Kitabı oku: «Seewölfe Paket 21», sayfa 7

Yazı tipi:

Mehr und mehr hatte Don Juan erkennen müssen, daß er aus einem ähnlichen Holz geschnitzt war wie jener angebliche gefährliche Pirat. Und die jüngsten Ereignisse in Havanna hatten ihn dazu veranlaßt, sich nach der Offenbarung durch Arne auf die Seite des Bundes der Korsaren zu schlagen.

2.

Der hochgewachsene Spanier zwang sich, in die Wirklichkeit zurückzufinden. Wenn er aus seinen Berechnungen die richtige Folgerung zog, dann würden der spanische Kampfverband und die Schiffe des Bundes der Korsaren aller Wahrscheinlichkeit nach am frühen Morgen oder in den Vormittagsstunden des nächsten Tages aufeinanderprallen.

Es blieben also nur noch die Stunden der Dunkelheit, um etwas zu unternehmen. Auf Biegen oder Brechen mußte etwas geschehen, wenn es doch noch einen Aufschub geben sollte. Mehr denn je war Don Juan de Alcazar entschlossen, seinen Beitrag zu leisten, damit ein Blutvergießen größten Ausmaßes vermieden würde. Er mußte es einfach wagen, auch wenn durch die Schaluppen das Risiko um ein Vielfaches erhöht wurde.

Er gab sich einen Ruck und stieß sich von der Verschanzung ab. In der Formation des spanischen Verbandes schien sich nichts geändert zu haben. Zumindest deutete nichts darauf hin, daß man die Schebecke bemerkt hatte. Der erneute Überraschungsangriff mußte gelingen.

„Ramón!“ rief Don Juan halblaut. „Männer!“

Die Gesichter, die zu ihm herumruckten, waren in der Dunkelheit als helle Flecken zu erkennen.

„Es geht los“, sagte Don Juan mit metallisch klingender Stimme. „Halse nach Steuerbord. Neuer Kurs Südwest.“

Ramón Vigil wiederholte den Befehl und legte Ruder. An den Schoten bewiesen die Männer, daß sie den Dreimaster aus dem fernen Algerien bereits bestens beherrschten. Der Bug der Schebecke schwang herum, und gleich darauf standen die rot-weißen Segel prall, als der schlanke Dreimaster platt vor dem Wind auf den Verband zujagte.

Gischtschwaden stiegen von der Bugwelle auf und wehten über die Decks. Die Männer standen unerschütterlich, geduckt und mit jeder Faser ihrer Nerven zum Angriff entschlossen.

Nach und nach zeichneten sich die Umrisse der Kriegsschiffe mit schärferen Linien in der Dunkelheit ab. Aus schmalen Augen taxierte Don Juan die zusammenschmelzende Distanz, gleichzeitig lauschte er angestrengt. Jeden Moment mußten die alarmierenden Rufe der Ausgucks auf den Kriegsschiffen zu hören sein. Noch bevor dies geschah, gab er das Kommando zur Kurskorrektur nach Westsüdwest. Wie ein zupackender Falke stieß die Schebecke auf die Flanke des Verbandes zu.

Sekunden später wurde die Stille zerrissen. Gellende Stimmen ertönten, gefolgt von wildem Befehlsgebrüll. Vom Schein der Hecklaternen immer deutlicher gezeichnet, wuchsen die mächtigen Umrisse der Kriegsschiffe buchstäblich auf den heranjagenden Dreimaster zu. Don Juans Männer duckten sich hinter den Drehbassen und harrten auf den Befehl, die schwenkbaren Hinterlader im entscheidenden Moment zu zünden.

Don Juan entschied sich für die zweite Galeone, die in der Backbordkolonne des Verbandes segelte. Diesmal würde er mitten in die Formation der schwimmenden Festungen hineinstoßen und eine weitere Ruderanlage in Trümmer schießen.

Im selben Moment, als er seine Entscheidung traf, durchzuckte es ihn siedendheiß. Die Schaluppen! An Steuerbord voraus schwärmten sie aus, die Wachhunde, die Cubera von der Leine gelassen hatte. Doch es waren keineswegs nur drei, wie er angenommen hatte.

Insgesamt fünf der wendigen Einmaster warfen sich dem Angreifer entgegen. Don Juan erstarrte sekundenlang. Er mußte begreifen, daß Cubera aus den bisherigen Nachtangriffen seine Lehre gezogen und zwei und zwei zusammengezählt hatte. Natürlich hatte er damit gerechnet, daß der Gegner wieder aus der Luvposition angreifen würde. Und so hatte er auf der Steuerbordseite des Verbandes lediglich eine Schaluppe belassen, während er die beiden anderen auf die Backbordseite beordert hatte. Insgesamt fünf Einmaster waren es also, die zum Gegenangriff übergingen.

