Kitabı oku: «Seewölfe Paket 19», sayfa 14

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2.

Auf dem sanften Wellengang erzeugten die Sonnenstrahlen ein Meer von flirrenden kleinen Lichtreflexen. Die Hafenbucht von Tortuga zeigte sich an diesem Tag in ihrem schönsten Licht. An Land wiegten sich die Blätter der Palmen in einer lauen Brise.

Die Black Queen war allein auf dem Achterdeck ihres Schiffes. Zum ersten Male seit vielen Tagen, ja sogar Wochen, empfand sie keinen Groll. Nichts und niemand konnte sie jetzt noch in Rage bringen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt mit sich und der Welt so zufrieden gewesen war.

Ihre Flotte, die in einträchtigem Beieinander in der Bucht ankerte, war ein stolzer Anblick.

Nur einen Steinwurf weit von der „Caribian Queen“ entfernt lag die „Aguila“. Die ehemalige spanische Kriegsgaleone war mit ihren vierhundertfünfzig Tonnen Registergewicht ein Schiff, auf das die Bezeichnung „stattlich“ ohne Einschränkung zutraf. Nicht minder bemerkenswert war die Armierung dieses Dreimasters mit insgesamt achtundzwanzig Siebzehn-Pfündern, vier Drehbassen und zwei Zwölf-Pfünder-Heckgeschützen.

Nur wenig kleiner waren die „Buena Estrella“ und die „Vascongadas“ mit ihren jeweils etwa dreihundertfünfzig Tonnen.

Stolz erfüllte die Black Queen bei der Erinnerung daran, wie sie diese beiden Kriegsgaleonen vor El Triunfo gekapert hatte. Das war ein Handstreich gewesen, den ihr so schnell keiner nachmachte. Wenn die Spanier in Cartagena davon erfuhren, würden sie wahrscheinlich vor Wut schäumen.

Auch die Zuverlässigkeit ihrer Gefolgschaft war nach Meinung der Black Queen weitgehend gesichert. Jaime Cerrana und seine Leute auf der „Aguila“ waren treue Verbündete, daran gab es nicht den geringsten Zweifel.

Für die „Buena Estrella“ und die „Vascongadas“ galt das gleiche. Deren Besatzungen bestanden aus den brauchbarsten Kerlen mit seemännischer Erfahrung, die in El Triunfo aufzutreiben gewesen waren. Jeder von ihnen schätzte sich glücklich, auf einem solchen Schiff segeln zu dürfen. Die lausigen Einmaster, über die sie in Honduras verfügt hatten, waren dagegen geradezu lächerlich gewesen.

Von den übrigen Siedlern, die inzwischen auf Tortuga provisorische Unterkünfte gefunden hatten, erwartete die Black Queen absolute Treue. Willem Tomdijk und seine Leute mußten wissen, daß sie ihr zu lebenslangem Dank verpflichtet waren. Sie würden Tortuga fest in ihre Hand bringen und dafür sorgen, daß man später die Fühler auf das benachbarte Hispaniola ausstreckte.

Und die Feinde?

Die hochgewachsene dunkelhäutige Frau lachte leise vor sich hin. Jean Ribault und diese kleine Hexe, die sich Rote Korsarin nannte, mußte die Nase gestrichen voll haben. Das galt auch für ihre Verbündeten. Allesamt mußten sie begriffen haben, daß sie ihr, der künftigen Herrscherin der Karibik, nicht im Traum das Wasser reichen konnten.

Trotzdem durfte man nicht unvorsichtig werden. Ein paar Tage hatte die Black Queen ihren Untergebenen Ruhe gegönnt. Jetzt aber galt es, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.

Dieser hochgewachsene Mann an Bord der „Isabella“ war ihr nicht ganz geheuer. Seewolf nannten sie ihn, und bei den letzten Auseinandersetzungen vor Gran Cayman und Tortuga hatte die Queen gemerkt, daß der Mann seinen Beinamen nicht zu Unrecht trug. Auch sein Schiff war eine verteufelt gute Konstruktion.

Ein Lächeln umspielte die vollen, doch keineswegs wulstigen Lippen der Schwarzen. Wenn sie ehrlich war, dann mußte sie zugeben, daß sie beim Anblick dieser ranken dreimastigen Galeone Neid empfunden hatte.

Das war ein Schiff, gegen das sie ihren Zweidecker durchaus eintauschen würde. Und welche symbolische Bedeutung würde jene „Isabella“ gewinnen, wenn sie einmal das Flaggschiff der Herrscherin der Karibik war!

