Kitabı oku: «Seewölfe Paket 19», sayfa 27

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5.

Ungefähr zum gleichen Zeitpunkt landeten El Tiburon, Rosario, Fango, O’Toole und die sieben anderen Insassen der Pinasse nordwestlich von Punta Gorda in einer versteckten Bucht.

„Ein feiner Platz“, sagte Rosario. „Hier wird unseren Kahn keiner entdecken. Also los, lassen wir einen Mann zur Bewachung zurück und brechen wir auf nach Punta Gorda.“

„Nein“, sagte El Tiburon. „Ich gehe allein, Rosario. Ihr wartet hier auf mich. Nein, widersprich mir nicht. Ich will erst einmal die Lage sondieren.“

„So habe ich mir das aber nicht vorgestellt“, sagte Rosario.

O’Toole grinste. „Ich auch nicht. Ich hatte mich schon gefreut, mal den Busen der Black Queen ein bißchen anzufassen.“

„Und in Punta Gorda soll es auch einen guten Wein geben“, meinte Fango. Sein häßliches Gesicht war zu einer Grimasse verzerrt. „Nur der Wirt ist ein Schmierfink. Er heißt Manoleto.“

„Versucht nicht, mich zu beeinflussen“, sagte El Tiburon. „Ich brauche euch vor allem als Segelmannschaft.“

„So? Und ich dachte, wir seien Freunde“, sagte Rosario. „Wir gehen gemeinsam durch dick und dünn.“

„Gut, aber dann sind wir auch für deine Kameraden verantwortlich“, sagte El Tiburon. „Mit meinem Fischerkahn wäre ich nicht weit gelangt, ich habe die Pinasse also dringend gebraucht. Ich bin euch für eure Unterstützung dankbar. Aber denk mal einen Augenblick weiter, Rosario. Ich wäre ein Schweinehund, wenn ich euch leichtfertig einer Gefahr aussetzen würde.“

„Du spielst also wieder den einsamen Rächer?“

„Ja, Rosario, so ungefähr. Nur im äußersten Notfall dürft ihr in Punta Gorda auftauchen.“

„Das ist ein merkwürdiges Abkommen“, meinte Rosario. „Aber ich will dir die Sache nicht durch Kritik erschweren. Wenn du in zwölf Stunden nicht zurück bist und uns Bericht erstattest, sehen wir nach dem Rechten. Einverstanden?“

„Einverstanden.“ El Tiburon grinste hart. Sie gaben sich die Hand, dann sprang er an Land und verschwand im Dickicht.

Die Entfernung nach Punta Gorda betrug etwa drei Meilen, aber der Weg durch den Busch war nicht so beschwerlich wie an der Manzanillo-Bucht, wo das Gestrüpp und die Bäume sehr viel dichter zusammengewachsen waren. El Tiburon gelangte zügig voran und wußte, daß er Punta Gorda noch am frühen Nachmittag erreichen würde.

Männer wie Rosario und er brauchten keine Karten, um sich auf Hispaniola und dem Seegebiet um die Insel zurückzufinden. El Tiburon hatte die Gegend genau im Kopf, kannte die Entfernungen und wußte über jede Einzelheit Bescheid. Lange genug hatte er die Insel ausgekundschaftet. Er konnte sich auch noch gut an Punta Gorda erinnern, obwohl er seit knapp zwei Jahren nicht mehr dort gewesen war.

Zum erstenmal würde er nun der Black Queen gegenübertreten. Innerlich bereitete sich Joaquin auf alles vor. Er hatte sich zurechtgelegt, was er sagen würde und war auf jede Frage gefaßt. Er war ziemlich sicher, daß er sich nicht versprechen und verraten würde. Aber er mußte höllisch aufpassen. Wenn die Queen so gefährlich war, wie sie ihm beschrieben worden war, würde es nicht leicht sein, sie hinters Licht zu führen.

Genau das aber hatte El Tiburon vor. Würde es ihm gelingen oder hatte er sich zuviel vorgenommen? Der Seewolf hatte es schwer gehabt, den Verband der Queen zu zerschlagen. Schon viele Männer hatten sich an dieser Frau die Zähne ausgebissen.

