Kitabı oku: «Seewölfe Paket 14», sayfa 5

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„Jan!“ schrie Reuter. „Hilf ihm! Um Himmels willen, laß die Haie nicht an ihn ran, sonst sind wir alle geliefert!“

Marten hatte den Peekhaken jetzt aufgefischt. Er drehte ihn in der Hand um und zielte mit der eisernen Spitze auf den Hai, der Finnegan am nächsten war. Der Mörderrachen öffnete sich weit, die nadelspitzen Zähne drohten nach Finnegans Beinen zu schnappen. Finnegan behielt bis zum letzten Moment die Nerven und trachtete, die Planke zu erreichen, doch Jan Marten sah sehr deutlich, daß er sich dennoch nicht mehr würde verteidigen können, wenn nicht sofort etwas geschah.

Und wenn er, Marten, seinem Landsmann Reuter nun nicht gehorchte – was war dann? Rogers würde Reuter und Pravemann von der Plattform stoßen. Finnegan würde von den Haien zerrissen werden. Er, Marten, würde den Kampf mit Rogers aufnehmen und im Vorteil sein, weil er den Bootshaken hatte. Oder? Aber was war, wenn ihn Rogers gar nicht erst auf den Mars zurückkehren ließ? Er konnte seine Position da oben durchaus verteidigen, es würde ihm nicht schwerfallen. Er konnte seinen Gegner in den Wanten zum Wahnsinn treiben, bis dieser – ohne Wasser, ohne Nahrung – derart geschwächt war, daß er von selbst in die See kippte.

All dies ging Marten im Bruchteil eines Augenblicks durch den Kopf, und so beschloß er, doch lieber Reuters Aufforderung zu befolgen. So groß war der Kameradschaftsgeist in ihm nicht, daß er sein Leben für die beiden Kumpane geopfert hätte, doch was kostete es ihn schon, nach den Haien zu stechen?

Er rammte dem Hai, der hinter Jack Finnegan war, die Spitze des Hakens geradewegs in den geöffneten Rachen. Das Tier bäumte sich auf. Marten stieß einen grimmigen Laut der Genugtuung aus und verstärkte den Druck seiner Waffe. Noch nie hatte er einen Hai, dazu noch einen so großen, an einer Pike zappeln gehabt, es war ein überwältigendes Erlebnis, faszinierend und schaurig zugleich.

Wieder bäumte der Hai sich auf und schlug mit der Schwanzflosse, daß das Wasser aufspritzte. Der Haken hatte sich in seinem Rachen verfangen, und jetzt zerrte das Tier so wild, daß Jan Marten seinen Halt in den Webeleinen verlor und zu Finnegan ins Wasser stürzte.

Finnegan hatte die Planke erreicht, riß sie an sich, drehte sich im Wasser um und wollte nach dem Hai schlagen, mit dem Marten im Kampf lag, doch der Holländer befand sich zwischen ihm und dem Todfeind, so daß er riskierte, den Mann statt des Raubfisches zu treffen.

Zwei andere Haie nahten.

Finnegan hatte keine Chance, sich allein mit der Marsverstrebung gegen sie zu verteidigen. In drohender Todesnot schwamm er zu den Wanten und kletterte hoch. Dann beugte er sich wieder zu Marten und dem ersten Hai hinunter und schlug dem Tier mit der Planke auf die Schnauze. Was er dabei jedoch sah, ließ ihm den Atem stocken.

Jan Marten versuchte, den Peekhaken an sich zu reißen, doch es war ein aussichtsloses Unterfangen. Der Hai klappte seine Kiefer zu. Der Biß war so kräftig, daß der Stiel des Hakens zerbrach. Dann stürzte sich das Tier ungeachtet der Hiebe, die Finnegan ihm verpaßte, auf den Holländer. Marten schlug wild um sich, doch er hatte keine Chance. Der Hai begrub ihn unter sich und verbiß sich in ihn.

Jack Finnegan hatte schon viel Grausames gesehen, doch jetzt schwanden ihm fast die Sinne. Alles spielte sich in größter Deutlichkeit vor seinen Augen ab, und Martens gräßliche Schreie jagten ihm einen kalten Schauer nach dem anderen über den Rücken. Er konnte nichts mehr für Marten tun.

