Kitabı oku: «Seewölfe Paket 17», sayfa 3

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3.

Der Profos der „Isabella“ fluchte fürchterlich.

„Alles nur wegen dieser verdammten Klunkerchen! Himmel, Arsch und Knoblauchduft, die schicken eine ganze Armada los, nur weil sie Angst haben, daß ihnen irgendwer sämtliche Bernsteinchen vor der Nase wegschnappt! Ob rechtschaffene Seeleute noch zu ihrem Frühstück kommen, das juckt die nicht im geringsten! Nicht einmal der Teufel ist so wild auf eine arme Seele, wie diese Rübenschweine auf das Steinzeug. Dabei kann man nicht mal ein Haus damit bauen!“

Mac Pellew, der gerade den Kopf aus dem Kombüsenschott streckte und sein gewohnt griesgrämige Gesicht aufgesetzt hatte, nickte beifällig.

„Man sollte diesen Burschen beim Backen und Banken die Mucks mit ihrem Steinkram füllen, damit sie sich die letzten faulen Zähne daran ausbeißen!“

Auch die übrigen Männer der Seewölfe-Crew waren nicht eben begeistert über das Auftauchen der fünf Galeeren. Aber sie hatten sich längst daran gewöhnt, daß die Polen ständig auf Patrouille waren, um rigoros jeden Segler nach „geschmuggeltem“ Bernstein zu durchsuchen.

Der Seewolf und sein Vetter, Arne von Manteuffel, hatten sich aus diesem Grund mit den Polen angelegt und sich dadurch deren besondere Aufmerksamkeit erworben – nicht zuletzt deshalb, weil sie ihren Generalkapitän Witold Woyda und dessen ehemaliges Flaggschiff mit sich führten – ersteren als Gefangenen und das Schiff als Schadenersatz für die versenkte alte „Wappen von Kolberg“.

Der Generalkapitän, der sich in der Vorpiek der „Isabella“ befand, hatte sich schon mehrmals mit Erfolg als Geisel verwenden lassen, dennoch gaben die Polen, wie die bisherigen Ereignisse gezeigt hatten, nicht auf. Sie wollten Woyda zurück, außerdem dessen Flaggschiff sowie die zwölf Kisten mit Bernsteinen und zwei Kisten mit Halbedelsteinen.

Da die „Wappen von Kolberg“ noch immer den Entführer der Freiin von Lankwitz, nämlich den gerissenen Hugo von Saxingen als Gefangenen an Bord hatte, war Witold Woyda auf der „Isabella“ untergebracht worden. Seine Schätze hatte man jedoch auf seinem ehemaligen Flaggschiff belassen.

Arne von Manteuffel fühlte sich fast ein wenig peinlich berührt. Er konnte schon gar nicht mehr zusammenzählen, was sein Vetter alles für ihn getan hatte – und das stets selbstlos und ohne zu zögern. Und seine Crew war genauso. Mein Gott, dachte Arne, was sind das nur für Kerle! Schon jetzt stand für ihn fest, daß er ihnen die vierzehn Kisten, die er an Bord hatte, überlassen würde. Das war seiner Meinung nach das Mindeste an Dank, den er Hasard und seinen Mannen schuldig war.

Bei den Seewölfen war die gesamte Crew bereits wieder klar zum Gefecht, schließlich wollte auch der Fünferverband der Polen in „alter Freundschaft“ empfangen werden.

„Das gibt bösen Stunk“, prophezeite Old Donegal. „Das sind immerhin fünf Schiffe.“

„Du merkst aber auch alles, Donegal“, sagte Ferris Tucker und kniff dabei ein Auge zu. „Haben dir die Wassermänner oder Seejungfrauen wieder was zugeflüstert?“

Der Alte reagierte bissig.

„Willst du vielleicht deinen Spott mit feststehenden Tatsachen treiben, du Holzwurm?“ schimpfte er. „Achte lieber darauf, daß du genug Flaschenbomben bereit hast, um sie den Kerlen anzubieten!“

„Dann laß sie nur erst mal näher heran, Donegal“, sagte der Schiffszimmermann grinsend. „Ich bin ja schließlich keine Hexe, die auf einem Besen durch die Luft reiten kann, um genau über den niedlichen Schiffchen die Flaschen fallen zu lassen.“

„Manchmal würde dir ein lodernder Scheiterhaufen unter dem Hintern auch nicht schaden“, sagte Old Donegal fuchtig. Dann stelzte er auf seinem Holzbein zum Niedergang, der von der Kuhl zum Quarterdeck führte.

