Kitabı oku: «Seewölfe Paket 20», sayfa 26
5.
In dieser Nacht ging es in Santiago de Cuba hoch her. Der Stadtkommandant hatte die Schiffsführungen der sechs auf Reede liegenden Galeonen zu einem rauschenden Fest eingeladen.
Im Kastell des Kommandanten vergnügten sich die Señores lautstark bei Wein und Rum und liederlichen Frauenzimmern. Das Gegröle, Gekicher und Geschrei war bis zum Hafen zu hören, und mitunter drang von der Fröhlichkeit auch etwas bis zur Reede vor.
Die an Bord zurückgebliebenen Mannschaften waren jedoch weit davon entfernt, fröhlich zu sein. Sie hatten noch kein Bein an Land setzen dürfen und waren dementsprechend sauer, zumal sie immer wieder das Geschrei hörten. Die feinen Señores waren an Land und feierten, während die Hands gefälligst an Bord zu bleiben hatten.
Dementsprechend faul und lustlos wurde der Wachdienst durchgeführt. Nach der langen Reise mit Vorgesetzten, die sie vorn und hinten piesackten, hatten sie vorerst genug von der Seefahrt und wollten an Land, was ihnen jedoch ausnahmslos verwehrt worden war.
Jetzt rächten sie sich auf ihre Weise, indem sie den Dienstbetrieb nur lax und widerwillig ausführten.
Auf einer Galeone waren die Kerle am Würfeln und kümmerten sich den Teufel darum, was draußen vorging.
Auf zwei anderen Schiffen pennten die Ankerwachen oder dösten vor sich hin. Was sollte auch schon passieren! Da riß sich keiner mehr ein Bein aus. Für wen denn, für die vornehmen Señores etwa, die jetzt soffen, sich vollstopften und der Liebe frönten?
Der Neid auf die Schiffsführungen war nicht zu übersehen, und so wurde eben der Dienst vernachlässigt, um den Señores ein klein wenig eins auszuwischen.
Hasard und seine Männer wußten davon nichts, als sie sich vorsichtig an die Reede heranpirschten. Zwar ging es am Hafen und in dessen unmittelbarer Nähe etwas laut zu, aber das war keineswegs ungewöhnlich. Das Treiben in den Häfen hielt immer lange an.
Der Wind hatte noch einmal leicht gedreht und wehte jetzt handig aus Osten. Am Hafen waren ein paar Lichter zu erkennen. Auf den Decks der Galeonen brannten nur noch die Ankerlaternen. Zum Glück war es wieder so dunkel, daß man nur schemenhaft die Konturen der einzelnen Schiffe sah.
Sie pullten so leise, wie es nur ging, und sie pullten langsam, um nicht durch das Schäumen kleiner Bugwellen verraten zu werden.
Hasard deutete schweigend auf eine Galeone, die am weitesten westlich lag. Er wußte nicht, ob Dan O’Flynn die Bewegung seiner Hand sah, doch Dans Adleraugen hatten die Geste mitgekriegt. Sie war ihm nicht entgangen, und so wechselte seine Jolle etwas den Kurs.
Dan musterte aus scharfen Augen ebenfalls die Schiffe. Auf einer der Galeonen erkannte er einen Mann, doch der starrte stur in die Richtung des Hafens und malte sich im Geist wohl aus, was ihm dort alles entging. Nicht ein einziges Mal wandte der Kerl den Kopf.
Die Galeone, die sie zum Ausnehmen ausersehen hatten, war noch voll beladen. Von den Ankerwachen war keiner zu sehen. Vielleicht halten sie gerade ihr Nickerchen, dachte Dan.
Jetzt kam der kritische Augenblick, als sie sich von achtern langsam heranschoben. Wenn jetzt zufällig einer seinen Schädel über Bord streckte, würde gleich darauf der Teufel los sein.
Hasard sah gespannt auf das Schanzkleid. Doch dahinter rührte sich nichts. Etwas seltsam fand er das schon, denn bei den Dons setzte es drakonische Strafen, wenn sie nicht auf ihrem Posten waren.
Einen Augenblick zögerte er. Hatten die Dons sie bemerkt und eine Falle gebaut, in die sie ahnungslos hineinstolperten?
Nein, es war niemand zu sehen. Aus dem Bauch der Galeone war sogar ein leises Schnarchen zu hören. In irgendeiner der Kammern des Achterschiffes schlief jemand.
Es wurde kein Wort gesprochen. Jeder wußte, was er zu tun hatte, jedem fiel eine ganz bestimmte Aufgabe zu.