Marten wurde zerfetzt, das Wasser färbte sich rot. Im Nu hatten sich alle Haie an der Unglücksstelle versammelt, zwölf oder noch mehr zählte Jack Finnegan. Sie balgten sich um das Opfer.

Jetzt ging auf der Marsplattform das Grauen um. Piet Reuter schüttelte die Faust gegen die Haie und stieß die übelsten Flüche aus. Dann, als Finnegan langsam in den Webeleinen aufenterte, begann er, diesen zu beschimpfen.

„Du bist ein Mörder, Finnegan!“ schrie er. „Deinetwegen hat es den armen Jan erwischt! Das wirst du noch schwer bereuen! Bezahlen wirst du dafür, das schwöre ich dir!“

„Nimm das zurück“, sagte Paddy Rogers drohend.

Finnegan kroch auf die Plattform zurück und hob in einer abwehrenden Geste die Hand. „Laß ihn, Paddy. Ich kann seine Reaktion verstehen.“ Er gesellte sich zu seinem Freund, und sie standen den beiden Holländern schweigend gegenüber. Kalter Haß glänzte in Reuters und Pravemanns Augen. Paddy Rogers hatte die Hände zu Fäusten geballt, daß das Weiße an den Knöcheln hervortrat. Auch er war kurz davor, überzukochen.

Finnegan jedoch versuchte, gelassen zu bleiben. Dabei bereitete er sich in seinem Inneren selbst die schwersten Vorwürfe. Du hättest den verdammten Haken allein herausfischen sollen, sagte er sich, ohne Marten. Sicher, er hat seinen Tod durch seine eigene Ungeschicklichkeit herbeigeführt, doch er könnte noch leben, wenn du klüger vorgegangen wärst.

Er hütete sich jedoch, dies laut zu äußern, denn seine Selbstbeschuldigungen wären nur Wasser auf Reuters Mühlen gewesen.

8.

Am 23. Mai erreichten die Seewölfe mit ihren beiden Booten und den beiden Kamelen nun endlich den Delta-Arm des Nils, der zum Mensaleh-See floß.

Hasard ließ eine Pause einlegen und sagte: „Wir können jetzt auf die Tiere verzichten, da wir die Schubkraft des Stromes haben, die uns weiterbringt.“

„Na, das ist ja großartig“, sagte Dan O’Flynn und kletterte aus dem Sattel des Kamels, das vorher von Luke Morgan geritten worden war. Batuti, der zu diesem Zeitpunkt das zweite Tier führte, folgte seinem Beispiel. Beide lösten sie die Schlepptaue, dann gaben sie den Vierbeinern noch einen freundschaftlichen Klaps auf die Hinterhand und entließen sie in die Wüste.

„Jetzt kann sich Freund John endlich um seine Else kümmern!“ rief Luke vom Boot aus, und die anderen begannen zu lachen.

Dan und Batuti stiegen in Hasards Jolle. Die Segel wurden wieder gesetzt, und es ging nordostwärts bei einer leichten Brise, die von Norden wehte.

Bald veränderte sich das Bild der Landschaft. Sie segelten durch Schilf- und Papyrusdickichte, und aus der leicht dampfenden Feuchtigkeit der Sümpfe stiegen lärmend Enten, Pelikane, Reiher, Gänse, Schwäne und jede Menge kleinerer Wasservögel auf – Teichhühner, Uferschnepfen, Rohrdommeln und was es sonst noch alles gab.

„Hier ist Leben“, sagte Old O’Flynn zufrieden. „Und hier lacht das Herz des Jägers. Wie wäre es, wenn wir unseren Proviant ein wenig auffrischen würden?“

„Lieber nicht“, sagte Ben Brighton und wies auf das längliche Etwas, das unweit von der Jolle an Backbord vorbeitrieb. Auf den ersten Blick hätte man es wohl für einen morschen, halb verfaulten Baumstamm halten können, doch das war die übliche Täuschung, der man immer wieder erlag.

