Kitabı oku: «Seewölfe Paket 21», sayfa 14
„Ich lasse dich hängen!“ brüllte Don Antonio, und sein Gesicht war unter den letzten Puderresten wieder so rot, als sei er einem Schlaganfall bedenklich nahe.
„Leider haben Sie dazu weder das Recht noch die Befugnis“, sagte Almenara und trachtete wieder mit Konzentration danach, das „Ding“ zu packen.
„Mörder!“
„Eigentlich können Sie noch zufrieden sein, Señor“, sagte Almenara. „Die Untersuchung hat ergeben, daß weitere hochempfindliche Körperteile unversehrt geblieben sind. Darüber sollten Sie dankbar sein. Es geht nicht immer so glimpflich ab, wie Sie denken. Ich habe da beispielsweise mal einen unter dem Messer gehabt, der seiner Mannesehre beraubt worden war. Soll ich Ihnen mal genau schildern, wie …“
„Aufhören!“ kreischte der Dicke.
„Womit? Mit dem Erzählen oder mit der Behandlung?“ fragte Almenara so freundlich wie möglich. Die Sanitätsgasten mußten dabei an sich halten, um nicht laut herauszuplatzen.
„Mit beidem!“ stieß Don Antonio entnervt und gequält hervor. „Du willst mich foltern, du Drecksack!“
„Ach, es ist wirklich traurig, daß Sie so etwas sagen“, brummte Almenara und setzte sein Werk ungerührt fort. „Aber so ist die Welt. Undankbar und grausam. Wer was Gutes tut, kriegt auch noch einen Tritt.“
„Gnade!“ jammerte Don Antonio. „Erbarmen!“ Er versuchte, zu zappeln und mit den Beinen zu strampeln, aber die Sanitätsgasten waren kräftige, große Kerle, die es verstanden, zuzupacken. Sie hielten ihn fest und blickten grinsend zu dem Profos, der soeben das Schiffslazarett betrat.
Almenara wandte nicht den Kopf, er war zu beschäftigt. Wieder schnappte er mit der Pinzette zu – und im selben Augenblick entfuhr Don Antonio de Quintanillas Kehle ein gurgelnder Schrei, der mit einem pfeifenden Keuchen endete. Dann trat Ruhe ein, und der Fettberg schien wie zusammenfallende Hefe zu erschlaffen.
„Was ist los?“ fragte Almenara, ohne aufzusehen.
„Er ist ohnmächtig“, erwiderte ein Sanitätsgast.
„Schade“, brummte der Profos. „Ich wollte ihm gerade das Maul stopfen.“
„Der Ärmste ist keine Schmerzen gewohnt“, sagte Almenara mit einem Seufzer. Er kniff erneut zu, konnte den Splitter fassen und zog ihn mit einem energischen Ruck heraus. „Hier, da haben wir ihn. Na, wie haben wir das gemacht?“
„Großartig“, sagte der Profos. „Aber es ging viel zu schnell.“
„Er ist ja sowieso bewußtlos.“
„Ich habe noch nie eine größere Memme gesehen“, sagte der Profos und blickte in einer Mischung aus Ekel und Verachtung auf den reglos daliegenden Gouverneur. „Und so was hat in Havanna den Befehl? Männer, ich kann das einfach nicht begreifen.“
„Es gibt viele Dinge im Himmel und auf Erden, die für uns unergründlich sind“, sagte Almenara und richtete sich lächelnd auf. „Aber es ist auch nicht unsere Aufgabe, darüber nachzusinnen. Es bringt uns wenig ein, glaube es mir.“
„Ja, du mit deinen klugen Sprüchen“, sagte der Profos. „Ich weiß, du hast uns einiges voraus. Aber das eine versichere ich dir: Keiner würde dem Schwein eine Träne nachweinen, wenn es verschwinden würde.“
„Verschwinden?“ Almenara blickte sich nach allen Seiten um, als schmiedeten sie gerade ein Komplott und er habe Angst, belauscht zu werden. „Oh, sag so was nicht. Wir sind nicht seine Richter.“
„Leider. Aber ich hätte ihn gern neben diesem Gomez Guevara baumeln sehen.“
„Wir auch“, sagten die Sanitätsgasten wie aus einem Mund.
