Kitabı oku: «Seewölfe Paket 29», sayfa 17

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7.

Aladin hatte sie gar nicht mehr gehen lassen wollen. Aber Hasard hatte versprochen, daß es nicht bei diesem einen Besuch bleiben würde. So waren sie an Bord zurückgekehrt.

Der Kutscher war völlig überrascht, als Hasard ihm die Bücher gab.

„Medizin, Kochkunst, Heilkunde, Magie und Latein“, zählte der Seewolf auf. „Wir haben alles mitgenommen, was uns interessant erschien. Du kannst mit den Büchern sicher etwas anfangen, und Mac wird vielleicht auch mal einen Blick hineinwerfen wollen.“

Der Kutscher bedankte sich und versprach, sich am heutigen Abend mit einem „Gala-Essen“ zu revanchieren. Er war überglücklich über die vielen Bücher.

„Dann werden wir ihn wohl einige Tage lang nicht mehr sehen“, lästerte Smoky. „Der Kutscher muß doch erst alles lesen, sonst gibt er keine Ruhe.“

Hasard sah den Profos an und stutzte. Dem „lieben Ed“ war der linke Wangenknochen geschwollen und bläulich verfärbt. Er hatte auch eine dunkle Stelle am Hals und ein paar weitere Flecken.

„Was ist denn mit dir passiert?“ fragte Hasard. „Bist du jener Galeere dort vor den Rammsporn gelaufen?“

Carberry hüstelte verlegen und grinste ein bißchen. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.

„Oder hat es wieder beim Landgang in einer Kneipe eine Schlägerei gegeben?“ hakte er nach.

„Aber nein, Sir“, versicherte Carberry rasch. „In der Kneipe war alles sehr friedfertig, nett und freundlich. Wirklich, die Leute waren alle sehr zuvorkommend. Da werde ich doch keinen Streit anfangen.“

„Und woher stammen die Blessuren?“

„Die – äh – Blessuren, Sir? Ach, du meinst diese kleinen Flecken?“

„Genau die meine ich.“

„Ja, die – ja, also die stammen von Ibrahim. Der hat nämlich behauptet, der stärkste Mann der Welt zu sein.“

„Der Bulle vom Großen Basar? Den habe ich vor zwei Tagen schon gesehen. Hast du dich etwa mit dem geprügelt?“

„Ein netter Mensch, Sir“, sagte der Profos. „Ein ehrlicher Kämpfer, alles was recht ist, er kämpft ohne Tricks. Und er hat mir ein Goldstück versprochen, falls ich ihn auf die Bretter schicke. Das Goldstück haben wir dann angefeuchtet, und dabei ging es sehr friedlich zu.“

„Du hast also gegen dieses Monstrum gewonnen“, stellte Hasard fest. „Sonst hättest du ja logischerweise das Goldstück nicht.“

„So war es, Sir. Aber das hatte nichts mit einer Prügelei zu tun, da sei Gott vor. Ich habe nur eine Herausforderung angenommen und ihm den Profoshammer gezeigt. Jetzt kennt er ihn, aber das Boxen ist ihm für heute wohl vergangen.“

„In der Tat“, sagte Hasard und grinste auch ein bißchen. „An der Bude war heute absolut nichts los.“

Na, da hat der liebe Ed ja wieder einmal kräftig zugelangt, dachte er, aber das war schließlich seine Sache. Carberry war es auch ganz sicher nicht um das Goldstück gegangen, dazu kannte er den Profos viel zu gut. Der hatte nur einmal wieder etwas beweisen wollen, entweder sich selbst oder den anderen.

Ben Brighton blickte aufmerksam zu der Galeere, die immer noch im Hafen wie ein riesiger Hammer herumkrebste. Hasard folgte dem Blick.

