte sich, riß das Messer aus der Brust des Toten und reckte es mit seinem dürren Arm hoch über den Kopf.

„Wer hat dieses Messer geworfen?“ brüllte er mit sich überschlagender Stimme. „Wer ist der hinterhältige Mörder?“

Als hätte er gar nicht erwartet, auf seine Frage eine Antwort zu erhalten, drehte er sich abrupt um und brüllte: „Zündet die Fackeln an! Ich will den Hurensohn, der Rayo ermordet hat! Durchsucht die verlauste Brut nach Waffen! Ein Faß Wein für denjenigen, der mir den Mörder bringt!“

Er sah Jesus Valencia neben sich stehen. In seinen stechenden Augen blitzte es auf.

„Sie haben natürlich nichts gesehen, Señor Valencia, wie?“ fragte er zischend.

„Nein, Señor Capitán“, erwiderte Valencia ruhig.

„Vielleicht haben Sie es sogar selbst geworfen!“

„Das wird von meiner Kammer aus schlecht möglich gewesen sein“, sagte der Erste Offizier. „Ich wurde nämlich wie Sie durch das Geschrei aus dem Schlaf geweckt. Señor Mendez hatte Wache.“ Er konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen, und Juan de Faleiro wandte sich wütend ab. Ohne sich weiter um Valencia, Mendez oder Teniente Ribera zu kümmern, schritt er den Laufsteg entlang.

Er stieß gegen die Peitsche, die auf den Planken lag, beugte sich nieder und hob sie auf. Vor Manuel Quintana blieb er stehen. Die Faust mit der Peitsche zuckte vor und traf den bewußtlosen Stückmeister in die Seite.

„Nur dieser verfluchte Hund konnte ein Messer haben!“ zischte er. „Gib es zu, Meuterer! Los, mach’s Maul auf!“

„Er kann nicht antworten, Señor Capitán“, sagte Fernandez mit belegter Stimme. „Er war schon ohne Besinnung, als der Zuchtmeister plötzlich umfiel.“

„Hast du etwas gesehen?“ fragte Juan de Faleiro gierig.

Fernandez schüttelte den Kopf. „Ich hörte nur, wie der Zuchtmeister auf die Planken stürzte.“

Der Kapitän trat noch dichter an Fernandez heran. „Ich gebe dir die Freiheit, Sklave, wenn du mir den Täter nennst!“

Fernandez leckte sich über die Lippen.

„Das Angebot ist verlockend, Señor Capitán“, sagte er. „Aber Gott steh mir bei, ich habe nichts gesehen.“

„Hört, ihr Hurensöhne!“ kreischte de Faleiro. „Derjenige, der mir den Mörder nennt, wird frei sein, sobald wir wieder an Land vertäuen!“

Es blieb still auf der „San Antonio“. Die Fackeln warfen ein gespenstisches Licht auf die Ruderknechte, die mit trotzigen und triumphierenden Gesichtern auf den hageren Kapitän starrten, der für sie der Teufel persönlich war.

Das Angebot des Kapitäns war wahrhaftig verlockend, aber sie alle kannten Juan de Faleiro zu gut, um seinen Versprechungen Glauben zu schenken. Er war nicht der Mann, der irgendeinem Sträfling, aus welchen Gründen auch immer, die Freiheit schenkte.

„Was ist?“ schrie Juan de Faleiro weiter. „Gefällt es euch auf euren Ruderbänken so gut, daß ihr freiwillig auf eure Freiheit verzichtet?“

Seine Worte hallten in der Stille nach. Nur der scharfe Wind, der über die Wanten geigte, und das Rauschen der unruhigen See waren zu hören.

Juan de Faleiro reckte die linke Hand mit dem blutigen Messer hoch.

„Kennt jemand dieses Messer?“ rief er. „Hundert Dukaten für den, der mir den Besitzer dieses Messers nennt!“

Diesmal wandte er sich an die Seeleute und Riberas Soldaten, doch wieder meldete sich niemand.

„Ihr Schweinehunde steckt mit dem Mörder unter einer Decke!“ brüllte der Kapitän., „Wollt ihr meutern? Ich lasse jedem von nun an den Kopf abschlagen, wenn er noch einmal die Hand gegen mich oder einen meiner Leute erhebt!“

In seinem langen Nachtgewand sah Juan de Faleiro wie ein lächerlicher Zwerg aus, aber niemand an Bord der „San Antonio“ verspürte den Wunsch, über den hageren Mann zu lachen. Nicht in diesem Augenblick. Sie wußten, daß dies tödlich sein konnte.