Don Juan stieß einen Fluch aus. In der Dunkelheit hatte er die Umgruppierung der Schaluppen nicht bemerkt, und auch seinen Männern war dies entgangen. Doch jetzt war es zu spät, eine neue Taktik zu entwickeln. Unversehens hatte sich das Blatt gewendet. Die Männer auf der Schebecke gerieten von der Rolle des Angreifers in die des Verteidigers.

Zwei der Schaluppen lösten sich aus dem Pulk und stießen im Direktkurs auf den Dreimaster zu. Gleichzeitig schwärmten die drei anderen nach Ostnordost aus. Don Juan begriff sofort, während er in Gedanken blitzartig die möglichen Gegenmaßnahmen durchspielte. Ziel der beiden ersten Schaluppen war es, seinen Angriff zu verhindern. Von den drei übrigen Wachhunden sollte er inzwischen in die Zange genommen werden.

Währenddessen setzte sich das Gebrüll an Bord der großen Kriegsschiffe fort. Stückpforten wurden geöffnet, und die ersten Bronzemäuler der Geschütze lugten heraus. Gefechtsbereitschaft hatte wahrscheinlich ohnehin geherrscht. Diesmal wollte es Cubera wissen. Nur noch Minuten, schlimmstenfalls Sekunden konnten vergehen, bis die Galeonen und Karavellen ihre ersten Breitseiten abfeuerten.

Noch lag die Schebecke mit rauschender Fahrt auf Kurs Westsüdwest. Don Juan zog den Kopf tiefer zwischen die Schultern und preßte die Lippen fester zusammen. Konnte er es trotz allem schaffen, in die Backbordflanke des Verbandes vorzustoßen?

Die Schaluppen, die sich von Steuerbord näherten, waren schnell, viel zu schnell. Auf fast eine Kabellänge war die Distanz zusammengeschrumpft, als Don Juan einsehen mußte, daß sich seine Erfolgsaussichten wie eine Gischtfahne verflüchtigten.

Grellrotes Feuer zuckte an Steuerbord auf. Das unverkennbare trockene Krachen von Drehbassen begleitete die Mündungsblitze. Auf beiden Schaluppen feuerten sie ihre Hinterlader in gut abgestimmter Folge ab. Orgelnd rasten die Eisenkugeln heran und rissen weißschäumende Säulen aus dem Wasser.

„Ramón!“ brüllte Don Juan. „Vier Strich Steuerbord! Und dann Feuer frei! Heizt ihnen ein!“

Zustimmendes, fast begeistertes Gebrüll ertönte von der Kuhl der Schebecke. Die Männer hatten begriffen, in welche Lage sie geraten waren. Ihr Kapitän hatte nicht anders entscheiden können. Unmöglich, noch in die verwundbare Flanke des Verbandes vorzudringen und gewissermaßen im Vorbeigehen ein Ruder zu Klump zu schießen. Jetzt hieß es, sich schleunigst zu verdrücken. Das wiederum war nur möglich, indem man nach Nordwesten hin durch die beginnende Umklammerung der Schaluppen entwich.

Hart krängte der Dreimaster nach Backbord, als Ramón Vigil Ruder gelegt hatte. Bei halbem Wind über Backbord segelnd, gewann die Schebecke doch im Handumdrehen wieder beachtliche Fahrt. Wenn man in dieser Situation überhaupt bestehen konnte, dann nur dank der Wendigkeit dieses Schiffes.

Für einen Moment geriet das Drehbassenfeuer der beiden Schaluppen ins Stocken. Verwirrung breitete sich aus – offenkundig.

„Damit haben sie nicht gerechnet!“ schrie Ramón Vigil.

In der Tat mußte es den Besatzungen der Einmaster so erscheinen, als wolle sich ihnen der fremde Dreimaster in einer Art Verzweiflungstat frontal entgegenwerfen.

„Bugdrehbassen Feuer!“ brüllte Don Juan.

Eine Sekunde später wummerten die Hinterlader los und schickten den Schaluppen ihre Eisenladung entgegen. Ein schwaches Bersten verkündete einen Treffer, wenn auch sicherlich nicht nennenswert.

