Kitabı oku: «Seewölfe Paket 16», sayfa 10
Der Stör sprang mit seinem ausgestopften Namensvetter auf den Lieutenant zu und hieb ihm das Ding einfach quer über den Kopf, ehe der Mann auch nur abwehrend die Hände heben konnte. Es staubte ganz gewaltig, eine richtige kleine Wolke umgab den Lieutenant.
„Galgenstricke!“ brüllte er. „Mörder! Ihr endet alle am Galgen!“
Nun begann der Stunk erst richtig. Die Soldaten marschierten vor und griffen an, Hasard und die Männer der „Isabella“ und des Schwarzen Seglers leisteten massiven Widerstand. Hasard rammte dem Lieutenant sogleich die Faust unters Kinn, als dieser ihn greifen wollte, und der Mann gab vorerst das Schreien auf und sank zusammen.
Thorfin, Jean Ribault, Carberry, Shane, Ferris und der Boston-Mann gingen auf die Soldaten los, es wurde geboxt, geflucht und getreten, und im Nu war die schönste Keilerei im Gang.
Plymson war hinter der Theke in Deckung gegangen und versuchte, seinen Kummer im Alkohol zu ersäufen. Er hatte sich gerade großzügig einen Humpen mit Wein vollgeschenkt – selbstverständlich von dem guten, ungepanschten –, da rollte etwas über die Theke und landete direkt zu seinen Füßen. Ein Arm fiel schlaff auf seinen Humpen, der Humpen entglitt seiner Hand, und der schöne Rotwein ergoß sich auf das Gesicht des Störenfriedes, den Plymson als einen ohnmächtigen Soldaten identifizierte, auf dessen Kopf eine hübsche Beule heranwuchs.
„Schrubbt das Deck!“ brüllte Carberry der „Isabella“-Crew zu. „Klart auf, Leute! Weg mit diesen Kakerlaken und Bilgenläusen! Ich will hier keinen dieser Kerle mehr sehen, kapiert?“
„Aye, Sir!“ schrien die Männer zurück und gingen wieder mit den blanken Fäusten auf die Garde los.
Einer der Soldaten versuchte, die Flucht zu ergreifen, um noch mehr Verstärkung zu holen, doch als er glücklich bei der Tür angelangt war, wuchs urplötzlich die mächtige Gestalt Batutis neben ihm auf.
„Wohin denn so eilig, Mister?“ erkundigte sich der schwarze Herkules interessiert.
Der Soldat schluckte und hustete verlegen, dann erwiderte er: „Oh, nur ein bißchen frische Luft schnappen. Das ist doch nicht verboten, oder?“
Batuti entblößte seine weißen, untadelig gewachsenen Zähne. „Natürlich nicht, Mister. Es ist eine kalte Nacht, aber es regnet nicht. Nur ein wenig Nebel verschlechtert die Sicht. Komm, ich zeige dir den Weg.“
„Das ist aber nett“, stammelte der Soldat, dann stolperte er ins Freie, weil Batuti ihm einen Stoß gegen die Schulter gegeben hatte.
Der Gambia-Mann schritt selbst nach draußen, und im nächsten Moment waren ein paar eigentümliche Laute zu vernehmen – ein dumpfes Klatschen, dann ein Scharren, schließlich ein Poltern, gemischt mit einem Stöhnen und einem geseufzten „Ach“. Danach herrschte Stille, zumindest vor der Kneipe. Batuti kehrte ins Innere zurück, staubte sich ein wenig die Hände ab und gesellte sich wieder zu seinen Kameraden, um beim großen Aufklaren tüchtig mitzuhelfen.
Gegen zwei Uhr morgens hatte dann endlich alles seine Ordnung – die Männer der Stadtgarde lagen sauber aufgestapelt neben den Trümmern der „Bloody Mary“. Der Lieutenant hob zwar noch einmal den Kopf und blinzelte in die Runde, aber das war auch alles, was er für seine Männer tun konnte, denn er sank gleich wieder in sich zusammen.