Ja, das würde für alle Zeiten die Niederlage ihres wohl ärgsten Feindes veranschaulichen. Jedermann würde beim Anblick dieses Flaggschiffs wissen, daß es niemanden gab, der die Black Queen bezwingen konnte. Auch ein Seewolf nicht.

Aber bis dahin war es noch ein langer und mühevoller Weg. Mit allen Fasern ihrer Sinne spürte die Black Queen, daß ihr dieser Mann noch die meisten Schwierigkeiten bereiten würde. Er war ein ernstzunehmender Gegner, wenn auch nicht unbezwingbar. Aber er gehörte zu der Sorte von Kerlen, die nicht locker ließen, auch wenn sie dabei zugrunde gingen.

„Du wirst lernen, daß ich dir überlegen bin“, flüsterte die Black Queen haßerfüllt, „ich werde es dir mit Blut ins Gedächtnis schreiben.“

Von der „Aguila“ waren jetzt Hammerschläge zu hören, kurz darauf auch das rhythmische Kreischen von Sägen. Die Spanier waren mit den Ausbesserungsarbeiten beschäftigt. Nur geringe Schäden waren beim letzten Gefecht entstanden. Doch die Black Queen hatte angeordnet, daß auch die nebensächlichsten Kleinigkeiten schleunigst in Ordnung gebracht wurden. Ihre Flotte sollte von nun an stets ein stolzer Anblick sein, ohne jeden Makel.

So wie ich selbst, dachte sie amüsiert, als sie die verstohlenen Blicke bemerkte, die die Männer von Bord der „Aguila“ zu ihr herübersandten.

Die Black Queen wußte sehr wohl, daß sie allein mit ihrem Äußeren ständig begehrliche Anwandlungen in den Kerlen weckte. Manchmal fühlte sie sich dadurch geschmeichelt, wenn ihre Laune entsprechend gut war. Bei anderen Gelegenheiten jedoch konnte es so einem unverschämt stierenden Burschen durchaus passieren, daß sie ihn mit ein paar eisenharten Fausthieben auf die Planken beförderte.

Denn ihre muskulösen Oberarme wirkten nicht nur männlich, in ihnen steckte auch eine ungeheure Kraft, wie sie ein Mann von einer Frau kaum erwartete. Ihre nackten Brüste waren so prall und straff, daß sie wie eine Fortsetzung dieser bemerkenswerten Armmuskeln wirkten.

Das Haar der Black Queen bildete eine große krause Löwenmähne, tiefschwarz wie ihre Brauen und Wimpern, unter denen dunkle Augen kalt und herablassend blickten. In ihrem ebenmäßigen Gesicht dominierten hohe Wangenknochen.

Wie sie es gewohnt war, trug die Black Queen nur einen Lendenschurz mit einem breiten Ledergurt. Darunter steckten eine reichverzierte und entsprechend kostbare Pistole und ein Messer ohne Scheide. Die breite Klinge funkelte im Sonnenlicht. Eine mehrfach verschlungene Goldkette wand sich um den Hals der Queen, darunter lag das rote Tuch, dessen Zipfel bis zu ihren Brüsten reichte.

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie die Männer am Strand auftauchen sah.

Caligula war es, der mit sechs Männern von der „Caribian Queen“ auf eins der Beiboote zueilte. Hastig schoben sie das Boot ins Wasser und pullten kurz darauf mit kraftvollen Riemenschlägen auf den Zweidecker zu.

Die Black Queen runzelte die Stirn. Irgend etwas mußte geschehen sein, sonst hätte Caligula nicht solche Hast gezeigt. Doch um ernsthafte Probleme konnte es sich wohl nicht handeln. Tortuga war fest in ihrer Hand. Niemand würde hier noch wagen, sich gegen die neuen Machtverhältnisse aufzulehnen.

Voller Stolz betrachtete die Black Queen den herkulisch gebauten Neger, wie er im Boot herannahte. Er war ihr engster Vertrauter und unumwunden würdig, an ihrer Seite zu stehen. Der krause schwarze Bart verlieh ihm etwas Überlegenes und ließ ihn aus der Masse herausragen. An seinem Körper gab es kein überflüssiges Gramm Fett, an Kraft und Geschmeidigkeit war er der Queen zweifellos noch überlegen. Ging es um Mut und Raffinesse, um Verschlagenheit und Brutalität, war er ihr mindestens ebenbürtig.