Hasard stand neben Ben Brighton am Schanzkleid des Achterdecks. Die Gefechtsbereitschaft hatte er wohlweislich gar nicht erst aufheben lassen, seit Al Conroy die Galeere zu den Fischen geschickt hatte.

„Das scheint heute ein arbeitsreicher Tag für uns zu werden“, sagte er. „Die Burschen lassen jedenfalls nicht locker. Wie es aussieht, werden wir uns noch ein bißchen mit ihnen beschäftigen müssen.“

Ben grinste.

„Dabei haben wir immer gedacht, die Ostsee sei nur ein kleiner Ententeich, oder wie Mister Carberry meinte, eine Pißrinne für Kakerlaken. Bis jetzt hat uns dieser Teil der Welt, wie ich immer wieder feststellen muß, ganz schön in Trab gehalten.“

Hasard nickte und begann Arwenack, dem Bordschimpansen, der aufs Achterdeck geentert war, den Kopf zu kraulen. Dann gab er dem Affen einen freundschaftlichen Klaps.

„Verschwinde, Arwenack, hier gibt’s gleich Ärger!“

Der Schimpanse keckerte, als habe er den gutgemeinten Ratschlag verstanden und trollte sich in Richtung Quarterdeck.

Hasard setzte den Kieker ans Auge.

„Die kriegen wir so schnell nicht mehr los“, sagte er. „Soviel ich erkennen kann, wimmelt es auch auf diesen Galeeren von Soldaten.“

Der Abstand zwischen der „Isabella“ und dem polnischen Verband verringerte sich rasch. Die Polen schienen sich den beiden Galeonen haushoch überlegen zu fühlen. Während die vorderste Galeere vorwitzig versuchte, mit erhöhtem Riemenschlag zum Jagdschuß auf die „Isabella“ aufzulaufen, drehte die letzte Galeere der Fünfergruppe ab, um die Überlebenden der beiden gesunkenen Schiffe aufzusammeln, die immer noch im Wasser strampelten oder sich an treibenden Holzstücken festklammerten.

Mittlerweile war deutlich zu erkennen, wie Soldaten an den Bugkanonen der Galeere herumhantierten.

Da die schweren Geschütze der „Isabella“, die Siebzehn- und Fünfundzwanzigpfünder, im Hinblick auf das achteraus schräg auflaufende Schiff nicht einsetzbar waren, versuchte sich Al Conroy auf das Geheiß des Seewolfs hin erneut an einer Drehbasse, diesmal jedoch am Heck.

„Sei nicht enttäuscht, Al, wenn du den Kahn nicht gleich wieder mit einem einzigen Schuß versenkst“, sagte Hasard lächelnd. „Wir sind auch zufrieden, wenn du die Kerle von ihren Bugkanonen verjagst.“

„Worauf du dich verlassen kannst“, erwiderte Al Conroy.

Sekunden später krachte die Drehbasse an der Steuerbordseite des Hecks los, und in der Tat, die Gegend um die Bugkanonen der pfeilschnell heranschießenden Galeere war im Nu wie leergefegt. Das Splittern und Bersten von Holz war zu hören, irgendwo im Vorschiff mußte die Galeere einen Treffer empfangen haben. Das bewies auch die Reaktion der Polen, die den Schuß mit lauten Gebrüll quittierten. Wie es aussah, würden sie noch eine Weile auf die Gelegenheit zu ihrem geplanten „Fangschuß“ warten müssen.

Fast gleichzeitig mit Al Conroy traten Big Old Shane und Batuti in Aktion. Seit einer Weile schon hatten sie ihre riesigen Langbogen gespannt, um deren Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Auch die gefürchteten Brand- und Pulverpfeile lagen griffbereit, mit denen sie eine Distanz von 500 Yards und mehr zu überbrücken vermochten. Beide Männer galten als Meister des Bogenschießens. Was das hieß, sollten die Polen gleich erfahren.

„Shane, Batuti!“ rief der Seewolf.

Beide legten die ersten Brandpfeile auf und spannten die Bogen

Dann ein kurzes Nicken Hasards, und die Geschosse pfiffen durch die Luft. Augenblicke später bohrten sich die Pfeilspitzen in das Holz der vordersten Galeere, die sich so zuversichtlich an die „Isabella“ herangewagt hatte.

Kaum hatten die ersten Pfeile ihre Ziele gefunden, waren schon die nächsten unterwegs.