„So“, sagte der Profos und schüttelte dem Wikinger grinsend die Hand. „Das hätten wir. Damit wäre der Tradition mal wieder Genüge getan. Aber wir gehen am besten gleich in See. Was, wie, Sir?“
„Sehr richtig.“ Der Seewolf schritt zur Theke und beugte sich ein Stück darüber. „Plymmie, wo steckst du denn? Kommst du freiwillig raus, oder müssen wir dich holen?“
Nathaniel Plymson, dem es nun doch gelungen war, sich insgesamt eine Gallone Rotwein einzuverleiben, kroch unter der Theke hervor, richtete sich langsam auf und sah den Seewolf aus geröteten, traurigen Augen an.
„Mußte das sein?“ fragte er weinerlich.
Er wagte erst gar nicht, seinen Blick wandern zu lassen. Die Kneipe glich einem Schlachtfeld, auf dem sich zweihundert Mann gebalgt hatten.
„Es mußte sein“, antwortete Hasard ernst, dann ließ er eine Perle über die Theke rollen, die er wie die Goldstücke, die er nun fein säuberlich aneinanderreihte, aus einem Lederbeutel fischte. „Das ist für die Renovierung, wie üblich.“
„Danke.“ Plymson seufzte. „So will es die Tradition, nicht wahr?“
„Ja.“ Hasard sah ihn über die Theke hinweg an und stellte amüsiert fest, daß sein Gesichtsausdruck sich jetzt verändert hatte. Gierig streckte der dicke Kerl seine fleischigen Finger nach der Perle und dem Gold aus. „Du kannst jetzt schließen, Plymmie“, sagte er noch, dann wandte er sich ab und winkte seinen Männern zu.
Es war tatsächlich besser, Plymouth sofort den Rücken zu kehren, die Schlägerei war im Ort nicht ungehört geblieben. Also begaben sich die Männer an Bord ihrer Schiffe und warfen die Leinen los. Auch Thorfin Njal legte mit „Eiliger Drache über den Wassern“ ab.
Wie richtig ihr Handeln war, konnten die Männer nur ahnen. Denn sie sahen die gut vierzig Soldaten der Stadtgarde nicht mehr, die kurz darauf am Kai zusammenliefen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Schiffe bereits die Reede erreicht, und Plymouth blieb in der Dunkelheit hinter ihnen zurück.
Die vierzig Männer der Garde konnten gerade noch die prächtigen, majestätischen Silhouetten der Galeone und des Viermasters bewundern, die sich im Mondschein auf einer sanften Dünung wiegten, dann legten sich die Schleier des Nebels über die Umrisse, und die „Isabella IX.“ und der Schwarze Segler waren verschwunden.
6.
Mit trübem Grau kroch der neue Tag von Osten heran. Frieda Groot-Jehan verfolgte das Hellerwerden vom Fenster ihres Zimmers aus. Sie war erst vor einer halben Stunde heimgekehrt und hatte sofort das Feuer im Kamin angeheizt und in dem Kupferkessel, der darüber hing, Wasser gekocht.
Sie goß Wasser in einen Zinkbecher, tat einen ordentlichen Schuß Korn hinzu, setzte sich dann wieder an ihr Fenster und beobachtete die Männer, die vom Strand heraufstiegen und die letzten Ladungen Holz brachten.
Die „Eendracht“ war nun völlig abgewrackt, nur noch ein paar Spanten ragten als traurige Überreste des Dramas, das sich in der Nacht abgespielt hatte, aus dem Wasser. Bald trat wieder die Flut ein, und bald würde die See auch die letzten Teile zerfallen lassen.
Nach wie vor blies der Wind aus Norden und pfiff über die Häuser von Norderney. Es wird, so dachte Frieda, weitere Schiffe geben, die uns in die Falle laufen.
Sie sah Lüder. Er gab den Männern noch ein paar Anweisungen, und sie kehrten noch einmal zum Ostufer der Insel zurück, wahrscheinlich, um die Boote zu sichern, wie Frieda annahm. Die Ladung der Galeone war zu gerechten Teilen zwischen Norderney und Baltrum aufgeteilt worden, die Jehans hatten alles unter Dach und Fach gebracht.
Lüder strebte auf sein Haus zu. Sie hörte, wie er die Tür öffnete und wieder schloß. Sie grübelte über ihn nach. Die Bemerkungen, die der alte Eberhard von sich gegeben hatte, fielen ihr wieder ein. Sie dachte aber auch an den toten Klusmeier, der immer noch vorn am Tor hing.