Das Beiboot glitt längsseits, und Caligula enterte allein über die Jakobsleiter auf. Die Männer verharrten auf den Duchten. Wie immer war Caligula nur mit einer weißen Pumphose bekleidet. Am breiten Ledergürtel trug er ein Entermesser und eine Pistole.

Mit raubtierhaft federnden Bewegungen ließ er den Niedergang hinter sich und eilte seiner Gefährtin entgegen. Anerkennend bemerkte die Black Queen, daß er kein bißchen außer Atem war.

„Nun?“ sagte sie mit hochgezogenen Brauen. „Du siehst so aus, als ob du schlechte Nachrichten bringst.“

„Wie man’s nimmt. Diese verdammten Weiber wollen protestieren, und Boussac ist natürlich auf ihrer Seite.“

„Protestieren?“ entfuhr es der Queen. „Gegen was?“

„Gegen deine Anordnung natürlich. Sie wollen sich nicht einsperren lassen. Sie faseln davon, daß sie als freie Menschen in die Karibik gesegelt seien. Daß sie Paris nicht verlassen hätten, um sich hier unterdrücken zu lassen. Und so weiter. Alles dummes Gewäsch.“

Das Gesicht der Schwarzen verzog sich zu einer wütenden Grimasse. Ihre dunklen Augen blitzten.

„Du hast dir wieder den Kopf verdrehen lassen. Gib es zu.“

„Habe ich nicht!“ entgegnete Caligula aufbrausend. „Oben in den Felsen habe ich das eingezäunte Lager bauen lassen, wie du angeordnet hast. Dann bin ich hinuntergegangen in die Schildkröte. Dort hockt das gesamte Weibervolk beieinander, und Boussac ist der Hahn im Korb. Mit sechs Mann habe ich es nicht geschafft, sie rauszutreiben. Die wollen einfach nicht.“

„Sie haben dir schöne Augen zugeworfen“, entgegnete die Queen schroff, „und sie haben dir ein bißchen nackte weiße Haut gezeigt. Das kannst du nicht verkraften. Ich weiß doch, wie scharf du darauf bist, mal so ein weißes Püppchen in die Finger zu kriegen. Wenn ich dich von der Leine gelassen hätte, wärest du längst mit einer von ihnen in die Büsche gegangen.“

„Du bist ungerecht“, sagte Caligula beleidigt, „du weißt genau, daß ich dir treu bin. An der Leine brauchst du mich schon gar nicht zu halten. Ich würde doch niemals …“

Die Black Queen unterbrach ihn mit einem belustigten Lachen.

„Ich fange an, die Sache witzig zu finden. Ein paar dreckige Huren widersetzen sich meinem Befehl. Und mein sehr verehrter Caligula schaffte es zusammen mit sechs ausgewachsenen Kerlen nicht, diese Schlampen zur Räson zu bringen.“

„Wie sollten wir das denn anstellen? Sollten wir sie etwa einzeln raustragen?“

Die Schwarze blies die Luft durch die Nase.

„Warte nur ab. Ich werde dir zeigen, wie man mit dem widerspenstigen Dirnenvolk umspringt. Aber vorher kümmern wir uns um die wichtigeren Dinge.“

Caligula zog die Schultern hoch und ließ sie wieder sinken. Bereitwillig folgte er seiner Gefährtin, als sie vorausging und in das Beiboot abenterte. Er war sicher, daß sie ihre Anordnung durchsetzen würde, denn Widerspruch duldete sie unter keinen Umständen.

Solange mit einem Angriff auf Tortuga zu rechnen war, sollten die fünfzig Mädchen in dem Notlager interniert werden. Caligula war in diesem Punkt völlig einer Meinung mit der Black Queen, auch wenn sie immer noch glaubte, daß er an den Mädchen einen Narren gefressen hätte. Sie durften unter den Männern keine Verwirrung stiften, solange Gefahr bestand. Die Kerle hatten sich darauf zu konzentrieren, Tortuga zu verteidigen. Nichts und niemand durfte sie von dieser Aufgabe ablenken.

Die Black Queen ließ sich zu den beiden Beutegaleonen pullen. Nacheinander inspizierte sie gemeinsam mit Caligula die „Buena Estrella“ und die „Vascongadas“.

Die Männer an Bord hatten prompte und gute Arbeit geleistet. Eine stattliche Zahl von Reserve-Geschützrohren hatten sie aus den Laderäumen auf das Hauptdeck gehievt. Jeweils sechs Rohre waren es auf beiden Galeonen. Einmastige Schaluppen, die aus der Hafenbucht stammten, lagen bereits längsseits, um die Geschützrohre zu übernehmen.