„Eigenartig“, meinte Ben. „Das sieht so aus, als suchten sie etwas. Sie rudern von einer Pier zur anderen und sehen sich genau die Schiffe an, auch jene, die auf der Innenreede vor Anker liegen. Was mag da nur los sein?“

Das Gebaren kam den Arwenacks merkwürdig vor. Sie hörten laute Kommandos herüberschallen, dann immer wieder den überraschend schnell wechselnden Trommelschlag. Mal hörte er sich träge an, dann wieder war es wie ein einziges schnelles Hämmern. Und jedesmal änderte sich ebenso schnell der Rhythmus der Riemenschläge.

Eine Truppe Soldaten erschien am Hafen. Es waren etwa dreißig Mann, die mit Musketen und Säbeln bewaffnet waren. Der Trupp teilte sich und ging in entgegengesetzten Richtungen davon. Alle schienen es ziemlich eilig zu haben. Die Hektik war fast von einem Augenblick auf den anderen ausgebrochen.

„Keine Ahnung“, erwiderte Hasard. „Anscheinend suchen die etwas.“

Erstaunt sahen sie zu, wie die große Galeere Kurs auf eine Dhau nahm, die auf der Binnenreede ankerte.

Zwei Männer in einer Jolle pullten am Schiff der Arwenacks vorbei. Auch sie schienen es ziemlich eilig zu haben, denn sie droschen die Riemen nur so durchs Wasser.

„Frage sie mal, was da los ist, Philip“, sagte der Seewolf zu seinem Sohn.

Jung Philip preite die beiden Ruderer auf türkisch an. Sie gaben auch Antwort, pullten aber weiter.

„Venezianische Spione sind im Hafen“, übersetzte Philip zur Verblüffung der anderen. „Die sollen sich hier eingeschlichen haben, um alles auszukundschaften. Offenbar sind sie drüben auf der Dhau.“

„Ach, du lieber Himmel“, sagte Vater Hasard. „Was wollen die denn hier groß ausspionieren? Der Hafen ist doch für jeden zugänglich.“

„Venezianer“, wiederholte Dan O’Flynn. „Von Venezianern und Spaniern hat auch Aladin gesprochen. Vielleicht steht das in einem Zusammenhang. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Spione strategische und wichtige Punkte im Hafen auskundschaften.“

„Ausgeschlossen ist es nicht“, gab Hasard zu. „Mir ist über die internen Machtkämpfe in der Türkei nicht allzuviel bekannt. Aber Spanier und Venezianer haben ja bekanntlich an der türkischen Vormachtstellung ziemlich herumgesägt.“

Das Augenmerk aller Arwenacks richtete sich weiter auf die Galeere. Dort tat sich jetzt einiges.

Auf der Dhau begann es hektisch zu werden. Entweder handelte es sich wirklich um Spione, die ein unauffälliges Schiff benutzt hatten, oder die Besatzung hatte ganz einfach Angst vor diesem schwimmenden Monstrum mit dem gewaltigen Rammsporn.

Jedenfalls sprangen zwei Kerle mit riesigen Sätzen nach vorn und kappten das Ankertau. Die anderen setzten in aller Eile die Segel. Da sie an einer langen Rah gefahren wurden, ging das alles blitzschnell. Für die Dhau stand der Wind auch günstig. Sie nahm sofort Fahrt auf und versuchte in Richtung Marmarameer zu entwischen.

Auf der Galeere wurde gebrüllt. Laute Kommandos erklangen. Ein paar Männer sprangen an die riesigen Armbrüste.

Gleichzeitig beschrieb die Galeere eine schnelle Wendung nach Steuerbord.

Von einer Armbrust zischte der erste Pfeil los. Es war ein schenkelstarker Eisenpfeil mit einem Flügelschaft, der gradlinig und mit unheimlicher Wucht hinübersauste.

Das riesige Geschoß traf den Bug der Dhau, drang ein Stück durch das Holz und blieb zitternd stecken.

Auf der Dhau rannten sie hin und her. Einer beugte sich über Bord und betrachtete den eisernen Pfeil. Er hatte offenbar nicht viel Schaden angerichtet, denn er befand sich weit oberhalb der Wasserlinie. Aber eine Planke war zu Bruch gegangen. Die Wucht hatte das Holz bersten lassen.