„Ramón, geh höher an den Wind!“

Der Bootsmann befolgte die Anordnung augenblicklich, und in diesem Moment war es auch mit der Verwirrung an Bord der Schaluppen vorbei. Die Spanier erkannten die Absicht des ihnen unbekannten Gegners. Hart am Wind wollte er sich an ihnen vorbeimogeln und dabei auf Gegenkurs auch die drei übrigen Schaluppen abhängen. Letztere waren eben erst im Begriff, ihren nun nutzlosen Umklammerungsversuch abzubrechen und sich auf eine Verfolgungsjagd einzustellen.

Noch einen Vorteil sah Don Juan in seinem Manöver: Solange er sich an der Luvseite der beiden Angreiferschaluppen befand, war er vor den schweren Geschützen der Kriegsschiffe halbwegs sicher. Denn sie würden nicht riskieren, ihre eigenen Leute durch ihre Breitseiten in Gefahr zu bringen.

Trotzdem blieb der tödliche Wirkungsbereich der Drehbassen, in den die Schebecke nun unweigerlich geriet.

„Backborddrehbassen Feuer!“ befahl Don Juan.

Noch während er die letzten Silben ausstieß, hastete er zur Backbordverschanzung des Achterdecks und packte den dort befindlichen Hinterlader. Mit einem Ruck schwenkte er das geladene Bronzerohr nach Backbord voraus.

Mit einem kurzen Seitenblick sah er, daß sich Ramón Vigil hinter dem Ruder duckte. Auf den Bootsmann war Verlaß. Mit eisernen Fäusten würde er sie aus dem Geschoßhagel herausbringen.

Am Schanzkleid der Kuhl brüllten die ersten Drehbassen los. José Buarcos und Jorge Matteo, die beiden Männer von der gesunkenen Karavelle, waren unter den Schützen. Es mußte ein seltsames Gefühl für sie sein, auf die eigenen Landsleute zu feuern. Aber sie hatten sich den Zielsetzungen ihres neuen Kapitäns verschrieben, und sie wußten, daß es nicht Don Juans Absicht war, Menschen sinnlos niederzumetzeln.

Auch auf den beiden Schaluppen blitzte es jetzt auf, spärlich noch. Die Männer auf der Schebecke zogen die Köpfe ein, während sie nachluden. Jaulend zischten die Geschosse über die Verschanzung hinweg, und nur eine der Eisenkugeln streifte das Steuerbordschanzkleid mit schmetterndem Klang.

Don Juan erkannte die Absicht der Schaluppenführer. Der Kollisionskurs war ihnen zu riskant. Vielmehr waren sie kaum merklich abgefallen. Mit dem Bug nach Südsüdost und in versetzter Position lauerten sie darauf, der vorbeirauschenden Schebecke die vollen Ladungen ihrer Backbordrohre zu verpassen.

Mit schmalen Augen taxierte Don Juan die Distanz. Nicht mehr als eine halbe Kabellänge würde er von den Schaluppen entfernt sein, wenn sie sich für einen Moment auf gleicher Höhe befanden. Und an Steuerbord achteraus formierten sich die ersten beiden Wachhunde zur Verfolgung.

Mit jedem Yard, den die Schebecke indessen auf Kurs Nordnordwest hinter sich brachte, vergrößerte sich die Entfernung zu den Galeonen und Karavellen des Verbandes.

Das Feuer auf den Schaluppen war jetzt eingestellt worden. Sekunden des Belauerns setzten ein. Denn nur noch Sekunden würde es dauern, bis der Dreimaster den gefährlichen Bereich erreichte. Innerlich von eiskalter Ruhe erfüllt, schätzte Don Juan die winzige Zeitspanne ab. Der Vorteil des ersten Schusses war in dieser Lage von größter Bedeutung – sinnvoll aber nur dann, wenn einem auf Anhieb ein Treffer gelang, der das Zielaufnehmen des Gegners durcheinanderbrachte. Letzteres war bei den beweglich gelagerten Drehbassen eben nur allzu leicht möglich.

„Feuer!“ rief Don Juan mit Donnerstimme und stieß im selben Moment die Lunte seines Hinterladers ins Zündloch.

Zehn weitere Drehbassen an der Backbordseite des Dreimasters ließen sprühende Funken ihres Zündkrauts aufsteigen.

Hart krängte die Schebecke nach Steuerbord, als die elf Geschützrohre fast im selben Sekundenbruchteil losbrüllten. Grelle Feuerzungen leckten nach außenbords. Im nächsten Augenblick mußten sich die Männer in Deckung werfen. Denn das Krachen ihrer eigenen Rohre wurde vom Feuer der Drehbassen des Gegners überlagert.