Direkt unter dem Heck der Galeone war das Schnarchen noch deutlicher zu hören. Einmal setzte es aus, der Schläfer wälzte sich wohl auf die andere Seite, dann ging es wieder los.
Dein Schlaf wird bald beendet sein, dachte Hasard.
Er stützte die Hände an die Bordwand und drückte die Jolle so weit ab, daß keine Berührung stattfand. Da das Schiff tief beladen im Wasser hing, war das Aufentern kein Problem. Carberry bückte sich, faltete die Hände, ließ Hasard hinauftreten und hievte ihn so nach oben.
Alles war lautlos vonstatten gegangen. Kein einziger Ton hatte sie bisher verraten.
Gerade als Hasard an Deck war, hörte er Stimmen. Sie drangen aus der Kuhl aufs Achterdeck, wo sich offenbar die beiden Ankerwachen zu einem Schwätzchen gefunden hatten.
Er blieb stehen und lauschte, ließ aber trotzdem in aller Ruhe das Tau hinunter, an dem die anderen aufentern konnten. Das Tau belegte er an einer hölzernen Klampe.
„… immer der gleiche Scheiß“, hörte er auf Spanisch. „Die ehrenwerten Großkotze werden eingeladen, fressen und saufen und spielen mit den Weibern rum, als ob sie nicht schon während der ganzen Reise immer nur vom Besten und Feinsten gefressen und gesoffen hätten. Uns behandelt man wie Dreck, wir dürfen nicht mal an Land.“
„Und die Dreckarbeit verrichten wir auch“, sagte eine zweite Stimme gehässig. „Mich kotzt das alles an. Wenn ich morgen nicht an Land kann, dann verschwinde ich.“
Neben Hasard tauchte lautlos der Profos auf. Auch er hörte die Unterhaltung der beiden Wächter und grinste. Das waren ja recht aufrührerische Reden, die die beiden da führten. Sie redeten sich so in Eifer, daß sie ihre Umwelt total vergaßen.
Das Bild, das sie den Lauschern vermittelten, war recht drastisch. Sie ließen nichts aus, zogen über ihre verdammten Vorgesetzen her und fluchten, weil die jetzt an Land hockten – und sie nicht. Dann bedachten sie die ehrenwerten Señores mit allerlei Unflätigkeiten und wünschten ihnen die Pest an den Hals.
Weitere Männer tauchten auf und lauschten grinsend über die Sorgen der Spanier, die nicht an Land durften.
Hasard konnte sich mühelos zusammenreimen, was hier los war. Offenbar befand sich die Schiffsführung geschlossen an Land und gab sich dort der Völlerei hin. Vielleicht hatte der Hafenkommandant die Offiziere zu einem Fest eingeladen. Ob das nur auf diese Galeone zutraf, erfuhr er aus der Unterhaltung allerdings nicht.
Lautlos schlichen sie weiter, immer noch ungesehen. Da stieß einer der Kolberger an die Nagelbank und blieb wie erstarrt stehen. Den Fluch verbiß er gerade noch rechtzeitig.
„Was war das?“ fragte einer der Kerle.
„Der Großmast vielleicht, der knackt öfter mal. Mann, wenn man jetzt an Land sein könnte! Da hat’s doch jede Menge liebliche Señoritas, und denen würde ich es schon zeigen.“
Damit war sein Traum vorerst ausgeträumt, denn jetzt kriegte er es einmal gezeigt.
Hasard war wie der Blitz über ihm, während sich Dan O’Flynn auf den anderen Mann stürzte.
Der Don sah nur noch etwas Schwarzes vor sich aufwachsen, dann traf ihn ein Jagdhieb an der Schläfe, und die Welt versank in schwarzer Stille.
O’Flynns Hieb fällte den anderen Mann. Dan fing ihn auf und legte ihn vorsichtig auf die Planken.
Weitere Männer waren nicht an Deck, wie Hasard nach einem weiteren Blick feststellte.
„Nach vorn, Dan“, raunte der Seewolf. „Besetzt das Logis. Ich werde mich inzwischen auf dem Achterdeck umsehen. Aber leise, damit keiner der Schläfer geweckt wird.“
„Aye, Sir“, flüsterte Dan. Mit einer Handbewegung dirigierte er die Männer nach vorn. Hasard und Ferris Tucker gingen nach achtern. Der Profos schloß sich ihnen grinsend an.