„Sieht so aus, als würden sie es schaffen, der Galeere zu entwischen“, meinte Ferris Tucker. „Aber wenn sie ihr Griechisches Feuer einsetzen, dann ist es aus.“

Die Dhau war wendiger, kleiner und flacher als die Galeere, die immer schwerfällig manövriert werden mußte.

„Ich glaube nicht, daß sie es im Hafen einsetzen werden“, meinte Big Old Shane. „Sie könnten andere Schiffe treffen. Außerdem brennt das Höllenzeug auf dem Wasser weiter.“

„Ganz richtig“, sagte Al Conroy. „Damit können sie das größte Unheil anrichten, wenn der Wind das Feuer auf die Schiffe zutreibt. Unter Umständen kann der ganze Hafen in Flammen geraten und das Feuer auf die Holzhäuser übergreifen.“

Das Griechische Feuer wurde auch nicht eingesetzt. Auf der Galeere war man wohl zu der gleichen Erkenntnis gelangt. Also wurden die vermeintlichen Spione gejagt, indem man versuchte, ihnen den Weg zu verlegen und abzuschneiden.

Das Tam-Tam der Trommel steigerte sich zu einem dumpfen Wirbel. Es hörte sich an, als würden pausenlos riesige Gongs geschlagen.

Dann erklang ein scharfer Befehl.

Verblüfft sahen die Arwenacks, wie sich die Ruderer auf dem oberen Deck erhoben. Es geschah in einer einzigen fließenden und schnellen Bewegung. Dann wurde die Galeere stehend gerudert, und das in einer Schnelligkeit, die atemberaubend wirkte.

Die Dhau versuchte, mit Kreuzschlägen davonzusegeln, und es wäre ihr auch fast gelungen, doch dann wurde wieder einer dieser schrecklichen Eisenpfeile abgefeuert. Er traf den Mann an der Ruderpinne, durchbohrte ihn und fuhr krachend in das Holz. Der Rudergänger wurde buchstäblich an die zerschossene Pinne genagelt.

Die Dhau lief aus dem Kurs und ließ sich nicht mehr steuern. Damit war ihr Schicksal auch schon besiegelt, als sie quer zur eigentlichen Fahrtrichtung trieb.

Die Galeere schwang herum und nahm Kurs auf die Backbordseite der Dhau. In diesem Augenblick, als das riesige Monstrum mit wildem Riemenstoß heranjagte, verloren ein paar Männer die Nerven. Sie sahen nur den gewaltigen Rammsporn, der immer größer und mächtiger wurde. Da sprangen sie in ihrer Verzweiflung über Bord.

„Sind unsere Drehbassen feuerbereit, Al?“ fragte Hasard den Waffen- und Stückmeister Conroy.

„Ja, Sir, ich habe heute mittag alles noch einmal kontrolliert. Wollen wir etwa …?“

„Nein, natürlich nicht. Außerdem ist es zu spät zum Eingreifen. Wir halten uns da heraus. Es ist nur für den Fall, daß man uns ebenfalls für Spione hält und die Galeere uns einen Besuch abstatten sollte.“

Dreihundert Yards entfernt vollzog sich jetzt der letzte Akt des Dramas. Unaufhaltsam schob sich der Rammsporn der mächtigen Galeere auf die Dhau zu. Da sprangen noch ein paar weitere Männer in ihrer Angst über Bord.

Auf dem Oberdeck wurden die Riemen mit aller Gewalt durchs Wasser gezogen. Die Ruderer erhoben sich, stießen die Riemen ein, setzten sich dann für einen Augenblick und zogen durch.

Sie ruderten selbst dann noch, als sich der Rammsporn mit einem lauten Krachen und Bersten in die Bordwand der Dhau bohrte.

Erst jetzt wurde deutlich, welche geballte Kraft hinter der Galeere steckte. Es gab ein Geräusch wie bei einer hallenden Explosion. Dann flogen nach allen Seiten Holztrümmer davon.

