Kitabı oku: «Seewölfe Paket 21», sayfa 17
Diese Erfahrungen und Abenteuer, Entbehrungen und Strapazen hatten sie vieles gelehrt, sie waren die beste Schule des Lebens für sie gewesen. Sie waren reifer und vielleicht sogar auch schon männlicher als andere Jungen ihres Alters. Sie konnten kämpfen, kannten sich hervorragend in der Seemannschaft aus und hatten beide einen bereits fest und vollendet geformten Charakter. Sie wußten, daß es im Leben nicht nur Erfolge und Höhepunkte gab. Sie hatten es gelernt, Nackenhiebe und Tiefschläge einzustecken. Mit allem mußte man fertig werden, es gab keinen anderen Weg.
„Himmel, warum mußte das passieren?“ fragte Hasard leise.
„Er hat immer Glück gehabt, aber einmal im Leben muß der Mensch auch Pech haben“, flüsterte Philip. „Das ist ein Gesetz der Natur, oder? Ich meine, es ist noch gut, daß kein anderer getroffen worden ist, tödlich. Stell dir mal vor, Ben wäre tot.“
„Ich mag nicht daran denken.“
„Oder Dan.“
„Hör auf“, sagte Hasard und schluckte einen imaginären Kloß hinunter, der ihm in der Kehle steckte. „Mach es nicht noch schlimmer. Aber der Kampf ist noch nicht zu Ende.“
„Ja, die Spanier müssen noch besiegt werden“, sagte Philip. „Sie haben an allem schuld.“
„Vor allem Don Antonio de Quintanilla.“
„Wenn ich den jetzt vor mir hätte“, flüsterte Philip. „Weißt du, was ich mit ihm tun würde?“
„Das gleiche wie ich.“ Hasard holte tief Luft. „Schluß jetzt mit dem Trübsalblasen. Das führt zu nichts. Gehen wir zu den anderen zurück.“
Sie drehten sich um und gesellten sich wieder zu der Gruppe. Karl von Hutten erzählte gerade, wie sich der Angriff der Spanier auf die Insel abgespielt hatte. Sein Bericht wurde mit einigen Äußerungen der Zuhörer quittiert, und der alte O’Flynn sprach Arkana, Ramsgate, Pater David und ihm sogar ein dickes Lob für die erzielten Erfolge aus.
Stunden später, am hellen Morgen dieses neuen Tages, sichteten die Ausgucks der Schlangen-Insel Mastspitzen an der westlichen Kimm. Für kurze Zeit bestand die Befürchtung, es könne sich um eine Nachhut der Spanier handeln, dann aber erkannten die Späher, daß es sich um die Schiffe der Insel handelte – um die „Isabella IX.“, den Schwarzen Segler, die „Caribian Queen“ und – als letztes Schiff – die „Pommern“. Sie segelten am Wind und steuerten auf den Felsendom und das Tor zur Hölle zu, dann liefen sie ein und gingen vor Anker.
Ernst blickten die am Ufer stehenden Frauen und Männer zu ihnen, und Hasard junior sagte: „Eins ist sicher: das letzte Wort mit den Dons ist noch nicht gesprochen …“
ENDE
1.
Der Sonnenaufgang war wie eine lautlose Explosion von gigantischen Ausmaßen.
In der östlichen Bucht von Grand Turk erlebten Seesoldaten und Seeleute das grandiose Naturschauspiel mit weit aufgerissenen Augen. Doch es war alles andere als Faszination, die sie gepackt hatte. Eher Beklommenheit und fast Entsetzen wurden in ihnen wach, von der Erinnerung geschürt.
Anfänglich nur als glühender Punkt erkennbar, brach der Feuerball der aufgehenden Sonne sehr rasch aus der Kimm hervor. Eine blutrote Urgewalt, die sich mit alles verzehrender Gewalt aus den Fesseln der Nacht befreite und ihr flammendes Licht rasend schnell über die See ausgoß. Die Glut breitete sich mehr und mehr auf der so friedlich scheinenden Weite der Karibischen See aus und erfaßte gleich darauf auch die Bucht, in der die drei Kriegsschiffe vor Anker lagen.