Ein Schwarm von Geschossen rauschte heran. Etliche lagen zu kurz und verwandelten das Wasser an Backbord der Schebecke in einen Fontänenwald. Weitere Kugeln rasten über Hauptdeck und Achterdeck. Berstende Einschläge gingen den Männern durch Mark und Bein. Ramón Vigil hing fast am Ruder, aber es gelang ihm dennoch, um keinen einzigen Strich vom Kurs abzuweichen.

Im verklingenden Nachhall der Schüsse begannen die Männer mit dem Nachladen. Don Juan richtete sich halb auf. Zufrieden stellte er fest, daß sie aus dem Gefahrenbereich der Schaluppen heraus waren. Doch einen Grund zum endgültigen Aufatmen gab es noch nicht. Denn jetzt jagten sie in das Schußfeld der beiden letzten Schiffe an der Backbordflanke des Kampfverbandes.

„Volle Deckung!“ befahl Don Juan mit Donnerstimme.

Ihnen blieb nur noch, ein Stoßgebet zum Himmel zu schicken. Jegliches Nachladen der Drehbassen wirkte sinnlos angesichts der schweren Stücke, deren Mündungen jetzt auf sie gerichtet waren. Ein wenig Hoffnung gab ihnen indessen die hohe Geschwindigkeit des schlanken Dreimasters.

Die Breitseite des vorletzten Kriegsschiffs, einer Galeone, röhrte mit urgewaltigem Donner los. Die Mündungsblitze erhellten die Nacht mit blutrotem Schein. Das Krachen der Drehbassen, das den Männern noch in den Ohren lag, wirkte lächerlich dünn gegen den Feuerzauber, der jetzt über sie hereinbrach.

Don Juan und seine Gefährten hielten den Atem an, als die ersten zu kurz liegenden Geschosse ins Wasser rasten und an Backbord masthohe Wassersäulen aufsteigen ließen. Sollte es tatsächlich der Fall sein, daß sie schon genügend Distanz gewonnen hatten?

Noch während sie diesen Gedanken hegten, donnerte die Breitseite der in Backbord-Schlußposition segelnden Karavelle. Und wieder rauschten die Fontänen, wie von Gigantenkräften hochgerissen. Kein Bersten und kein Splittern jedoch, das den Schiffsrumpf hätte erbeben lassen.

Noch einen Atemzug lang harrten die Männer schweigend aus. Dann sprangen sie auf und brachen in wildes Freudengebrüll aus. Auch Ramón Vigil richtete sich am Ruder auf und stimmte mit ein.

Don Juan mußte ihre verständliche Freude dämpfen, indem er nach achteraus wies.

Zwei Schaluppen hatten sich auf Verfolgungskurs gesetzt. Und es war nur noch eine Frage von Minuten, wann auch die anderen die Jagd aufnehmen würden.

Auf Don Juans Anweisung hielt Ramón Vigil den Kurs, bis sie ausreichende Distanz von den beiden am Schluß des Verbandes segelnden Karavellen hatten. Dann gab er Order, die Schebecke nach Westen abfallen zu lassen. Bei raumem Wind nahm der Dreimaster sehr schnell höhere Fahrt auf. Kurz darauf hatten Don Juans Männer abermals Anlaß zu triumphierendem Gebrüll.

Die Schaluppenbesatzungen hatten das Nachsehen. Mit den hervorragenden Segeleigenschaften der Schebecke konnten sie es nicht mehr aufnehmen. Sehr bald hatte die Dunkelheit die rot-weißen Segel verschluckt. Eine dichte Wolkendecke sorgte für fast völlige Finsternis, und die Männer unter Don Juan konnten endgültig aufatmen.

„Das hätte ins Auge gehen können“, sagte der Bootsmann, und das Blitzen seiner Zähne zeigte an, daß er grinste.

Don Juan gab Order, die Schäden zu überprüfen. Er mußte erkennen, daß es mit der Zeit der tollkühnen Raids vorbei war. Der Verband hatte sich gegen böse Überraschungen gewappnet.

3.

Im Schutz der Finsternis ließ Don Juan die Segel wegnehmen. Er brauchte Zeit und Ruhe, um sich einen Überblick über die Gefechtsschäden zu verschaffen. Kurz nachdem die Schaluppen außer Sichtweite zurückgefallen waren, hatte er nach Nordwesten angeluvt und ein beträchtliches Stück an Distanz gewonnen.