In Wirklichkeit handelte es sich um ein ausgewachsenes Krokodil, das plötzlich zu beängstigenden Aktivitäten erwachte. Es riß sein Maul auf und zeigte die furchteinflößenden Zähne, schlug mit dem Schwanz, daß das Wasser nur so spritzte, und verschwand dann plötzlich unter der Oberfläche.

„Aufpassen!“ rief Hasard. „Vielleicht greift der Bursche uns an!“

Schon hatten die Männer ihre Musketen und Tromblons bereit und warteten mit entschlossenen Mienen auf die Großechse, die offenbar unter den Booten hindurchtauchte.

Das war auch tatsächlich der Fall, doch das Krokodil traf keinerlei Anstalten, allen Ernstes auf die Jollen und ihre Insassen loszugehen. Es tauchte in einiger Entfernung wieder auf und schwamm träge davon.

Aus dem Ufergestrüpp schoben sich jedoch immer neue Körper ins Wasser und umlauerten die Boote – häßliche Schuppenleiber mit platten Köpfen und heimtückisch funkelnden Augen. Old O’Flynn sah zu einem der Krokodile hinüber. Es war ihm so, als grinse dieses ihn an.

„Warte nur“, sagte er mit gallebitterer Miene. „Schwimm noch ein Stück näher ran, dann kriegst du von mir eins auf den Pelz gebraten.“ Er hatte seine Muskete inzwischen mit grobem Schrot geladen.

Arwenack ging vorsichtshalber bei Batuti und Dan O’Flynn in Sicherheit. Die Krokodile waren seine natürlichen Feinde. Sir John war da frecher: Er kreiste unablässig über den Biestern und beschimpfte sie mit den übelsten Ausdrücken.

Hasard und seine Männer behielten die Krokodile im Auge, denn die Tiere waren unberechenbar und konnten irgendwann vielleicht doch angreifen.

Noch eine andere Gefahr gab es auf diesem Seitenarm des Nils, wenn sie auch ganz anderer Natur war: Sehr leicht konnte man sich verirren und in einen der vielen winzigen Nebenflüsse oder Nebenarme geraten, die alle plötzlich irgendwo zu Ende waren und keinen Ausgang hatten – wie Sackgassen im düsteren Viertel irgendeines Hafens.

Das Schilf versperrte ihnen den Ausblick, es war nicht leicht, sich zu orientieren. Man konnte im Papyrus steckenbleiben, überall waren Untiefen, und in dieser Region war es nun nicht mehr so problemlos wie im Kanal der Pharaonen, ins Wasser zu steigen und die Jollen wieder flottzukriegen. Hier lauerten außer den Krokodilen Blutegel, Zitteraale, giftige Rochen und andere Plagegeister, von den durch winzige Erreger übertragenen Krankheiten ganz zu schweigen. Das Schreckgespenst Sumpffieber zog am Himmel auf und war den Männern stets gegenwärtig.

Nein, ein Genuß war auch dieser Teil der Fahrt nicht, ganz im Gegenteil. Schon bald erschienen die Stechmücken, wie erwartet, sie traten in säulenförmigen Wolken auf, die über den Sümpfen tanzten und sich unaufhaltsam den Booten näherten. Der Geruch des schwarzen Morastes stieg den Männern und den beiden Jungen unangenehm in die Nase, es war schwül und stickig. Der Schweiß trat ihnen aus allen Poren, und bald waren ihre Gesichter und Oberkörper von Stichen übersät.

„Kratzt euch bloß nicht“, sagte der Kutscher. „Dadurch verschlimmert ihr es nur noch.“

„Du Schlauberger“, sagte Carberry wütend. „Glaubst du denn, das wissen wir nicht?“

„Whisky oder Brandy wären das richtige zum Einreiben“, meinte Blacky.

„Ja“, sagte der Seewolf und grinste schwach. „Das könnte dir so passen, wie? Kutscher, achte mir bloß auf unsere Vorräte.“

So verging auch dieser Tag. In der Nacht ankerten sie im Fluß, und jeweils zwei Wachen lösten sich im vierstündigen Turnus in den Booten ab. Am nächsten Tag wurden wieder die Segel gesetzt, die Fahrt ging weiter.