Caligula erläuterte den Schiffsbesatzungen die Pläne, die er entworfen hatte. Darin waren die Positionen eingezeichnet, auf denen die Geschützrohre in den Felsen von Tortuga in Stellung gebracht werden sollten.

Jene Männer, die den Zaun für das Mädchen-Lager gebaut hatten, waren inzwischen bereits damit beschäftigt, Behelfslafetten für die Bronzerohre zu zimmern.

In den Pulverkammern der beiden Galeonen lagerten noch immer ausreichende Munitionsvorräte. Der spanische Flottenverband war gut ausgerüstet gewesen, als er Cartagena verlassen hatte, um El Triunfo in Stücke zu schießen. Die Mengen an Pulver, Blei und Eisen hätten wahrscheinlich ausgereicht, um die Siedlung in Honduras zweimal zu zerstören.

Man konnte sich also leisten, einen Teil der noch vorhandenen Munition in die Felsen hinaufschaffen zu lassen. Jede der behelfsmäßigen Geschützstellungen mußte so gut ausgerüstet sein, daß ein Angriff erfolgreich abgewehrt werden konnte. Die Standorte der Geschütze waren von Caligula so ausgewählt worden, daß sich kein Angreifer der Insel nähern konnte, ohne nicht sofort wirkungsvoll beschossen zu werden.

„Gute Arbeit“, sagte die Black Queen anerkennend, als sie die Inspektion der „Vascongadas“ beendet hatte und gemeinsam mit ihrem Gefährten in das Beiboot abenterte. Eins der Geschützrohre wurde bereits mittels einer an der Großrahnock angeschlagenen Talje in einen Einmaster abgefiert. Es würde also nur noch wenige Stunden dauern, bis die Verteidigungsbereitschaft Tortugas in vollem Umfang gewährleistet war.

Caligula grinste selbstgefällig, denn er bezog das Lob auf sich allein. Auf den Gedanken, daß die Queen vor allem auch den Schiffsbesatzungen Anerkennung zollte, verfiel er nicht. Mit einer herrischen Handbewegung gab er den Männern auf den Duchten Order, loszupullen.

„Trotzdem können wir uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen“, sagte die Black Queen nachdenklich.

„Wie meinst du das?“ Er blickte sie von der Seite an.

„Zum Teufel, Caligula, streng deinen Grips ein bißchen an. Fürs erste sind wir gerüstet. Mit ein paar Angreifern wie diesen Bastarden von der Schlangen-Insel werden wir fertig. Aber das reicht nicht für die Zukunft. Tortuga muß zur Festung ausgebaut werden. Dazu gehört zum Beispiel, daß wir die Munitionsvorräte vergrößern.“

Caligula grinste breit. „Kein Problem. Bei nächster Gelegenheit schnappen wir uns ein paar fette spanische Galeonen. Du hast gesehen, wie die ihre Pulverkammern vollstopfen. Bei denen mangelt es an nichts.“

Die Black Queen antwortete nicht. Ihre Gedanken wanderten in die fernere Zukunft. Später, wenn sie ihre Machtansprüche in der Karibik endgültig gesichert hatte, würde sie mehrere Stützpunkte von der Art Tortugas besitzen.

Zuverlässige Verbündete würden die Gewähr sein, daß ihr Herrschaftsbereich funktionierte. Und einer dieser Stützpunkte würde die Schlangen-Insel sein. Das stand schon jetzt fest. Sie würde nicht eher ruhen, bis sie die Insel dieser verdammten Bastarde erobert hatte.

3.

Eine knappe Viertelstunde war vergangen, als am Strand eine große Jolle zu Wasser gebracht wurde. Die Black Queen und Caligula erlebten den denkwürdigen Anblick nicht von Anfang an, da sie sich in die Kapitänskammer begeben hatten, um die Verteidigungspläne für Tortuga zu verfeinern.

Auf der „Caribian Queen“, der „Aguila“ und den beiden Beutegaleonen hielten die Männer mit ihrer Arbeit inne, um das Schauspiel zu beobachten.

Nicht weniger als acht Männer aus El Triunfo wurden eingesetzt, um das große Boot in sein Element zu bringen. Das lag jedoch keineswegs am Eigengewicht der Jolle.