Die Treffer ließen die heranrudernden Polen laut aufbrüllen, zumal ihnen die Pfeile, deren Schäfte mit wohldosierten Pulverladungen gefüllt waren, das Blut in den Adern erstarren ließ. Einige von ihnen glaubten sogar an Teufelsspuk, als die Pfeile nach ihrem Aufprall explodierten und ihr Schiff an allen Ekken in Brand setzten.

Vor allem die Ruderknechte brachen in Panik aus, als sich die brennenden Pfeile in ihrer unmittelbaren Nähe ins Holz bohrten. Genau das hatten Shane und Batuti beabsichtigt.

Batuti strahlte, seine perlweißen Zähne blitzten.

„Den Kerlen wird es warm, wenn Feuerchen unter Ruderbänken brennen!“ rief er in seinem holprigen Englisch. „Wenigstens brauchen Affenärsche nicht wegzufrieren!“ Erneut schnellte ein Pfeil von der Sehne seines Bogens und fuhr zwischen die Ruderknechte.

Was beabsichtigt war, trat ein. Die Männer sprangen laut schreiend und fluchend von den Ruderbänken hoch und versuchten, sich auf das Hauptdeck der Galeere zu retten. Nur wenige taten ihre Arbeit verbissen weiter. Die Folge war, daß prompt mit den Riemen gekrebst wurde und der Gleichtakt augenblicklich zum Teufel ging.

Hinzu kam, daß sich das Feuer in Windeseile ausbreitete, weil die frische Morgenbrise die Flammen hoch auflodern ließ.

Die Wuhling war unbeschreiblich. Nur wenige Soldaten feuerten noch ihre Musketen auf die „Isabella“ ab, aber Treffer erzielten sie nicht bei dem Zustand auf der Galeere. Da das Schiff bereits aus dem Kurs gelaufen war, war auch an einen Einsatz der Bugkanonen nicht mehr zu denken.

Ben Brighton lachte und rieb sich erfreut die Hände.

„Die haben sich im wahrsten Sinne des Wortes die Finger an uns verbrannt!“ rief er.

Die Galeere sackte rauchend und brennend achteraus, an einen Angriff auf die „Isabella“ dachte an Bord dieses Schiffes wohl niemand mehr. Alle Mann hatten vollauf damit zu tun, Wasser an Bord zu hieven, um die Flammen zu löschen. Inwieweit das überhaupt noch gelingen würde, war zur Zeit eine offene Frage.

Die zweite Galeere verhielt sich etwas vorsichtiger als die erste. Ihr Kapitän war offensichtlich entschlossen, die Sache etwas schlauer anzupacken als sein Vorgänger. Er ließ sein Schiff genau ins Kielwasser der „Isabella“ steuern, dann brachte er die Ruderknechte auf Vordermann. Er schien den Seewölfen unbedingt zuvorkommen zu wollen, denn auf der ersten Galeere hatte man es nicht einmal geschafft, einen einzigen Kanonenschuß abzufeuern.

Sobald sich der polnische Kapitän einigen Erfolg davon versprach, gab er den Feuerbefehl, und zwar mit der Absicht, der englischen Galeone ein hartes Ding ins Heck zu schmettern.

Aber sein Handeln sollte sich ebenfalls als voreilig erweisen. Eine Schußweite, die Treffer zuließ, war noch nicht erreicht, und die Kanonenkugel, die eins der beiden Buggeschütze ausgespien hatte, klatschte ein Stück von der „Isabella“ entfernt ins Wasser.

Für den polnischen Kapitän war das Grund genug, die Ruderknechte zu noch größerer Eile anzutreiben. Mit wilder Hast vorangejagt, hielt die Galeere nach wie vor auf das Heck der „Isabella“ zu. Diesmal wollte man sich Zeit lassen mit einem Schuß, denn der nächste sollte, ja mußte unbedingt den erhofften Erfolg bringen.

Die Polen ließen sich jedoch etwas zulange Zeit.

„Ich bin feuerbereit, Sir“, erinnerte Ferris Tucker und deutete vielsagend auf sein katapultartiges Abschußgerät für die selbstgefertigten Flaschenbomben.

„Dafür ist es zu früh, Ferris“, erwiderte der Seewolf. „Die Erfolgschancen sind sehr gering.“

Doch Ferris Tucker war vom Ehrgeiz gepackt worden.