Aber er, El Tiburon, konnte nicht nur gegen Haie kämpfen. Er hatte allein dem Busch getrotzt und die Selva und ihre Tücken besiegt. Er hatte viele Gefechte miterlebt und wußte sich unter Raubtieren zu bewegen, vierbeinigen und zweibeinigen. Was er sich in den Kopf setzte, das schaffte er in den meisten Fällen auch. Sein ganzer Stolz würde es sein, dem Seewolf zu begegnen und ihm von seinem Sieg über die Queen zu berichten.

Aber soweit war er noch nicht. Sein Fußmarsch erfuhr eine kurze Unterbrechung, als er auf eine Bucht unweit von Punta Gorda stieß, in der ein Schiff vor Anker lag. Vorsichtig schlich er sich an, so weit, daß er es aus einem Versteck im Dickicht beobachten konnte.

Unwillkürlich hielt er den Atem an. Kein Zweifel, nach den Beschreibungen, die er auf Tortuga vernommen hatte, handelte es sich um den Zweidecker der Black Queen. Oder irrte er sich? Der Name „Caribian Queen“ war nirgends zu erkennen, weder am Bug noch am Heck. Niemand war an Bord zu sehen. Er spähte durch seinen Kieker, entdeckte aber auch jetzt niemanden. Totenstille herrschte. Kein Boot lag am Ufer. Wenn die Mannschaft an Land gegangen war, dann hatte sie ihr Beiboot gut versteckt und entsprechend getarnt.

Er lohnte sich nicht, danach zu suchen. Die Idee, an Bord des dunklen, unheimlich wirkenden Schiffes zu entern, beschäftigte nur kurz El Tiburons Gedanken. Wahnsinn – was gewann er, wenn er den Versuch unternahm? Vielleicht lauerten an Bord Kerle, die nur darauf warteten, über einen ungebetenen Gast herzufallen. El Tiburon verwarf den Plan, kaum, daß er ihn gefaßt hatte.

Das Schiff schien ein drohender Bote des Unheils zu sein. Er tat nur gut daran, ihm vorläufig keine weitere Beachtung zu schenken. In Punta Gorda würde er mehr erfahren – vor allem, ob es sich tatsächlich um die „Caribian Queen“ handelte, wie er vermutete.

Einen richtigen Reim konnte er sich auf den Zweidecker also nicht bilden. Er wunderte sich nur, daß er hier vor Anker lag und nicht im Hafen von Punta Gorda.

Er setzte seinen Weg nach Punta Gorda fort und langte kurze Zeit später in dem kleinen Hafen an. Hier herrschte ein reges, buntes Treiben. Die Ankunft des schlanken, dunkelhaarigen Mannes schien überhaupt nicht aufzufallen. Dennoch hatte er den Eindruck, daß ihn hier und dort Augen aufmerksam musterten. Ein bulliger Kerl zum Beispiel, der mit drei anderen an den Piers herumlungerte, schickte ihm einen Blick zu, der nicht auf Freundlichkeit schließen ließ.

Dieser Mann – so sollte El Tiburon noch erfahren – war Lee Crapper, und bei ihm waren Larsky, T-Bone und Norimbergo. Sie waren Bukanier, aber nicht von der Sorte wie Rosario und Joaquin Solimonte. Sie waren aus schlechtem Holz geschnitzt und spielten mit dem Gedanken, bei der Black Queen anzuheuern – die Frau war ganz nach ihrem derben Geschmack.

El Tiburon tat so, als bemerke er die Blicke nicht. Unbeirrt steuerte er auf sein Ziel zu, die Hafenkneipe „El Escarabajo“. Er betrat sie durch den Perlenschnurvorhang der Rundbogentür und blieb stehen. Seine Augen mußten sich erst an das Halbdunkel gewöhnen, er war vom draußen herrschenden Sonnenlicht wie geblendet.

Manoleto, der Wirt, nahm einen schmutzstarrenden Lappen zur Hand und bewegte ihn mit aufreizender Langsamkeit über die Holzplatte der Theke, die auch energischen Reinigungsversuchen erfolgreich standgehalten hatte. Immer wenn ein Fremder die Spelunke betrat, widmete sich Manoleto dieser sinnbildlichen Tätigkeit, aber nicht einmal er selbst wußte, welchen Zweck das hatte. Seine flinken kleinen Rattenaugen waren auf El Tiburon gerichtet, der jetzt auf die Theke zuschritt.

El Tiburon legte die Hände auf die Platte, zog sie aber rasch wieder zurück. Das Holz war klebrig, man hatte unwillkürlich das Gefühl, daran haften zu bleiben. Alles schien außerordentlich schmierig zu sein.