Im Achterdeck orientierten sie sich nach den Geräuschen des Mannes, der immer noch schnarchte und von der Aktion nichts mitgekriegt hatte. Vor dem Schott blieben sie stehen. Unter einer Ritze drang ein schwacher Lichtschimmer hervor.
Hasard drückte gegen das Schott und trat ein. Eine trübe Funzel hing von einem Deckenbalken, die schwaches Licht verbreitete. Der Docht war heruntergedreht worden.
In der Koje lag ein dunkelhaariger Mann, der sein leises Schnarchen nicht ein einziges Mal unterbrach. Er lag mit offenem Mund auf dem Rücken.
Der Profos wollte schon ausholen, um ihm den Jagdhieb zu verpassen, doch Hasard hielt ihn zurück.
„Den brauchen wir noch, Ed. Der muß nachher ein paar warme Empfehlungen an die Mannschaft geben.“
„Schade“, murmelte Ed. „Na, dann wecken wir ihn eben.“
Hasard tippte dem Schläfer nachdrücklich mit dem Zeigefinger auf die Brust. Abrupt brach das Schnarchen ab. Der Spanier fuhr schlaftrunken hoch und sah sich verständnislos um.
Sein Mund schloß sich, während seine dunklen Augen immer größer und entsetzter wurden.
Was er sah, lähmte ihn. Da war eine riesige zernarbte Visage mit einem gewaltigen Kinn, und die grinste so herausfordernd, daß ihm himmelangst wurde. Aber da war auch noch ein Radschloßdrehling, der genau auf seinen Kopf zielte und den ein schwarzhaariger Kerl mit eisblauen Augen ruhig in der Hand hielt.
Der Blick des Spaniers wanderte erschrocken weiter. Der dritte im Bunde war ein Klotz von einem Kerl mit feuerroten Haaren. In seiner Pranke lag sehr locker ein scharfes Entermesser.
Er sah wieder Carberry an und schluckte hart. Dieses Narbengesicht mit dem fürchterlichen Grinsen erschreckte ihn am meisten. Der Kerl sah aus, als ob er morgens zum Frühstück eine geladene Drehbasse fraß.
Er wollte etwas sagen, traute sich aber nicht, denn die Blicke der drei Männer waren kalt und unfreundlich. So blieb er starr vor Entsetzen auf seiner Koje hocken.
„Ganz ruhig“, sagte Hasard leise. „Wenn Sie schreien oder brüllen, war es das letzte Mal in Ihrem Leben. Wer sind Sie?“
Dem Mann fiel das Sprechen unendlich schwer. Hasard sah, daß seine Hände zitterten. Aber er gehorchte, er schluckte nur und sagte: „Pa… Pablo Allonso.“
„Offizier?“ fragte Hasard.
„Steu… Steuermann, äh. Vertretung der – äh – Offiziere.“
„Kein einziger Offizier an Bord?“
„Nein“, würgte der Mann hervor.
„Auf den anderen Galeonen auch nicht?“
„Nein, die Schiffsführungen sind an Land.“
„Was tun sie dort?“
„Der Hafenkommandant gibt einen Empfang.“
„Also wird es noch eine Weile dauern, bis sie zurückkehren. Wie heißt das Schiff?“
„Diese Galeone heißt ‚Carmencita‘, die anderen …“
„Interessiert mich nicht. Wieviel Mann Besatzung?“
„Zur Zeit vierzehn Leute“, sagte Allonso wie erschlagen.
Hasard und der Profos wechselten einen Blick.
„Du willst uns wohl verkohlen, du Würstchen“, sagte der Profos mit drohender Stimme.
„Nein, nein, wir sind wirklich nur vierzehn Mann. Wir hatten noch sechsunddreißig Seesoldaten an Bord. Aber die sind heute mittag an Land gegangen. Darf ich fragen, ob …“
Hasard unterbrach ihn mit einer unwirschen Handbewegung. Daß der Radschloßdrehling dabei genau zwischen Allonsos Augen zielte, war ein Zufall, rief bei dem entsetzten Don aber einen sofortigen Schweißausbruch hervor.