Nur langsam verstrichen die Stunden, und auch jetzt gab es keine Ruhe vor den Störenfrieden und Plagegeistern der Sümpfe. Einmal gerieten sie in einen der Nebenarme und verzettelten sich fast völlig, aber Hasard behielt die Ruhe und Übersicht und ließ gerade noch rechtzeitig wieder umkehren.

Wieder eine Nacht, und dann folgte ein neuer Tag. An diesem Vormittag passierten sie eine kleine Siedlung, die am westlichen Ufer des Flusses lag und halb verfallen wirkte. Ein paar Gestalten krochen aus den Hütten hervor, traten ans Ufer und schickten finstere und feindliche Blicke zu den Booten hinüber.

„Was sind das für Kerle?“ fragte Ferris Tucker. „Fellachen? Wo bestellen die denn hier ihr Land? Im Moor vielleicht?“

„Das weiß ich nicht“, erwiderte der Seewolf. „Ich habe aber den leisen Verdacht, daß es sich bei diesem Dorf um Bubastis handelt.“

„Bubastis?“ Jetzt wurde Old Donegal Daniel O’Flynn aufmerksam. Er richtete sich hoch auf seiner Ducht auf. „Hölle und Teufel, über dieses Nest gibt es die wildesten Legenden. Da ist nichts geheuer, da soll es Nachtmahre und blutsaugende Ungeheuer geben.“

„Schon gut“, sagte Hasard. „Diese Geschichten sind uns ja hinlänglich bekannt. Ich habe auch nicht vor, hier anzulegen. Proviant haben wir noch genug, Trinkwasser auch, stimmt’s, Kutscher?“

„Stimmt genau“, antwortete sein Koch und Feldscher. „Damit schaffen wir es noch spielend bis zum See und nach Damiette.“

„Dann also weiter“, sagte Hasard, versäumte aber nicht, noch einen prüfenden Blick zur Siedlung zu werfen.

Dort hatten sich etwa zwanzig Männer an den primitiven Bootsstegen versammelt, die ins Wasser ragten. Ein paar schalenförmige Fahrzeuge lagen im Fluß, ihre Masten bewegten sich leicht hin und her.

„Da wird zum Aufbruch gerüstet, wenn mich nicht alles täuscht“, sagte er.

„Sie sollen ruhig anrücken!“ rief Ben Brighton von der Achterducht seines Bootes aus. „Wir bereiten ihnen einen heißen Empfang und reißen ihnen ihre Drachenköpfe ab! Nicht wahr, Donegal?“

„Spotte du man“, brummte der Alte. „Du wirst dich noch wundern, mein Lieber.“

Alle dunklen Voraussagen schienen sich zu bewahrheiten. Schon bald, nur wenige Flußbiegungen später, meldete Dan O’Flynn das Auftauchen von Booten. Die Männer wandten sich um und gewahrten nun die Fahrzeuge, die sie schon vor Bubastis beobachtet hatten: Kähne mit kurzen Pfahlmasten und riesigen Dreieckssegeln an überlangen Rahruten. Sie verfolgten die Jollen der „Isabella“ und waren dank ihrer ausgefallenen Takelung natürlich schneller. Rasch holten sie auf. Es waren fünf. Die Männer, die darin saßen, waren mit Pfeil und Bogen, Speeren und Messern ausgerüstet.

Hasard fackelte nicht lange, er stand in seinem Boot auf und rief seinen Männern zu: „Klar bei Musketen! Legt an auf diese Hundesöhne, wir begrüßen sie, ehe sie ihre Pfeile abfeuern können!“

„Aye, Sir“, sagten die Männer, und dann gingen sie auch schon hinter Dollbord und Duchten in Deckung und zielten auf den heranrauschenden Feind. Auch hier – wie bei den Beduinen – brauchte nicht erst lange herumgerätselt zu werden, ob man etwa einem Irrtum erlag und Freund mit Feind verwechselte: Die Kerle in den Verfolgerbooten stimmten ein derartiges Gebrüll an, daß Zweifel über ihre Absichten nicht offenblieben.