Teniente Ribera trat einen Schritt vor und sagte gepreßt: „Von meinen Leuten steckt niemand mit einem Mörder unter einer Decke, Señor Capitán! Ich hoffe, daß Sie diese Behauptung zurücknehmen!“

Juan de Faleiro blickte auf und sah in das starre, aber entschlossene Gesicht des Teniente. Sein Blick glitt weiter zu den Soldaten, die wieder ihre Musketen in den Händen hielten. Das Licht der Fackeln zeigte ihm kantige, harte Gesichter, und Juan de Faleiro begriff, daß er in seiner Wut zu weit gegangen war.

„Es war nicht so gemeint, Teniente Ribera“, murmelte er. Dann wandte er sich an Jesus Valencia. „Beim ersten Anzeichen, daß der Wind nachläßt, wird wieder gerudert“, sagte er. „Geben Sie den Rudersklaven eine Extraration. Es wird morgen wieder ein harter Tag für sie werden.“ Damit schlurfte er davon und verschwand unter Deck.

Im ersten Moment war Jesus Valencia verblüfft, doch dann erkannte er, daß Juan de Faleiro nur eine andere Taktik angewandt hatte, weil er befürchtete, daß die Stimmung an Bord ganz und gar zu seinen Ungunsten umschlagen könnte.

10.

Es gab etwas, was im Mittelmeer nie vorausschaubar war: die Launen des Windes.

Pierre Delamotte, der schon geglaubt hatte, der spanischen Galeasse endgültig entwischt zu sein, fluchte ungeniert, als der Wind zu krimpen begann, dann zurück gegen den Uhrzeigersinn drehte, dabei mäßig wurde und sich schließlich auf Nordwesten einpendelte.

„Das ist ein schöner Schlag ins Kontor, Monsieur Carberry“, sagte er. „Es wird uns nichts weiter übrigbleiben, als auf Westsüdwestkurs zu gehen. Nach Nordnordosten können wir nicht laufen, dann würden wir wahrscheinlich den Dons vor die Kanonen segeln.“

Carberry hielt die Nase in den Wind.

„Wir müßten eigentlich noch einen Kurs Westen zum Süden schaffen“, meinte er. „Wir würden zwar keine volle Fahrt laufen, wenn wir uns am Rande der äußersten Höhe entlangschleichen, aber wenigstens nicht so weit von unserem Kurs abkommen.“

Delamotte blickte den Engländer skeptisch an.

„Ihr Mann am Ruder wird sich bald nicht mehr auf den Beinen halten können“, sagte er skeptisch, „und ob ein anderer die ‚Mercure‘ so gut im Griff haben …“ Er unterbrach sich, als Carberry breit zu grinsen begann. „Sie meinen, daß Ihre anderen Kameraden ebenfalls …“

„Worauf Sie sich verlassen können, Monsieur le capitaine“, erwiderte Carberry im Brustton der Überzeugung. „Unter den Seewölfen von Arwenack gibt es keinen, der eine Galeone nicht mindestens ebensogut wie Stenmark fahren kann.“

Pierre Delamotte blieb skeptisch, aber die Männer überzeugten ihn schnell. Luke Morgan übernahm als erster das Ruder, dann folgten Jeff Bowie und Blacky. Sie alle geigten dem Capitaine etwas vor, daß ihm Hören und Sehen verging.

„Sie haben es alle vom alten Pete Ballie gelernt, der auf unserer ‚Isabella‘ Rudergänger war“, sagte Carberry grinsend, als er am frühen Morgen wieder neben dem Kapitän auf dem Achterdeck stand. „Pete meinte zwar immer, daß sie es nie lernen würden, aber ich muß sagen, daß man mit ihnen im großen und ganzen zufrieden sein kann.“

Pierre Delamotte legte den Kopf schief und starrte Carberry an, als wolle der ihn verarschen. Mein Gott, was hatte er da für Kerle an Bord! Wenn er auch nur einen Bruchteil von dem in Brest bei Janvion im „Goldenen Hahn“ zum besten gab, würde man ihn für den größten Lügner aller sieben Meere halten!

Er wollte etwas erwidern, doch in der Kuhl wurde es plötzlich laut. Eine schrille Stimme schrie etwas auf Französisch, und dann brüllte der Kutscher: „Das Ferkel hat in meiner Kombüse nichts zu suchen, verflucht noch mal! Der verdirbt mit seinem Gestank schon das Essen, wenn er nur seinen Rüssel durch den Türspalt steckt!“

Ein Klatschen war zu hören, dann brüllten mehrere Stimmen durcheinander.

Pierre Delamotte drehte sich demonstrativ um und stiefelte zum Niedergang hinüber, der zu seiner Kammer führte.

„Sie übernehmen das Kommando, Monsieur Duval“, sagte er über die Schulter zu seinem Steuermann, der richtig aufgelebt war, seit er solche Rudergänger hatte.