„Sie dürfen gar nichts fragen. Die Fragen stellen wir. Sie werden sich jetzt anziehen und uns nach vorn folgen. Dort werden Sie der Mannschaft erklären, daß jeder Widerstand sinnlos ist. Die Galeone ist von zwei Dutzend Leuten besetzt. Es liegt an Ihnen, ob sie sich friedlich ergeben, oder ob sie Widerstand leisten. Im letzten Fall wird hier an Bord eine Menge Blut fließen.“
„Und unser guter Pablo ist dann der erste, der über die Klinge springen wird“, setzte der Profos hinzu. „Und jetzt hoch mit dir und keinen Mucks, sonst holt euch alle der Teufel.“
Allonso kletterte furchtsam aus der Koje, vermied jedes Geräusch und griff nach seiner Hose. Dann warf er sich ein Hemd über die Schultern und strich fahrig mit der Hand über die Haare. Er zitterte immer noch am ganzen Körper und warf hin und wieder einen furchtsamen Blick auf den Kerl mit der zernarbten Visage.
Es war ihm einfach unbegreiflich, wie es den Kerlen gelungen war, unbemerkt aufzuentern. Vielleicht blufften sie auch nur und waren zu dritt, statt zwei Dutzend. Wenn das der Fall war, wollte er versuchen, sie vielleicht doch noch zu überrumpeln.
Aber es war kein Bluff, wie er an Deck zu seinem Entsetzen feststellen mußte. Das Mannschaftslogis war von dunklen Gestalten umstellt, die ihn schweigend musterten. Erst jetzt wußte er mit Sicherheit, daß er nicht mehr die geringste Chance hatte.
Die Pistole des Schwarzhaarigen drückte jetzt hart in sein Kreuz.
„Ganz ruhig bleiben“, vernahm er hinter sich die leise Stimme.
Er blieb ganz ruhig, obwohl er keine Ahnung hatte, was die Kerle hier an Bord wollten. Er begriff das einfach nicht.
„Schott öffnen!“ befahl der Schwarzhaarige flüsternd.
Allonso öffnete lautlos das Schott zum Logis. Ebenso lautlos bewegte er sich ein paar ausgetretene Stiegen nach unten.
Auch hier brannte ganz schwach eine Lampe. Die Kojen an den Wänden sehen wie Schweinekoben aus, dachte Hasard. Sie waren dreifach übereinander gebaut. Hier drängte sich alles auf qualvoller Enge dicht zusammen. Dementsprechend dick war die Luft.
Hinter Hasard und dem Profos drängten weitere Arwenacks hinein, alle mit Waffen oder Messern in den Fäusten.
Zwei Schläfer erwachten gleichzeitig und fuhren hoch. Einer öffnete den Mund, doch da war Carberry schon heran und schlug kurz und trocken einmal zu. Der Schläfer sank mit einem Seufzen auf die Koje zurück.
Andere Männer erwachten, sahen sich verblüfft um und wußten nicht, wie sie sich verhalten sollten.
„Ganz ruhig“, wiederholte Hasard, „wer einen Muckser von sich gibt, wird es nicht überleben. Sagen Sie den Kerlen ein paar ermunternde Worte, Allonso, und denken Sie daran, daß wir bewaffnet sind.“
Die Dons verhielten sich erstaunlich still. Sie waren so überrumpelt worden, daß sie keine Gegenwehr wagten. Zudem sprachen die Waffen der Männer eine deutliche Sprache.
„Bleibt wirklich ganz ruhig“, sagte der Steuermann gepreßt. „Jeder Widerstand ist zwecklos. Es sind zwei Dutzend Männer an Bord, die das Schiff geentert haben. Sie scheinen zu allem entschlossen zu sein.“
„Das scheint nicht nur so, das ist wirklich der Fall“, sagte Ferris Tucker. „Ihr könnt es haben, wie ihr wollt. Entweder haltet ihr das Maul, dann passiert euch nichts, oder ihr schreit.“
„Dann passiert euch was“, sagte der Profos. „Dann zieh ich euch die Haut in Streifen von euren spanischen Affenärschen ab.“
Diese Drohung ließ die Männer hart schlucken. Dem Kerl mit dem Narbengesicht war auf Anhieb alles zuzutrauen. Der nahm auch kein Blatt vor den Mund und verkündete gleich den Weltuntergang.
„Was passiert mit uns?“ fragte einer der Dons leise.
„Wenn ihr euch ruhig verhaltet, passiert euch nichts“, versprach der Seewolf. „Keinem von euch wird auch nur ein Haar gekrümmt. Es liegt also ganz allein bei euch.“
„Ich verspreche, daß die Männer sich ruhig verhalten werden“, sagte der Steuermann. „Wir haben nichts getan und auch kein schlechtes Gewissen. Wir werden kein Risiko eingehen.“
„Habt ihr achtern und vorn ein Kabelgatt?“ fragte Hasard.
