Kitabı oku: «Seewölfe Paket 21», sayfa 16

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7.

Zwei Schatten glitten durch die Nacht – die „Empress of Sea II.“ und die „Wappen von Kolberg“. Schon seit gut einer halben Stunde konnten die Männer, die von den Decks aus scharf Ausschau nach voraus hielten, das Zucken der Feuerblitze und das Krachen der Schüsse und Detonationen vernehmen. Bald tönte auch das Geschrei zu ihnen herüber, mit denen die Spanier quittierten, daß die Verteidiger der Schlangen-Insel ihnen wieder eine Falle gestellt hatten.

„Das kommt vom Südufer“, sagte der alte O’Flynn. „Verdammt, kann der elende Wind denn nicht auffrischen? Zur Hölle, warum muß das so lange dauern?“

Plymmie, die Wolfshündin, hockte neben ihm auf dem Achterdeck, hatte die Zähne gebleckt und knurrte erbost. Martin Correa, Nils Larsen, Sven Nyberg und Hasard junior sprachen kein Wort.

Nur Philip junior meinte: „Wir müssen gleich da sein. Es kann sich höchstens noch um zwei Meilen Distanz handeln.“

„Aber dann müssen wir sie noch runden, unsere feine Insel“, sagte der Alte grimmig. „Und auch das nimmt noch einige Zeit in Anspruch. Bis dahin haben die Dons drüben alles zusammengeschossen. Teufel, warum hat dieser verfluchte Abstecher nach Coral Island auch so lange dauern müssen?“

„Die Frage brauchen wir uns jetzt nicht zu stellen, Donegal“, sagte Nils. „Ich sehe die Lage im übrigen nicht so schwarz wie du. Meiner Ansicht nach sind es die Dons, die da was auf die Jacke kriegen, nicht unsere Leute.“

„Hoffentlich behältst du recht“, brummte der Alte, dann vertiefte er sich wieder in seine Beobachtungen. Voraus, im Süden, knallte, blitzte und donnerte es fast unausgesetzt, und es war nicht zu überhören, daß große Schiffsgeschütze mit im Spiel waren. Aber die Schreie – da mochte Nils recht haben – schienen nicht von den Verteidigern der Insel ausgestoßen zu werden.

Dennoch blieb die Ungewißheit. Was ging auf der Insel vor, wie war das Kräfteverhältnis verteilt, was taten die Spanier? Konnten Karl von Hutten, Arkana, Ramsgate, Pater David, die Leute der Werft und die Schlangen-Krieger sich halten?

Ähnliche Überlegungen wurden an Bord der „Wappen von Kolberg“ angestellt, die unter dem Kommando von Renke Eggens stand. Niemand wagte, seine Meinung vorbehaltlos zu äußern. Alle hatten Angst, der Gegner könne bereits auf der Insel gelandet sein.

„Elende Hunde“, sagte Old O’Flynn kurze Zeit darauf, als beide Schiffe sich anschickten, die Schlangen-Insel an der Ostseite zu umrunden. „Wer weiß, wie lange sie schon da sind und unsere Freunde mit ihren Kugeln bepflastern.“

„Da scheinen aber auch Höllenflaschen zu fliegen“, sagte Hasard junior. „Ich hab’s ganz deutlich gehört.“

Der Alte kratzte sich am Kinn und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Er konnte es einfach nicht mehr erwarten, direkt mit dem Feind konfrontiert zu werden. Unklare Verhältnisse und die Unfähigkeit, einzugreifen und auf eine Situation einzuwirken, waren für ihn mit das Schlimmste, was es gab.

Etwas später änderte sich die Lage jedoch. Die „Empress“ und die „Wappen“, umrundeten die Insel im Südosten und hatten den Verband der Spanier plötzlich vor sich. Die „Empress“ führte – die „Wappen“ lief in ihrem Kielwasser. Die Zwillinge hatten sich unterdessen auf das Vordeck der „Empress“ begeben und hielten erneut Ausguck.

„Es sind vier Schiffe“, meldete Philip junior dann plötzlich leise.

„Was?“ murmelte der Alte. „Nur vier? Wo, zur Hölle, sind die anderen?“

„Boote bewegen sich auf die Schiffe zu“, raunte Philip, der sich umgedreht hatte und wieder nach achtern ging. „Da scheint ein Landemanöver stattgefunden zu haben, aber es ist mißglückt.“

„Woher willst du das so genau wissen, du Schlauberger?“ zischte Old O’Flynn.