„Ich werde es trotzdem versuchen“, sagte er mit grimmigem Gesicht. Er wußte zwar, daß die Galeere noch zu weit von der „Isabella“ entfernt war, aber er wollte es dennoch mit genau berechneten Zündschnüren probieren. Schließlich hatte er auf diesem Gebiet bereits eine Menge Erfahrung.

„Meinetwegen“, sagte Hasard. „Probieren geht über Studieren.“

Die Heckdrehbassen der „Isabella“ konnten noch nicht eingesetzt werden, weil sich die Galeere außerhalb ihrer Schußweite befand.

Big Old Shane und Batuti schickten inzwischen weitere Brandpfeile auf die Reise.

Ferris legte die erste Höllenflasche auf die Abschußrampe. Das Ding war mit Pulver, gehacktem Eisen und Blei gefüllt und hatte eine Zündschnur, die genau den Berechnungen des rothaarigen Schiffszimmermanns entsprach.

Während Hasard nickte, stieß er einen Knurrlaut aus und löste die Schleudervorrichtung aus. Die erste Flaschenbombe segelte in hohem Bogen durch die Luft und klatschte ein ganzes Stück von der „Isabella“ entfernt in das Kielwasser.

Ferris hatte, bedingt durch die Entfernung, von vornherein nicht damit gerechnet, die Galeere zu treffen. Aber auch im Wasser treibend und sogar unter Wasser konnten die Dinger noch losgehen, wenn man es richtig anstellte. Und genau darauf hatte er spekuliert.

Die zweite Flasche folgte der ersten, eine dritte und vierte flogen hinterher – immer hinein in das schäumende Kielwasser, das die Galeere wenig später passieren würde.

Die Seewölfe hielten einen Augenblick den Atem an, und Ferris Tukker wollte schon einen ellenlangen Fluch vom Stapel lassen, weil sich anscheinend nichts tat. Da krepierte plötzlich eine der Höllenflaschen. Und gleich darauf noch eine. Sie explodierten genau zu dem Zeitpunkt, in dem die Galeere über sie hinweglief und sie untermangelte. Die übrigen Flaschenbomben buddelten ab, ohne zu zünden. Aber immerhin – die Detonationen unter Wasser schienen nicht ohne Wirkung zu bleiben.

Durch den Rumpf der Galeere ging ein heftiges Rütteln, gleich darauf tönten erneut laute Schreie über die Decks. Unterhalb der Wasserlinie schienen einige Planken eingedrückt worden zu sein. Es entstand Wuhling, die Riemen gerieten durcheinander, und die Galeere sackte deutlich tiefer.

Der Kapitän brüllte laute Kommandos, während sein Schiff achteraus zurückblieb.

„Bravo, Ferris!“ rief Edwin Carberry und hieb dem Schiffszimmermann die Pranken auf die Schulter. „Jetzt können sich die Seegurken die Seelen aus dem Leib lenzen. Hoffentlich kriegen sie nasse Füße bis hoch zum Hals!“

Auch der Seewolf klopfte Ferris Tucker anerkennend auf die Schulter, zumal bereits die ersten Polen über Bord sprangen. Offenbar wurde man der Lecks doch nicht mehr Herr.

„Schon gut“, brummte der rothaarige Riese und schnitt ein verbiestertes Gesicht. „Ich kann mir trotzdem nicht erklären, warum nur zwei Flaschen gezündet haben. Genaugenommen hätte es diesen Torfkahn in Stücke reißen müssen.“

„Jetzt halte aber die Luft an“, sagte Hasard. „Zwei Treffer sind schließlich auch was. Oder vielleicht nicht?“

„Hh“, stieß Ferris hervor und kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. „Die Blindgänger wurmen mich trotzdem.“

Der Seewolf grinste.

„Hoffentlich hebt sich deine Laune wieder, wenn der Kasten auf Grund geht.

Was die Blindgänger betrifft, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten, die die Zündung verhindert haben.“

„Welche?“ fragte Ferris interessiert.

„Nun“, fuhr Hasard fort, „entweder befand sich bei ihnen der Zündfunke noch außerhalb der Flasche und wurde daher beim Eintauchen gelöscht, oder der Flaschenhals war nicht dicht genug, so daß Wasser eindringen konnte, das gleichfalls den Funken in der Lunte erstickte und die Pulverladung unter Wasser setzte. Vielleicht sollten wir auf diesem Gebiet noch etwas experimentieren. Aber Grund zur Zufriedenheit haben wir auf alle Fälle.“

„Experimente sind immer gut“, mischte sich Old Donegal ein. „Man könnte ja dem Kutscher mal eine Flasche in die Suppe stecken. Wenn sie zündet, kann er die Erbsen hinterher von der Decke schaben.“

„Was anderes fällt dir wohl auch nicht ein, wie?“ fragte Ferris und warf dem Alten einen finsteren Blick zu.