„Zielpunkt Wasserlinie!“ schrie Hasard. „Feuer frei!“

Die Musketen krachten, die Eingeborenen in den Booten antworteten mit einem wahren Teufelsgeheul.

„Zielt auch auf die vordere Verstagung ihrer Rahruten!“ rief der Seewolf.

Dann legte er selbst mit seiner Muskete an und sandte eine Kugel zu den Verfolgern hinüber.

Zweiundzwanzig Musketen, ein Hagel von Geschossen flog zu den fünf Booten. Mehrere der finsteren Gestalten brachen zusammen. In Hasards Jolle luden die Zwillinge, bei Ben Brighton, Bill und Will Thorne die Musketen nach, und schon wenige Augenblicke später waren die Seewölfe wieder zum Feuern bereit.

Ferris schwang eine seiner Höllenflaschen, doch dann gelang Dan O’Flynn ein solcher Meisterschuß, daß der Einsatz der Bombe schon gar nicht mehr erforderlich war.

Bei den gegnerischen Booten war die vordere Verstagung der Rahruten in der Bugspitze verankert. Dan hatte genau dieses kurze Stück Tau bei dem vordersten Verfolger anvisiert und nun auch getroffen – er hatte eben doch die besten Augen von allen Männern der „Isabella“.

Die Rute und das Segel schlugen zur Seite, das Boot trieb quer. Das nachfolgende prallte mit dem Bug gegen den Rumpf des ersten, die Kollision war perfekt, beide Fahrzeuge waren rettungslos ineinander verhakt. Das erste schlug quer, das zweite ging plötzlich ebenfalls auf Tiefe. Es schien ein Leck zu haben. Sie sanken beide, und ihre Besatzungen stießen schrille Laute der Verzweiflung aus.

Dazu bestand wahrhaftig aller Grund. Schon schoben sich an beiden Ufern des Flusses die Krokodile ins Wasser und schwammen auf die Verunglückten zu.

Das dritte Boot, von den Musketenschüssen ebenfalls leck geschossen, begann ebenfalls zu sinken, und das Geschrei der Eingeborenen nahm unglaubliche Ausmaße an. Gestalten sprangen ins Wasser und versuchten, sich so schnell wie möglich in die Nähe der beiden anderen Boote zu bringen. Plötzlich wurde das Wasser von vielen wild rudernden Armen und Beinen aufgewühlt.

Die Mannschaften der beiden letzten Boote hatten alle Hände voll zu tun, um die Schiffbrüchigen zu übernehmen, und konnten sich um die „verfluchten Giaurs“ nicht mehr kümmern – zumal die Krokodile inzwischen beängstigend nah heran waren.

Auf dem sonst so still und friedlich dahinfließenden Nilarm herrschte plötzlich hektischer Zustand. Die von den Schüssen aufgescheuchten Wasservögel lamentierten und zeterten zusammen mit den abgeschlagenen Verfolgern, und irgendwo flatterte auch aufgeregt Sir John und trachtete, wieder Anschluß zu den Jollen der „Isabella“ zu kriegen, ehe diese hinter der nächsten Biegung des Flusses verschwanden.

Hasard hatte das Feuer einstellen lassen.

„Fragt sich nur, ob die Kerle jetzt wirklich die Nase vollhaben, oder ob sie später noch einmal versuchen, uns zu überrumpeln“, sagte er zu Ben Brighton, dessen Boot jetzt sehr dicht neben dem seinen dahinglitt.

„Du meinst, wir müssen heute nacht die Augen offenhalten?“

„Ja. Wir werden auf jeden Fall doppelte Ankerwachen einteilen“, sagte der Seewolf.

9.

In dieser Nacht ankerten sie in einem der toten Nilarme. Seinen Zugang hatten sie am späten Nachmittag nur durch Zufall entdeckt. Er war sehr schmal und hinter Schilf versteckt.

Carberry, Dan O’Flynn, Blacky, Ferris Tucker, Al Conroy und Bill übernahmen auf Hasards Anweisung hin die erste Ankerwache, die bis Mitternacht dauern sollte. Mit schußbereiten Waffen kauerten sie in den Booten, während die Kameraden schliefen, und behielten durch den Schilfvorhang hindurch den eigentlichen Fluß unausgesetzt im Auge.