„Die Schiffe – zwei Galeonen und zwei Karavellen – sind angeknackst, da scheinen eben die letzten Feuer gelöscht zu werden. Auch die Boote sind ramponiert.“

„Dann los“, sagte der Alte grimmig. „Mal sehen, ob wir sie noch ein bißchen mehr knacken und schütteln können.“

Längst waren der Dreimaster und die Galeone klar zum Gefecht. Die Männer begaben sich auf ihre Kampfstationen und warteten gespannt das Zeichen zum Einsatz ab. Rasch schrumpfte der Abstand zu den vier spanischen Schiffen jetzt zusammen.

Die „Empress“ und die „Wappen“ luvten an und gingen auf westlichen Kurs, der Wind fiel raumschots ein. Dann hatten sie den Feind unmittelbar vor sich, und Old O’Flynn rief: „Drauf! Ich will die Fetzen fliegen sehen!“

„Klar bei Lunten“, sagte Renke Eggens an Bord der „Wappen“. „Es geht los.“

Nur eine Schaluppe und zwei Jollen hatten das Inferno der Abwehr überstanden. Sie glitten auf die „San José“ und die drei anderen Schiffe des Kriegsverbandes zu. Schon trafen die Besatzungen Anstalten, längsseits zu gehen und festzumachen, da tauchten die beiden unheimlichen Angreifer unversehens aus der Dunkelheit auf und waren heran.

Die Nacht der Schrecken war noch nicht vorbei. Ein Alarmruf erklang an Bord der „San José“, aber die Männer, die mit dem Löschen der letzten Schwelbrände und dem Aufklaren an Deck beschäftigt waren, gelangten nicht mehr schnell genug an die Geschütze. Völlig unerwartet erfolgte dieser neue Angriff. Wie gespenstische Schatten schoben sich die „Empress“ und die „Wappen von Kolberg“ neben den Feind, und schon eröffneten sie das Feuer.

Sie strichen an den vier Schiffen entlang, und ihre Kanonen, spuckten Feuer und Eisen. Breitseiten – und nichts war auf den Backbordseiten der vier Spanier auf Abwehr eingestellt. Der Eisenhagel raste über die Decks, schlug in die Seiten und sorgte für Tod und Verderben. Wieder war die Nacht vom Grollen und Donnern der Geschütze erfüllt, vom Schreien der Getroffenen und von den Flüchen derer, die sich hinter den Schanzkleidern in Deckung warfen und im letzten Augenblick den Kugeln entgingen.

Don Garcia Cubera gehörte zu diesen Männern, aber er wünschte sich in diesem Moment, zu sterben. Er war machtlos gegen das, was hier geschah, es gab kein Mittel gegen den neuen, unheimlichen Feind. Und trotz der ursprünglichen Überlegenheit und Stärke des Verbandes hatte es jetzt den Anschein, als sei er dem Gegner regelrecht ausgeliefert. Nie zuvor in seiner Laufbahn als Kommandant und Verbandsführer hatte Cubera etwas Vergleichbares erlebt. Es war das erste Mal, daß er von einem Gegner, der ihm zahlenmäßig und von der Größe her klar unterlegen war, geschlagen wurde.

Ein kleiner Dreimaster und eine Galeone segelten an dem Verband vorbei und entließen ihr Höllenfeuer. Er sah sie, als er kurz den Kopf hob, aber dann mußte er sich erneut in Sicherheit bringen, denn auch die Drehbassen der Schiffe sorgten für erheblichen Schaden.

Dann hörte das Donnern der Kanonen auf, und wie ein Spuk verschwanden die beiden Schiffe wieder in der Dunkelheit. Erst jetzt konnte Cubera sich wieder aufrichten – und er sah die Bescherung in ihrem vollen Ausmaß.

Eine der beiden Karavellen war so schwer getroffen, daß sie zu sinken begann. Ihre Backbordseite war mittschiffs in der Wasserlinie fast in Jollenlänge regelrecht aufgeschlitzt. Drei Kugeln von Siebzehnpfündern waren dort hineingerast, wie mit dem Lineal gezogen. Nicht nur Old O’Flynn und seine kleine Crew, auch die Kolberger, Arne von Manteuffels Stammcrew, verstanden es, zu zielen und zu treffen.

Doch keiner der Spanier erkannte in dieser unheilvollen Nacht in der Galeone die „Wappen von Kolberg“ wieder, das Schiff des deutschen Kaufherrn Arne von Manteuffel. Wäre Don Antonio de Quintanilla an Deck gewesen, dann wäre es vielleicht ihm aufgefallen, daß die Galeone kein Fremder für sie war. Der aber lag nach wie vor in seiner Kammer. Er war inzwischen wieder zu sich gekommen und hatte sich auf der Koje unter einer Decke versteckt. Er glaubte, der Weltuntergang sei nahe, und sein mächtiger Leib wurde von heftigem Schluchzen geschüttelt.