Jene Männer, die auf den oberen Decks genächtigt hatten, waren schon bei der ersten Helligkeit des 27. Juli Anno 1594 wach geworden. Als müßten sie sich erneut vor einem Feuersturm schützen, hoben etliche von ihnen die Hände – abwehrend gegen die grelle Sonnenglut.
Unruhig war ihr Schlaf gewesen, und jähe Angstgefühle packten sie beim Anblick der feurigen Morgenröte. Erst nach und nach, mit zunehmender Wachheit, vermochten sie das Grauen abzuschütteln, das sich wie eine peinigende Tortur in ihrem Unterbewußtsein festgekrallt hatte. Jenes Grauen, das aus dem Feuersturm herrührte, den sie nur mit knapper Not überlebt hatten.
Und wie zum Hohn lastete beißender Brandgeruch in der Bucht, haftete an den Schiffen wie der Gestank von Wundfäule und ließ sich selbst durch den auflandigen Wind nicht fortwischen. Lediglich die Schaluppe – als einzige von ursprünglich sechs einmastigen Aufklärern übriggeblieben – trug geringere Spuren des Infernos, in das Capitán Cuberas Kampfverband geraten war.
Ja, die so unbedeutend und menschenleer scheinende Schlangen-Insel hatte sich als feuerspeiende Festung entpuppt, an der sie sich samt und sonders die Zähne ausgebissen hatten. Schon beim ersten Erkundungsversuch war das Unheil über den Verband hereingebrochen.
In jenem Felsendom, der die natürliche Einfahrt zur Inselbucht bildete, war die Kriegsgaleone „San Gabriel“ in Stücke gerissen worden. Heimtückische Pulverladungen hatten das bewirkt, und der Schreck war ihnen allen in die Knochen gefahren.
Dann, als sie mit allen Rohren auf die Insel gefeuert hatten, war doch kein nennenswerter Erfolg zu erkennen gewesen. Statt dessen waren die getarnten Batterien des Felseneilands plötzlich in Aktion getreten, als sich der Verband zu nahe herangewagt hatte. Brand- und Pulverpfeile der Verteidiger hatten ein übriges getan, und so war es ihnen gelungen, eine weitere Kriegskaravelle zu versenken.
Und schließlich das mißglückte Landeunternehmen in den beiden südlichen Buchten – die schlimmste und schmerzlichste Erinnerung für die Überlebenden auf den drei Kriegsschiffen. Fassungslos hatten sie erkennen müssen, daß sie gegen Indianer kämpften, die mit geradezu teuflischem Geschick die Waffen des weißen Mannes beherrschten.
Unter Wasser gespannte Ketten hatten die als Landungsboote eingesetzten Jollen und Schaluppen aufgehalten. Die Verteidiger hatten Wurfbomben eingesetzt, die dem Verband schwere Verluste zugefügt hatten. Schließlich waren von der nächtlichen See her zwei unbekannte Schiffe aufgetaucht, die eine weitere Kriegskaravelle versenkt hatten.
Angesichts der hohen Verluste und der schweren Schäden, die auf den verbliebenen Schiffen des Verbandes entstanden waren, hatte Capitán Cubera den Befehl zum Rückzug gegeben. Wie getretene Hunde hatten sie sich hierher, in die östliche Bucht von Grand Turk verkrochen, um ihre Wunden zu lecken.
Welche nächste Entscheidung würde der Capitán treffen? Es gab nur wenige Männer, die nicht darauf hofften, daß er sich für den endgültigen Rückzug entschied. Während sich das morgendliche Sonnenlicht nach und nach vom feurigen Rot in strahlende Helligkeit wandelte, waren die meisten Männer von der Sehnsucht nach Havanna erfüllt.
Dort, in der großen Hafenstadt, die ihr Zuhause in der Neuen Welt war, konnten sie sich von dem Grauen erholen. Dort gab es alles, wonach ihr Sinn stand – die Behaglichkeit der kleinen Tabernas, den funkelnden Wein aus der fernen Heimat und die vielen Mädchen mit ihrer freundlichen Bereitwilligkeit.