„Ja, achtern und vorn.“
„Sehr gut, dann wird es auch nicht so eng werden. Nimm dir sieben Mann und sperr sie achtern ein, Ed. Ferris schnappt sich den Rest und bringt ihn nach vorn ins Kabelgatt. Und vergeßt nicht die beiden Kerle, die noch an Deck liegen.“
Einem mußten sie erneut verklaren, wo die Glocken hingen. Das war der Don, den der Profos ins Land der Träume geschickt hatte. Der Kerl wollte partout nicht einsehen, weshalb er nicht in der Koje bleiben durfte. Er war durch den Hieb noch ein wenig benommen.
Allonso, redete beschwörend und befehlend auf ihn ein. Doch der Don blieb bockig, bis Carberry den Kopf schüttelte.
„Das muß man ihm in den Schädel hämmern“, erklärte er. Als er zuschlug, wichen die anderen Spanier entsetzt zurück. Der Don segelte in seine Koje zurück und blieb liegen.
„Knebelt den Kerl, falls er später schreien will“, sagte Hasard. „Sie sind mir dafür verantwortlich, Allonso. Und jetzt ab mit euch!“
Der bewußtlose Don wurde gefesselt und geknebelt, bis er sich nicht mehr rühren konnte.
„Zieht jetzt endlich eure verdammten Kürbishosen an!“ schnauzte Ed. „Wir sind nicht zum Spaß hier.“
Immer wenn der Profos etwas sagte, kam Bewegung in die Männer. Vor Carberry hatten sie das große Zittern gekriegt, weil der sofort rigoros zulangte, wenn ihm etwas nicht paßte.
Die Dons wurden unter Bewachung an Deck gebracht. Dann wurden die beiden bewußtlosen Ankerwachen eingesammelt und ins Kabelgatt verfrachtet. Bevor Carberry das Schott verriegelte, sah er die zitternden Kerle noch einmal an. Er brauchte keinen Ton zu sagen, denn sein Gesicht drückte alles aus. Ein paar Kerle schlossen entsetzt die Augen und wünschten den Narbenmann insgeheim auf den Mond.
Mit den anderen wurde genauso verfahren. Allonso mußte mit sechs anderen nach achtern ins Kabelgatt. Dort war es auch nicht viel enger als in dem muffigen Logis.
Als die Dons verfrachtet waren, blickte Hasard zu den fünf anderen Galeonen hinüber. Vom Hafen drang immer noch Geschrei herüber, aber auf den Schiffen rührte sich nichts. Alles war von den dösenden Spaniern unbemerkt abgelaufen.
Wenn die ehrenwerten Señores von ihrer Feier zurückkehren, dachte Hasard belustigt, dann gibt es mit Sicherheit ein paar recht dümmliche Gesichter.
Aber noch waren sie nicht weg. Es bestand immer noch die Gefahr der Entdeckung.
„Immer geduckt bleiben“, sagte Hasard. „Wir können durch einen dämlichen Zufall entdeckt werden. Pete, du gehst ans Ruder. Smoky wird die Ankertrosse kappen, und dann driften wir langsam westwärts. Wenn wir weit genug fort sind, setzen wir ein paar Segel und verschwinden.“
Carberry kriegte sich kaum noch ein. Er grinste immer wieder und rieb sich die mächtigen Pranken.
„Ein satter Fang ist das, Sir. Das Schiffchen ist bis an die Halskrause mit allem beladen, was wir brauchen.“
„Ja, das ist eine feine Ladung. Aber jetzt ans Werk. Noch haben wir es nicht geschafft.“
Die „Carmencita“ hatte nur einen Anker gesetzt.
Smoky nahm sein Entermesser und säbelte die Trosse durch. Mit einem kaum hörbaren Zischen glitt sie ins Meer.
Der Ostwind begann langsam auf die Schiffsmasse zu wirken. Die Männer hockten an Deck und blickten zu den anderen Galeonen hinüber, auf denen sich immer noch nichts rührte.
„Scheint so, als würden sie nichts merken“, sagte Stenmark. „Die pennen alle, die Kerle. Das wird später ein gewaltiges Donnerwetter für die Dons geben.“
Matt Davies drehte versonnen seine Hakenprothese um, damit Stenmark sich nicht aus Versehen draufsetzte. Der Haken war spitz zugeschliffen, und den Schrei hätte der Schwede wohl kaum unterdrücken können.
„Die werden das nicht glauben“, sagte er grinsend. „Und weil sie bestimmt alle besoffen sind, blicken sie nicht mehr durch.“
„Schade, daß man die Gesichter dieser Stiesel dann nicht sehen kann.“
Sie malten sich die Überraschung bei den Dons gründlich aus, rissen ihre Witze darüber und lachten verhalten.