Wie ein riesiges Einhorn donnerte der Rammsporn in die berstenden Planken. Die Dhau erhielt Schlagseite und wurde von der nachdrängenden Galeere quer durch das Wasser geschoben, bis sie sich immer mehr zur Seite neigte. Gleichzeitig schlitterte und krachte es weiter, und immer mehr durchbohrte Holzplanken flogen ins Wasser. Die Dhau wurde regelrecht zermalmt.

Schreie von verwundeten Männern drangen herüber. Im Wasser schwammen Wrackteile und Menschen herum.

Eine kleine Schaluppe hatte losgemacht und nahm Kurs auf die Männer. Sie fischte einen nach dem anderen heraus. Die Schiffbrüchigen wurden noch an Deck in Ketten gelegt und dann in den Laderaum verfrachtet.

„Wenigstens haben sie nicht auf die im Wasser treibenden Männer geschossen“, sagte Hasard. „Das haben wir ja leider schon oft erleben müssen. Ich hätte dann eingegriffen.“

Sie sahen zu, wie die Dhau unterging. Sie bestand ohnehin nur noch aus einem Trümmerhaufen, an dem nichts mehr heil war.

„Wenn wir eingegriffen hätten“, sagte Ben nachdenklich, „dann wäre von uns vermutlich nicht mehr viel übriggeblieben. Die Galeere hätte uns so im Vorbeimarsch erledigt.“

„Zumindest hätte ich nicht tatenlos zugesehen, wenn auf hilflose Menschen im Wasser geschossen wird. Ob es nun Spione sind oder nicht, mag dahingestellt bleiben.“

„Jedenfalls ist diese Lösung etwas besser – für beide Teile“, setzte Ben hinzu.

Hasard sah der Schaluppe nach und nickte unmerklich. Sicher, Ben hat recht, dachte er. Mit der Dubas können wir gegen die mächtige Galeere so gut wie nichts ausrichten.

Die Schaluppe vertäute an einer entfernt liegenden Pier, wo schon die Soldaten bereitstanden. Die Gefangenen wurden sofort an Land gebracht und mußten in Dreierreihen Aufstellung nehmen. Der Trupp zog unter scharfer Bewachung los und verschwand nach einer Weile in einer der Hafengassen. Im Hafen selbst schwammen nur noch ein paar Trümmer. Die große Galeere drehte langsam ab.

8.

Auf dem unteren Deck der Galeere war eine heimliche Verschwörung im Gange, von der die Offiziere und Bewacher noch nichts mitgekriegt hatten. Ali Mustafa und Ahmed hatten damit begonnen, und sie fanden auch sofort viele Sympathisanten, die genug vom Galeerenleben hatten.

„Eine andere Möglichkeit, hier zu entkommen, gibt es nicht“, sagte Ali Mustafa. „Wir müssen sie provozieren und für einen Unfall sorgen, bei dem einiges zu Bruch geht. Das kann aber nur dann geschehen, wenn mit hoher Schlagzahl gerudert wird und die Galeere hohe Fahrt draufhat.“

Sie flüsterten nur aus den Mundwinkeln miteinander, damit der Peitschenschwinger nichts mitkriegte, der alle paar Augenblicke durch den Gang lief.

„Aber ein solch großes Schiff ist nicht so einfach kleinzukriegen“, meinte Ahmed. „Da geht nichts zu Bruch, wenn es mal aus dem Kurs läuft und irgendwo aneckt.“

„Es ist durch seine riesige Masse empfindlich. Die schiebt und drückt und zehrt sich nicht so schnell auf.“

„Und wenn es nicht klappt?“

„Dann werden wir ausgepeitscht“, flüsterte Ali Mustafa. „Aber lieber lasse ich es auf den Versuch ankommen. Ich will nicht den Rest meines Lebens auf diesem Höllenschiff verbringen.“

Unter den Gefangenen herrschte Aufregung, die sich die meisten jedoch nicht anmerken ließen, um nicht aufzufallen.

Das, was Ali Mustafa vorgeschlagen hatte, ging im Flüsterton von einer Bank zur anderen, bis es überall die Runde gemacht hatte.