Es bestand nur eine äußerst geringe Gefahr, daß sie von den Verfolgern doch noch aufgespürt wurden. Ohnehin hatten die Schaluppenführer sicherlich Order, sich nicht zu weit vom Verband zu entfernen. Das bittere Beispiel der von der Black Queen versenkten Karavelle mußte Cubera noch in hinlänglicher Erinnerung sein.

Dennoch verzichtete Don Juan darauf, die Bordlaternen anzünden zu lassen. Es war nicht abzuschätzen, wie weit der Lichtschein bei den herrschenden Sichtverhältnissen reichen würde. Die Luft war klar, trotz des wolkenverhangenen Himmels. Dunstschleier und Nebelschwaden würden sich zweifellos erst in den frühen Morgenstunden so weit verdichten, daß sie vom Wind nicht mehr fortgetrieben werden konnten.

Gemeinsam mit dem Bootsmann untersuchte Don Juan zunächst das Achterdeck. Hier hatte es keine Schäden gegeben. Anders jedoch auf der Kuhl.

„Im Steuerbordschanzkleid haben wir drei hübsche Löcher“, sagte José Buarcos.

„Und die Nagelbank beim Großmast gibt es nicht mehr“, fügte ein anderer hinzu.

„Besser, als wenn es den Mast erwischt hätte“, sagte ein dritter.

Aus dem weiteren Bericht der Männer entnahm Don Juan, daß die vordere Verzurrung des Beiboots zerfetzt worden war, und daß die Backbordverschanzung des Vordecks ebenfalls einen Treffer empfangen hatte. In keinem Fall hatte es jedoch Einschüsse unterhalb der Wasserlinie gegeben. Überdies würden sich sämtliche Schäden in relativ kurzer Zeit mit Bordmitteln beheben lassen. Die Einsatzfähigkeit der Schebecke war nicht beeinträchtigt.

Don Juan ließ erneut die Segel setzen, und mit einer Halse nach Backbord ging der Dreimaster aus Ostkurs.

„Anders habe ich es nicht erwartet“, sagte Ramón Vigil, als sein Kapitän auf das Achterdeck zurückkehrte. „Ich bin auch der Meinung, daß wir den Burschen noch einmal kräftig einheizen sollten.“

„Wir müssen es tun“, sagte Don Juan und nickte, „daran gibt es gar keinen Zweifel. Die Frage ist nur, welche Taktik wir anwenden. Einen direkten Vorstoß können wir praktisch nicht mehr riskieren.“

„Die Kerle beim Verband passen höllisch auf. Das muß man ihnen lassen. Bleibt uns also nur ein Trick, nehme ich an. Deshalb unser neuer Kurs, nicht wahr?“

Don Juan lachte leise. Ramón Vigil bewies immer wieder, daß er nicht nur ein hervorragender Seemann und ein harter Kämpfer war. Auch seine Fähigkeit, in schwierigen Situationen klare Überlegungen anzustellen, war außergewöhnlich.

„Mir scheint, du hast mich mal wieder durchschaut.“

„Da gibt es nicht viel zu durchschauen, Señor Capitán. Der Verbandsführer denkt doch bestimmt, wir würden es nicht noch einmal wagen, von Luv her anzugreifen. Also zieht er seine Aufpasser, die Schaluppen, auf der Leeseite zusammen. Und dorthin, nach Steuerbord, werden sie auch alle stieren, weil sie uns aus der Richtung erwarten.“

„Hoffen wir, daß diese Rechnung aufgeht“, sagte Don Juan und atmete tief durch. „Wenn Cubera so taktiert, wie wir annehmen, werden wir jetzt auf der Luvseite nur noch eine Schaluppe vorfinden. Folglich tun wir genau das, womit Cubera am allerwenigsten rechnet.“

„Daher der Ostkurs“, sagte Ramón Vigil. „Wir segeln außer Sichtweite auf und setzen uns in vorliche Position. Dann brauchen wir praktisch nur noch die Lage zu peilen und loszuschlagen.“

Don Juan brummte zustimmend. Alles hörte sich so einfach an. Ob es nach dem mißglückten ersten Angriff aber diesmal klappen würde, stand in den Sternen. Immerhin war genausogut möglich, daß Cubera die umgekehrte Überlegung anstellte und eben jenen beabsichtigten Trick einkalkulierte.