Der Ostwind drückte weiter. Eine halbe Kabellänge war die „Carmencita“ bereits nach Westen gedriftet, und noch immer rührte sich auf den anderen Galeonen nichts.
Einmal ging Blacky nachsehen, ob die beiden Boote auch gut vertäut waren. Dann warteten sie wieder, bis der Wind sie immer weiter westwärts schob.
Pete Ballie stand am Ruder, neben ihm Hasard und Dan. Ferris und der Profos hockten auf den Planken und stierten in die Nacht.
Aus dem achteren Kabelgatt drang kein Muckser an Deck. Die eingesperrten Dons verhielten sich absolut ruhig. Auch aus dem vorderen Kabelgatt war nichts zu hören.
Für die Kerle mußte es nervenzermürbend sein, denn sie wußten nicht, was mit ihnen geschah. Über ihnen an Deck war es still, bis auf das gelegentliche Scharren von Füßen oder ein geflüstertes Wort.
„Eigentlich“, sagte Ed zu Hasard, „sollten wir die Dons später nicht so untätig herumsitzen lassen. Das sind immerhin vierzehn Hands, die wir gut beim Umstauen gebrauchen können.“
„Ich weiß nicht recht“, sagte Hasard. „Die müssen nicht unbedingt alles sehen. Wenn sie nichts sehen, können sie auch nichts über uns erzählen.“
„Die haben uns doch sowieso schon auf Reede gesehen. Vierzehn Hands, Sir! Mit denen ersparen wir uns eine Menge Zeit und Arbeit. Die Kerle werden froh sein, daß wir ihnen nicht die Ohren abreißen.“
„Hm, wäre vielleicht doch zu überlegen“, murmelte Hasard.
Der Profos war von dem Gedanken ganz begeistert.
„Erst klauen wir ihnen das Schiff“, sagte er, „dann schnappen wir ihnen die Ladung weg, und dann müssen sie das auch noch selbst umladen. Da ist dann alles komplett, Sir. Warum sind sie auch so dämlich und lassen sich den Kahn von der Reede klauen.“
„Das ist vielleicht eine Logik.“
„Und was geschieht später mit der Galeone?“
„Weiß ich noch nicht. Das ist jetzt auch nicht wichtig. Vielleicht versenken wir sie in der Bucht. Das werde ich mir noch überlegen.“
Inzwischen betrug die Versetzung von den anderen Schiffen schon mehr als eine Kabellänge. Schwerfällig bewegte sich die „Carmencita“ immer weiter von der Reede weg.
„Ein feines Schiffchen“, spann der Profos seinen Faden weiter. „Man sollte sich nicht nur mit der Ladung begnügen, Sir.“
„Sondern?“
„Wir sollten sie richtig ausnehmen. Da gibt es doch allerlei Werkzeug an Bord, Segeltuch, Spieren, und was man alles noch so auf der Schlangen-Insel brauchen kann. Sonst müssen wir das teure Zeugs kaufen, und hier brauchen wir nur zuzulangen. Die Dons haben ja sicherlich auch noch Proviant an Bord. Vielleicht gibt’s in dem einen oder anderen Schapp noch ein knackiges Wässerchen. Die ehrenwerten Señores vom Achterdeck haben doch meist das Feinste an Bord. Soll ich gleich mal ein wenig rumstieren?“
„Um knackige Wässerchen zu entkorken, was? Das hat Zeit bis später.“
„Ich dachte ja nur, Sir“, versicherte der Profos treuherzig, „weil wir hier ja tatenlos rumhocken. Aber meine Idee ist doch nicht schlecht, was, wie?“
„Nein, sie ist nicht schlecht, sie ist sogar prächtig. Aber alles zu seiner Zeit, Ed.“
„Himmel, die Kerle schlafen doch tatsächlich alle“, sagte Dan, als die Entfernung noch größer wurde. „Sie haben immer noch nichts bemerkt.“
Fassungslos über diese Schlamperei schüttelte er den Kopf.
Pete Ballie blickte aufmerksam zur Reede.
Vorher hatten sie sich einfach vom Ostwind treiben lassen, jetzt konnte er das etwas gezielter tun und langsam Kurs anlegen.