Einige Zeit verstrich, und sie wunderte sich darüber, daß Lüder sie nicht aufsuchte. Sie hörte ihn auch nicht im Haus herumgehen. Schon wollte sie aufstehen und nachsehen, wo er war, da sah sie durch das Fenster ihren Schwiegersohn Willem, der im Laufschritt herbeieilte.
Willem gab aufgeregte Zeichen, irgend etwas schien sich ereignet zu haben. War ein neues Schiff aufgetaucht?
Frieda verließ ihr Zimmer und rief: „Lüder?“
Sie erhielt keine Antwort. Sie murmelte etwas Unverständliches, dann ging sie zur Tür und ließ Willem herein. Er lebte mit seiner Frau Grete unter demselben Dach wie Frieda und Lüder. Es war ein großes Haus, in dem sie auch dann alle noch genügend Platz hatten, wenn sich Nachwuchs einstellte.
Schwer atmend blieb Willem vor seiner Schwiegermutter stehen.
„Es gibt Verdruß“, meldete er. „Eben haben wir das Boot von Karl Lütt-Jehan gesichtet. Er kommt rüber. Bestimmt sucht er Streit.“
„Wir bereiten ihm einen gebührenden Empfang“, brummte Frieda. „Ist Eberhard, dieser Hundesohn, auch mit an Bord?“
„Ich glaube schon.“
„Warte, ich hole Lüder.“ Sie drehte sich um und ließ ihn unter dem Türpfosten zurück. Dabei hoffte sie, daß er ihr nicht folgen würde. Tatsächlich blieb er da stehen und rührte sich nicht vom Fleck.
Die dumpfe Ahnung, daß etwas nicht stimmen könnte, hatte Frieda beschlichen, sie spürte Wut in sich aufsteigen. Lüder, zur Hölle, wo steckst du? fragte sie sich im stillen, dann rief sie noch einmal nach ihm. Doch wieder erhielt sie keine Erwiderung.
Sie lief die Stiege zum oberen Stockwerk hinauf, erstaunlich gewandt, erreichte die Tür von Gretes Zimmer und stieß sie auf, ohne anzuklopfen.
Grete hatte sich hingelegt, aber sie schreckte sogleich aus dem leichten Schlummer hoch, in den sie nach ihrer Rückkehr vom Strand verfallen war. Die Bettdecke rutschte ein Stück weg. Frieda sah, daß sie splitternackt war. Grete riß die Augen weit auf und bewegte sich entsetzt. Ihre großen Brüste wackelten hin und her.
„Was ist los?“ rief sie. „Kommen die Lütt-Jehans? Geht es los?“
„Nein“, entgegnete ihre Mutter und blieb am Fußende des Bettes stehen. Sie stemmte die Fäuste in die Seiten und fragte: „War Lüder hier?“
„Bei mir? Wieso das denn?“
„Frag nicht so dämlich. Antworte.“
„Nein, ich habe ihn überhaupt nicht ins Haus gehen sehen.“
„Kannst du dir nicht ein Nachthemd anziehen? Ist dir heiß?“
„Mir ist nicht kalt“, erklärte Grete. Dann zog sie die Bettdecke zu sich heran und raffte sie vor ihren Brüsten zusammen. „Außerdem – warte ich doch auf meinen Willem“
„Das will ich dir auch geraten haben!“ fuhr Frieda sie an.
Gretes Augen weiteten sich noch ein bißchen mehr. „Wie meinst du das?“
Ihre Mutter trat ein Stück näher an sie heran, ihr Kopf senkte sich, sie musterte Frieda kalt und drohend aus schmalen Augen. „Tu nicht so, als ob du nicht bis drei zählen kannst. Du weißt, was ich meine. Wenn ich jemals Lüder bei dir erwische, hau’ ich dir den Hintern voll und schneide dir die Haare ab. Klar?“
„Aber Mutter …“
„Er ist hinter jedem Rock her, den er flattern sieht“, fauchte Frieda. „Paß also auf, du bist gewarnt. In meinem Hause dulde ich keine solchen Sachen.“
Sie eilte hinaus und drehte sich nicht mehr zu ihrer Tochter um, sonst hätte sie vielleicht verfolgen können, wie deren entgeisterte Miene einem Ausdruck der Erleichterung wich.