„Der Kerl muß als Gouverneur abgesetzt werden“, sagte der Profos. „Sonst bringt er uns alle noch in Teufels Küche.“
„Falls wir jemals nach Havanna zurückkehren“, sagte Almenara. Er war jetzt sehr ernst. „Aber darauf würde ich nicht unbedingt bauen.“ Er gab seinen Helfern einen Wink. „Bringt den Señor jetzt weg. Wir haben schon viel zuviel Zeit für ihn verwendet. Ich will jetzt wieder die Verletzten untersuchen. Wie geht es dem Compadre, der das Auge verloren hat?“
„Ich habe ihn weinen sehen“, entgegnete der Profos mit gedämpfter Stimme. „Aber es hat nur kurze Zeit gedauert. Jetzt ist er schon wieder auf seinem Posten und klart mit den anderen die Back auf. Solche Männer sind für mich tausendmal mehr wert als dieses feige Schwein Don Antonio.“
„Für mich auch“, sagte Almenara. „Und je mehr von ihnen ich vor dem Tod bewahren kann, desto stolzer bin ich auf meine Arbeit.“ Er griff nach der Flasche Grappa. Eine Stärkung konnten sie jetzt gebrauchen.
Die Unterredung auf dem Achterdeck der „San José“ fand unterdessen ihren Abschluß. Don Garcia Cubera hatte sich wieder seinen Kapitänen, den Schaluppenführern und den Offizieren zugewandt, und letzte Details des geplanten Landemanövers auf der Schlangen-Insel wurden durchgesprochen.
5.
Schnell hatte man sich über Don Garcia Cuberas Vorschlag geeinigt, zumal keiner der Männer an der Richtigkeit dessen zweifelte, was der Verbandsführer plante. Auch nach den erlittenen Niederlagen war seine Position nach wie vor fest und unverrückbar. Die Disziplin der Männer hatte nicht nachgelassen, sie hatten sich voll in der Gewalt. Was geschehen war, konnte nur durch neue Aktion ins rechte Lot gebracht werden.
Cubera sagte: „Wir segeln also an die beiden südlichen Buchten heran, sobald es dunkel geworden ist, und landen mit den Schaluppen und allen verfügbaren Jollen. Bis dahin lassen wir den Gegner über unsere Absichten natürlich im Ungewissen.“
„Ja, Señor“, sagten die Männer.
„Gott stehe uns allen bei, daß unser Unternehmen glückt.“
„Darauf hoffen wir alle“, sagte der Kapitän der zweiten Galeone. „Und daß es keine größeren Verluste mehr in unseren Reihen gibt.“
Wenig später kehrten sie an Bord ihrer Schiffe zurück, und bald darauf wurden die Vorbereitungen für das Landemanöver getroffen. Zur Tarnung der eigenen Absichten verteilten sich die vier Kriegsschiffe außer Schußweite um die Schlangen-Insel. Die Schaluppen umrundeten derweil pausenlos den Schlupfwinkel der „Piraten“, als gelte es, eventuelle „Ausreißer“ abzufangen, welche die Insel verlassen wollten und es für besser hielten, jetzt, bevor es zu spät war, die Flucht zu ergreifen.
An Bord der vier Kriegsschiffe wurden unterdessen auch die Reparaturen durchgeführt. Die größten Schäden konnten mit Bordmitteln behoben werden, und am Ende waren die beiden Galeonen und die beiden Karavellen wieder voll seetüchtig, manövrierfähig und gefechtsbereit. Drohend richteten sich die Mündungen der Rohre auf die Schlangen-Insel. Aber kein Schuß fiel. Die Totenstille, die jetzt über der Insel und dem spanischen Verband lastete, war unheimlich und bedrückend.
Die „San José“ bezog ihre Stellung querab des südlichen Ufers der Insel. Von hier behielten die Toppgasten unausgesetzt das Ufer im Auge, und jede Bewegung, jede noch so kleine Einzelheit, wurde Don Garcia Cubera unverzüglich gemeldet.
Er hatte seine Kammer aufgesucht, befaßte sich wieder mit der Karte und wägte noch einmal alles genau ab. Wieder gelangte er zu dem Schluß, daß ein Angriff im Dunkeln auf die offenbar weniger schwer bewachte und verteidigte Südküste nach allem Dafürhalten das klügste und ratsamste war.