Doch Old Donegal kicherte.

„Wenigstens weißt du dann, daß der Flaschenhals dicht war, und der Funke nicht in der Erbsensuppe ersoffen ist.“

Nun wurde die Aufmerksamkeit der Männer wieder auf die Galeere gelenkt. Dort waren mittlerweile auch noch die letzten Polen von Bord gegangen, und zwar in panikartiger Hast. Dazu hatten sie auch allen Grund.

Die Galeere krängte stark nach Backbord und ging langsam auf Tiefe. Verschiedene Brände, die durch die Pfeile der Seewölfe aufgeflackert waren, erloschen mit lauten Zischen, als die Decks vom Wasser überspült wurden.

„Alles hat auch seine Vorteile“, stellte der Profos sachkundig fest. „Die Kerle brauchen jetzt nicht mehr zu lenzen, und das Löschen der Feuerchen können sie sich ebenfalls sparen. Und dafür sagen die nicht einmal dankeschön!“

Den restlichen drei Galeeren des ehemaligen Fünferverbandes schien jegliche Angriffslust verlorengegangen zu sein. Vielleicht hielten auch sie die merkwürdigen Explosionen unter Wasser für Teufelswerk. Jedenfalls stellten sie die Verfolgung der beiden Galeonen ein und verschwanden bald darauf hinter der achteren Kimm.

4.

Langsam, Schritt für Schritt, stapfte der ärmlich gekleidete Mann durch den mit Tang überhäuften Sand. Dabei hielt er sich immer dicht ans Wasser, seine Füße wurden mitunter durch die Ausläufer der Brandung überspült.

Das kantige und wettergegerbte Gesicht des Mannes wirkte ernst und angespannt. In seinem Gang lag ein Anflug von Nervosität. Von Zeit zu Zeit verharrte er und sicherte scheu wie ein Tier, dem der Jäger auf der Spur ist, nach allen Seiten. Hin und wieder bückte er sich und hob etwas auf. Nachdem er es kurz in Augenschein genommen hatte, ließ er es in dem derben Jutesack verschwinden, den er über der linken Schulter trug.

Jetzt, im Morgengrauen des 2. April 1593, erinnerte nicht mehr viel an den heftigen, auflandigen Sturm, der während der Nacht getobt hatte und wie ein Inferno über die samländische Westküste hinweggebraust war.

Vorbei war das Heulen und Pfeifen des Windes, vorbei das Tosen der Brandung und das Aufspritzen der Gischt. Die See hatte sich wieder beruhigt, die schwarzen Sturmwolken waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Die Sonne schob sich wie ein riesiger roter Ball am Horizont hoch und schickte sich an, die letzten grauen Dunstschwaden, die wie zerfetzte Tücher über der Wasserfläche schwebten, aufzulösen.

Fritz Strakuweit, so hieß der Mann, der den Strand absuchte, stammte aus dem kleinen Küstenort Palmnicken. Und er war auf der Suche nach Bernstein, jenem versteinerten Harz von Nadelbäumen längst vergangener Zeiten, das man auch das Gold der Ostsee nannte.

Der Sturm der vergangenen Nacht hatte ihn veranlaßt, schon im ersten Morgengrauen auf Bernsteinsuche zu gehen, denn gerade nach solchen auflandigen Stürmen gab es oft reiche Beute. Die Brandung hatte erhebliche Mengen „Kraut“, wie der Tang von den Einheimischen genannt wurde, von dem verhältnismäßig flachen Meeresgrund losgerissen und auf die Küste zugetrieben.

Ganze Tanginseln schwabberten an der Küste oder lagen bereits am Strand – bereit zum „Abernten“, denn man brauchte den Bernstein nur aus dem Seetang zu lesen.

Strakuweit war sich dennoch im klaren darüber, daß es eine recht gefährliche Arbeit war, die er da tat, denn die Bernsteine waren nach Meinung der Obrigkeit nicht zur Bereicherung des gewöhnlichen Volkes bestimmt. Sie standen ausschließlich dem Landesherrn zu, der seinerseits wiederum dem polnischen König abgabepflichtig war. Also führte man überall scharfe Kontrollen durch.