Lange brauchten sie nicht zu warten, bis sich tatsächlich etwas ereignete. Um kurz vor zehn Uhr – das Stundenglas verriet ihnen die genaue Zeit – segelten sechs Boote an dem toten Arm vorbei.

„Das sind die Kerle, ich schwör’s“, zischte Dan O’Flynn. „Seht ihr, wie stark die Kähne bemannt sind? Die haben Verstärkung geholt und wollen es uns elenden Christenhunden jetzt mal richtig zeigen.“

„Wenn du weiter so herumtönst, haben wir sie gleich am Hals“, raunte der Profos.

Sie schwiegen und beobachteten die Boote. Ja, ihrem aufgebrachten Gebaren nach suchten die Männer dort draußen wirklich die Auseinandersetzung mit den „Giaurs“, und so mancher arabische Fluch wehte zu den Seewölfen herüber.

Doch vorerst entdeckten sie den Gegner nicht. Sie segelten an dem Zugang vorbei und verschwanden. Bald hatte die Nacht die Umrisse ihrer Boote verschluckt.

Carberry hielt es für richtig, die Sache dem Seewolf zu melden, also balancierte er durch das leicht schwankende Boot zu ihm hinüber und berührte ihn an der Schulter.

Hasard war sofort wach.

„Eigentlich sollten wir froh sein, daß sie uns nicht entdeckt haben“, sagte er leise. „Aber ich bin der Ansicht, daß wir auch jetzt nicht unvorsichtig sein dürfen.“

„Ganz meine Meinung, Sir“, brummte Carberry.

„Sie werden uns eine Falle stellen, sobald sie sich davon überzeugt haben, daß wir nicht mehr vor, sondern hinter ihnen sind. Weiter flußabwärts suchen sie sich eine geeignete Stelle für ihr Vorhaben aus, und wir müssen auf eine unangenehme Überraschung gefaßt sein.“

„Ja“, sagte Ferris Tucker, der sich inzwischen zu ihnen gesellt hatte. „Diese verbohrten Muselmanen lassen also nicht locker. Wie wäre es, wenn wir ihnen ein Schnippchen schlagen? Was hältst du davon, Sir?“

„Eine ganze Menge. Ich schätze, sie bauen eine Matten-Barriere quer über den Fluß oder sonst irgendein Hindernis, um uns den Weg zum See zu versperren.“

„Der Teufel soll sie holen“, sagte der Profos ärgerlich. „Wir müssen ihnen zuvorkommen.“

„Wie?“ fragte Ferris.

Der Seewolf lächelte plötzlich.

„Hört mal her“, sagte er. „Ich halte es für richtig, den Kerlen sofort, aber unter Einhaltung aller Vorsichtsmaßnahmen zu folgen – damit wir rechtzeitig am Mann sind, falls sie den Fluß wirklich blockieren.“

„Allgemeines Wecken also?“ fragte Carberry. „Alle Mann auf Manöverstation?“

„Ja, Ed.“

Carberry begann sofort, die Schlafenden in Boot eins wachzurütteln, Ferris Tucker kehrte in Boot zwei zurück, das unmittelbar neben dem anderen lag, und gab erst Ben Brighton und dann den anderen Kameraden Bescheid.

So war binnen kurzer Zeit wieder alles wach, und auch Arwenack krabbelte zwischen den Beinen der Männer herum. Den Papagei allerdings griff sich Carberry rechtzeitig, ehe er davonfliegen und den Gegner womöglich auf sie hinweisen konnte.

Er stopfte ihn sich ins Hemd, das er während der Nacht trug, knöpfte es bis zum Hals hinauf zu und sagte drohend: „Laß dich bloß nicht mehr sehen, Freundchen, sonst rupf ich dir die Federn einzeln aus deinem verdammten Papageienarsch.“

Die Anker wurden gelichtet und vorn im Bugraum verstaut, dann setzten die Männer die Segel, und langsam schoben sich die Jollen aus ihrem Versteck auf den Fluß hinaus. Bald erfaßte sie die Strömung und verlieh ihnen schnellere Fahrt. Weiter ging es nach Norden, dem ungewissen Schicksal entgegen.