Don Garcia Cubera war wie vor den Kopf geschlagen. Er wankte zur Querbalustrade des Achterdecks und blickte auf die Wuhling hinunter, die wieder auf dem Hauptdeck eingesetzt hatte. Neben ihm waren seine Offiziere, aber der Zweite humpelte. Er hatte eine Schramme am rechten Bein und mußte sich auf den Dritten stützen.

„Profos!“ rief Cubera. „Hat es Tote gegeben?“

„Zwei, Señor!“

„Wie viele Verletzte?“

„Vier!“

„Sofort verarzten! Feuer löschen, die schlimmsten Schäden beheben und Männer an die Geschütze abkommandieren! Wir müssen mit einer Rückkehr des Gegners rechnen!“

„Wer, zum Teufel, war das bloß?“ fragte der Erste. „Ist denn hier alles verhext?“

„Ich glaube langsam auch, daß nicht alles mit rechten Dingen zugeht“, sagte Cubera gepreßt. Er fühlte sich benommen und mußte sich festhalten. Zum erstenmal seit dem Beginn des Unternehmens fühlte er Müdigkeit in sich aufsteigen. In aller Deutlichkeit wurde ihm bewußt, daß er am Ende war – und die Bedrohung durch den Feind wuchs, weil der jetzt zwei Schiffe zu seiner Verfügung hatte, die jederzeit wieder aus der Nacht heraus angreifen konnten.

Doch in diesem Punkt täuschte er sich. Die „Empress“ und die „Wappen“ verholten unter Land. Old O’Flynn und Renke Eggens warteten ab, was weiter geschah. Sie hielten es beide nicht für ratsam, jetzt einen neuen Ausfall zu unternehmen. Lieber ließen sie die Spanier zappeln.

Die Ungewißheit zehrte an den Nerven von Cubera und seinen Männern. Sie waren gründlich verunsichert – und sie mußten die Überlebenden der gesunkenen Karavelle aus dem Wasser bergen. Eben war das Schiff endgültig in den Fluten untergegangen, und jetzt riefen die Männer, die zwischen der Unglücksstelle und den Schiffen und Booten schwammen, um Hilfe.

„Ein Hai!“ schrie einer von ihnen.

„Lampen setzen!“ befahl Cubera. „Rasch!“

Öllampen wurden an Peekhaken befestigt und von Bord der Schiffe aus über das Wasser gesenkt. In den Lichthöfen erschienen die Köpfe der Schiffbrüchigen, und alle sahen jetzt, wer den Schrei ausgestoßen hatte.

Es war der Bootsmann der Karavelle. Er brüllte, als habe der Hai ihn bereits gepackt, und schlug im Wasser um sich. Plötzlich ging er unter.

Zwei seiner Kameraden tauchten beherzt nach ihm und holten ihn wieder an die Oberfläche zurück. Der Mann schlug mit den Fäusten nach ihnen und gebärdete sich wie ein Besessener. Aber ein Hieb gegen seine Schläfe, den ihm einer der beiden Helfer verpaßte, nahm ihm das Bewußtsein. Sie drehten ihn auf den Rücken und schleppten ihn zur „San José“ ab.

Cubera bereitete sich auf einen grausigen Anblick vor. Sein Gesicht verhärtete sich. Er stellte sich vor, daß der Hai dem Bootsmann die Beine abgebissen hatte.

Als der Mann an Bord gehievt wurde, atmete Cubera dann aber doch unwillkürlich auf. Er war unversehrt – nichts war geschehen. Kein Hai hatte angegriffen, es war reine Einbildung gewesen. Die Nerven waren mit dem Bootsmann durchgegangen. Er hatte, wie sich wenig später herausstellte, einen treibenden Trümmerteil für die Rückenflosse eines der grauen Mörder gehalten. Die Strapazen der letzten Stunden, das erbitterte Gefecht und die Niederlage – all das hatte mit dazu beigetragen.

Aber der Bootsmann war nicht der einzige, der völlig erschöpft und demoralisiert war. Vielen ging es wie ihm, und nur ein letzter Rest Selbstbeherrschung bewahrte sie davor, laut loszuschreien.

Die meisten Schiffbrüchigen waren inzwischen aus dem Wasser geborgen, und die Schaluppe und die beiden Jollen brachten sie zu den Schiffen. Cubera verfolgte, wie auch die letzten aus der See gezogen wurden, und er sah zu, wie der Kapitän der Karavelle mit grimmiger Miene an Bord der zweiten Galeone auf enterte.