Alis Vorschlag war ganz einfach. Er hörte sich vielleicht zu einfach an, und so gab es natürlich einige Zweifler.

Ali schlug vor, daß sie ein anderes Schiff oder die steinerne Pier rammen sollten, sobald sich die Gelegenheit dazu bot. Das sollte dann geschehen, wenn die Galeere unter vollem Riemenschlag lief. Auf der Backbord- oder Steuerbordseite sollte scharf gerudert werden. Die der Situation angepaßte andere Seite sollte das Rudern einstellen und die Riemen sausen lassen. Zwangsläufig würde die große Galeere dann aus dem Kurs laufen und mit dem entsprechenden Hindernis kollidieren. Daß dabei einiges zu Bruch gehen würde, stand für Ali Mustafa außer Zweifel.

Es gab im Unterdeck jedoch nur zwei Ruderer, die einen Ausblick auf das Umfeld hatten. Sie saßen dicht bei einer der wenigen Öffnungen, durch die frische Luft in das untere Deck strömte.

Auf die beiden Männer mußte er sich verlassen.

Es war eine wahnwitzige Idee, aber sie war trotzdem einen Versuch wert. Daß die Galeere bei einer solchen Kollision unterging, war nicht zu befürchten. Daher würde für die Ruderer im unteren Deck auch keine große Gefahr bestehen, und niemand würde ertrinken.

An diesem Tag ergab sich die Gelegenheit allerdings nicht mehr. Die Ruderer durften, wie üblich, ein paar Minuten frische Luft schnappen. Dann wurden sie wieder angekettet, und die Galeere nahm ihren Liegeplatz ein.

Am späten Nachmittag des nächsten Tages krebste sie wieder durch den Hafen und nahm Kurs auf eine Galeone, die auf der Innenreede vor Anker lag und gerade eingelaufen war. Die Mannschaft war noch mit dem Klarieren beschäftigt.

Offenbar waren es Portugiesen, aber die mißtrauischen Türken glaubten an Spanier, die sich wieder einmal eingeschlichen hatten.

Ein ähnliches Drama wie am Vortag nahm seinen Lauf.

Kaum nahm die Galeere Kurs auf die Galeone, brach da fast eine Panik aus, als sich die höllische Mordmaschine näherte.

Der Kapitän der Galeone verlor die Nerven und handelte in blinder Angst. Auch er ließ das Ankertau kappen und die Segel setzen, denn es hatte ganz den Anschein, als würde die Galeere sie rammen. Der riesige Rammsporn wurde immer größer und näherte sich beängstigend rasch der Bordwand.

Die Galeone war schwerfälliger als die Dhau, und die Manöver dauerten entsprechend länger.

Vom Oberdeck ertönte der Befehl, den Riemenschlag zu erhöhen. Das Tam-Tam der Trommel schwoll an. Hektik herrschte auf den Ruderbänken. Zwei peitschenschwingende Aufseher liefen an den Bänken vorbei.

Die Ruderer gaben ihr Bestes und legten sich in die Riemen. Auch Ali Mustafa und Ahmed packten zu, um die Schlagzahl einzuhalten.

Ali hörte sein Herz im Rhythmus der Trommel schlagen. Vermutlich war jetzt die Gelegenheit da.

Er und Ahmed blickten zu den beiden Männern, die den Überblick nach draußen hatten. Der Schweiß lief ihnen in die Augen. Die Schlagzahl wurde noch einmal erhöht, und dann vernahmen sie das bekannte Geräusch, als im Oberdeck stehend gerudert wurde. Immer schneller glitt die Galeere durch das Wasser.

Was um sie herum geschah, konnten Ali und Ahmed nicht sehen. Sie hörten nur das Keuchen der Männer und das Rauschen des Wassers, das an der Bordwand vorbeigurgelte.

Scharfe Befehle erklangen vom Oberdeck. Der Kurs des Riesenschiffes wurde geändert.