Der Koloß, den sie alle kannten, wuchtete sein Lebendgewicht bereits an Land auf die mittlere Ducht. Unter den Kiel des Bootes waren Rundhölzer gelegt worden, und an jeder Seite hielten zwei Männer die Balance, während die übrigen vier am Spiegel Aufstellung nahmen und mit aller Kraft schoben.

Willem Tomdijk, ehemals Bürgermeister von El Triunfo, hockte wie ein zwei Zentner schweres Monument auf der Ducht. Jeder anderweitige Versuch, ihn an Bord zu bringen, hätte unweigerlich zum Kentern des Bootes geführt.

Es war eine schweißtreibende Aufgabe für die Helfer, die Jolle bis zur ausreichenden Wassertiefe zu bugsieren. Minutenlang knirschte der Kiel über den Sand, und einmal sah es aus, als würde das schwerbeladene Wasserfahrzeug steckenbleiben. Dann jedoch war es geschafft.

Willem Tomdijk wandte sich zu den anderen um und winkte ihnen zu. In seinem rosigen Jungengesicht lag energische Entschlossenheit. Das bedrohliche Schwanken des Bootes kümmerte ihn nicht, denn er konnte sich auf die Männer verlassen, die schnell genug zupackten, um ein Kentern zu verhindern.

Der füllige Mann, der aus Leeuwarden in den Niederlanden stammte, sah trotz seines enormen Körperumfangs aus wie ein unbedarfter kleiner Junge. Sein blondes Haar stand kurz und widerborstig auf einem mächtigen Schädel, wodurch der jungenhafte Eindruck noch verstärkt wurde.

Niemand war jemals in der Lage gewesen, sein Alter zu schätzen. Auch sah er keinen Grund, zu verraten, daß er fünfunddreißig Jahre alt war. Seine Leibesfülle ließ ihn älter erscheinen, während sein rosiges Gesicht das Gegenteil vermuten ließ.

Nur die listigen Augen Willem Tomdijks, die so schmutziggrau waren wie das Nordseewasser vor der Küste seiner Heimat, zeigten Menschenkennern etwas von seiner Raffinesse und Bauernschläue.

In El Triunfo hatten ihm diese Eigenschaften geholfen, den Posten des Bürgermeisters zu erlangen. Geschickt hatte er die Tatsache zu nutzen gewußt, daß er unter den rund fünfhundert Siedlern englischer und französischer Herkunft der einzige Holländer war.

Damit hatte er den Vorteil der Neutralität ausnutzen können.

Er hatte die rauhen und verwegenen Siedler an der Golfküste von Honduras nicht enttäuscht. Unter seiner Regie hatten sie es bereits zu bescheidenem Wohlstand gebracht, ehe die Spanier ihre Siedlung ausradierten.

Manon, die dunkelhaarige Wortführerin der Mädchen aus Paris, watete kurz entschlossen mit nackten Füßen ins seichte Uferwasser. Dann schürzte sie das einfache Leinenkleid, das ihren schlanken und wohlgeformten Körper umgab. Bereitwillig ließ sie sich von den Männern auf die Achterducht des Bootes helfen.

Ihr folgte Emile Boussac, der wieselflinke kleine Franzose aus Rouen, der sich unter Willem Tomdijks „Regierung“ emporgearbeitet und es bis zum erfolgreichen Schankwirt gebracht hatte. Seine Schenke, „La Mouche Espagnole“ genannt, war in El Triunfo zum blühenden Mittelpunkt aller Freizeitbeschäftigungen geworden.

Dorthin hatte er Manon und ihre Freundinnen bestellt, und dort hatten sie ein dankbares Betätigungsfeld finden sollen. Daß sie jetzt Tortuga als Ausweichquartier benutzen mußten, war für Emile Boussac eine schmerzliche Erfahrung.

Er hatte keine eigene Kneipe und mußte sich in dieser ungewissen Anfangszeit darauf beschränken, nach künftigen Geschäftsmöglichkeiten Ausschau zu halten. Die Mädchen hatten zwar genug zu tun, aber sie verdienten etwas Besseres als die lausige „Schildkröte“, in der dieser Bursche namens Diego seinen Fusel ausschenkte.

Die Black Queen und Caligula wurden von einem ihrer Posten alarmiert, als sich die tief im Wasser liegende Jolle schon auf halbem Weg zur „Caribian Queen“ befand.

Das Gelächter der Männer auf der Kuhl des Zweideckers war nicht zu überhören, und den Grund für die allgemeine Heiterkeit erkannten die Negerin und ihr Gefährte auch sofort, als sie ans Schanzkleid traten.