Karl von Hutten hatte sich mit dem Rücken gegen die Felswand gelehnt und die Knie an den Leib gezogen. Er wischte sich den Schweiß vom Gesicht und grinste Arkana zu, die sich gerade zu ihm umdrehte. Pater David und Hesekiel Ramsgate versorgten einen leicht verletzten Mann der Werft-Crew, der von einem der umherfliegenden Gesteinsbrocken am Kopf getroffen worden war. Sonst war jedoch niemand verwundet – auch die Schlangen-Krieger hatten Glück gehabt und waren wohlauf.
„Eins haben wir erreicht“, sagte Karl von Hutten. „Wir haben Zeit gewonnen.“
„Nur das?“ fragte sie mit leicht verschmitztem Lächeln. „Das ist ein bißchen wenig, finde ich – bei dem Einsatz, den wir gewagt haben.“
„Zweifellos haben wir auch einen beachtlichen Anfangserfolg erzielt“, sagte er. „Der Gegner hat die eine Karavelle verloren, und kein Schiff ist ungerupft geblieben. Aber bilde dir nicht ein, daß der Comandante deswegen aufgibt.“
„Ich glaube, ihn selbst richtig eingeschätzt zu haben“, sagte sie. „Aber wir haben uns ja ohnehin auf eine längere Belagerung eingerichtet. Die Munition reicht noch für Wochen, und auch um die allgemeine Moral in unseren Reihen ist es nicht schlecht bestellt.“
„Sehr richtig“, pflichtete Pater David ihr bei, dann warf er einen Blick durchs Spektiv. „Aber was haben die Spanier jetzt vor? Sie sinnen bestimmt auf Rache und halten Kriegsrat.“
Natürlich hatten sie verfolgen können, wie die Schiffskommandanten zum Flaggschiff gepullt würden, wie sie an Bord gingen und sich auf dem Achterdeck um den hageren Mann mit den grauen Haaren versammelten. Alles ließ sich genau beobachten, keine Einzelheit entging ihnen.
„Es ist schon ganz schön viel Zeit vergangen“, sagte der alte Ramsgate. „Und sie reden immer noch. Herrgott, was gibt es denn da so viel zu quatschen? Sie fahren ganz einfach noch einen Angriff, und wir geben ihnen den Rest.“
„Den Gefallen tun sie uns nicht“, sagte von Hutten und richtete sich wieder auf. „Der Verbandsführer ist kein Dummkopf. Er hat eingesehen, daß er sich bisher der falschen Taktik bedient hat. Jetzt muß er etwas anderes versuchen.“
„Aber was?“ fragte Arkana.
„Ein Landeunternehmen.“
„Das schafft er nicht. Nicht bei Tageslicht.“
Karl von Hutten nickte ihr zu. „Jetzt hast du es selbst gesagt. Nicht bei Tageslicht. Sie warten die Nacht ab, dann erscheinen sie mit den Schaluppen und Jollen und laufen einen unserer Schwachpunkte an.“
„Und wo liegt dieser Schwachpunkt?“ fragte sie fast rebellisch und stemmte die Fäuste in die Seiten.
„Vielleicht an der Ostseite“, erwiderte er.