Etwa zwei Stunden später zahlte sich Hasards Voraussicht aus. Dan O’Flynn entdeckte die Gruppe der sechs Boote voraus. Hasard ließ dicht unter Land gehen und hielt angestrengt Ausschau. Bald erkannte er, daß er mit seinen Vermutungen recht gehabt hatte: Die Eingeborenen waren tatsächlich dabei, den Nilarm, der an dieser Stelle ungefähr eine Breite von knapp fünfundzwanzig Yards hatte, mittels armdikker Flechttrossen abzuriegeln und diese Trossen wiederum durch senkrecht hindurchgesteckte Schilfrohre zu verstärken. Interessiert verfolgten die Männer der „Isabella“ die Bemühungen der Kerle, und Will Thorne nickte sogar anerkennend.

„Schlecht machen sie das nicht, das muß man ihnen lassen“, flüsterte er.

„Ja“, sagte Ben Brighton gedämpft. „Eigentlich tut es einem richtig leid, sie dabei stören zu müssen, was?“

„Noch ist in der Mitte eine Lücke frei“, zischte Dan O’Flynn. „Noch können wir hindurch.“

„Die Trossen sind dort aber auch schon gespannt“, gab Shane leise zu bedenken.

„Die sollen für uns kein Hindernis sein“, raunte der Seewolf, und in seinen eisblauen Augen tanzten jetzt wieder einmal die bekannten tausend Teufel. „Die Kerle da sind so schwer beschäftigt, daß sie nicht darauf achten, was sich hinter ihnen tut. Das ist ihr entscheidender Fehler.“

„Was befiehlst du also?“ wollte Ben Brighton wissen.

„Ich bin für den sofortigen Durchbruch mit Flaschenbomben. Wie viele haben wir noch?“

„Sechs Stück“, erwiderte Ferris Tucker.

„Drei für jedes Boot“, sagte Hasard. „Also los, laßt uns keine Zeit verlieren. Bereitet alles vor.“

Der Gegner ahnte zu diesem Zeitpunkt nichts von der Anwesenheit der „verfluchten Giaurs“, und es bemerkte auch keiner von den an der Barriere arbeitenden Männern, wie flußaufwärts schwaches Feuer aufglomm. Die Glut in den Kupferbekken der beiden Jollen verbreitete wieder ihr rötliches Licht, doch das sahen die Kerle erst, als der Feind bedrohlich nah an der Falle war.

Völlig überraschend erfolgte der Angriff der Seewölfe, und im Nu war der Teufel los.

Als die Jollen nur noch dreißig Yards von der Barriere entfernt waren, holte Ferris zum ersten Wurf aus. Hoch schwang er die Flasche mit der explosiven Ladung – Pulver, Blei, Glas und Blei – über seinem Kopf, nahm so genau wie möglich Maß und schleuderte sie auf die Öffnung des gegnerischen Machwerks zu.

Jetzt ruckten drüben, in den sechs Einmastern, die Köpfe der Kerle herum, und es wurden Alarmrufe ausgestoßen, aber es war schon zu spät. Torkelnd segelte die Höllenflasche durch die Luft, ging mitten in der Lücke nieder und versank im Wasser.

Hasard warf die zweite Flasche, so war es vereinbart. Sein Wurf stand dem von Ferris in nichts nach, wieder landete die Flasche mit einem Klatscher in den Fluten – und genau in diesem Augenblick detonierte die erste.

Der Wasserspiegel wölbte sich nach oben wie bei einem Seebeben, zwei Boote des Feindes wurden sofort umgeworfen, und die Schreie der entsetzten Männer gellten durch die Nacht. Die Explosion riß das Wasser auseinander und ließ Fontänen aufsteigen, die Trossen-Barriere erzitterte wie unter den Hieben eines Giganten. Dann ging auch die zweite Flasche hoch, und wieder geriet das Wasser in Wallung.