„O verdammt“, sagte Caligula und grinste.

„Was heißt das?“ fuhr ihn die Black Queen an. „Hast du etwa Angst vor diesen Schwachköpfen? Willst du dich wie eine Ratte verkriechen?“

„Das nicht. Aber du kennst unseren Freund Willem.“

„Ja, und? Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich ihn überhaupt an Bord lasse.“ Ein Gedanke durchfuhr die Queen, bei dem sie sich eines Lachens nicht erwehren konnte. Natürlich würde Willem niemals das Recht oder auch nur die Gelegenheit erhalten, die Laderäume und Kammern der „Caribian Queen“ zu durchstöbern. Andernfalls würde er wahrscheinlich Stielaugen kriegen, wenn er die Schatzkiste erblickte, die mit Gold, Silber und Juwelen gefüllt war.

Denn diese Kiste gehörte niemand anderem als Willem Tomdijk. In den Wirren des Geschehens um El Triunfo hatte die Black Queen die Kiste unbemerkt aus dem Keller der alten Missionskirche mitgehen lassen. Willem wußte nichts davon. Er glaubte, daß sein gehorteter Reichtum unter den Trümmern verschüttet und begraben wäre.

Caligula starrte seine Gefährtin an. „Überlege dir gut, was du tust. Der Dicke sieht zwar aus wie eine Witzfigur, aber er ist es nicht. Dreihundert Leute stehen hinter ihm, und er zieht sie jederzeit auf seine Seite, wenn er will.“

„Pah! Die wissen genau, daß sie auf mich angewiesen sind. Außerdem mußt du die Besatzungen der beiden Beutegaleonen abziehen. Die sind froh, daß sie solche schönen Schiffe unter den Füßen haben. So was geben die nicht auf. Die lassen sich nicht einfach von dem Freßsack herumkriegen.“

„Deine Rechnung stimmt nicht ganz“, widersprach Caligula, „wenn du Boussacs fünfzig Weiber mitrechnest, bist du wieder auf dreihundert. Du kannst es drehen und wenden, wie du willst.“

„Weiber!“ sagte die Queen schnaubend. „Die zählen überhaupt nicht.“

„Da hast du aber eine verdammt gute Meinung von deinesgleichen.“ Caligula grinste noch breiter. Im nächsten Moment, als er den durchbohrenden Blick seiner Gefährtin spürte, schwand sein Grinsen, und ein wohliger Schauer durchlief ihn.

„Meinesgleichen? Willst du allen Ernstes behaupten, daß sich eins von diesen käuflichen Miststücken mit mir vergleichen kann? In irgendeiner Beziehung?“ Die Stimme der Black Queen hatte sich zu einem dunklen, rauchigen Klang gesenkt, in ihren dunklen Augen lag all die Verlockung, die ihren Gefährten schon so oft um den Verstand gebracht hatte.

„Nein, nein“, stammelte er, „so habe ich das natürlich nicht gemeint. Ich – ich …“ Ihm versiegten die Worte, und er wünschte Willem Tomdijk und seine Begleiter zum Teufel.

Die verheißungsvollsten Momente ergaben sich eben immer zur unpassendsten Zeit. Ein Königreich hätte er dafür gegeben, jetzt mit der Queen allein sein zu können.

Unterdessen war die große Jolle längsseits gegangen.

„Bitten, an Bord kommen zu dürfen!“ dröhnte Willem Tomdijks Stimme herauf.

Die Black Queen wechselte einen Blick mit Caligula, und er nickte ihr aufmunternd zu. In dieser Situation behielt er den klareren Kopf, dessen war er sich bewußt. Wenn das Weibervolk miteinander zu tun hatte, dann war es nicht mehr zurechnungsfähig.

Die Black Queen seufzte, nickte und beugte sich über die Verschanzung.

„Genehmigt!“ rief sie und verlieh ihrer Stimme einen energischen, metallischen Klang.

Willem hatte den massigen Kopf in den Nacken gelegt und spähte zu ihr hoch, wie die anderen auch. Doch Willems Blick war nicht auf ihr Gesicht gerichtet, sondern auf ihre Brüste, die wie pralle dunkle Früchte über dem Schanzkleid ruhten. Nur mit Mühe riß er sich von diesem Anblick los.

„Dann laß den Bootsmannsstuhl runter, Madam. Ich will als erster an Bord sein. Manon und Emile haben nämlich Angst vor dir.“ Er lachte laut und schallend. Sein mächtiger Körper erinnerte dabei an ein Bergmassiv, das von einem Erdbeben durchgeschüttelt wurde.