Von einer Kampfmoral konnte nicht mehr die Rede sein.
Der Morgen begann indessen nach einer kräftigen Mahlzeit mit neuer, harter Arbeit, die für schwermütige Gedanken keinen Platz mehr ließ. Alle unverwundeten Männer wurden eingespannt, während die Feldschere und deren Helfer in den Schiffslazaretten ihre deprimierende Tätigkeit fortsetzten.
Nur die Schwerverwundeten hatten in den Nachtstunden notdürftig versorgt werden können. Bis zum Umfallen hatten die Feldschere gearbeitet. Jetzt, nach einer Mütze voll Schlaf, ging es weiter mit der immer noch unüberschaubaren Zahl jener, die mit durchgebluteten Notverbänden stöhnend in den Unterdecksräumen hockten.
Unter der Aufsicht der Offiziere teilten währenddessen die Schiffszimmerleute ihre Arbeitsgruppen ein. Sowohl auf dem Flaggschiff „San José“ als auch auf der zweiten Kriegsgaleone und der verbliebenen Karavelle waren schwerste Schäden zu beheben. Teile der Außenbeplankungen waren zu erneuern, zersplitterte Stengen, zerfetztes und verbranntes Takelwerk mußten ersetzt und mächtige Lücken, die in den Verschanzungen klafften, geschlossen werden.
Nicht minder schwerwiegend waren die vielen Brandschäden, die den nicht auszulöschenden beißenden Geruch in der Bucht hervorriefen. Bagatellschäden waren in ihrer Zahl noch nicht einmal abzuschätzen.
Sehr bald wurde es in der Bucht lebendig. Mit den wenigen noch intakten Beibooten wurde ein Pendelverkehr von Schiff zu Schiff eingerichtet, damit Werkzeuge und Materialien dort verfügbar waren, wo sie gebraucht wurden. Gebrüllte Befehle übertönten den Lärm von Hammerschlägen und kreischenden Sägen. Von Zeit zu Zeit stachen Schreie aus den Behandlungskammern der Feldschere, wenn den Männern die Schmerzen der Wundbehandlung nicht erspart bleiben konnten.
In der Offiziersmesse der „San José“ trafen sich zur selben Stunde die Kapitäne, ein Teil der Offiziere und die Schaluppen- und Jollenführer, die den Nachtangriff zur Landung auf der Piraten-Insel überstanden hatten.
Don Garcia Cubera empfing die Männer mit ernster Miene. Seine Züge waren wie gemeißelt, als er jedem einzelnen stumm die Hand reichte. Dann forderte er sie auf, an dem langen Tisch Platz zu nehmen. Er selbst ließ sich am Kopfende nieder. Vor ihm lag das aufgeschlagene Logbuch der „San José“, das er schon im Morgengrauen mit den niederschmetternden Eintragungen versehen hatte.
Cubera öffnete einen mit handtellergroßem Kork verschlossenen Steinkrug und griff nach einer der Tonpfeifen, die auf dem Tisch verteilt waren. Sorgfältig stopfte er die Pfeife mit dem gekrüllten Tabak aus dem Krug. Der würzige Duft erinnerte ein wenig an das Aroma von karibischem Rum.
Auf eine Handbewegung des Verbandsführers folgten die Kapitäne und Offiziere seinem Beispiel. Cubera zündete den Tabak in seiner Pfeife mittels der kleinen Flamme einer Öllampe an, und gleich darauf verstärkte sich der aromatische Geruch durch die kleinen weißen Wolken, die der Capitán ausstieß.
„Die Eingeborenen behaupten, der Tabakrauch habe eine beruhigende Wirkung und verhelfe überdies zu einem klaren Kopf“, sagte Cubera mit einem kaum merklichen Lächeln. „Zumindest letzteres sollte uns dabei helfen, unsere Überlegungen anzustellen, Señores.“ Er gab dem Ersten Offizier der „San José“ einen Wink. „Fangen Sie an mit Ihrem Bericht.“
Der Erste nickte bereitwillig, räusperte sich und wartete noch einen Moment, bis auch alle anderen ihre Tabakspfeifen entfacht hatten.