Wurde ein Einheimischer beim Abernten von Bernstein erwischt, dann war ihm das Bernsteingericht in Fischhausen sicher. Ein Sack voll genügte, um an einem der zahlreichen Galgen, die man für diesen Zweck an der Küste aufgestellt hatte, gehängt zu werden.

Der Morgenwind pfiff kalt über die flachen Küstenstriche. Der Mann fröstelte in seiner dünnen, an zahlreichen Stellen geflickten Kleidung. Aber seine graublauen Augen glänzten erregt, wenn er das „Gold der Ostsee“ im Tang schimmern sah.

Trotz seiner Wachsamkeit hatte Fritz Strakuweit noch nicht bemerkt, daß er bereits seit einer Weile beobachtet wurde. Drei Augenpaare verfolgten jede seiner Bewegungen, und zwar von der Deckung des dornigen Strauchwerks aus, das sich oberhalb der Küste hinzog.

Die drei Soldaten, die dort kauerten, ließen sich Zeit für ihren Zugriff. Sie konnten von ihrem Versteck aus einen weiten Teil der Küste überblicken, der Bernsteindieb konnte ihnen nicht entwischen. Sollte er nur erst seinen Sack vollsammeln, dann würde sich ihr Zupacken wenigstens lohnen.

Jedesmal, wenn sich die einsame Gestalt am Strand bückte, um etwas aufzuheben, grinsten sich die drei Burschen an. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der Sack, den der Mann mit sich herumschleppte, prall gefüllt war. Sie hatten Zeit, und immer, wenn der Bernsteinsammler weiterstapfte, zogen sie in der Dekkung der kahlen Sträucher und Sanddünen mit ihm – wie unsichtbare Schatten.

Dabei paßten sie genau jene Momente ab, in denen der Mann verhielt, um seine Blicke prüfend über den Strand wandern zu lassen. Sie zogen stets rechtzeitig die Köpfe ein und rührten sich nicht. Der Kerl in den zerschlissenen Hosen sollte ruhig das Gefühl haben, der einzige Mensch weit und breit zu sein.

Fritz Strakuweit bemerkte tatsächlich nicht, wie sich langsam, aber sicher, das Unheil über ihm zusammenbraute.

Als er nach Ablauf einer guten halben Stunde eine kleine Bucht erreichte, war der Jutesack so gut wie voll. Die Steine lasteten schwer auf seiner Schulter. Eigentlich wollte Strakuweit seine Sammlertätigkeit jetzt einstellen, um sich so rasch wie möglich über Schleichwege nach Palmnicken zurückzuziehen. Doch da wurde er von neuen Funden abgelenkt.

Die drei Soldaten, bei denen es sich unverkennbar um Polen handelte, registrierten das mit einer gewissen Genugtuung.

„Jetzt greifen wir zu!“ entschied der Anführer. Er war ein hagerer Bursche mit einem Raubvogelgesicht und einer rötlichen Messernarbe über der linken Wange. „Der verdammte Bernsteinräuber hat seinen Sack bis obenhin voll. Noch mehr von dem Zeug kann er nicht mehr unterbringen.“

„Dann schnappen wir ihn“, bemerkte ein anderer. „Solange er sich noch in Strandnähe aufhält, kann er uns nicht entwischen.“

Die drei Soldaten verteilten sich rasch, um Strakuweit von Norden, Osten und Süden her in die Zange zu nehmen. Einen Fluchtweg nach Westen gab es nicht, weil dort die See lag. Das Schicksal des Mannes schien besiegelt zu sein.

Mit schußbereiten Musketen pirschten sich die Soldaten an Strakuweit heran. Dabei half ihnen ein Zufall, der den Bernsteinsammler jegliche Wachsamkeit vergessen ließ.

Strakuweit stieß einen überraschten Laut aus, als er ein fast faustgroßes, glattgeschliffenes Stück im Seetang entdeckte – ohne Zweifel der größte und schönste Stein, den ihm der heutige Tag beschert hatte.

Entzückt starrte er seinen Fund an. Sein Herz schlug höher, als er bemerkte, daß es eine Anzahl von eingeschlossenen Insekten aufzuweisen hatte. Er wußte, daß gerade solche Stücke bei den Händlern und Aufkäufern besonders begehrt waren und einen dementsprechenden Preis brachten.