„Soll ich Gegenruder Steuerbord geben, Sir?“ fragte er. „Bis der schwerfällige Kahn ohne Segel dem Druck gehorcht, vergeht noch eine Weile.“
„Ja, tu das. Wir können es jetzt riskieren.“
Pete Ballie gab langsam Gegenruder, um den Bug der Galeone nach Backbord zu drehen und damit allmählich auf Westkurs zu bringen.
Die „Carmencita“ brauchte dazu eine ganze Weile.
Es verging nochmals mehr als eine halbe Stunde, bis die Schiffe auf der Reede von Santiago de Cuba allmählich kleiner wurden. Vom Hafenlärm war längst nichts mehr zu hören. Man konnte sich jetzt ganz normal unterhalten, die Entfernung war groß genug.
Schließlich verschwand der Einblick in den Hafen. Drei von den fünf ankernden Galeonen waren ebenfalls nicht mehr zu sehen. Hasard hielt den Zeitpunkt jetzt für günstig, die Segel zu setzen.
„Setzt nur das Focksegel und den Besan. Das genügt.“
Die Arwenacks und Kolberger gingen grinsend und händereibend ans Werk und setzten Fock und Besan.
Das schwerbeladene Schiff nahm etwas mehr Fahrt auf und segelte dicht unter der Küste weiter, dem Versteck entgegen.
„Alles hat prächtig geklappt“, sagte Dan. „Hervorragend! Die Dons werden das vielleicht erst gegen Morgen merken.“
„Wir schicken nachher zwei Ausgucks in die Felsen, um die Reede beobachten zu lassen“, sagte Hasard. „Dann sind wir immer informiert, was im und um den Hafen abläuft.“
Etwas später tauchte die schmale Einfahrt auf. Noch im Windschatten der Felsen ließ Hasard die Segel wegnehmen, weil die schwere Galeone viel Vortrieb hatte.
„Wir gehen bei der ‚Caribian Queen‘ längsseits, Pete“, sagte Hasard, „und fangen auch sofort mit dem Umladen an. Inzwischen können die Dons dann ihre Galeone suchen.“
Pete Ballie brachte die „Carmencita“ geschickt und mit sicherer Hand durch die Einfahrt. Er legte schon Hartruder Steuerbord, als die Galeone die letzten Yards vor dem Knick erreichte. Etwas schwerfällig schwang sie herum und glitt in die Bucht. Danach ging sie bei dem düsteren Zweidecker längsseits und wurde vertäut.
Hanno Harms und Gary Andrews wurden dazu bestimmt, in den Felsen Ausguck zu halten. Sie nahmen die kleine Jolle, pullten zu der Steilwand hinüber und stiegen etwas später auf einem halsbrecherischen Pfad nach oben.
Von dort aus konnten sie ganz Santiago de Cuba überblicken, ohne selbst gesehen zu werden.
Renke Eggens hatte mit den an Bord verbliebenen Männern und Hasards Söhnen bereits die Laderäume aufgedeckt, in der sicheren Annahme, daß das Unternehmen gelang. Da war er sehr optimistisch gewesen.
„Dann wollen wir mal sehen, was das Schiffchen geladen hat“, sagte Carberry. Er war mit Feuereifer bei der Sache, genau wie die anderen auch, die es kaum erwarten konnten.
Die Vorarbeit hatten bereits die Spanier geleistet. Verschalkung und Persenning waren bereits abgedeckt, es brauchten nur noch die hölzernen Luken abgenommen zu werden.
Das war ein Werk von wenigen Minuten, denn alle Hände griffen zu.
Lampen wurden entzündet, dann lag die ganze Pracht vor ihren staunenden Augen.
Kanonenrohre waren säuberlich festgezurrt. Eisenkugeln steckten in Racks. Pulverfässer gab es so viele, daß man die Zahl nur grob überschlagen konnte. Es war das, was sie schon auf der Reede durch das Spektiv gesehen hatten, nämlich Kriegsgüter vom Kanonenrohr bis zum Ansetzer und Wischer.
Shane öffnete probeweise ein Faß und griff hinein.
„Bleib mir bloß mit der Lampe vom Leib“, knurrte er Luke Morgan an. „Das ist alles Schießpulver, das kann man auch in der Dunkelheit fühlen. Wenn da ein Fünkchen hineinfliegt, dann treten wir eine Reise an, die noch höher als bis in den Himmel geht. Dann krachen dir hier die Felsen auf die Birne, Mister Morgan.“
„Weiß ich selbst“, brummte Luke, „ich wollte ja auch nur aus der Ferne leuchten.“
Das Faß wurde wieder sorgfältig verschlossen. Dann interessierten sie sich für die Geschützrohre.