Was sollte jetzt geschehen? Cubera verdoppelte die Ausguckposten, sie hielten nach allen Seiten Ausschau. Aber die beiden unheimlichen Angreifer kehrten nicht zurück. Etwas Zeit war verstrichen, das Stundenglas wurde gerade umgedreht.

Cubera fuhr sich mit der Hand über das Kinn und stellte fest, daß er nicht nur deprimiert, sondern auch gleichsam verlegen war – sich selbst und seihen Männern gegenüber, die allmählich den Glauben an ihn als Verbandsführer verlieren mußten.

Was sollte er als nächstes tun? Jeder Versuch, auf dieser Teufelsinsel zu landen, war fehlgeschlagen. Ein weiterer Anlauf konnte nicht unternommen werden – die Verluste waren bereits zu hoch. Cubera biß sich auf die Unterlippe.

„Wir schaffen es nicht“, sagte er zu seinem Ersten Offizier. „Es hat keinen Sinn, noch einmal anzugreifen!“

„Was haben Sie vor, Señor?“

„Das weiß ich selbst noch nicht“, erwiderte Cubera offen. „Aber geben Sie mir die Seekarte.“

Der Erste reichte ihm die zusammengerollte Karte. Cubera öffnete sie und blickte im Licht der Hecklaterne darauf. Fast verzweifelt suchte er nach einer Lösung für seine Probleme. Aber wo lag sie? Er war nicht nur gescheitert, er war jetzt auch einer permanenten Bedrohung ausgesetzt, denn jeden Augenblick konnten der kleine Dreimaster und die Galeone wieder erscheinen, um einen weiteren Blitzangriff zu fahren. Und die Schäden an den eigenen Schiffen? Wo und wann sollten sie gründlich behoben werden?

„Wir setzen Segel und laufen ab“, sagte er schweren Herzens. „Wir haben zur Zeit keine andere Wahl.“

„Welchen Kurs? Wohin?“

„Grand Turk, die größte der Turks-Inseln. Dort reparieren wir die Schäden und fassen neue Entschlüsse.“

„Jawohl, Señor Capitán.“

„Es gibt jetzt keinen anderen Weg. Informieren Sie die Kapitäne, und geben Sie meine Befehle weiter.“

„Señor Capitán“, sagte der Erste. „Es ist nicht leicht, diese Inselfestung zu erobern. Keinem anderen an Ihrer Stelle wäre das gelungen. Der Gegner kämpft mit allen Tricks und hat Waffen, mit denen wir nicht rechnen konnten.“

„Ich danke Ihnen für Ihre Worte. Aber ich hätte voraussehen müssen, daß sie mit Zähnen und Krallen kämpfen.“ Cubera ersparte sich keinen Vorwurf, und er dachte nicht daran, sich zu rechtfertigen und die Verantwortung für das, was geschehen war, von sich zu schieben.

„Wie erklären Sie sich die Anwesenheit von Indianern auf der Insel?“ fragte der Erste Offizier.

„Möglicherweise sind es Inselkariben, die sich mit den Engländern verbündet haben. Eine merkwürdige Partnerschaft – und doch denkbar. Ich gehe sogar so weit, zu behaupten, daß die Freibeuter sie absichtlich hergeholt haben.“

„Seltsam, wirklich seltsam.“

„Von dem Führer der Engländer, diesem Philip Hasard Killigrew, heißt es, daß er ein großer Freund der Eingeborenen sei.“

„Er hat wahrscheinlich seine Gründe dafür“, sagte der Erste. „Vielleicht haben ihm diese Wilden mal das Leben gerettet. Aber es bringt uns wenig ein, das zu erörtern, nicht wahr?“

„Eben. Ich frage mich nur, ob er auf der Insel ist.“

„Killigrew? Die Landetrupps haben keinen einzigen weißen Mann gesehen.“

„Und doch sind Weiße auf der Insel“, sagte Cubera. „Es ist nur eine Vermutung von mir, aber ich glaube nicht, daß ich damit falsch liege.“ Er grübelte weiter nach. Welchen Sinn hatte es aber, noch über die Bewohner der Insel nachzudenken? Seine Wut zwang ihn dazu, und irgendwie suchte er immer noch nach schwachen Stellen in der Verteidigung. Aber es gab sie nicht, er fand jedenfalls keine.

Durch Zuruf von Bord zu Bord wurde die Order weitergegeben. Das neue Ziel hieß Turks Islands, und Don Garcia Cubera befahl sofortigen Aufbruch.