„Meine Leute haben gute Augen.“
„Das bezweifle ich nicht.“
„Wir lassen uns nicht überrumpeln“, sagte Arkana mit entschlossenem, grimmigem Gesicht. „Wir kontrollieren jeden Punkt der Insel, dafür übernehme ich jede Garantie.“
„Daran zweifelt auch keiner“, sagte Ramsgate. „Ich glaube, Karl meint etwas anderes. Die Dons könnten versuchen, uns irgendwie abzulenken und gleichzeitig einen Landetrupp ans Ufer zu schicken. Das könnte uns leicht zum Verhängnis werden.“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust. „Wir werden ja sehen, was passiert. Zwei ihrer Schiffe haben wir versenkt, und die anderen Schiffe sind ramponiert. Sie sind nicht mehr so schlagkräftig wie zuvor. Ich schätze auch, daß sie einigermaßen verunsichert sind. Sie haben weder damit gerechnet, daß sich noch Menschen auf der Insel befinden, noch damit, daß wir Kanonen und Pulverpfeile haben, um uns zu verteidigen.“
„Da stimme ich dir zu“, sagte von Hutten. „Und auch in den anderen Punkten sind wir uns einig. Ich zweifle nicht an der Aufmerksamkeit deiner Krieger. Ich meine nur: Die Dons könnten es mit einer List versuchen, und wir müssen mehr auf der Hut sein als zuvor.“
„Gut. Vergiß nicht, daß wir auch noch andere Wunderwaffen haben.“
„Ob der Gegner davon etwas ahnt?“
„Nein“, erwiderte sie. „Deswegen wird er sich noch gehörig wundern.“ Sie wandte sich wieder der Beobachtung der Schiffe zu. Sie alle standen an dem Gesteinssims, den ihre „Gefechtsstation“ zur See hin bildete, und spähten durch die Kieker zu den Decks des Feindes. Daß auf der „San José“ immer noch eingehend beratschlagt wurde, entging ihnen ebensowenig wie das schrille Geschrei des Don Antonio, der – seinen Lauten nach zu urteilen – offenbar bei lebendigem Leibe gevierteilt wurde.
Etwa anderthalb Stunden waren verstrichen. Jetzt kehrten die Kommandanten wieder an Bord ihrer Schiffe zurück. Wenig später setzten sich die Schiffe in Bewegung und verteilten sich rund um die Insel, wobei die Distanz gewahrt wurde, auf die die Kanonen der Verteidiger nichts auszurichten vermochten.
„Seht mal“, brummte Ramsgate. „Auf den Schiffen wird schwer gearbeitet. Sie geben sich wirklich Mühe, das muß man ihnen lassen. Sie takeln die Rahen neu und flicken die zerhackten Schanzkleider.“
„Dann haben sie sicherlich für einige Zeit genug zu tun“, meinte Pater David. Er deutete nach Süden. „Und das Flaggschiff liegt jetzt dort – an der Leeseite der Insel, nicht wahr?“
„Ja“, entgegnete Arkana. „Ob das wohl was zu sagen hat?“
Karl von Hutten beobachtete durch das Spektiv den schlanken, straffen Mann auf dem Achterdeck der Galeone. „Er hat was vor, scheint mir. Er läßt sich den Kieker reichen und betrachtet lange und ausgiebig einen bestimmten Punkt.“
„Welchen?“ wollte Pater David wissen.
„Na, die beiden südlichen Buchten, schätze ich“, entgegnete von Hutten.
„Richtig“, sagte auch der alte Ramsgate. „Na, nun ratet mal. So schwierig ist es doch nicht.“
„Er will landen“, sagte Arkana. „Aber wir werden das zu vereiteln wissen.“ Plötzlich schien sie sich in einem stummen Zwiegespräch mit dem Schlangengott zu befinden, ihre Miene nahm einen entrückten, konzentrierten Ausdruck an. Dieser Zustand hielt nur kurze Zeit an, dann erklärte sie: „Ja. Sie werden bei Dunkelheit dort, bei den beiden südlichen Buchten, angreifen und landen.“ Ihre Stimme klang fest, sie schien jetzt unbeirrbar zu sein.
Karl von Hutten wollte sie fragen, ob sie dafür Hinweise vom Schlangengott habe, aber er unterließ es dann doch. Er war selbst davon überzeugt, daß der Gegner einen Ausfall dieser Art unternehmen würde.
„Die beiden Buchten bieten sich wirklich dafür an“, sagte auch Ramsgate. „Also, auf was warten wir noch? Tun wir was. Wir treffen Maßnahmen für die Abwehr, damit es keine böse Überraschung gibt.“
Arkana sprach mit ihren Kriegern, und wenig später setzte Bewegung ein. Gestalten huschten zwischen den Felsen auf und ab, unsichtbar für den Gegner, der seinerseits die Schlangen-Insel pausenlos beobachtete. Eine neue Aktion bahnte sich an, die kurze Zeit der Ungewißheit und des beiderseitigen Abwartens schien vorbei zu sein. Die Zeit verstrich jetzt schneller. Schon bald ließ das Licht des Tages nach und wich den rötlichen Schleiern der Abenddämmerung.