Der Wirt selbst war eine der dreckigsten Ratten, die er je gesehen hatte. Er konnte sich nicht entsinnen, ob dieser Mann schon in Punta Gorda gewesen war, als er vor zwei Jahren hier eingekehrt war. Vielleicht hatte die Kneipe damals auch einen anderen Namen gehabt. Jetzt hieß sie treffend „Der Käfer“. Von Kakerlaken und Schaben, Wanzen und Läusen schien es nur so zu wimmeln.

„Was darf’s sein?“ fragte Manoleto in der ihm eigenen unterwürfigen Art. „Wenn man von so weit herkommt, hat man sicher großen Durst. Ich habe guten Rotwein, aber auch einen feinen Weißwein. Der löscht den Durst noch besser.“

„Weißwein ist richtig für mich“, sagte El Tiburon. „Aber sehe ich so aus, als hätte ich eine lange Reise hinter mir? Woran erkennt man das?“

„Ach, ich habe das nur so dahingesagt“, erwiderte Manoleto ausweichend. Er holte einen Krug, füllte einen Becher randvoll und schob ihn El Tiburon zu, aber dieser deutete auf einen zweiten Becher.

„Schenk dir selbst auch ein“, sagte er. „Ich gebe einen für dich aus.“ Er kostete von dem Wein, obwohl er skeptisch war. Erstaunlicherweise schmeckte er aber doch sehr gut, wie Manoleto versichert hatte.

Manoleto fühlte sich geschmeichelt. Er trank und gab ein genüßliches Schmatzen von sich, als er den Becher wieder absetzte.

„Es geschieht nicht oft, daß ein Fremder etwas für mich spendiert“, sagte er. „Schönen Dank, Amigo. Ich heiße Manoleto.“

„Und ich Joaquin Solimonte. Ein Fischerboot hat mich in der Nähe abgesetzt, die Leute haben mich freundlicherweise von Tortuga mitgenommen.“

„Tortuga, so, so. Und was führt dich her? Brauchst du was? Eine Frau? Proviant, Wasser, Wein, eine Pistole oder einen Säbel?“

El Tiburon lachte. „Nichts von alledem. Eigentlich suche ich nur jemanden, mit dem ich ein vertrauliches Gespräch führen kann.“

Manoleto war hellhörig geworden. „Da bist du bei mir genau an der richtigen Adresse. Ich kann schweigen wie ein Grab. Ist jemand hinter dir her?“

„Auch das nicht. Gilbert Sarraux und Joao Nazario schicken mich als Boten.“ El Tiburon beugte sich vor und senkte die Stimme, als er dies sagte. Er hatte eine Verschwörermiene aufgesetzt und war sicher, die Neugier des schmierigen Kerls geweckt zu haben. „Du kennst die beiden doch, oder?“

„Natürlich, sie stammen ja aus Punta Gorda. Ich meine, sie leben schon seit einiger Zeit hier. Bist du – ihr Freund?“

„So ist es.“

„Feine Kerle, die beiden.“ Manoleto seufzte. „Solche Männer hat man gern um sich herum, man kann sich auf sie verlassen. Willst du noch einen Schluck Wein?“

„Ja.“ El Tiburon sah zu, wie der Kerl seinen Becher füllte und bedeutete ihm, sich selbst auch wieder zu bedienen. Es bereitete ihm Spaß, ihn ein wenig auf die Folter zu spannen.

„Welche Nachricht haben Sarraux und Nazario denn für mich?“ fragte Manoleto, der vor Ungeduld ganz zappelig wurde. „Eigentlich wundert es mich, daß sie sich an mich wenden.“

„Sie stecken in der Klemme – bis zum Hals.“

„Wie kann ich ihnen helfen?“

„Mir ist daran gelegen, ein Treffen mit der Black Queen zu vereinbaren“, erwiderte El Tiburon. „Ich soll ihr erste geheime Nachrichten übermitteln.“

„Die Black Queen? Wer ist denn das? Ich hab noch nie was von der gehört.“

El Tiburon grinste. „Klar. Und du weißt von nichts und niemandem, oder?“

„Erraten. Du scheinst ein kluger Mann zu sein.“ Manoleto mußte ebenfalls grinsen. Er trank geräuschvoll. „Ich möchte keine Schwierigkeiten haben, verstehst du?“