„Solche Sachen“ – Grete war jetzt überzeugt, daß es höchste Zeit war, auch Lüder zu warnen. Sie hatte insgeheim auf seinen Besuch in ihrem Zimmer gehofft, bevor Willem nach Hause zurückkehrte, doch zu ihrem Glück – das mußte sie sagen – war er nicht erschienen. Friedas Verdacht war geweckt, man mußte Lüder einen entsprechenden Hinweis geben. Doch wo steckte er?
Frieda hatte inzwischen auch einen Blick in Lüders Zimmer geworfen. Es war leer. Wütend kehrte sie nach unten zurück, hastete zum Tor, ohne von Willem gesehen zu werden, und öffnete es. Sie schlüpfte ins Freie, geriet dabei fast mit Klusmeiers Leiche ins Gehege, fluchte leise vor sich hin und lief im blassen Licht des jungen Morgens zu dem Haus der Ostens hinüber.
Diese Herma, dachte sie aufgebracht, das ist doch auch so ein Luder, vielleicht ist er bei der untergekrochen. Sie öffnete die Tür, die nicht verschlossen war, stürmte in den dahinterliegenden Raum – und stand plötzlich Lüder und Herma gegenüber, die sich eilends aus ihrer Umarmung lösten.
Frieda zögerte keinen Augenblick. Sie trat dicht vor Lüder hin und gab ihm eine schallende Ohrfeige.
„Du Dämel!“ fauchte sie ihn an. „Du willst wohl, daß hier auf Norderney auch eine Fehde ausbricht, was?“
„Warte mal, Mutter“, sagte Lüder und rieb sich die brennende Wange. „Du siehst das falsch. Laß mich erklären, was …“
Wieder knallte sie ihm die schmale, knochige Hand ins Gesicht, dann zischte sie: „Raus! Willem hat dir was zu sagen! Die Lütt-Jehans kommen zu uns herüber, vielleicht führen sie was im Schilde. Hau ab und laß dich hier nicht mehr blicken!“
Lüder verließ mit hochrotem Gesicht das Haus, blickte sich nach allen Seiten um und stellte fest, daß er nicht beobachtet worden war. Er lief um das Groot-Jehan-Gebäude herum, stieg durch eins der hinteren Fenster ein und eilte zu Willem, der mit fragender Miene an der Tür auf ihn wartete. Gemeinsam eilten sie zum Strand hinunter, von dort aus liefen ihnen jetzt Onno Osten, Gode, Jan und Uwe entgegen, und Jan schrie: „Sie sind gleich hier, wir müssen was unternehmen!“
Frieda hatte sich derweil zu Herma umgewandt und sagte mit vorgetäuschter Freundlichkeit: „So, nun laß uns mal einen kleinen Schnack halten, Herma, mein Mädchen.“
Herma zupfte an ihrer Kleidung herum.
„Sie haben das falsch aufgefaßt“, stotterte sie. „Ich – Lüder war ganz durchgefroren, und da wollte ich ihm einen – einen Grog zubereiten. Wir sind doch gute Nachbarn …“
Weiter gelangte sie nicht. Frieda verpaßte ihr so blitzartig schnell eine Ohrfeige, daß an Gegenwehr nicht zu denken war. Herma wimmerte, hielt sich die Wange und wich vor ihr zurück.
„Hure!“ zischte Frieda. „Laß dich nicht wieder erwischen, sonst kannst du was erleben. Solange ich nicht verreckt bin und hinterm Knick eingekuhlt werde, laß die Finger von meinem Lüder, oder ich jage dich ins Meer.“
„Nein! Nur das nicht“, sagte Herma entsetzt. „Ich will ja alles tun, was Sie sagen.“
„Gut. Also: Kein Wort über diese Angelegenheit.“ Frieda ging zur Tür, drehte sich dort aber noch einmal zu der jungen Frau um. „Und wenn ich Lüder noch einmal bei dir vorfinde, weihe ich Onno ein, verstanden?“
„Bitte nicht.“
„Hast du Angst vor ihm?“
„Und wie. Er würde mich – umbringen, glaube ich.“
„Dazu hätte er dann ja auch allen Grund“, sagte Frieda. „Aber ich schweige, wenn du dich an dein Versprechen hältst, wie ein Grab. Denk daran und benimm dich, wie es sich gehört.“
Mit diesen Worten verließ sie das Ostensche Haus endgültig und marschierte zum Ostufer, wo sich Lüder und die anderen inzwischen versammelt und bewaffnet hatten. Sie warteten das Eintreffen des Lütt-Jehan-Bootes ab, das sich ihnen auf den Wogen schaukelnd näherte.