„Verflucht schwere Dinger“, sagte Ed, „da sollten wir doch lieber unsere neugewonnenen Freunde zu Hilfe holen.“
„Ihr werdet euch die ganze Nacht um die Ohren schlagen müssen“, sagte Hasard, „da ist es nur recht und billig, wenn der Kutscher etwas zu essen vorbereitet. Das muß aber nebenbei gehen und sollte mit einem kräftigen Schluck Rum runtergespült werden.“
Das hörten sie alle gern, ein kleiner Schluck bei schwerer Arbeit konnte nie schaden.
Inzwischen sperrte Carberry auf Hasards Erlaubnis das Schott zum Kabelgatt auf und leuchtete mit der Lampe hinein.
„Hört zu, ihr Affenärsche“, sagte er. „Wir haben euch kein Haar gekrümmt, wie versprochen. Aber dafür werdet ihr jetzt ein bißchen was tun und eure müden Knochen hochpurren.“ Drohend fügte er hinzu: „Sollte aber einer von euch keine Lust zum Arbeiten haben, dann braucht er mir das nur zu sagen, was, wie? Wir werden dann in aller Freundschaft ausführlich darüber reden.“
Als die Dons das Narbengesicht sahen, verzichteten sie liebend gern auf freundschaftliche Unterhaltungen. Wie die ausgingen, hatte der narbige Riese ja bereits gezeigt.
„Wollt ihr nun, oder wollt ihr nicht?“ fragte er unfreundlich.
Sie wollten. Sie drängten geradezu aus dem Kabelgatt und standen verblüfft an Deck. Als sie sich umsahen, erkannten sie nur hohe Steilwände und eine Bucht, in der drei Schiffe lagen, die „Carmencita“ mit eingeschlossen.
„Was soll denn gearbeitet werden?“ fragte einer.
„Aus dieser Frage spricht der rechte Geist“, lobte Ed. „Ich werde euch das gern erklären. Wir brauchen das, was ihr in euren Laderäumen habt. Deshalb haben wir eure Galeone vorübergehend ausgeliehen. Ihr werdet jetzt kräftig mithelfen, das Zeug von eurem Schiff auf unser Schiff zu stauen. Wer gut zulangt, kriegt zu essen und zu trinken. Wer faulenzt, wird an die Rah gehängt. Wer sehr eifrig mithilft, ist bei mir gut angesehen, und das ist doch was, oder?“
Ja, das war was. Sie brachen zwar nicht in Begeisterungsschreie aus, aber sie hatten auch keine Lust, an der Rah zu baumeln, denn das hatte der Narbenmann offenbar mit den Faulenzern vor.
„Wo sind wir denn hier?“ fragte einer scheu.
„Im Vorhof zur Hölle“, sagte Ed. „Und nun frisch und munter ans Werk, damit ihr bei mir gut angesehen seid.“
Verschüchtert, verstört und entnervt enterten die Dons gehorsam in die Räume ab, wo Ferris ihnen Arbeit zuwies. Keiner protestierte. Sie wunderten sich sogar, daß sie eine Muck Rum kriegten und später auch etwas zu essen. Nur wenn sie den Profos sahen, dann bückten sie sich und arbeiteten noch schneller.
Carberry holte auch die anderen Dons aus dem Kabelgatt und hielt ihnen einen ähnlichen Vortrag. Auch hier widersprach niemand, denn solange sie gehorchten, tat ihnen keiner etwas. Und gehorchen hatten sie mehr als zur Genüge gelernt. Bei ihnen an Bord ging es viel ruppiger zu.
Der Steuermann Allonso hatte sich wieder gefaßt. Er sah eine Menge Scherereien voraus, wenn das hier alles erledigt war und sie wieder zurückkehren konnten – wie auch immer.
Aber er traute sich nicht, aufzumucken. Wir sind Piraten in die Hände gefallen, dachte er. Die hatten es fertig gebracht, ihnen von der Reede das Schiff zu klauen. Jetzt plünderten sie es aus. Damit es später jedoch keine Zeugen gab, würde man sie umbringen. Nur merkwürdig, überlegte er, daß sie vorher noch reichlich zu essen kriegten. Und mit dem Rum ließen sich die Kerle auch nicht lumpen. Recht eigenartige Piraten waren das. Allonso war schon einmal von Piraten geschnappt worden, doch das waren dreckige unrasierte Kerle gewesen, die wahllos auf alle eindroschen und vor keinem Mord zurückschreckten.