„Dafür habe ich volles Verständnis. Aber denk mal darüber nach, ob du die Black Queen irgendwie benachrichtigen kannst. Ich weiß nämlich, daß sie hier ist. Wenn mich nicht alles täuscht, habe ich sogar ihr Schiff gesehen.“

„Ich habe keine Ahnung, von was du sprichst.“

„Schon gut, ich will dich nicht drängen“, sagte El Tiburon. „Aber überlege es dir. Es wird nicht zu deinem Nachteil sein. Die Queen ist dir für deinen Hinweis bestimmt dankbar. Hör zu: Morgen um die gleiche Zeit bin ich wieder hier. Wenn die Queen Interesse an meiner Botschaft hat, kann sie entweder selbst zur Stelle sein oder einen Boten schicken.“

„Ich verspreche dir gar nichts, Joaquin.“ Manoletos Gesicht nahm einen traurigen, fast weinerlichen Ausdruck an. „So ist das in meinem Beruf. Man glaubt, etwas für seine Mitmenschen tun zu können, aber oft steht man selbst hilflos da und beschränkt sich darauf, Wein auszuschenken.“

„Sicher.“ El Tiburon klopfte ihm mitfühlend auf die Schulter, dann zahlte er seine Zeche. „Irgendwie bin ich davon überzeugt, daß meine Botschaft die Queen erreicht“, sagte er, bevor er „El Escarabajo“ verließ.

Er kehrte zum Ankerplatz der Pinasse zurück, legte unterwegs aber mehrfach Pausen ein, um sich zu vergewissern, daß ihm niemand folgte. Sein Argwohn schien aber unbegründet zu sein. Niemand war ihm auf den Fersen. Unbehelligt erreichte er Rosario und die anderen, die es sich an Bord der Pinasse gemütlich gemacht hatten und eine Flasche Rum kreisen ließen.

„Hallo!“ stieß Rosario überrascht hervor. „So früh hatten wir dich gar nicht zurückerwartet. Hat das große Treffen mit der Black Queen schon stattgefunden?“

„Nein“, entgegnete El Tiburon. Dann berichtete er über seine Unterhaltung mit Manoleto in „El Escarabajo.“

„Ja, Manoleto“, sagte Fango. „Das ist eine ganz üble Ratte. Nimm dich vor dem Hund in acht, El Tiburon. Er ist gerissen und verschlagen – und schwatzhaft obendrein.“

„Eben. Dann habe ich mich also an den richtigen Mann gewandt.“ El Tiburon lachte, wurde aber rasch wieder ernst.

Er begann, sich auf seine Zusammenkunft mit der Queen vorzubereiten. Rosario bot ihm Waffen aus seinen Beständen an, und El Tiburon suchte sich ein Messer mit handtellerbreiter Klinge und einen Radschloßdrehling aus, den die Verbündeten vor einiger Zeit einem Spanier abgenommen hatten.

„Mit dem Mehrschüsser habe ich schon manchen guten Treffer gelandet“, sagte Rosario. „Du wirst deine Freude daran haben.“

El Tiburon drehte die Waffentrommel und spannte probeweise den Hahn. Der Drehling war bestens geölt und lag gut in der Hand. El Tiburon legte ihn beiseite und nahm die Flasche entgegen. Er prostete seinen Begleitern zu, trank und dachte an seine Rache.

6.

Früher oder später, so rechnete Hasard sich schon seit einiger Zeit aus, mußte es wieder einen Zusammenstoß mit den Spaniern geben. Fort St. Augustine, Pirates’ Cove, Pensacola, die Mündung des Mississippi, der Lake Pontchartrain und schließlich Vera Cruz – alle diese Geschehnisse waren auf der Seite des Gegners natürlich nicht in Vergessenheit geraten. Die Spanier sannen auf Rache, überall konnte man auf ihre Kriegsgaleonen treffen.

Das Unvermeidliche nahm seinen Lauf, als die „Isabella IX.“ und die „Le Vengeur III.“ auf Südostkurs in Richtung Punta Gorda segelnd in der Höhe der Silver Bank zwei spanischen Kriegsgaleonen begegneten, die sich offensichtlich auf Patrouillenfahrt befanden.

Bill, der sich zu diesem Zeitpunkt auf Ausguckposten befand, sichtete die Schiffe rechtzeitig genug vom Großmars der „Isabella“ aus. Sofort gab der Seewolf den Befehl, das Schiff klar zum Gefecht zu rüsten. Auch Jean Ribault schickte seine Männer an die Kanonen.