Ali Mustafas Blicke saugten sich an den beiden Männern fest. Noch gaben sie kein Zeichen – oder sie trauten sich nicht. Vielleicht hatte sie plötzlich der Mut verlassen.

Das ganze Schiff war in Aufruhr. Im Unterdeck herrschte eine ungeheure Spannung. Die Männer pullten verbissen und mit einem Lauern in den Augen.

Ali sah, daß einer der Männer einen kurzen Blick nach achtern warf. Der andere schien noch unsicher zu sein. Er starrte auf den Holm des Riemens, blickte wieder nach draußen und geriet aus dem Takt. Die anderen Männer zogen ihn mit, doch dem Peitschenschwinger waren die Unsicherheit und das Zögern nicht entgangen. Er schlug aus dem Handgelenk zu und über einen anderen Mann hinweg.

Die Striemen wanden sich um den Hals des Mannes wie feurige Schlangen. Er verzog das Gesicht und drehte sich zur Seite.

Dann ließ er den Riemen fahren und hob beide Hände hoch. Sein Gegenüber tat es ihm nach, aber er hob nur eine Hand hoch.

Was dann geschah, war für Ali Mustafa auch später noch wie ein Alptraum.

Die Ruderer auf der Backbordseite reagierten wie ein Mann. Verkrampfte Hände lösten sich und ließen die Riemen los, die unkontrolliert ins Wasser tauchten und hochgewirbelt wurden.

Auf der Steuerbordseite pullten die Männer wie besessen weiter und taten so, als sei nichts geschehen.

Zuerst geriet der Schlagmann vor Verblüffung aus dem Takt. Er hieb auf die Trommel, sah sich dann verwirrt um und schlug zweimal hintereinander drauf. Dann versuchte er, den Takt wiederzufinden, geriet aber immer mehr aus dem Konzept.

Die beiden Aufseher trauten ihren Augen nicht und konnten nicht glauben, was sie sahen. Die eine Seite hatte das Rudern eingestellt, die anderen pullten verbissen weiter.

„Auf Riemen, ihr Bastarde!“ brüllte der eine. Sein kantiges Gesicht war dunkelrot angelaufen. Er schwang die Peitsche und wußte nicht, wohin er zuerst schlagen sollte.

Ali Mustafa spürte voller Genugtuung, wie die Galeere hart aus dem Kurs lief. Dagegen konnte auch der Rudergänger nichts mehr tun, obwohl er sich verzweifelt bemühte.

Ein Offizier stürzte den Niedergang hinunter und brüllte den Schlagmann an, der wahllos auf die Trommel schlug. Dann begann er zu toben, als er sah, daß sich auf der Backbordseite keine Hand mehr rührte.

„Pullen, ihr Hunde!“ schrie er. „Bewegt euch sofort. Ich lasse auf der Stelle jeden erschießen, der nicht sofort zu den Riemen greift. Und ihr“, wandte er sich brüllend an die Aufseher, „schlagt auf die Bastarde ein und steht nicht herum!“

Seine Worte verhallten. Immer noch rührte sich auf der Backbordseite keine Hand, während die Ruderer an Steuerbord weiterpullten und die Riemen mit aller Kraft durch das Wasser zogen.

Die beiden Wächter reagierten endlich. Nur der Schlagmann war völlig kopflos geworden und hieb wie wild auf die Trommel ein.

Ein zweiter Offizier tauchte auf, auch er knallrot im Gesicht und mit einem irren Flackern in den Augen.

„Wir laufen auf die Mauer“, schrie er wild. „Hört sofort auf zu pullen.“

Ein paar Kerle grinsten ganz offen. Der eine Offizier gab den Befehl, weiterzupullen, der andere befahl, das Pullen einzustellen.

Also blieb alles beim alten Zustand. Die einen pullten wie besessen, die anderen rührten sich nicht.

Dafür schwangen die Aufseher jetzt ihre Peitschen und setzten sie erbarmungslos und mit aller Härte ein. Sie schlugen wahllos zu und droschen nach allen Seiten auf Köpfe, Rücken, Arme und Beine.