„Beginnen wir mit der derzeitigen Kampfstärke unseres Verbandes“, sagte er dann, „Capitán Cubera hatte mich beauftragt …“
Der Kapitän der zweiten Galeone unterbrach ihn mit rauhem Lachen.
„Verband? Das klingt wie ein makabrer Scherz. Wir sind ein armseliges Häufchen Elend, nichts weiter. Was nutzen uns noch so viele Kämpfer, wenn wir nur drei erbärmliche Schiffe zur Verfügung haben?“
„Mit Empfindungen und Folgerungen befassen wir uns später“, sagte Cubera energisch. „Zur Zeit geht es einzig und allein um die Fakten. Bitte!“ Er gab dem Ersten Offizier der „San José“ erneut einen auffordernden Wink.
Der Galeonen-Kapitän rammte sich das Pfeifen-Mundstück zwischen die Zähne und atmete schnaufend durch.
„Capitán Cubera hatte mich beauftragt“, fuhr der Erste fort, „die augenblickliche Zahl der einsatzbereiten Männer festzustellen. Ich habe die entsprechenden Zählungen an Bord der beiden Galeonen und der Karavelle durchführen lassen. Aber ich will Sie nicht mit übertriebenen Details langweilen, Señores.“ Er hob ein Blatt Papier von der Tischplatte auf, warf einen kurzen Blick auf die hastig hingeworfenen Zahlenkolonnen und blickte dann wieder in die Runde. „Die Leichtverletzten mitgerechnet, verfügen wir über insgesamt knapp tausend kampfbereite Männer.“
Der Schaluppenführer, ein Sub-Teniente namens Vicente de Pinzón, stieß einen Zischlaut aus und schüttelte fassungslos den Kopf.
„Tausend! Das bedeutet, daß unsere Verlustliste auch mindest tausend Namen umfaßt. Wenn Sie mich fragen, Señores – ein zu hoher Preis für die Einnahme einer lächerlichen Felsen-Insel.“
Die Mienen der anderen blieben unbewegt, als hätten sie nichts gehört. Nur Cubera reagierte. Seine Augen wurden schmal, und seine Stimme klang frostig.
„Es hat Sie aber niemand gefragt, de Pinzón. Ich weise nochmals darauf hin, daß wir uns zur Zeit ausschließlich mit den Tatsachen beschäftigen.“
Der Schaluppenführer, ein hagerer Mann mit eng zusammenstehenden Augen, senkte den Kopf, um dem Blick des Verbandsführers auszuweichen.
„Die Ist-Stärke umfaßt natürlich Mannschaften und Seesoldaten zusammen“, sagte der Erste Offizier der „San José“, „Stammbesatzungen und Gerettete, versteht sich. Die Männer sind auf die drei Schiffe verteilt, wobei wir auf den beiden Galeonen jeweils etwa dreihundertfünfzig und auf der Karavelle dreihundert Mann haben.“ Er räusperte sich abermals, legte seine Tabakspfeife beiseite und hob einen anderen Zettel auf. „Ich komme nun zu den Schäden, Señores. Nach den Feststellungen der Schiffszimmerleute sind sämtliche Schäden glücklicherweise mit Bordmitteln zu beheben. Bis zum Abschluß aller Reparaturarbeiten werden aber etwa drei Tage vergehen.“
„Höchstens?“ fragte Cubera.
Der Erste sah ihn an.
„Es ist knapp gerechnet, Señor Capitán. Die Schiffszimmerleute sind davon ausgegangen, daß auch nachts gearbeitet wird, vierundzwanzig Stunden am Tag also.“
„Das versteht sich“, entgegnete Cubera. „Bitte weiter.“
„Viel mehr ist nicht zu berichten, Señor Capitán. Auf Ihre Weisung hin sind Ausguckposten auf der höchsten Erhebung landeinwärts in Stellung gegangen. Es wurde vereinbart, daß Meldungen durch Läufer übermittelt werden – oder durch Böller bei Gefahr im Verzug.“
„Danke.“ Don Garcia Cubera nahm einen letzten Zug aus der Pfeife und lehnte sich zurück. „Um es gleich vorwegzunehmen, Señores: Ich bin nach wie vor der Meinung, daß wir diese Pirateninsel erobern werden – mit den restlichen drei Schiffen unseres Verbandes.“
Betroffene Blicke richteten sich auf ihn, doch keiner der Männer erhob ein Widerwort.