Fast schwerfällig setzten sich die drei Schiffe nach der Bergungsaktion ostwärts ab. Karl von Hutten, Arkana, Pater David und Hesekiel Ramsgate verfolgten ihr Ablaufen von einem Versteck an der westlichen Südbucht.

„Jetzt haben sie die Nase voll“, sagte Ramsgate grimmig. „Und Old Donegal und Renke Eggens sind endlich wieder da. Das Blättchen hat sich gewendet. Und wir haben keinen einzigen Verlust.“

In der Tat gab es unter den Schlangen-Kriegern nur Verwundete. Einer von ihnen war bei der Landung und dem Angriff der Jollenbesatzung zwar ziemlich schwer getroffen worden und hatte viel Blut verloren, aber die Kriegerinnen hatten ihn sofort versorgt, und Arkana hatte inzwischen melden können, daß auch für ihn keine Lebensgefahr bestand.

„Fast tun mir die Spanier leid“, sagte Pater David. „Ihr dürft nicht vergessen, daß sie meine Landsleute sind. Aber ich will ihr Tun nicht entschuldigen. Hätten wir nicht eisern gekämpft, hätten sie uns alle getötet.“

„Darauf kannst du Gift nehmen, Pater“, sagte von Hutten. „Der Kommandant mag ein guter Mensch sein, aber die Fairneß geht bei ihm bestimmt nicht so weit, daß er uns verschont, wenn er siegt.“

„Aber jetzt siegt er nicht mehr“, sagte Ramsgate. „Jetzt hat er nur noch drei Schiffe.“

Arkana legte ihm die Hand auf den Unterarm.

„Da!“ zischte sie. „Hört ihr das?“

Der leise, klagende Ruf eines Nachtvogels war zu vernehmen, er kam von der Wasserseite.

„Das ist einer der Zwillinge“, sagte Arkana. „Old Donegal gibt uns das Zeichen, daß er die Verfolgung aufgenommen hat.“

Sie täuschte sich nicht. Wenig später glitten die Schatten der beiden Schiffe wieder an ihnen vorbei. Arkana glaubte zu sehen, daß die Männer ihnen zuwinkten, aber dann waren die „Empress of Sea II.“ und die „Wappen von Kolberg“ auch schon wieder in der Dunkelheit untergetaucht.

„So“, sagte Karl von Hutten. „Sie lassen die Dons bestimmt nicht mehr aus den Augen. Ich nehme an, daß der Verband die Turks anläuft. Dort reparieren sie die Schäden und lecken ihre Wunden. Das haben sie jetzt dringend nötig.“

Sie erhoben sich und gingen zu dem Platz, an dem jetzt die toten Spanier bestattet wurden. Pater David sprach ein Gebet für sie, und er wünschte sich aus tiefstem Herzen, daß künftige Opfer auf beiden Seiten vermieden wurden.

8.

Plymmie knurrte nicht mehr. Sie hatte sich auf der Kuhl der „Empress“ niedergelassen und den Kopf zwischen die Vorderpfoten gelegt. Unterschwellig begriff auch sie mit ihrem Hundehirn, daß der Überfall auf die Spanier zugunsten „ihrer“ Zweibeiner ausgefallen war. Es ließ sich ja auch leicht aus der Stimmung schließen, die an Bord der „Empress“ und der „Wappen“ herrschte.

„Das war mal ein feiner Raid“, sagte Old O’Flynn und rieb sich die Hände. „Hoffen wir, daß es so weitergeht. He, ihr beiden, paßt ihr auch wirklich auf, wie es sich gehört?“

Gemeint waren die Zwillinge. Hasard junior befand sich vorn, am Bug, Philip junior kehrte eben zum Achterdeck zurück.

„Wir haben sie vor uns, Sir“, meldete er. „Und wir lassen sie nicht aus den Augen. Sie haben keine Chance, uns zu entwischen. Dazu sind sie nicht schnell genug.“

„Ich will an ihrem Achtersteven hängen wie der Pilotfisch am Arsch des Haies“, sagte der Alte. „Kapiert? Wenn ihr sie verliert, fliegt ihr ins Wasser.“

„Aye, Sir“, erwiderte der Junge trocken. „Aber Pilotfische haften eher an Walen als an Haien.“

„Das ist mir egal“, sagte der Alte. „Die Hauptsache ist, sie kleben, so wie wir. Hölle, wir lassen die Dons nicht mehr in Ruhe, und sie werden notfalls noch nach Havanna zurückschwimmen, das schwöre ich euch.“

„Nun übertreibe doch nicht so“, sagte Nils Larsen. „Das Kräfteverhältnis beträgt immer noch drei zu zwei, nicht zu vergessen die Schaluppe.“