Der eine Offizier riß seine Pistole aus dem Bandelier und spannte den Hahn. Dann wollte er abdrücken, indem er wahllos auf die Männer anlegte, die nicht pullten.

In diesem Augenblick erklangen von oben laute Schreie. Offiziere und Wachmannschaften brüllten, die Ruderer schrien, und im Unterdeck hockte mit stoischem Gesichtsausdruck der Kerl, der immer noch wahllos die Trommel schlug.

Da gab es ein entsetzliches Krachen und einen mörderischen Aufprall. Die Galeere wurde auf der Stelle wie von einer riesigen Faust gestoppt.

Die gewaltigen Riemen zerbrachen und splitterten. Einige schoben sich mit Urgewalt durch die Bänke und zerfetzten das Holz.

Krachen, Splittern, Bersten und laute Schreie. Das Schiff bäumte sich auf. Die beiden Offiziere rasten wie Kanonenkugeln durch die Gänge, begleitet von den Aufsehern, die auf den Anprall ebenfalls nicht vorbereitet waren.

Auf dem Oberdeck war ebenfalls der Teufel los. Da schrien alle wild durcheinander, und da war offenbar auch einiges zu Bruch gegangen.

Das war der Zeitpunkt, als draußen gerade die Dämmerung einsetzte.

Im Unterdeck brannte keine Lampe. Es herrschte ein Zwielicht, in dem man gerade noch die Männer erkennen konnte.

Ali Mustafa tastete in dem Chaos um sich. Eine Hand berührte leicht seinen Arm. Es war Ahmed.

„Die Ruderbank ist zum Teufel gegangen“, sagte er. „Da ist alles zersplittert.“

Sie erhoben sich. Ali fühlte Splitter, Holzstücke, den Teil eines zu Bruch gegangenen Riemens. Neben ihm hing reglos ein Mann halb zwischen den Bänken und rührte sich nicht mehr.

Noch ein paar Bänke waren bei dem Anprall zerborsten.

„Die Kette“, sagte Ali leise, „was ist mit der Kette, Ahmed? Ist sie noch heil?“

„Ich weiß nicht.“

Sie drängten von der Bank weg. Andere Männer waren ebenfalls aufgesprungen und versuchten, in dem Chaos und Getümmel zu entkommen. Aber da war noch die Kette, mit der ihre Beine angeschlossen waren und die durch die Eisenringe lief. Diese Kette war mit Schlössern gesichert.

Ali Mustafa schlug einem der Aufseher beide Fäuste ins Genick. Der Peiniger hatte sich gerade erhoben und suchte seine Peitsche, um die Ruderer zur Räson zu bringen. Er sackte zusammen und blieb unter der Bank liegen.

„Die Offiziere“, sagte Ali keuchend. „Da vorne bei dir muß einer liegen. Schnapp dir den Kerl, ich reiche nicht heran. Die Offiziere haben die Schlüssel.“

Immer noch wußte im Unterdeck kaum jemand, wo die Galeere jetzt lag, ob sie mit der steinernen Mauer oder einem anderen Schiff kollidiert war. Aber das war jetzt auch egal. Der Zeitpunkt zur Flucht war so günstig wie noch nie, und den gedachten die Männer auch auszunutzen.

Ahmed schnappte sich den bewußtlosen Offizier und durchsuchte mit zitternden Händen dessen Taschen. Als er in der Aufregung den Schlüssel nicht gleich fand, zerfetzte er ihm die Uniform.

„Ruhig bleiben“, zischte Ali, „laß dir Zeit, nichts überstürzen. Es ist gleich dunkel, und damit vergrößern sich unsere Chancen.“

Ahmed suchte immer noch fieberhaft weiter. Mit jedem Augenblick wurde er unsicherer und nervöser. Da lag die Rettung so nahe, und er fand den verdammten Schlüssel nicht, der sie von den Ketten erlösen würde.

Er drehte den Bewußtlosen hin und her, und dann fand er endlich, was er so fieberhaft suchte. Der Offizier trug den Schlüssel an einer dünnen Lederschlaufe um den Hals.