Von nun an wurden die Spanier von beiden Schiffen aus scharf beobachtet. Die Kriegsgaleonen segelten mit raumem Wind auf westlichen Kurs, ihre Kapitäne schienen nicht daran zu denken, die Richtung zu wechseln. Ihre Toppgasten hatten die „Isabella“ und die „Le Vengeur“ natürlich auch längst entdeckt, und aus dem Auf und Ab an Deck war zu schließen, daß die Mannschaften ebenfalls ihre Gefechtsstationen besetzten. Im stumpfen Winkel bewegten sich die beiden feindlichen Gruppen aufeinander zu. Der Wind wehte frisch aus Nordosten und war somit sowohl für die „Isabella“ und ihren Begleiter als auch für die Spanier günstig.

„Die Dons fühlen sich stark“, sagte Hasard zu Ben Brighton, Shane, Ferris Tucker und Old O’Flynn, die sich auf dem Achterdeck der „Isabella IX.“ um ihn versammelt hatten. „Und wahrscheinlich haben sie uns identifiziert.“

„Spanier luven an!“ rief Bill aus dem Großmars. „Die erste Galeone hat zwanzig, die zweite sechzehn Kanonen!“

„Zwei Strich Backbord!“ schrie Hasard. „Wir luven ebenfalls an! Er versucht, die Luvposition zu gewinnen, aber das lassen wir nicht zu!“

„Zwei Strich Backbord!“ bestätigte Nils Larsen, der zur Zeit das Ruder führte. „Neuer Kurs liegt an, Sir!“

„Das Feuer in den Becken schüren!“ brüllte auf dem Hauptdeck Carberry. „Klar bei Lunten, Männer, es gibt Zunder! Zeigen wir dem Don, was wir von ihm halten!“

Die Stückpforten der „Isabella“ wurden hochgezogen, die Geschütze ausgerannt. Jean Ribault war mit der „Le Vengeur III.“ gleichfalls gefechtsbereit und hielt sich eine Kabellänge schräg Backbord achteraus. Gespannt verfolgten die Männer auf beiden Schiffen, was weiter an Bord der beiden Kriegsgaleonen geschah.

Die Entfernung war zusammengeschrumpft, beide Gegner waren nahezu auf Schußweite aneinander heran. Hasard versuchte, durch sein Spektiv die Namen der Schiffe zu erkennen. Die Führungsgaleone, soviel fand er heraus, hieß „San Francisco“. Der Name des anderen Schiffes war nicht festzustellen.

Eiskalt ließ Hasard den Gegner aufsegeln und wartete ab. Die Schußentfernung war jetzt erreicht. Hasard war an einer Auseinandersetzung nicht gelegen, er verlor dadurch nur Zeit. Aber ausweichen konnte und wollte er nicht. Somit hatte er nur die eine Wahl. Er mußte dem Schicksal seinen Lauf lassen.

Eine Rauchwolke puffte von der „San Francisco“ in den Nachmittagshimmel hoch, aus einem der Buggeschütze hatte sich ein Schuß gelöst. Jetzt rollte auch der Donner heran, und wenig später landete die Kugel – Siebzehnpfünder- oder vielleicht sogar Zwanzigpfünderkaliber – vor der „Isabella“ im Wasser. Eine imposante Wasserfontäne stieg aus der See auf. Sie schien für einen Atemzug stillzustehen, dann fiel sie rauschend wieder in sich zusammen.

„Das war die Herausforderung“, sagte Hasard. „Wir nehmen sie an. Weiter anluven! Wir gehen fast in den Wind, und wenn es nötig ist, gehen wir über Stag! Versuchen wir, ihn von Luv zu fassen zu kriegen!“

Kaum zeigte die „Isabella“ Anstalten, in den Wind zu drehen, reagierte der Kapitän der „San Francisco“. Auch er luvte weiter an, geriet dabei aber ins Hintertreffen. Seine Galeone war etwas schwerfälliger als die „Isabella“.

Hasard ging mit seinem Schiff tatsächlich durch den Wind und ließ aus der anschließenden Wende heraus die Steuerbordkanonen zünden, als der Zeitpunkt günstig war. Donnernd entließen die Rohre ihre Ladungen, die Feuerzungen blitzten vor den Mündungen auf. Eine volle Breitseite raste zum Spanier hinüber. Hasard hatte sich entschlossen, sofort alle Register zu ziehen.