Karl und Eberhard saßen achtern in dem Boot, Heino, Pit, Friedhelm und Brüne betätigten sich als Rudergasten. Als die Brandung die kleine Jolle emporhob und dem Strand entgegentrug, richtete Karl sich auf und rief: „Wir kommen als Freunde!“
„Das wäre ja mal ganz was Neues!“ schrie Lüder zurück. „Aber ich habe kein Schiff gesichtet, das in die Passage segelt!“
„Es gibt auch kein Schiff!“
„Du willst mich also reinlegen, was?“ brüllte Lüder. „Nur zu, du alter Gauner, dann zeige ich dir, was ich von dir halte!“
Eberhard schüttelte seinen Eichenholzstock und schrie: „Red doch keinen Mist, Lüder, laß uns erst mal vorbringen, was wir auf dem Herzen haben!“
„Laßt sie landen“, sagte Lüder zu seinen Getreuen. „Aber wenn sie nur einen dummen Trick versuchen, hauen wir sofort auf sie ein. Hinters Licht führen, das lassen wir uns nicht.“
Das Boot wurde in Empfang genommen und auf den Strand gezogen, die sechs Insassen stiegen aus. Eine Brandungswelle warf Eberhard fast um, er wurde von oben bis unten durchnäßt und fluchte fürchterlich. Die Groot-Jehans lachten schadenfroh. Karls Miene verfinsterte sich, und Lüder dachte: Jetzt geht’s wohl wirklich los.
Aber Eberhard fuchtelte wieder mit seinem Stock herum und herrschte seine Gefolgschaft an: „Bleibt da ruhig stehen, ihr Heinis, jetzt rede ich!“ Er trat auf Lüder, Frieda, Willem, Gode, Jan und die anderen Norderney-Bewohner zu. „Das ist nämlich so. Bei uns ist ein Boot angespült worden. Es sieht ganz verdammt genauso aus wie Klusmeier sein Boot – und das ist der Beweis dafür, daß wir an seinem Absaufen unschuldig sind.“
„Wieso denn?“ fragte Lüder höhnisch. „Vielleicht habt ihr ja nachgeholfen und den Kahn vorige Nacht umgekippt.“
„Klusmeier wäre sowieso nicht allein rausgefahren“, sagte Frieda mit angriffslustiger Miene. „Doch nicht bei der schweren See. Wollt ihr etwa behaupten, er hätte nicht mehr alle Becher im Schapp gehabt? Daß ich nicht lache!“
„Brüne hat ihn gesehen, als er mit dem Boot an der Falle vorbeipullte“, erklärte Eberhard so gelassen wie möglich. Er winkte Brüne mit dem Stock zu. „Los, erzähl das mal. So, wie’s war. Nun?“
Brüne räusperte sich und sagte: „Er schipperte da im Priel ’rum, der Klusmeier, und sang lauter unanständige Lieder. Ich wette, er war stinkbesoffen.“
„Schiet!“ schrie Lüder. „So sternhagelvoll konnte er gar nicht sein, daß er so was machte! Ihr lügt mal wieder, ihr Hunde!“
„Jetzt reicht’s mir aber!“ brüllte Karl. „Seht euch doch das Boot erst mal an! Es hängt eine leere Korbflasche drin, sie ist mit einem Tampen an der Ducht festgebunden! Da war Korn drin, und Klusmeier hat sie geleert!“
„Ich verlange, daß ihr mitkommt“, sagte der alte Eberhard. „Wir schwindeln euch nichts vor, das versichere ich euch.“ Er warf Frieda einen giftigen Blick zu. „Vielleicht vertraut ja irgendwer unter euch doch noch auf mein Wort.“
„Ich nicht!“ rief Lüder. „Das ist eine Falle! Ihr wollt uns weglocken und uns drüben was über die Rübe geben!“
„Das kannst du auch gleich haben!“ brüllte Karl und griff nach dem Knauf seines Säbels.