Carberry verschwand vom Achterdeck und sah sich auf der Kuhl einem Pulk von Männern gegenüber. Diesmal nicht Franzosen und Engländer getrennt, sondern auf einem Haufen. Sie starrten alle auf Pet, den kleinen Koch, den der Kutscher aus seinem Reich vertrieben hatte. Bill und ein Franzose, die gerade den Bottich aus der Kombüse über Bord entleert hatten, stellten ihn neben dem Kutscher ab.

„Was ist hier los?“ fragte Carberry.

„Pet will wieder in feine Kombüfe“, sagte Marteau, der Hammer, grinsend. Er hatte immer noch Schwierigkeiten mit der Aussprache, aber inzwischen hatten sich die anderen daran gewöhnt und verstanden ihn.

„Wollt ihr ihn denn wiederhaben?“ fragte Carberry die Franzosen unter der Mannschaft. „Soll der Kutscher die Kombüse verlassen und Pet wieder euer Essen kochen?“

Ein Sturm der Entrüstung ging durch die Männer. Fäuste wurden gegen den kleinen Koch geschüttelt, der die Mannschaft systematisch vergiftet hatte, wie Breton, der Bootsmann, behauptet hatte, nachdem allen klargeworden war, was ein ordentliches Essen bedeutete, als sie die erste Mahlzeit des Kutschers gekostet hatten.

„Ich hab nichts gegen den Furzer“, sagte der Kutscher, als wieder ein wenig Ruhe eingekehrt war. „Er soll sich nur mal gründlich waschen und aufhören, so viele Zwiebeln zu fressen.“

Die Männer nickten grimmig. Breton trat vor und wies auf den Bottich.

„Wir sollten ihn da reinstecken und ihn mit Decksbürsten abscheuern“, sagte er grollend. „Wahrscheinlich aber brauchen wir Kalfatereisen, um den Dreck von seiner Haut runterzukriegen.“

Pet heulte auf. Er duckte sich und versuchte, an zwei Männern vorbei im Vorschiff zu verschwinden, aber sie packten ihn und hielten den zappelnden Mann fest.

„Füllt den Bottich mit Waffer!“ schrie Marteau.

„Haaalt!“ Der Kutscher stürzte sich auf seinen Bottich und zerrte ihn weg. „In diesem Bottich wird der Kerl nicht gebadet!“ brüllte er. „Dann können wir ihn hinterher gleich über Bord schmeißen!“

Seine letzten Worte brachten die Männer auf einen Gedanken. Im Nu war der kleine Pet von seinen Landsleuten umringt. Sie banden einen Tampen um seine Hüften, hoben den strampelnden Kerl hoch und warfen ihn in hohem Bogen über das Schanzkleid ins Meer.

Pets Schreien verstummte, als die erste Ladung Meerwasser in seinen Mund drang. Er schlug wie ein Verrückter um sich und japste keuchend, als die Männer ihn endlich wieder an Bord hievten.

Aber das war noch lange nicht alles. Jemand hatte Kernseife und Bürsten herangeschleppt, und mit einem halben Dutzend Männern begannen sie, an ihm herumzuschrubben, bis seine Haut krebsrot war.

Pet brachte schon keinen Ton mehr hervor. In seiner Erregung machte sich seine Krankheit wieder bemerkbar, was ihm ein paar Ohrfeigen einbrachte. Sie warfen ihn wieder über Bord, um die Seife abzuspülen, und als sie ihn dann hochgezogen hatten, rümpfte Marteau die Nase und sagte lispelnd: „Der ftinkt noch immer. Daf müffen wir noch ein paarmal wiederholen.“

Pet war zu fertig, als daß er noch einen lauten Protest hätte loslassen können. Die Männer ließen ihn einfach liegen und wandten sich lachend wieder ihrer Arbeit zu.

Pet kroch über Deck und suchte seine Kleider. Aber die hatte jemand mit spitzen Fingern angehoben und über Bord geworfen. Der kleine, magere Franzose heulte vor Wut. Sein Kopf ruckte herum, als er einen Schatten neben sich auftauchen sah. Seine feuchten Augen starrten auf den Kerl, der ihm das alles eingebrockt hatte, und wenn er in diesem Augenblick ein Messer zur Hand gehabt hätte, er wäre damit auf den Kutscher losgegangen.

„Tut mir leid, daß sie dich so zugerichtet haben“, sagte der Kutscher und hielt ihm ein Hemd und eine Hose entgegen, die er vorn in der Segelkammer gefunden hatte.

Pet wischte die Hand wütend zur Seite.