Von da an wurde Ahmed ruhiger und gefaßter, wenn auch sein Herz noch bis zum Hals schlug und ihm fast die Luft abdrückte.

Innerhalb kurzer Zeit hatte er das Schloß geöffnet und zog mit fliegenden Fingern die Kette durch die Ringe.

Dann waren sie frei und trugen nur noch ihre eisernen Manschetten um die Fußgelenke.

Vom Oberdeck her rumorte es. Kein weiterer Offizier ließ sich blicken. Sie waren offensichtlich mit sich selbst beschäftigt und kümmerten sich nicht um die Gefangenen.

Ein paar Männer drängten bereits nach vorn und verstopften in ihrer Eile den Niedergang. Sie wollten nur raus, und so drängten und schoben sie rücksichtslos.

Inzwischen war es fast dunkel geworden. Über dem Hafen lag ein seltsames Zwielicht. Auf einigen Schiffen brannten bereits Laternen. Auch am Hafen flackerten Lichter auf.

Ali hielt Ahmed am Arm zurück.

„Warte noch“, sagte er heiser. „Oben an Deck sind viele Wachen. Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie einen Überblick haben, und dann werden sie eingreifen. Wir nehmen den achteren Niedergang, laufen an Deck und springen über Bord. Das muß alles ganz schnell gehen, sonst erwischen sie uns doch noch, und alles war umsonst.“

Sie kümmerten sich nicht mehr um die schreiende und brüllende Horde, die jetzt zu einem Teil das Oberdeck erreicht hatte. Die Kerle drängten rücksichtslos nach oben und schrien und brüllten wie die Irren. Über ihnen waren Schüsse zu hören. Männer prügelten sich, und laute Flüche hallten über Deck.

Ali und Ahmed schlichen den achteren Niedergang hinauf und sahen sich immer wieder vorsichtig um. Ein paar anderen Männern war anscheinend bereits die Flucht gelungen, denn sie hörten Schreie im Wasser und bemerkten, daß an Deck Laternen entzündet wurden. Das Chaos begann sich langsam zu legen.

Ungehindert erreichten sie das Oberdeck. Sie nahmen sich nur für einen kurzen Augenblick die Zeit, sich zu orientieren.

Es schien so, als habe die Galeere nur wenig von ihrer Kampfkraft eingebüßt. Sie war mit dem gewaltigen Rammsporn an der steinernen Mauer entlanggeschrammt und hatte sich dann zur Seite gedreht. Jetzt schwamm sie allerdings wieder und hatte auch keine Schräglage mehr. Wasser war anscheinend auch nicht eingedrungen.

Der Galeone, die von weitem nur noch ihr Heck zeigte, schenkten sie nur einen flüchtigen Blick.

An Deck kämpften Männer miteinander. Etliche andere lagen auf den Planken, über die sie hinwegsteigen mußten. Aber Offiziere und Wachmannschaften waren wieder Herren der Situation.

Jetzt wurde es allerdings höchste Zeit, zu verschwinden, denn die Ruderer des Oberdecks, die keine Gefangenen waren, griffen die anderen an und prügelten auf sie ein.

Ali Mustafa und Ahmed liefen ein paar Schritte nach achtern und sprangen dann mit einem gewaltigen Satz über Bord.

Als sie wieder auftauchten, war die Bordwand immer noch gefährlich nahe.

„Tauchen und schwimmen“, sagte Ali. „Du mußt tauchen und solange unter Wasser schwimmen, wie du kannst. Wir werden versuchen, den kleinen Fischerhafen zu erreichen.“

„Ja, da kommen die Soldaten auch nicht hin. Sicher werden sie alles absuchen.“

Bevor Ali untertauchte, hörte er einen hallenden Schuß und zog den Kopf ein. Aber er hörte auch noch etwas anderes, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Ahmed schrie auf, hob die Arme aus dem Wasser und drehte sich halb zur Seite. Dann stieß er ein Gurgeln aus und ging unter.

Eine der Musketenkugeln hatte ihn getroffen.

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