Über Steuerbordbug segelnd, lief die Schebecke unterdessen beachtliche Fahrt. Nicht mehr als ein huschender Schatten, jagte der schlanke Dreimaster durch die Dunkelheit. Der Nordost füllte die rot-weißen Segel und ließ sie von Deck aus wie modelliertes Holz erscheinen. Weiße Gischtfetzen schwebten beiderseits des Bugs auf und verflüchtigten sich in der Finsternis. Die Wolkendecke war schon seit geraumer Zeit nicht mehr aufgerissen. Es war also kaum damit zu rechnen, daß sich die Sichtverhältnisse während der Nachtstunden noch besserten.

Don Juan berechnete die eigene Fahrt und die des wesentlich langsameren Verbandes und gelangte zu dem Ergebnis, daß er etwa eine Stunde vor Mitternacht eine vorliche Position zu dem Flaggschiff „San José“ erreicht haben mußte.

Eine halbe Stunde vor diesem Zeitpunkt ließ er die Schebecke nach Südosten abfallen und sichtete bald darauf die Silhouetten der Kriegsschiffe, die sich verschwommen über der Wasseroberfläche abzeichneten. Cubera hatte auf die Hecklaternen nicht verzichtet. Er konnte nicht das Risiko eingehen, daß seine Galeonen und Karavellen in der Finsternis untereinander den Anschluß verloren. Und gegen mögliche Überraschungsangriffe fühlte er sich letzten Endes durch die Schaluppen abgesichert.

Don Juan beugte sich über die Achterdecksverschanzung und spähte scharf nach Steuerbord.

„Hatten wir recht?“ rief Ramón Vigil mit unterdrückter Stimme und voller Spannung.

Erst nach einigen Minuten hatte Don Juan Gewißheit.

„Tatsächlich“, sagte er erleichtert, „nur eine Schaluppe auf der Backbordseite des Verbandes.“

Die Männer auf dem Hauptdeck hörten es ebenfalls, und augenblicklich spannte sich ihre Haltung an. Sie wußten, daß die Aufgabe diesmal erfüllt werden mußte. Denn alle waren fest entschlossen, das Ziel zu erreichen, das sie sich gemeinsam mit ihrem Kapitän gesetzt hatten.

Eine Stunde vor Mitternacht gab Don Juan den Befehl zum Angriff. Von Nordosten her stieß die Schebecke platt vor dem Wind auf den Verband zu.

Noch war alles ruhig. Auch war die Entfernung noch so groß, daß man die rot-weißen Segel nur mit äußerster Anstrengung bemerkt hätte. Überdies schien es sich tatsächlich so zu verhalten, daß die Ausgucks der Kriegsschiffe ihre Aufmerksamkeit weisungsgemäß nach Steuerbord richteten. Von dort erwarteten sie den nächsten Angriff.

Sie sollten ihr blaues Wunder erleben. Dieser feste Wille beseelte jeden einzelnen Mann an Bord der Schebecke. Diesmal würde der überraschende Vorstoß gelingen, und Cuberas Leute würden sich mit einem neuen Ruderschaden herumplagen müssen, ehe sie überhaupt wußten, wie ihnen geschah.

Mit angespannten Muskeln standen Don Juan und seine Männer hinter den Drehbassen. Ihre Sinne konzentrierten sich ganz auf das, was vor ihnen lag.

So bemerkten sie nicht sofort die leisen, klatschenden Geräusche. Erst als die großen Regentropfen auf ihre Kleidung fielen, wurden sie aufmerksam. Sie hoben den Kopf, blinzelten unwillig zum tief schwarz verhangenen Himmel und fanden nicht einmal mehr Zeit, einen Fluch auszustoßen.

In Sekundenschnelle wurde das vereinzelte Klatschen der Regentropfen zu einem regelrechten Trommelfeuer. Dann, einen Atemzug später, öffnete der Himmel sämtliche Schleusen.

Wie aus Riesenkübeln rauschte es herab. Von einer Minute zur anderen war die Schebecke von einem undurchdringlichen Regenvorhang umgeben. Schlagartig schmolz die Sichtweite zusammen und verurteilte die Männer zur Blindheit.

Ihnen blieb nichts anderes übrig, als die Läufe der Drehbassen nach vorn abzukippen, damit das Wasser wenigstens nicht in die Rohre lief. Eilends wirbelten sie herum. Aber es war bereits zu spät, die Kohlebecken noch zu retten. Zischend erlosch die Glut der Holzkohle unter dem mit fingerdicken Strängen niederströmenden Regen. Es prasselte und rauschte, und auf den Decksplanken entstand ein Feld von kleinen weißen Fontänen.