Die Sonne senkte sich als Feuerball auf die westliche Kimm und schickte sich an, in die See zu tauchen. Von Osten krochen dunkle Schatten heran. Die Nacht kündigte sich mit großen Schritten an, und ein dunkler, drohender Gigant schien seine Klauen nach der Insel auszustrecken, die sich nach wie vor in der Umklammerung des Feindes befand.
Noch bestand die Patt-Situation, und Don Garcia Cubera und seine Männer bissen bei den Verteidigern auf Granit. Doch auch Arkana, von Hutten, Pater David, Ramsgate und ihre Kameraden befanden sich in einer Falle. Sie konnten die Insel nicht verlassen. Sie waren dazu verdammt, hier zu verweilen, ganz gleich, wie sich die Situation entwickelte.
Um sechs Uhr abends versank die Sonne im Westen, die Dämmerung war nur von kurzer Dauer gewesen. Don Garcia Cubera stand am Steuerbordschanzkleid der „San José“ und blickte, die Hände aufgestützt, fortwährend zur Insel, die sich jetzt nur noch als Schemen vor ihm abhob. Engländer, dachte er zornig, wir kriegen euch doch noch. Wir schlagen euch ein Schnippchen, auf Teufel komm raus und koste es, was es wolle.
Dennoch bewahrte er die Ruhe und bezwang seine immer wieder aufwallenden Haßgefühle. Es galt, jedes Gefühl aus dem Spiel zu lassen und so kühl und gelassen wie möglich zu bleiben. Umsicht und Disziplin waren die Grundvoraussetzungen für eine genau kalkulierte, bis in die letzten Einzelheiten durchdachte Aktion.
Sein Blick fiel auf die leise herangleitende Schaluppe. Bislang, hatten die Schaluppen die Insel umkreist wie hungrige Haie auf der Suche nach Beute. Das Manöver hatte möglicherweise tatsächlich dazu gedient, den Feind abzulenken und die Absichten der Verbandsführung zu verschleiern. Cubera aber setzte voraus, daß der Gegner, der im Dunkeln zwischen den Felsen lauerte, sich nicht im geringsten beirren ließ. Er hatte bewiesen, daß er gerissen war, und es hatte nicht den geringsten Sinn, sich irgendwelchen Illusionen hinzugeben.
Folglich war größte Vorsicht geboten. Der Feind durfte nicht einmal ahnen, was jetzt an Bord der Schiffe vor sich ging.
Die Schaluppe legte mit einem feinen Geräusch an und schor längsseits bis zu der Jakobsleiter, die Cubera hatte ausbringen lassen. Die anderen Schaluppen waren zu den übrigen Schiffen unterwegs und legten dort ebenfalls in diesem Moment an.
Leise Anweisungen wurden gesprochen, jeder bemühte sich, keine zu lauten Geräusche zu verursachen. Cubera verfolgte das Auf und Ab der Gestalten auf den Decks seiner Schiffe. Die Seesoldaten begaben sich auf das Hauptdeck, kletterten über das Schanzkleid und enterten an der Jakobsleiter ab, dann nahmen sie auf den Duchten der Schaluppe Platz. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet mit Musketen, Pistolen, Säbeln und Messern, Pulverhörnern und Kugeltaschen. Dichtes Gedränge herrschte nun an Bord der Schaluppe, aber das Durcheinander hatte geordneten, disziplinierten Charakter. Alles spielte sich in äußerster Ruhe ab, ohne daß ein Wort gesprochen wurde.
Die gleiche Szene fand an Bord der fünf anderen Schaluppen statt, die bei der zweiten Galeone und den beiden Schaluppen längsseits gegangen waren. Die Seesoldaten gesellten sich zu den regulären Besatzungen der Schaluppen und bereiteten sich auf das Landemanöver vor. Alles war genau abgesprochen, es bedurfte keiner einzigen Äußerung mehr.
Alle Schiffe waren abgeblendet, nur in den Kohlenbecken glomm die Holzkohle zum Entfachen der Lunten, die hier und da einen gespenstischen Schein auf das Gesicht eines Mannes warf.
Schatten senkten sich von den Schiffen auf die See – die Jollen wurden abgefiert und ebenfalls bemannt. Wenig später lösten sie sich zusammen mit den Schaluppen von den Bordwänden der Schiffe, und das Unternehmen konnte beginnen.