Boussac und das Mädchen wollten etwas erwidern, aber Willem Tomdijk brachte sie mit einer energischen Handbewegung zum Schweigen.

Die Black Queen nickte ihm wortlos zu. Dann wandte sie sich den kichernden und glucksenden Kerlen auf der Kuhl ihres Zweideckers zu.

„Reißt euch zusammen!“ zischte sie. „Ich will kein blödes Grinsen sehen und kein albernes Lachen hören. Tomdijk ist ein wichtiger Mann, wir brauchen ihn auf unserer Seite. Wenn einer von euch nicht pariert, geht es ihm schlecht. Fiert jetzt den Bootsmannsstuhl ab und hievt den Fettsack an Bord.“

Die Galgenstricke, ausnahmslos dunkler Hautfarbe, wurden augenblicklich still. Sie beeilten sich, den Befehl ihrer Anführerin in die Tat umzusetzen. Jeder von ihnen wußte nur zu gut, was passierte, wenn die Black Queen in Rage geriet. Sie hatte in dieser Beziehung höllisch unangenehme Eigenheiten.

Minuten später schwebte Willem Tomdijk, von Tauen unter dem mächtigen Achtersteven getragen, über das Schanzkleid.

Manon und Emile Boussac, die das denkwürdige Geschehen beobachtet hatten, verließen die Jolle und enterten über die Jakobsleiter auf. Die Männer, die das Boot herübergepullt hatten, verharrten auf den Duchten.

Auf der Kuhl des Zweideckers befreiten die dunkelhäutigen Crew-Mitglieder den Ex-Bürgermeister von den Tauen des Bootsmannsstuhls.

Er wandte sich mit einem erleichterten Schnaufen um und ging der Black Queen und Caligula entgegen, die ihm beim Achterdecksniedergang erwarteten. Bei jedem Schritt wogten Willems Körpermassen, doch dabei wirkte er nicht schwerfällig. Seine Beine waren immerhin kräftig genug, um sein Gewicht zügig fortzubewegen.

Er trug ein kurzärmeliges Hemd mit weit offenstehendem Kragen. Die weite Hose hing von seinem Bauch abwärts wie ein Schlauch. Seine Füße steckten in bequemen Ledersandalen, die seinem Gang etwas Watschelndes verliehen.

Willems Gesichtshaut war leicht gerötet, auf seiner Stirn standen kleine Schweißperlen. Trotz der vielen Jahre, die er schon in der Karibik zugebracht hatte, konnte er sich noch immer nicht an das Klima gewöhnen.

„Seid mir gegrüßt“, sagte er mit einer ausladenden Handbewegung und blieb vor dem schwarzen Paar stehen. „Ich falle mit der Tür ins Haus. Kein langes Palaver. Einverstanden?“

„Ganz in meinem Sinn“, erwiderte die Black Queen und nickte.

„Es gibt da ein paar kleine Unstimmigkeiten“, entgegnete Willem, „aber ich denke, das ist wohl nur ein Mißverständnis. Das werden wir doch schnell aus der Welt räumen, wie?“

Boussac und seine dunkelhaarige Begleiterin waren durch die Pforte im Schanzkleid getreten und bauten sich neben ihrem ehemaligen Gemeindeoberhaupt auf.

„Kein Mißverständnis“, antwortete die Queen rauh. Sie schoß einen blitzenden Blick auf die Französin ab. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß Caligula meine Anweisung nicht deutlich genug weitergegeben hat.“

„Das hat er“, sagte Caligula grinsend und klopfte sich mit der flachen Hand auf den breiten Brustkasten. „Das hat er ganz gewiß.“

„Dann ist es tatsächlich wahr?“ rief Manon erbost. „Wir sollen eingepfercht werden wie Vieh? Niemals!“

Emile Boussac hob die Rechte mit einem Ruck. Seine Geste hatte etwas Theatralisches und sollte die flammende Leidenschaft ausdrücken, mit der er bereit war, für seine Mädchen einzutreten.

„Manon hat recht“, sagte er. Er wippte auf den Zehenspitzen und verriet dadurch seine innere Unruhe. „Eine solche Behandlung der Desmoiselles wäre wirklich unwürdig und unerhört. Außerdem habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden. Schließlich bin ich der Dienstherr der Damen. Ich denke nicht daran, den Verdienstausfall hinzunehmen, der dadurch entstehen würde, daß …“

Die Black Queen schnitt ihm das Wort ab. Ihre Stimme war wie ein Hieb.