Im Handumdrehen waren die Männer bis auf die Haut durchnäßt.

„Schafft das Pulver ins Trockene!“ brüllte Don Juan und packte selbst das Fäßchen, das unter seiner Drehbasse auf den Achterdecksplanken stand.

Auf dem Hauptdeck hatten die Männer bereits mit der so wichtigen Arbeit begonnen. Schwarzpulver war ein hochexplosives Zeug, solange es knochentrocken blieb. Aber schon das geringste bißchen Feuchtigkeit genügte, um es in eine nutzlose Masse zu verwandeln. Statt feuchten Pulvers hätte man ebensogut eine Handvoll Sand in die Drehbassenrohre füllen können. Der Effekt wäre der gleiche gewesen: absolut keine Wirkung.

Voller Eile hatten die Männer eine Kette gebildet, und von Hand zu Hand wanderten die Pulverfässer unter Deck. Zwar waren die kleinen Fässer mit ihren Holzdeckeln lose verschlossen gewesen, doch es bestand die Gefahr, daß der Platzregen stellenweise durchgedrungen war. Man würde sich später darum kümmern müssen, eine möglicherweise feuchte Pulverschicht aus jedem einzelnen Faß abzutragen.

Vorerst war es aus mit der Gefechtsbereitschaft. Keinen einzigen Schuß konnte man abfeuern, denn es schüttete und schüttete, als wollten sich Himmel und Meer zu einer alles ertränkenden Flut vereinen.

Fluchend hastete Don Juan zurück auf das Achterdeck. Daß ihm die Naturgewalten einen Strich durch die Rechnung zogen, war mehr als teuflisch. Eine abergläubische Seele konnte annehmen, daß die Schicksalskräfte auf der Seite des spanischen Kampfverbandes standen.

Triefend und vom Regenstrom eingehüllt, stand Ramón Vigil wie ein Baum hinter dem Ruder.

„Jetzt fehlt nur noch, daß uns so eine verdammte Galeone in den Grund rammt!“ rief der Bootsmann. „Wenn man wenigstens bis über den Bug hinaus sehen könnte, wäre mir wohler. Soll ich etwa den Kurs halten, Señor Capitán?“

Don Juan überlegte keine Sekunde lang. Alles war sinnlos geworden. Auf dem jetzigen Kurs zu bleiben, war gleichbedeutend mit Selbstmord.

Kurzerhand befahl er Südostkurs. Diese Entscheidung barg das geringste Risiko. Die Gefahr einer Kollision war ausgeschlossen, und gleichzeitig hielt man Fühlung mit dem Verband.

Ein ungutes Gefühl in der Magengegend konnte Don Juan dennoch nicht abschütteln, als der Dreimaster auf dem neuen Kurs lag. Der wolkenbruchartige Regen schien kein Ende nehmen zu wollen. Die Sichtweite blieb unverändert miserabel, und alles in allem war es, wie durch ein Meer von Watte zu segeln.

Eine halbe Stunde mochte vergangen sein, als der Regen so plötzlich aufhörte, wie er begonnen hatte.

Die Männer an Bord der Schebecke hatten das Gefühl, als würde der Vorhang ringsherum mit einem Ruck hochgezogen.

Vor ihnen tauchte ein mattgelber Lichtkreis aus der Dunkelheit auf.

Don Juan und seinen Gefährten gefror das Blut in den Adern.

Das Licht erhellte Teile des reichverzierten Achterkastells einer spanischen Kriegsgaleone. Und in erschreckender Deutlichkeit prangte dort oben der Schriftzug: „San José“.

„Hölle und Teufel!“ rief einer der Männer auf der Kuhl verhalten. „Wir sitzen mittendrin in dem verdammten Verband!“

Don Juan hatte seine Fassungslosigkeit überwunden und sah sich blitzschnell nach allen Seiten um.

In der Tat. Weniger als dreißig Yards vor ihnen segelte das Flaggschiff. Und an Backbord und Steuerbord befanden sich jeweils vier in Kiellinie segelnde Galeonen und Karavellen. Das Gefühl keimte auf, jeden Moment von dem Verband wie eine Laus zerquetscht zu werden.

Dem Schreck und der Überraschung folgte nüchterne Überlegtheit.