„Stell dich nicht so an“, sagte der Kutscher. „Verdammt, du hast selbst schuld an deiner Lage. Warum hast du Ferkel dich nie gewaschen, he? Und sieh dir jetzt mal deine Kombüse an. Die würdest du nicht wiedererkennen. Mann, wenn man für seine Kameraden kochen muß, dann hat man die verdammte Pflicht, so sauber wie möglich zu sein. Du wärst doch fast in deinem eigenen Dreck erstickt!“

Pet nahm zögernd die Hose und das Hemd entgegen, erhob sich und streifte die Sachen über. Dann blickte er den Kutscher schief an und leckte sich die Lippen.

„Ich war nicht immer so dreckig“, sagte er halblaut. „Aber hör du dir mal jeden Tag die Sticheleien an und laß dich Furzer nennen, dann ist dir eines Tages auch scheißegal, ob die Kerle sauberes oder dreckiges Essen kriegen.“

„Warum frißt du denn so viele Zwiebeln?“ fragte der Kutscher.

Pet zuckte mit den Schultern.

„Wir haben zu Hause immer Zwiebeln gegessen“, sagte er. „Meine Mutter meinte, es gäbe nichts Gesünderes als Zwiebeln.“

„Das mag schon stimmen. Aber hier lebst du mit anderen auf engstem Raum zusammen, und da sollstest du ein bißchen Rücksicht nehmen. Wie ist eigentlich dein richtiger Name?“

„Henri“, sagte Pet.

„Gut, Henri“, sagte der Kutscher. „Die Arbeit in der Kombüse ist für einen Mann ohnehin zuviel. Wir könnten zusammenarbeiten, wenn du mir versprichst, dich zu waschen und mit dem Zwiebelfressen aufzuhören.“

Der kleine Franzose schaute den Kutscher einen Moment zweifelnd an, doch dann nickte er, und der Kutscher zog ihn mit sich zum Niedergang unter dem Achterdeck.

Henri staunte, als er die Kombüse betrat. Er erkannte sie tatsächlich nicht wieder. Alles hatte seinen Platz, und Töpfe und Tiegel glänzten vor Sauberkeit.

Der Kutscher wies auf einen Kübel mit den Resten vom letzten Essen und fragte Henri, ob er das Zeug wohl über Bord kippen könne.

Der Franzose nickte grinsend und verschwand mit dem Kübel an Deck. Als er das Zeug an der Leeseite über das Schanzkleid schüttete, sah er die mächtige Rückenflosse eines Riesenhais, die plötzlich einen engen Kreis beschrieb und mit Affengeschwindigkeit auf die „Mercure“ zuhielt. Wahrscheinlich wollte der schwere Brocken sich das Zeugs holen, das er, Henri, über Bord gekippt hatte.

Henri erschrak, als er den langen Schatten unter der Wasseroberfläche sah. Mann, war das ein Mordskerl! Er wurde blaß, als er daran dachte, was hätte passieren können, wenn der Hai vor einer Stunde aufgetaucht wäre, als er am Tampen hängend im Wasser herumgezappelt hatte.

Ein Zittern ging plötzlich durch das Schiff, als wäre es auf ein Riff aufgelaufen.

Henri beugte sich über das Schanzkleid und sah, wie der riesige Hai mit taumelnden Bewegungen davonschwamm. Gleichzeitig brüllte jemand vom Achterdeck auf Englisch.

Der große Mann mit dem Narbengesicht und dem Amboßkinn stand auf einmal neben Henri. Der kleine Franzose zuckte regelrecht zusammen.

„Was war das?“ fragte er.

„Ein Hai!“ stieß Henri hervor. „Er schnappte nach dem Zeug, das ich über Bord kippte. Dabei muß er die ‚Mercure‘ gerammt haben.“

„Verflucht“, sagte Carberry, als er die Rufe vom Achterdeck verstand. Blacky erschien an der Balustrade, ein wenig wankend.

„Das Ruder ist im Eimer!“ brüllte er. „Wir müssen irgendwo aufgelaufen sein! Es hat mir den Kolderstock glatt aus den Fäusten gerissen!“

Carberry hörte über sich das Knattern der Segel und bemerkte, wie die „Mercure“ aus dem Ruder lief.

„Geit die Segel auf, Leute!“ schrie er. „Ferris, laß einen Treibanker auswerfen!“

Auf dem Achterdeck wurden wieder Stimmen laut. Carberry hörte den Steuermann Duval mit seinem Kapitän sprechen. Es dauerte eine Weile, dann gab Pierre Delamotte den Befehl, einen Treibanker auszuwerfen und die Segel aufzugeien.

Carberry lief zum Aufgang hinüber und war mit ein paar Sprüngen auf dem Achterdeck. Er grinste, als er das verwunderte Gesicht des Kapitäns sah, der nicht begreifen konnte, wie es möglich war, daß seine Befehle so schnell ausgeführt wurden.

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