An Bord der Schiffe wurden Segel gesetzt – Fock, Großsegel, Besan und Blinde. In gezügeltem Tempo nahmen sie Fahrt auf und segelten in Lee an die beiden südlichen Buchten heran. In ihrem Gefolge befanden sich die Jollen und Schaluppen mit den Landetruppen.
Ruhig vollzog sich das Manöver, und nichts schien die Besatzungen jetzt stören zu können. Unbehelligt arbeiteten sie auf ihren Posten. Die Schiffe schwenkten auf den von Cubera festgelegten Kurs ein. Bald war es soweit: Die vier Schiffe lagen in Kiellinie und wandten ihre Steuerbordseite den Buchten zu. Die Segel wurden ins Gei gehängt, sie gelangten zum Stillstand.
Die Landungsboote brachen zu den Buchten vor – und plötzlich zerriß der scharfe, schmetternde Klang eines Kornetts die bisherige Totenstille. Das war das Zeichen, das Don Garcia Cubera von Bord der „San José“ aus geben ließ. Von einem Augenblick zum anderen verwandelte sich die Ruhe in ein donnerndes, tönendes Inferno, in dem die Schiffsgeschütze die Melodie vorgaben.
Dick leckten die Mündungsfeuer aus den Rohren, fett stieg der Rauch im Aufblitzen hoch. Die Kugeln rasten über die Bootsinsassen weg, vier Breitseiten orgelten auf die Landzungen zu, von denen die Südbuchten begrenzt waren.
Aber der Gegner schlief nicht, er war auf dem Posten. Nichts schien sich an Land zu regen, verlassen wirkte die Uferregion – und doch war sie plötzlich von schnellem, huschendem Leben erfüllt. Don Garcia Cuberas Feind antwortete dieses Mal fast sofort.
Nahezu von der gesamten Südküste stiegen zuckende Fanale durch die Nacht auf, beschrieben eine zitternde Bahn und senkten sich auf die Schiffe.
„Brandpfeile!“ schrie einer der Toppgasten auf der „San José“. „Aufpassen!“
„Alle Mann in Deckung!“ brüllte der Kapitän der zweiten Galeone.
Dutzende von Brand- und Pulverpfeilen rasten auf die Schiffe zu – und auch auf die Jollen und Schaluppen. Im Nu waren alle dem Feuerhagel ausgesetzt, und erste Schreie gellten von den Jollen und Schaluppen zu den Schiffen herüber. Dann wurde es auch auf den Galeonen und Karavellen laut.
Eine Karavelle wurde in der Kuhl von zwei Pulver- und vier Brandpfeilen getroffen, und im Krachen der Explosionen setzte dort sogleich Wuhling ein, die der Kommandant und die Offiziere nur schwer wieder unter Kontrolle brachten.
„Feuer!“ schrie Cubera, als die Geschütze der Steuerbordbatterie wieder nachgeladen waren. „Gebt euch keine Blöße! Laßt euch nicht beirren! Feuer!“
Aber jetzt donnerten auch an Land die Kanonen – und grellrote Schlitze wurden in die Nacht gestanzt. Allmächtiger, dachte Cubera, sie haben auch hier ihre Siebzehnpfünder – und Drehbassen. Der Teufel soll sie holen.
Doch sein Wunsch wurde nicht erfüllt. Es hagelte weiterhin Kugeln und Pfeile, trotz des massiven Beschusses durch die Schiffe. Die Schaluppen- und Jollenbesatzungen gerieten mächtig in Bedrängnis. Cubera konnte Gestalten sehen, die sich in einem Boot aufrichteten und dann ins Wasser kippten. Das Geschrei schwoll an und schien nicht mehr enden zu wollen.
Dies war die Insel des Teufels, auf die offenbar kein Spanier seinen Fuß setzen sollte, ohne daß er sich verbrannte.
Das Gefecht brandete hin und her, und alles schien in einem glutigen Teppich zu versinken, der sich über die See senkte. Es krachte, dröhnte und donnerte, als stehe das Ende der Welt bevor. Doch der Gegner hatte seine letzten Trümpfe noch nicht ausgespielt. Er hielt noch mehr Überraschungen bereit.