„Wir wissen inzwischen, womit wir zu rechnen haben“, fuhr Cubera fort. „Das heißt, wir werden unsere Taktik auf die Gegebenheiten einrichten müssen. Dabei handelt es sich zum einen um die Geschützstellungen in den Felsen und zum anderen um die Tatsache, daß uns erhebliche Schäden durch Brand- und Pulverpfeile und durch Wurfbomben zugefügt wurden. Nicht zu vergessen allerdings der Angriff der beiden unbekannten Schiffe von See her.“
„Was uns eine weitere Karavelle gekostet hat“, sagte der Kapitän der zweiten Galeone grimmig. „Wir müssen damit rechnen, daß die Verteidiger der Insel Verstärkung erhalten haben.“
„Wenn es sich so verhält“, entgegnete Cubera, „dann wird es keine nennenswerte Verstärkung sein. Es ist uns gelungen, den Piraten ebenfalls beträchtlichen Schaden zuzufügen. Vergessen Sie nicht, daß wir immerhin auch eins ihrer Schiffe versenkt haben. Ein weiteres wurde schwer beschädigt. Mehr haben wir auf dem Marsch zur Schlangen-Insel nicht gesichtet. Dieser Punkt sollte uns kein Kopfzerbrechen bereiten.“
Er ahnte nicht, wie sehr er sich irrte. Denn sämtliche Schiffe des Bundes der Korsaren waren mittlerweile bei der Schlangen-Insel eingetroffen. Lediglich die „Le Vengeur“ fehlte. Beim Versuch, den Kampfverband in seinem Anmarsch aufzuhalten, war Jean Ribaults Schiff unter dem massierten Feuer der Spanier gesunken.
„Lassen Sie mich noch einiges hinzufügen, was für unsere künftigen Entscheidungen wichtig sein könnte“, sagte Cubera nachdenklich. „Für mich persönlich war es eine äußerst bestürzende Überraschung, daß die Insel von indianischen Kriegerinnen und Kriegern verteidigt wurde. Wir hatten erwartet, ausnahmslos auf englische Piraten zu stoßen. Das ist das eine. Der entscheidende Punkt ist aber die Kampfesweise dieser Indianer.“
„Wie sie mit ihren Geschützen umgehen können!“ rief einer der Offiziere. „Das können sie nur von Europäern gelernt haben.“
„Von englischen Piraten“, fügte ein anderer erbittert hinzu.
„Eben drum“, sagte Cubera und nickte. „Für uns ergibt sich die Schlußfolgerung, daß sich die englischen Piraten möglicherweise mit den Eingeborenen der Karibik verbündet haben. Die Konsequenzen für den spanischen Besitz in diesen Breiten können mörderisch sein. Die Gefahren, die dadurch heraufbeschworen werden, sind nicht auszudenken. Noch mehr Übergriffe auf die Geleitzüge, Überfälle auf Besitzungen der spanischen Krone und schlimmstenfalls sogar regelrechte Volksaufstände. Andererseits“, Cubera zögerte einen Moment, doch dann sprach er weiter, „muß man aber auch realistisch denken und die Hintergründe nicht verhehlen. Unsereins hat sich in der Neuen Welt nicht gerade beliebt gemacht.“
„Unsereins?“ Der Kapitän der zweiten Galeone beugte sich vor. Deutliche Empörung stand in seiner Miene. „Ich weiß, auf was Sie hinauswollen, Don Garcia. Aber ich bitte Sie, eine gewisse Sorte von Landsleuten nicht mit uns in einen Topf zu werfen. Wir sind Seeoffiziere, und wir tun unsere Pflicht. Aber niemand kann uns vorwerfen, daß wir als Unterdrücker auftreten oder uns zu sonstigen Ungerechtigkeiten verleiten lassen. Wie gesagt, das besorgen andere an unserer Stelle.“
Cubera bewegte beschwichtigend die Hände auf und ab.