Die „Le Vengeur III.“ lief unterdessen in Lee an der „Isabella“ vorbei und griff die zweite Kriegsgaleone in einem tollkühnen Ausfall an. Es war ein riskantes Unternehmen, den Feind von Lee anzugehen, aber Ribault wagte es, weil er wußte, daß der Spanier nicht damit rechnete.

Auch die Kanonen der „Le Vengeur“ krachten und donnerten, eine halbe Backbordbreitseite hagelte auf die zweite Kriegsgaleone ein. Deren Kapitän brüllte: „Feuer!“ Zur selben Zeit feuerte auch die „San Francisco“.

Das Donnern und Grollen der Geschütze war ohrenbetäubend. Fetter schwarzer Rauch stieg auf und bewegte sich zwischen den Schiffen. Das Inferno hatte begonnen, der Ausgang der Schlacht war ungewiß, denn das Kräfteverhältnis war zwischen den beiden Gegnern gleich verteilt.

Der Seewolf war mit der „Isabella“ über Stag gegangen, ließ vom Wind abfallen und brachte die Geschütze der Backbordseite in Schußposition. Noch eine volle Breitseite flog dem Spanier um die Ohren, ehe er selbst zum Zug kam – der „San Francisco“ knickte es dieses Mal den Bugspriet weg, und auch der Großmast schien getroffen zu sein. In der Galion der Kriegsgaleone klafften zwei Löcher, das Schanzkleid des Hauptdecks hatte mehrere Schäden.

Die „Isabella“ indes war noch einigermaßen glimpflich aus dem Beschuß der „San Francisco“ hervorgegangen, ihr hatte es nur einen Teil des Quarterdeckschanzkleides wegrasiert. Sonst gab es nur kleinere Schäden. Beispielsweise fehlte plötzlich der Rauchabzug der Kombüse, der auf der Back montiert war. Es hatte ihn weggefegt, er war im Wasser gelandet.

Gary Andrews hatte einen Kratzer am Arm, ein durch die Luft wirbelnder Splitter hatte ihn getroffen. Aber der Kutscher war bereits zur Stelle und verarztete ihn.

„Nicht der Rede wert“, sagte Gary. „Da sind wir schon ganz andere Sachen gewohnt, was, Kutscher?“

„Richtig. Man soll aber den Tag nicht vor dem Abend loben.“

„Shane! Batuti!“ brüllte Carberry, der soeben einen neuen Befehl von Hasard entgegengenommen hatte. „Los jetzt mit den Brand- und Pulverpfeilen!“

Big Old Shane hatte längst den Großmars geentert und lauerte neben Bill, der ihm beim Anzünden der Pfeile half. Der Gambia-Mann hatte den Platz im Vormars eingenommen, und bei ihm war Philip junior. Der größeren Schnelligkeit wegen hatte der Seewolf bestimmt, daß beide Schützen einen Helfer haben sollten. Und so begann ein Hagel von Pfeilen aus den Toppen der „Isabella“ zum Feind hinüberzufliegen, Brand- und pulvergefüllte Pfeile abwechselnd, die sich in der Takelage der „San Francisco“ verfingen oder zischend und fauchend in die Decks bohrten.

Als der erste Pulverpfeil auf dem Hauptdeck der Kriegsgaleone explodierte, bewies das Geschrei der Spanier, daß sie aus der Fassung geraten waren. Es herrschte Wuhling – Hasard konnte es durch die zusammen- und wieder auseinanderfließenden Rauchschwaden beobachten.

„Ferris!“ schrie er. „Höllenflaschen – Feuer!“

Ferris Tucker glich einem rußverschmierten, grinsenden Teufel. Er hockte neben seiner Abschußvorrichtung und zündete die Lunte der Flaschenbombe, die bereits in der Pfanne der Schleuder lag. Nur kurz überprüfte er die Zielrichtung und den Wurfwinkel, dann löste er die Arretierung. Der Hebelarm ruckte hoch, die Flasche segelte zum Gegner hinüber und landete auf seinem Achterdeck.

Drüben schrie der Kapitän Zeter und Mordio. Die Höllenflasche polterte neben ihm auf die Planken, aber sie zerbrach nicht, denn sie bestand aus dickwandigem, widerstandsfähigem Glas. Sie rollte von Backbord nach Steuerbord.