„Na und? Sie sind stark angekratzt, und ihre Kampfmoral ist weg. Hast du nicht gehört, wie sie geschrien haben?“

„Natürlich“, erwiderte Nils. „Aber sie erholen sich auch schnell wieder.“

Der Alte grinste jetzt wie der Teufel in Person. „Eben. Das sage ich ja auch. Und deshalb suchen wir sie wieder heim, ehe sie richtig Luft geschnappt haben. Vor allen Dingen schlagen wir zu, wenn sie absolut nicht damit rechnen.“

„Wohin segeln sie deiner Ansicht nach?“ fragte Martin Correa.

„Na, nach Grand Turk natürlich“, erwiderte der Alte. „Wohin denn sonst? Nach Kuba bestimmt nicht, das liegt im Westen.“

„Ja?“ sagte Philip junior. „Oh, das haben wir gar nicht gewußt.“

„Ich schätze, du kriegst heute nacht noch was hinter die Löffel“, brummte der Alte. „Du bist mal wieder unverschämt frech – wie dein Bruder.“

„Was tun wir, wenn die Dons uns sichten?“ fragte Sven Nyberg.

„Sie sichten uns nicht“, entgegnete Old O’Flynn mit tiefster Überzeugung. „Sie haben genug mit sich selbst zu tun.“

Auch in diesem Punkt sollte er recht behalten: Don Garcia Cubera und seine Leute waren mit dem Aufklaren und den dringendsten Reparaturarbeiten vollauf beschäftigt, und so wurden die Beschatter, die an ihnen Fühlung hielten, von Bord der drei schwer angeschlagenen Kriegsschiffe nicht gesichtet. Überdies hatten die Toppgasten der Spanier nicht so scharfe Augen wie die Zwillinge. Die Distanz zwischen dem letzten Schiff im Verband und der „Empress“ war zu groß für sie. Sie sahen sie einfach nicht.

Philip und Hasard hingegen bewiesen wieder einmal, wie scharf ihre Augen waren. Die Spanier segelten jetzt ohne Licht – eine Vorsichtsmaßnahme, die Cubera angeordnet hatte, um etwaige Verfolger abzuschütteln.

„Hölle“, sagte Martin Correa und beugte sich unwillkürlich vor. „Ich sehe sie nicht mehr.“

„Wir aber“, sagte Philip junior. „Sie haben den Kurs nicht geändert. Wir segeln immer noch im Kielwasser der Karavelle, die den Abschluß des Verbandes bildet.“

„Donnerwetter“, sagte Martin anerkennend. „Toll, daß ihr das seht, wirklich.“

„Dabei bist du der Lotse“, sagte Old O’Flynn mit hämischem Grinsen.

„Ich habe aber nie behauptet, Augen wie ein Adler zu haben.“

„Die haben nur wir O’Flynns“, erklärte der Alte großspurig. „Und bei den Jungen ist es natürlich das Erbteil der O’Flynns, das sich positiv durchgesetzt hat.“

Martin beschloß, nichts mehr dazu zu äußern, es führte zu nichts. Nils und Sven grinsten sich zu. Selten hatte der Alte so gute Laune gehabt wie in dieser Nacht. Kein Wunder: Er hatte die Schlangen-Insel schon unter dem dröhnenden Beschuß des Gegners fallen sehen, und im voraus hatte er nicht nur um die Freunde getrauert, sondern auch um die „Rutsche“, seine Kneipe, die er vor nicht allzu langer Zeit eröffnet hatte.

Dank der Aufmerksamkeit der Zwillinge vermochten sie auf weiteste Nachtsicht die Fühlung mit dem Verband zu halten. Zügig verlief die Fahrt, die Schiffe lagen hoch am Wind und hielten den östlichen Kurs. Old O’Flynn und Renke Eggens stellten kurze Berechnungen an und gelangten zu dem Schluß, daß sie in den ersten Morgenstunden die Turks-Inseln erreichen mußten.

Nach Mitternacht, es war jetzt der 27. Juli, war das Ziel tatsächlich erreicht. Der Verband rundete Grand Turk, drehte bei und ging in einer Bucht der Ostseite vor Anker. Die Besatzungen der „Empress“ und der „Wappen“ beobachteten es aus angemessener Entfernung.

„So“, sagte Old O’Flynn und kratzte sich am Kinn. „Da liegen sie und lecken sich. Damit sind sie eine Weile beschäftigt, vielleicht den ganzen Tag über.“

„Greifen wir an?“ fragte Martin Correa.