„Unwürdig? Du wagst es, dieses Wort in den Mund zu nehmen? Wenn etwas unwürdig ist, dann das, wozu sich diese Flittchen hergeben. Fasele mir also nichts von Ehrgefühl oder ähnlichem Unsinn vor. Ich habe eine klare Anweisung gegeben, und die wird befolgt. Basta!“

„Zwingt uns nicht, Gewalt anzuwenden“, fügte Caligula hinzu. Sein Grinsen war geschwunden, sein Gesicht spiegelte jetzt jene eisige Härte, die schon manchen seiner Gegner das Fürchten gelehrt hatte.

„Vielleicht läßt man mich wenigstens ausreden!“ schrie Emile Boussac. Sein Gesicht lief rot an. Er wollte fortfahren, verstummte aber, als Willem Tomdijk ihm die schwere Hand auf die Schulter legte.

Statt dessen war es Manon, die sich nicht länger zurückhalten konnte.

„Das lasse ich mir nicht bieten!“ fauchte sie. „Niemand hat das Recht, meine Freundinnen und mich in den Dreck zu ziehen. Wir haben Paris nicht verlassen, um uns in der Neuen Welt knechten zu lassen. Man hat uns ein freies Leben versprochen, und darauf bestehen wir. Außerdem hat unser Beruf seine Berechtigung. Jeder vernünftige Mann wird das bestätigen. Und jemand, der so herumläuft wie du“, ihr Arm schnellte mit ausgestrecktem Zeigefinger vor und wies auf den blanken Busen der Queen, „sollte andere nicht als Flittchen bezeichnen!“

Die Augen der Schwarzen verengten sich.

Caligula tat nichts, um sie zu besänftigen, „Manon“, flüsterte Emile Boussac erschrocken, „reiß dich zusam…“ Die letzte Silbe blieb ihm im Hals stecken.

Mit einem pantherhaften Satz schnellte die Black Queen vor. Manon zuckte zusammen und konnte nicht mehr reagieren.

Ein brutaler Hieb traf die Französin ins Gesicht und schleuderte sie auf die Planken. Reglos blieb sie liegen.

Emile Boussac wirbelte herum und wollte ihr zu Hilfe eilen.

Doch die Black Queen war schneller, packte ihn mit beiden Fäusten am Kragen und zog ihn zu sich heran.

„Laß dir das eine Warnung sein“, sagte sie drohend. „Ich bin nicht gewohnt, meine Anweisungen zweimal zu geben. Es liegt einzig und allein an euch, ob die Sache schlimmere Folgen hat oder nicht. Bis Einbruch der Dunkelheit ist das gesamte Dirnenpack im eingezäunten Lager. Wenn nicht, geht es euch dreckig.“

Boussac versuchte vergeblich, sich aus dem eisenharten Griff der Negerin zu befreien. Im nächsten Moment stieß sie ihn mit einem Ruck von sich. Willem Tomdijk fing ihn mit seinen fleischigen Armen auf.

Sein Blick, aus nordsee-grauen Augen auf die Black Queen gerichtet, schien ausdruckslos. Niemand konnte erkennen, welche Gedanken sich hinter seiner Stirn bewegten, auch Caligula nicht, der das Geschehen mit verschränkten Armen beobachtete.

„Schert euch von Bord!“ befahl die Queen scharf. „Alle drei!“

Emile Boussac warf ihr einen wütenden Blick zu, sagte aber nichts. Er wandte sich ab und half Manon auf die Beine, die stöhnend wieder zu Bewußtsein gelangte. Dann stützte er sie auf dem Weg zur Pforte im Schanzkleid.

„Über so eine Behandlung sind wir natürlich nicht erfreut“, sagte Willem Tomdijk dröhnend und scheinbar völlig ruhig.

„Das interessiert mich einen Dreck“, entgegnete die Black Queen schroff.

„Die Anweisungen müssen eben befolgt werden“, sagte Caligula und bemühte sich, seinen Worten einen versöhnlichen Klang zu geben. „Daran führt nun mal kein Weg vorbei. Wenn wir einen Angriff auf Tortuga zu erwarten haben, müssen wir unseren eigenen Laden in Ordnung halten. Die Mädchen würden nur Unruhe stiften, solange der Tanz nicht vorbei ist. Wir brauchen aber alle verfügbaren Kräfte, um Tortuga gegen unsere Feinde zu verteidigen.“

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