Aus geweiteten Augen starrte der Kapitän auf die zischende Lunte, dann reagierte er. Er wollte sich auf die Flasche stürzen und sie außenbords befördern, aber es war schon zu spät. Sie prallte gegen das Schanzkleid und ging im selben Augenblick in die Luft.

Wie von einer unsichtbaren Faust getroffen, flog der Kapitän der „San Francisco“ zurück und landete an der Heckreling. Hier brach er zusammen. Er blutete aus mehreren Wunden, Scherben der zerfetzten Flasche hatten ihn getroffen. Er stöhnte und wand sich, aber es war niemand zur Stelle, der ihm helfen konnte.

Sowohl die Offiziere auf dem Achterdeck als auch Seeleute und Seesoldaten, hatten alle Hände voll zu tun. Tote lagen auf den Planken und behinderten die Männer, die die überall aufkeimenden Brände zu löschen versuchten. Verletzte wälzten sich auf den Decks, das Geschrei nahm immer mehr zu.

Das totale Chaos ließ sich nicht mehr aufhalten. Die „San Francisco“ trieb brennend und steuerlos in der See. Der Rudergänger war durch die Explosion der Flaschenbombe tödlich getroffen, und niemand dachte daran, das Ruder zu übernehmen. Der Kapitän hätte es getan, wenn er nicht selbst verwundet gewesen wäre. Er schaffte es jedoch nicht, sich wieder aufzurappeln. Er schrie, brüllte und erteilte Befehle, die nicht ausgeführt wurden – es nutzte alles nichts mehr.

Ferris Tucker wollte noch eine zweite Höllenflasche auf die „San Francisco“ schleudern, aber der Seewolf hielt ihn durch eine Geste zurück.

„Die Galeone sinkt!“ rief er. „Eine unserer Kugeln muß sie unter der Wasserlinie erwischt haben!“

In der Tat – die „San Francisco“ hatte zu krängen begonnen. Der Neigungswinkel nach Backbord nahm immer mehr zu, es war offensichtlich, daß sie Wasser zog, und zwar ziemlich schnell. Die bedrohliche Schräglage erhöhte die Panik und die Wuhling, und plötzlich war es soweit: erste Gestalten sprangen vom Hauptdeck ins Wasser und tauchten unter.

„Rette sich, wer kann“, sagte Ben Brighton. „Sie geben ihr Schiff auf.“

„Was einen denn ja auch freut“, sagte Old O’Flynn. „Aber wir sollten uns verholen, der brennende Kahn hält dummerweise genau auf uns zu.“

Hasard hatte es bereits erkannt. Er ließ die Marssegel, die er im Gefecht kurzfristig ins Gei hatte hängen lassen, wieder setzen, und die frische Brise, die nun raumschots einfiel, trieb die „Isabella“ zügig voran, fort aus dem Bereich der inzwischen lichterloh brennenden spanischen Galeone.

Jean Ribault und seine Männer beschossen mit ihren Kanonen unterdessen immer noch die zweite Galeone. Ribault schlich wie ein Wolf um das Schiff herum. Er hatte seinen Vorteil entdeckt und nutzte ihn aus: Die „Le Vengeur III.“ war schneller und wendiger als der Spanier. Zwar hatte auch Ribault einige Treffer hinnehmen müssen, aber die „Le Vengeur“ war bei weitem noch nicht so arg ramponiert wie der Gegner.

„Santa Barbara“ hieß diese Galeone, wie Ribault inzwischen festgestellt hatte. Ihr Kapitän schien nicht ganz so verwegen zu sein wie sein Landsmann von der „San Francisco“. Seinen gebrüllten Befehlen entnahm Ribault, daß er sich liebend gern aus dem Gefecht zurückgezogen hätte.

„Grand Couteau!“ schrie Ribault seinem Ausguck im Großmars zu. „Signalisiere zur ‚Isabella‘! Der Don will aufgeben!“

„Aye, Sir!“ Grand Couteau führte den Befehl unverzüglich aus. Hasard nahm die Meldung von Bill entgegen und faßte seinen Entschluß. Der Spanier hatte den Kampf gewollt, aber es war nicht fair, ein Massaker anzurichten.

„Kurs Süden!“ rief Hasard. „Wir ziehen uns zurück!“

„Kurs Süden liegt an, Sir!“ brüllte Nils Larsen.