„Nein, mir ist inzwischen etwas Besseres eingefallen. Wir segeln zurück zur Schlangen-Insel.“

„Aber – warum haben wir sie dann bis hierher verfolgt?“

„Um ihren Ankerplatz zu orten, du Barsch“, erwiderte der Alte ungehalten. „Ist das nicht klar? Meinst du, ich will sie bei Tageslicht überall suchen?“

„Nein“, sagte Martin. „Und ich bin ja auch nicht blöd. Ich meine nur: Wir sollten nicht unverrichteter Dinge wieder abziehen.“

„Tun wir auch nicht. Wir klüsen zur Schlangen-Insel und sehen nach, ob unsere Freunde inzwischen mit den Schiffen eingetroffen sind. Daß sie längst da sein müssen, ist dir auch noch nicht aufgegangen, was?“

Martin seufzte und zuckte mit den Schultern. „Ich bin als Junge mal hingefallen, deswegen bin ich wohl ein bißchen zurückgeblieben.“

„Ich an eurer Stelle würde noch ein bißchen lauter brüllen“, sagte Nils. „Damit die Dons uns hören und Bescheid wissen, daß wir hier sind.“

„Los jetzt“, sagte der Alte drängend. „Keine Zeit mit Quatschen verlieren. Wir hauen ab.“

Kurze Zeit darauf lagen sie wieder auf Gegenkurs und segelten zurück. Der Wind wehte nach wie vor aus Nordosten, und sie brauchten für die Rückkehr etwas weniger Zeit als für die Fahrt nach Grand Turk.

In den ersten trüben Schleiern der Morgendämmerung trafen sie ein, liefen durch den Felsendom in die große Bucht ein und gingen vor Anker. Wieder hatte der Alte sich nicht geirrt: Die „Tortuga“ von Jerry Reeves und die Schebecke Don Juan de Alcazars waren inzwischen eingetroffen. An Land gab es einen kleinen Menschenauflauf, alle waren zur Stelle: Arkana, Karl von Hutten, Ramsgate, Pater David und die meisten der Krieger und Kriegerinnen sowie der Werftarbeiter. Nur die Männer, die gerade Wachdienst hatten, waren auf ihren Ausguckposten geblieben.

Die Besatzungen der „Tortuga“ und der Schebecke waren komplett an Land gegangen. Old O’Flynn und Renke Eggens ließen ebenfalls die Beiboote ausschwenken und abfieren, dann pullten sie mit ihren Leuten an Land.

Aber es gab keinen Jubel und keine Begeisterung. Die an Land wartenden Kameraden zeigten betretene Mienen. Irgend etwas schien der Freude über den ersten Erfolg gegen die Spanier einen Dämpfer aufgesetzt zu haben.

„Lange Gesichter?“ sagte Old O’Flynn betroffen. „Hölle, was ist denn jetzt passiert?“

Als die Boote landeten, stieg er als erster aus und marschierte auf die Wartenden zu. Seine Männer und die Zwillinge folgten ihm, auch Plymmie tobte über den Strand. Renkes Crew erschien komplett, und alle vernahmen, wie Jerry Reeves gerade sagte: „Es hat keinen Zweck gehabt, nach ihm zu suchen. Alles sinnlos.“

„Von wem ist die Rede?“ fragte Old O’Flynn.

Arkana wandte sich langsam zu ihm um. Ihr Blick fiel auf die Zwillinge, dann sah sie wieder dem Alten in das verkniffene, runzlige Gesicht. „Das erklären wir dir gleich noch. Sonst scheint alles gut verlaufen zu sein. Welche Meldungen habt ihr?“

„Die Dons haben den Schwanz eingekniffen und sich in eine Bucht am Ostufer von Grand Turk zurückgezogen“, erwiderte der Alte. „Aber jetzt mal raus mit der Sprache. Was wollt ihr uns verheimlichen?“

Die Zwillinge waren rechts und links neben ihm, und Philip junior sagte: „Arkana, es ist deine Pflicht, uns zu informieren. Was ist los? Hat es – Tote gegeben?“

„Nein. Nur Ben Brighton hat eine Kopfverletzung.“

„Und unser Vater?“ fragte Hasard junior. „Ist er wohlauf?“

Sie biß sich auf die Unterlippe, aber dann sah sie ihn doch voll an und antwortete: „Er ist im Gefecht außenbords geflogen und wird vermißt.“

„Vermißt?“ murmelte Philip entsetzt.