In panischem Schrecken versuchten die Kerle, sich mit den Booten aus der unmittelbaren Gefahrenzone zu entfernen. Aber jetzt stand Ben Brighton in seinem Boot auf und schleuderte die dritte Flasche. Sie hatte eine kürzere Lunte als die ersten beiden und explodierte noch in der Luft, mitten zwischen den Widersachern. Ihr Feuerball drückte die Dunkelheit zu den Ufern fort, hinein in das Dickicht aus Schilf und Papyrus, während der Fluß selbst von zuckendem rotem Licht erfüllt war.

Die Jollen glitten auf die Bresche in der Barriere zu. Hasard konnte erkennen, daß die Trossen jetzt zerfetzt waren. Big Old Shane hatte die Lunte der vierten Höllenflasche zum Glimmen gebracht, nahm in aller Ruhe Maß und stieß noch einen saftigen Fluch aus, dann wirbelte auch diese Bombe zu den Gegnern hinüber und landete in einem ihrer Boote.

Einer der Männer in dem Boot bückte sich nach der Flasche und wollte sie ins Wasser werfen, doch auch sein Handeln erfolgte zu spät. Mit einem Donnerhall zersprang sie ihm in der Hand, das Krachen und Bersten vermischte sich mit den Todesschreien der Araber, Menschen und Trümmer flogen in hohem Bogen durch die Luft.

Unaufhaltsam schoben sich die Jollen weiter voran. Hasard gab seinen Männern einen Wink, und sie eröffneten das Musketenfeuer.

Die Waffen wummerten, ihre Kolben stießen gegen die Schultern der Männer. Mündungsblitze zerschnitten den wieder fallenden Vorhang der Nacht, weißlicher Pulverqualm stieg über dem Fluß auf. Im Stakkato krachten die Schüsse, und wieder fanden sie – wie am Tag – ihr Ziel in den Bordwänden der Boote.

Auf diese Weise wurden noch zwei Boote versenkt, und die Insassen des sechsten und letzten Einmasters dachten nicht mehr daran, Widerstand zu leisten. Sie entfernten sich zum westlichen Ufer, verfolgt von ihren Kameraden, die in höchster Todesangst schrien und danach verlangten, aus dem Wasser gezogen zu werden. Auch in der Nacht waren die Krokodile aktiv, und in der Dunkelheit konnte man sie nicht einmal heranschwimmen sehen.

Die Waffen der Seewölfe schwiegen. Hasard warf noch einen Blick in die Runde, ehe sie die Lücke passierten. Kein Gegner war mehr zu sehen. Im Wasser trieben die gekenterten Boote und die Trümmer des zerfetzten Fahrzeugs, von den gesunkenen Einmastern war schon nichts mehr zu erkennen.

Die Überraschung war perfekt, der Durchbruch gelungen. Hasard setzte sich wieder auf seine Ducht und wandte sich zu den Männern um.

„Wir haben es wieder mal geschafft“, sagte er. „Ich hoffe, daß uns jetzt niemand mehr in die Quere gerät.“

„Das hoffe ich auch“, ließ sich Ben Brighton von Boot zwei aus vernehmen. „Es hat schon zu viele Tote gegeben, und unsere Munition geht bald zur Neige.“

Sie freuten sich nicht über diesen Sieg. Still setzten sie ihre Fahrt den Fluß hinunter fort, die ganze Nacht hindurch. Ägypten hatte ihnen mehr Kummer beschert als Glück, ihre Erinnerung würde stets einen gallebitteren Beigeschmack haben. Über dem Land der Pharaonen lag der Fluch des Scheitans, und die größte Schmach, die man ihnen hatte zufügen können, war der Verlust der „Isabella VIII.“, die wahrscheinlich inzwischen längst ganz vom Sand zugedeckt war. Daran würden sie in ihrem Geist noch lange hart zu kauen haben, nichts konnte ihnen darüber hinweghelfen.

Die weitere Reise zum Mensaleh-See und nach Damiette verlief reibungslos. Am 29. Mai 1592 erreichten die beiden Boote ihren Zielhafen und vertäuten an einer abgelegenen Pier.

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