Noch immer blickte er wie gebannt auf den Stein und drehte und wendete ihn, um ihn von allen Seiten zu begutachten. Dabei war Strakuweit der See zugewandt, so daß er die drei Soldaten, die bereits ziemlich nahe an ihn herangelangt waren, nicht sah.

Erst das metallische Knacken der Musketenhähne riß ihn in die Wirklichkeit zurück.

Fritz Strakuweit erschrak fürchterlich. Er zuckte zusammen, als habe ihn ein Blitz getroffen. Sein Gesicht wirkte plötzlich verzerrt, als er – immer noch den Stein in der Hand haltend – die drei Soldaten erblickte, die ihre Musketenläufe drohend auf ihn gerichtet hatten. Die Augen des Mannes flackerten, und sein Atem ging rascher als sonst. Er wirkte in diesem Augenblick wie ein gejagtes Tier, das in die Falle seiner Häscher getappt ist.

Strakuweit begriff augenblicklich, daß seine Lage so gut wie aussichtslos war. Man hatte ihn umzingelt, so daß ihm von vornherein jeglicher Fluchtweg abgeschnitten war. Innerlich verfluchte er sich, weil er nicht wachsam genug gewesen war.

Er hatte sich zu sehr durch den fast faustgroßen Bernstein ablenken lassen, sonst hätte er die Soldaten zumindest früher bemerkt. Jetzt aber saß er in der Patsche, und zwar ganz gewaltig. Er konnte sich in allen Farben ausmalen, was ihm blühte: Man würde ihn in Fischhausen, das an der Nordbucht des Frischen Haffs lag, zum Tode verurteilen und an einen der Galgen hängen, die man zur Abschreckung an der Küste aufgestellt hatte.

Strakuweit stand wie angewurzelt und blickte in die grinsenden Gesichter der drei Soldaten. In ihren Zügen lagen Spott, Hohn und Triumph, dennoch entging ihm nicht, daß ihre Blicke begehrlich auf den Sack gerichtet waren.

„Her mit dem Zeug!“ befahl der hagere Bursche mit dem Raubvogelgesicht in hartem Deutsch.

Strakuweit reagierte mit Zorn und Trotz. Er riß den schweren Jutesack von der Schulter und warf ihn dem Polen vor die Füße.

„Nehmt die Steine!“ rief er mit zornbebender Stimme. „Euer sattgefressener König wird sich freuen, wenn er dadurch noch ein bißchen reicher wird!“

Der Hagere grinste unverschämt.

„Bei ihm ist das Zeug jedenfalls besser aufgehoben als bei Lumpenkerlen wie dir! Wie heißt es so schön? Man soll Perlen nicht vor die Säue werfen!“ Er lachte brüllend, und seine Kumpane stimmten in das Gelächter ein.

Aus Strakuweits Augen leuchtete plötzlich blanker Haß.

„Ich habe diese Steine nicht in Polen aufgesammelt, sondern in meiner eigenen Heimat!“ rief er. „Sie gehören den Menschen, die hier wohnen und darben und oft nicht wissen, wie sie ihre Frauen und Kinder ernähren sollen. Ihr aber würdet am liebsten noch den Nackten die Kleider ausziehen!“

Die Kerle lachten erneut.

„Hört, hört!“ rief der Hagere. „Der Kerl spuckt Töne, als wäre er selber ein König. Ich bin mal gespannt, ob er auch noch so eine große Lippe riskiert, wenn er erst in Fischhausen am Galgen zappelt. Hoffentlich zieht man ihm dort den Hals hübsch lang, damit er die Früchte seiner Arbeit auch richtig genießen kann!“

Fritz Strakuweit sah plötzlich rot.

„Ihr verdammten Schweinehunde!“ brüllte er. Dann senkte er den Kopf und warf sich dem Hageren entgegen. Seine Rechte umklammerte noch immer den großen Bernstein, den er jetzt als Waffe einzusetzen gedachte. Schließlich hatte er nichts mehr zu verlieren – außer seinem Leben, und das war ohnehin verwirkt.

Die Polen ließen ihm jedoch keine Chance.

Noch bevor er den Hageren erreichte, versetzte ihm der Soldat, der rechts von ihm gestanden hatte, einen brutalen Kolbenstoß in den Nakken.

Er brach mit einem Aufstöhnen zusammen und fiel bäuchlings auf den nassen und glitschigen Seetang. Vor seinen Augen begann sich ein Rad aus feurigen Sternen zu drehen, unter seiner Schädeldecke klopfte und hämmerte es, als würde man ihn mit Schmiedehämmern bearbeiten. Doch er wurde nicht besinnungslos, sondern blieb wie gelähmt auf dem Gemisch von Tang und Sand liegen.