Sein Bruder sprach kein Wort ehr. Beide waren sie wie versteinert und blickten starr geradeaus. Sie bissen die Zähne zusammen. Die Nachricht traf sie wie ein Hieb, aber sie versuchten, sie zu verarbeiten. Der Seewolf vermißt – das bedeutete Schlimmes. Tot – sonst wäre er längst wieder aufgetaucht. War er ertrunken? Allein die Vorstellung war entsetzlich. Aber Philip und Hasard zeigte keine Tränen.

Arkana trat auf sie zu. „Ihr wißt ja nicht, wie leid mir das tut“, sagte sie. „Aber ihr werdet sehen, es wird alles wieder gut. Er hat sich irgendwo festklammern können, hat sich gerettet und befindet sich jetzt vielleicht schon auf dem Weg zu uns.“

Sie wollte nach Hasards Arm greifen, aber der Junge wandte sich fast kalt von ihr ab.

Philip sah sie an und erklärte: „Du brauchst so was nicht zu sagen, Arkana. Wir werden auch so damit fertig. Wir sind keine Kinder mehr. Und wir wollen keinen Trost, verstehst du?“

„Ja. In Ordnung.“

„Das sehen wir ein“, sagte Reeves. „Aber ihr sollt wissen, daß wir genauso empfinden wie ihr. Euer Schmerz ist auch unser Schmerz.“

„Das brauchst du nicht hervorzuheben“, sagte Hasard leise, aber klar und deutlich. „Das wissen wir selber. Aber wo ist die ‚Isabella‘?“

„Sie muß bald eintreffen“, erwiderte Reeves. „Sie segelt jetzt unter dem Kommando von Dan, weil Ben im Moment nicht einsatzfähig ist.“

„Und die anderen?“ fragte Philip. „Das Schwarze Schiff, die ‚Queen‘ und die ‚Pommern‘? Was ist mit ihnen?“

„Sie kehren ebenfalls zurück“, entgegnete Reeves, dann berichtete er hoch einmal, was er bereits den Verteidigern der Insel geschildert hatte: wie sich der erste Kampf gegen den Kriegsverband abgespielt hatte, was sich an Bord der einzelnen Schiffe ereignet hatte und wieso die Schiffe der Schlangen-Insel den Verband im Nebel zunächst nicht gesichtet hatten, wie sie dann aber umgekehrt waren und ihn verfolgt hatten.

„Und wo sind Arne und Jörgen?“ wollte Hasard junior mit einem Blick zu Don Juan wissen. Absichtlich stellte er die Frage auf spanisch.

„Sie sind nach Havanna zurückgekehrt“, erwiderte der Spanier ernst. „Das erschien uns klüger, weil Arne dort um jeden Preis die Stellung des Handelshauses halten soll. Es ist eine Strategisch wichtige Position, und viel zu leicht hätte es passieren können, daß die Männer an Bord der Kriegsschiffe Arne und Jörgen erkannt hätten. Wir dürfen ja auch nicht vergessen, daß sich Don Antonio an Bord der ‚San José‘ befindet.“

„Der Teufel soll ihn holen“, sagte Old O’Flynn. „Hoffentlich ist er schon verreckt, von einem Pfeil oder einem Splitter getroffen. Verdammt und zugenäht, was tun wir jetzt? Wo sollen wir nach Hasard suchen?“

Philip hörte schon nicht mehr hin, er wandte sich ab und trat mit Hasard an den Rand des Ufers. Alle sahen ihnen nach, und Arkana wollte ihnen nacheilen, wurde aber von dem alten O’Flynn zurückgehalten.

„Laß sie in Ruhe“, sagte er leise. „Sie wollen jetzt allein sein. Sie müssen das schlucken, aber sie schaffen es, das schwöre ich dir.“

„Aber sie tun mir trotzdem leid“, sagte Arkana traurig.

„Klar. Aber vergiß eins nicht.“

„Daß sie keine Kinder mehr sind?“

„Ja. Sie sind im November 1580 geboren.“

„Sie sind jetzt fast vierzehn“, sagte Karl von Hutten, der zu ihnen trat. „Das sollte man wirklich nicht vergessen. Ich weiß, was du sagen willst, Arkana. Daß sie trotzdem noch schutzbedürftig sind. Aber du irrst dich.“

„Ja, sie sind den Kinderschuhen längst entwachsen“, pflichtete der Alte ihm bei. „Sie sind viel erwachsener, als du denkst.“

Philip und Hasard blickten stumm auf das Wasser der Bucht und die vor Anker liegenden Schiffe. Das Bild ihres Vaters tauchte vor ihrem geistigen Auge auf, und noch einmal schienen sie all das nachzuvollziehen, was sie an Bord der „Isabella VIII.“ und der „Isabella IX.“ erlebt hatten.

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