„Der Ruf einer Nation wird meist von ihren negativen Erscheinungsformen geprägt. So verhält es sich zumindest hier, in den Breiten, die der große Columbus entdeckt hat. Halten wir uns doch einmal nur die Tatsachen vor Augen.“ Cuberas Stimme wurde beschwörend, und er straffte seine Haltung. „Wie ist man mit den Karibik-Indianern umgesprungen? Man hat sie entweder ausgerottet oder in die spanischen Minen verschleppt. Wenn man nun andererseits berücksichtigt, was über diesen sogenannten Seewolf berichtet wird – ja, dann muß dieser Mann eine ausgesprochene Führernatur sein. Ihm ist es durchaus zuzutrauen, daß er die Eingeborenen auf seine Seite gezogen hat.“
„In der Tat!“ rief der Kapitän der Karavelle. „Das erscheint mir einleuchtend. Denken wir daran, auf welche Weise diese doch ziemlich kleine Insel verwandelt wurde. Erstens die perfekte Tarnung, der wir alle auf den Leim gegangen sind. Wenn wir von den Geschützstellungen auch nur etwas geahnt hätten, wären wir niemals so nahe an das Felsenufer herangesegelt. Zweitens die verborgenen Fallen in den Buchten! Drittens die Sprengladungen, von denen die ‚San Gabriel‘ zerrissen wurde!“
„Richtig“, sagte Capitán Cubera und nickte. „Auf dieser verfluchten Insel müssen geschickte Festungsbaumeister am Werk gewesen sein. Damit aber nicht genug. Die Indianer haben Pulverpfeile verschossen, und sie haben Wurfgranaten in Form von explodierenden Flaschen eingesetzt. Das deutet zweifelsfrei auf ihre Verbindung zu den englischen Piraten hin. Denn genau diese Waffen haben die Kerle auch bei den Seegefechten verwendet.“
„Alles in allem wenig erfreulich“, sagte der Kapitän, der ihm gegenübersaß.
„Ich weiß“, entgegnete Cubera. Er schob die Ellenbogen auf den Tisch und faltete die Hände. „Deshalb komme ich auf meine einleitenden Worte zurück. Wir dürfen nicht klein beigeben. Wir müssen kämpfen, denn wir haben es hier mit einem Gegner zu tun, der der spanischen Krone ernst zu nehmende Schwierigkeiten bereiten kann. Wenn sich die englischen Piraten weiter mit den Indianern verbünden und in diesem östlichen Bereich der Karibik festsetzen, dann entsteht dadurch eine ständige Gefahr für Spanien.“ Er lehnte sich wieder zurück. „Meine Order lautet also: Schnellstmögliche Behebung der Gefechtsschäden und anschließend erneuter Angriff auf die Pirateninsel. Wir haben drei Tage Zeit, unsere taktische Planung dafür zu entwickeln.“
Die Männer nickten zustimmend.
„Gibt es noch Fragen?“ Cubera blickte in die Runde.
Es blieb still. Die Kapitäne und Offiziere kannten ihren Verbandsführer. Er hatte an vielen Gefechten und Schlachten teilgenommen und dabei gewiß mehr Erfahrung gesammelt als alle Teilnehmer dieser morgendlichen Lagebesprechung zusammen. Don Garcia Cubera, das wußten sie, war alles andere als ein Eisenfresser, der über Leichen ging und Menschenleben opferte, ohne mit der Wimper zu zucken.
Aber Cubera war zäh. Er gab so schnell nicht auf.
Eben dies wußten sie auch. Man stand nicht auf verlorenem Posten, wenn man sich seinen Anordnungen beugte. Cubera entzog sich niemals der Verantwortung, die er als Führerpersönlichkeit übernommen hatte. Er war nicht der Mann, der andere vorschickte, damit sie für ihn die Kastanien aus dem Feuer holten.