Die Stimmen der Polen drangen wie aus weiter Ferne an Strakuweits Ohren. Die Kerle unterhielten sich in ihrer Muttersprache, doch der niedergeschlagene Deutsche konnte sie verstehen. Trotz seiner Benommenheit registrierte er jedes Wort.

„Der hält uns tatsächlich für so blöd und glaubt, daß wir die Steine abliefern“, hörte er den Hageren sagen.

„Soll er doch glauben, was er will“, entgegnete ein anderer. „Ich für meinen Teil denke nicht daran, das Zeug der Krone in den Rachen zu stopfen. Fetten Gänsen soll man schließlich nicht die Ärsche schmieren!“ Er lachte meckernd.

„Der Meinung bin ich auch“, ließ sich der dritte im Bunde vernehmen. „Am besten, wir teilen das Zeug und pusten dem Kerl eine Kugel zwischen die Rippen. So haben wir wenigstens etwas davon. Wenn sie ihn in Fischhausen aufhängen, nutzt uns das wenig.“

„Wir sind uns also nach wie vor einig“, sagte der Hagere. „Auf was warten wir dann noch? Los, laßt uns die hübschen Steinchen brüderlich teilen, danach servieren wir den Lumpenkerl ab. Wir sind hier allein auf weiter Flur, es gibt keine Zeugen, und niemand kann uns was anhaben.“

Fritz Strakuweit krampfte die Fäuste zusammen. So langsam fühlte er, wie seine Bewegungsfähigkeit in ihn zurückkehrte. Sein Nacken schmerzte nach wie vor, aber das dumpfe Hämmern im Kopf hatte merklich nachgelassen.

Diese verdammten Schweinehunde! dachte er. Die hatten von Anfang an vor, sich selbst zu bereichern!

Eine ohnmächtige Wut strömte durch seinen Körper. Was konnte er tun? Die Kerle waren zu dritt und außerdem schwer bewaffnet. Er aber lag mit heftigen Schmerzen am Boden, fast so wehrlos wie ein neugeborenes Kind. Daß er nun doch nicht am Galgen enden sollte, war nur ein schwacher Trost für ihn, wenn er dafür eine Musketenkugel in Kauf nehmen sollte. Das Sterben bereitete weder auf die eine noch auf die andere Weise Spaß.

Hinter Strakuweits Stirn jagten sich die Gedanken. Er mußte auf jeden Fall versuchen, sein Leben zu retten, auch wenn seine Chancen sehr gering waren. Er wollte nicht einfach hilflos von den Halunken abgeschossen werden. Vielleicht gelang es ihm, sich wenigstens einen dieser Kerle zu schnappen und ihm die Muskete zu entreißen, während sich die anderen damit beschäftigten, den Sack voller Bernsteine unter sich aufzuteilen.

Ja, er mußte es versuchen, und zwar sofort.

Vorsichtig öffnete er die Augen eine Spaltbreite, um die Lage zu peilen.

Einer der Polen stand nur wenige Schritte von ihm entfernt. Es war derjenige, der ihn niedergeschlagen hatte. Die beiden anderen, darunter der Hagere, stützten sich, auf ihre Musketen und schickten sich gerade an, den Sack auszuleeren.

Jetzt oder nie! sagte sich Fritz Strakuweit und warf sich trotz der aussichtslosen Lage und der stechenden Nackenschmerzen blitzschnell herum. Es gelang ihm, aufzuspringen. Dann warf er sich mit dem Mut der Verzweiflung auf den Soldaten, der ihm am nächsten stand.

Dieser bemerkte den überraschenden Angriff des Deutschen verhältnismäßig früh und versuchte, seine Muskete herumzureißen und abzufeuern. Doch Strakuweits Hände hatten die Waffe bereits gepackt.

Während ein erbittertes „Tauziehen“ begann, wirbelten die beiden anderen Soldaten herum und brachten ihre Musketen in Anschlag. Aber sie konnten nicht schießen, ohne dabei ihren Genossen zu treffen.

Der Hagere schätzte die Lage sofort richtig ein. Er drehte seine Waffe um und packte sie am Lauf.

„Wir schlagen den Hund tot!“ zischte er wütend. Gleichzeitig stürmte er auf Strakuweit zu, der seinem Gegner gerade einen heftigen Tritt gegen das Schienbein verpasste.