„Frieda hob plötzlich beide Hände. „Nun legt mal die Ohren an. Ich finde, an der Sache könnte was Wahres dransein. Lüder und ich, wir segeln mit einem unserer Boote nach Baltrum hinüber und nehmen das gestrandete Boot in Augenschein. Wenn wir in einer Stunde nicht zurück sind, setzt ihr euch alle in Bewegung und greift die Insel an, verstanden?“
„Aber, Mutter“, sagte Lüder. „Das kann doch nicht dein Ernst sein.“
„Ist es aber. Halt deine Luke, das Kommando führe ich.“ Sie drehte sich um und tippte Willem vor die Brust. „Du übernimmst hier den Befehl, bis wir zurück sind. Halt die Augen offen und stell überall Wachen auf.“
Der alte Eberhard grinste. „Ich weiß schon, was du denkst, Frieda. Unsere Landung soll ein Ablenkungsmanöver sein, damit unsere Leute von einer anderen Seite her Norderney angreifen können. Aber dem ist nicht so. Das darfst du mir, ruhig glauben.“
„Mir kommen gleich die Tränen“, sagte sie spöttisch. „Los jetzt, das Boot flottmachen. Oder wollen wir uns hier die Beine in den Leib stehen?“
So mußte Lüder – völlig überrumpelt und dem Willen seiner Pflegemutter ausgeliefert – gehorchen, und wenige Minuten später wurden beide Boote durch die Brandung in die Passage hinausgepullt. Als sie fast die Barriere erreicht hatten, wurden die Segel gesetzt, und hart am Wind glitten die Jollen mit zunehmender Fahrt auf Baltrum zu.
Nach einer halben Stunde war die Stelle erreicht, an der die Lütt-Jehans das Boot gefunden hatten. Lüder und Frieda untersuchten es eingehend von allen Seiten, fanden auch die leere Flasche und konnten am Ende nicht abstreiten, daß dies Klusmeiers Boot war. Alle Spuren schienen tatsächlich darauf hinzuweisen, daß Klusmeier das Opfer eines bedauerlichen Unglücksfalls geworden war.
„Trotzdem stinkt die Sache zum Himmel“, sagte Lüder Groot-Jehan mit verdrossener Miene. „Es will mir einfach nicht in den Kopf, daß er so ganz allein …“
„Schluß jetzt“, unterbrach ihn Frieda. „Wir segeln nach Norderney zurück, und du hängst Klusmeier von unserem Tor ab, verstanden? Er wird beerdigt, und damit hat sich der Fall.“
Lüder wollte widersprechen, bezwang sich dann aber und nickte nur mürrisch.
„Soll das heißen, daß wir vielleicht doch noch Frieden schließen?“ fragte Eberhard. „Holla, das wäre ein Segen für Norderney und Baltrum. Wir könnten so manches Schiff zusammen aufbringen und ausplündern, von den Toppen bis zum Kielschwein.“
„Das tun wir ja sowieso“, sagte Frieda mit einem schiefen Grinsen. „Sei man nicht so voreilig, Eberhard Lütt-Jehan. Ich kenne dich, du bist ein ausgefuchstes Schlitzohr. Vorläufig bleibt alles so, wie es ist, nur kümmere ich mich jetzt wieder ein wenig mehr um die Dinge. Wie früher.“
„Dazu kann ich dich nur beglückwünschen“, sagte der Alte, und am liebsten hätte er ihr jetzt die Hand geschüttelt. Er ließ es aber doch lieber. Man soll nichts übertreiben, dachte er.
Frieda und Lüder nahmen die Überreste von Klusmeiers Jolle mit ihrem Boot in Schlepp, dann kehrten sie nach Norderney zurück, wo sie von der Sippe bereits sehnlichst erwartet wurden.
„Was soll denn das alles, Mutter?“ schrie Lüder unterwegs Frieda zu. „Willst du ein Komplott gegen mich schmieden?“
„Jawohl!“ rief sie und versetzte ihm einen Stoß, der ihn um ein Haar außenbords geworfen hätte. „Du bist ja immer noch nicht erwachsen, du Lümmel! Aus dir mache ich einen ganzen Mann, verlaß dich drauf! In den nächsten Tagen suche ich ein Mädchen aus dem Dorf aus, und dann wird geheiratet!“
„Nein, bloß das nicht!“
Frieda nahm einen der Bootsriemen zur Hand und schwenkte ihn drohend. „Wer hat hier das Kommando, du oder ich?“
„Du“, erwiderte er kleinlaut. Sie war ihm über, und er wagte nicht, sich gegen sie aufzulehnen. Mit dem flotten Junggesellenleben, soviel stand fest, war es jetzt für ihn vorbei.