„Abfallen vom Wind!“ schrie auch Jean Ribault. „Der Don hat das Feuer eingestellt!“

Beide Schiffe entfernten sich vom Schauplatz des Gefechts. Die Männer richteten ihr Hauptaugenmerk auf die „San Francisco“, die inzwischen mit erheblichem Tiefgang und großer Schlagseite brennend dahintrieb. Der Kapitän sprang als letzter ins Wasser. Er war zwar verletzt, aber er konnte noch schwimmen, und das war sein Glück. Zurück an Bord des Schiffes blieben nur die Toten und die Sterbenden.

Eine Explosion besiegelte das Schicksal der „San Francisco“. Das Feuer hatte die Pulverdepots erreicht, die Heftigkeit der Detonation war entsprechend. Himmelan stob die Stichflamme, mächtige Rauchwolken quollen auf und breiteten sich nach allen Seiten aus. Ein urweltlicher Donner rollte über die See, begleitet von einer Druckwelle, die in die Segel der Schiffe griff.

Dann verschwand die „San Francisco“ für ewige Zeiten. Die Explosion hatte sie in zwei Teile zerrissen, Vor- und Achterschiff versanken in den Fluten.

Die Überlebenden schwammen zur „Santa Barbara“. Deren Kapitän hatte inzwischen das Beiboot abfieren lassen, und eine Crew von vier Mann pullte zu den Schiffbrüchigen. Sie wurden übergenommen und so rasch wie möglich an Bord der Galeone befördert – bevor die Haie erschienen.

Für kurze Zeit drehten die „Isabella“ und die „Le Vengeur“ noch bei und blieben mit aufgegeiten Segeln liegen. Hasard und Ribault verhielten sich abwartend. Sollte es dem Spanier einfallen, die Verfolgung aufzunehmen, mußten sie vorbereitet sein. Die Gefechtsstationen blieben vorsichtshalber besetzt. Die Kanonen waren bereits neu geladen.

Aber die „Santa Barbara“ segelte mit Kurs Westen davon, kaum, daß die Schiffbrüchigen geborgen und an Bord gebracht worden waren. Die Spanier hatten genug damit zu tun, ihre Verletzten zu behandeln und die Schäden zu beheben. Nach einer Fortsetzung des Gefechts stand ihnen nicht der Sinn.

„Aus gutem Grund“, sagte Ben Brighton. „Der Don weiß, daß er keine Chance mehr gegen uns hat.“

„Ich frage mich, woher die beiden Kriegsgaleonen kommen“, sagte der Seewolf. „Vielleicht sind sie in Havanna stationiert. Die Kapitäne werden der Admiralität einen Bericht erstatten, und vielleicht läuft bald ein Verband aus, der uns suchen soll.“

„Mit anderen Worten, die Situation wird langsam brenzlig“, sagte Ferris Tucker und wischte sich Ruß aus dem Gesicht. „Ich kann nur hoffen, daß wir mit der Black Queen fertig sind, bevor die Spanier eine großangelegte Hetzjagd auf uns veranstalten.“

„Ja“, erklärte Old O’Flynn mit grimmiger, verkniffener Miene. „Aber du hast trotzdem ein sonniges Gemüt, Mister Tucker. Wer sagt dir denn, daß wir die Queen überhaupt erwischen?“

„Mein Verstand“, erwiderte Ferris und grinste. „Oder kannst du mir mal verraten, weswegen wir sonst nach Punta Gorda unterwegs sind?“

„Der Himmel erhalte dir deinen Scharfsinn“, sagte der Alte bissig. Dann zog er es vor, zu schweigen. Seine düsteren Prophezeiungen stießen ja sowieso kaum auf Gehör.

Hasard signalisierte zu Jean Ribault und erkundigte sich; ob es an Bord der „Le Vengeur III.“ Verluste gegeben hätte.

Ribault segelte auf Rufweite heran und schrie: „Wir haben nur drei Männer, die ein paar Kratzer abgekriegt haben! Nichts Ernstes! Voll manövrierfähig sind wir auch!“

„Dann segeln wir sofort weiter!“ rief der Seewolf.

Auf beiden Schiffen wurden alle Segel gesetzt. Sie liefen nach Südosten ab, Kurs auf Punta Gorda lag wieder an. Die Nacht kroch mit schwarzen Schatten über die See, aber die Windverhältnisse blieben weiterhin günstig, und es gab keine Vorboten einer Wetterverschlechterung. Der Seewolf und Jean Ribault hatten allen Grund zu der Annahme, daß sie Hispaniola am nächsten Tag ohne weitere Schwierigkeiten erreichen würden.

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