Himmel, dachte Don Juan grimmig, wenn man jetzt schießen könnte! Zum Greifen nahe sahen sie die Ruderanlage der „San José“ vor sich. Eine bessere Schußposition hätten sie sich niemals wünschen können. Doch es war ausgeschlossen, daran auch nur zu denken. In der Zeit, in der man trockenes Pulver an Deck geschafft und die Geschütze klariert hatte, würden die Geschütz-Crews auf den Kriegsschiffen ebenfalls Gefechtsbereitschaft hergestellt haben. Dabei war noch nicht einmal das Risiko einkalkuliert, daß man unter Umständen doch Pulver erwischte, das nicht völlig trocken war. Und dann, wenn es unter Umständen einen Versager nach dem anderen gab, war man dem Gegner praktisch wehrlos ausgeliefert.

Nein, der einzige Ausweg bestand darin, schleunigst den Schwanz einzuziehen und von der Bildfläche zu verschwinden.

Auch auf den Galeonen und Karavellen waren sie inzwischen wach geworden und hatten den Eindringling mit seinen rot-weiß gestreiften Segeln entdeckt. Wahrscheinlich war ihnen der Schreck genauso in die Knochen gefahren wie den Männern auf der Schebecke. Denn das Vorhandensein des Dreimasters zeugte immerhin von der Tatsache, wie wenig es auch den Besatzungen der Kriegsschiffe während des Regens möglich gewesen war, ihre unmittelbare Umgebung unter Kontrolle zu halten.

Gesichter tauchten über der Heckbalustrade der „San José“ auf. Auf den Galeonen und Karavellen entstand Wuhling. Gestikulierend und brüllend rannten Soldaten, Decksleute und Offiziere hin und her.

Auf Don Juans Befehl ließ Ramón Vigil die Schebecke abfallen. Dann, in der Halse, krängte der Dreimaster hart nach Backbord. Auf Gegenkurs liegend, gewann die Schebecke jedoch rasch wieder an Fahrt.

Die Kapitäne der am Schluß segelnden Karavellen hatten keine Chance mehr, den Fluchtweg zu versperren. Mit ihren vergleichsweise schwerfälligen Schiffen waren sie nicht in der Lage, ein solches Manöver noch rechtzeitig einzuleiten. Und die Schaluppenführer an der Leeseite hatten offenbar noch gar nicht begriffen, was sich abspielte.

Hinter den Verschanzungen der Kriegsschiffe tauchten Soldaten auf, die Musketen in Anschlag brachten.

Reflexartig gingen Don Juan und seine Gefährten in Deckung, während die Schebecke nur noch wenige Yards von der offenen See achteraus entfernt war.

Aber die Feuchtigkeit, die nach dem Wolkenbruch noch immer in der Luft hing, tat das ihre. Reihenweise schlugen die Flints auf den Reibstahl und verursachten nicht mehr als ein trockenes Klicken. Das empfindliche Zündkraut in den Pulverpfannen der Musketen reagierte nicht auf die schwachen Funken. Kein einziger Schuß fiel.

Augenblicke später war die Schebecke bereits achtern in der Dunkelheit verschwunden.

Schon nach einer halben Stunde setzte ein erneuter Platzregen ein, der wie mit verbissener Wut auf die Decksplanken prasselte. Der Dreimaster hatte nach Nordosten hin aufgekreuzt und lag nun wieder auf Südostkurs. Trotz der Blindheit, zu der sie alle verurteilt waren, hatte Don Juan immerhin die Hoffnung, den Anschluß an den Kampfverband nicht zu verlieren.

Die Zeit verstrich in quälender Monotonie. Der Regen schien nicht enden zu wollen. Das Gefühl, durch diese elende, strähnige Watte zu segeln, schlug sich auch auf die Stimmung der Männer nieder. Damit sie nicht vollends in Untätigkeit verharren mußten, gab Don Juan Order, die klatschnassen Drehbassenrohre aus den Lafetten zu nehmen und unter Deck zu schaffen. José Buarcos, Jorge Matteo und zwei weitere Männer aus der Stamm-Crew begannen damit, die Rohre zu entladen und dann gründlich zu trocknen. Wenn sie zügig arbeiteten, konnten sie die Gefechtsbereitschaft wieder herstellen, sobald der Regen aufgehört hatte.

Es erwies sich als ein Trugschluß. Der Regen legte nur eine kurze Atempause ein, und dann rauschte es von neuem wie aus Mordskübeln auf die Schebecke nieder. Als wollte die Natur ein boshaftes Spiel mit den einsamen Männern auf dem Dreimaster treiben, hielt der Schüttregen mit Unterbrechungen bis zum Morgen an.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
1862 s. 21 illüstrasyon
ISBN:
9783954397808
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre