Kitabı oku: «Seewölfe Paket 29», sayfa 24

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Die Wolfshündin, die zwischen ihnen stand, spannte die Muskeln. Ein kaum hörbares Grollen drang aus der Tiefe ihrer Kehle, und ihre Nackenhaare sträubten sich unverkennbar. Ihr geduckter Kopf war dem Hafenbecken zugewandt.

Hasard und Philip bemerkten es sofort und wechselten einen Blick.

„Ganz still bleiben, Plymmie“, flüsterte Philip. „Ganz still!“

Sie brauchten keine Worte zu wechseln, um zu wissen, daß sie auf ihrem Platz ausharren mußten.

„Mister Smoky!“ rief Hasard junior im Flüsterton, während der Kutscher redete und redete.

Der Decksälteste hörte es sofort, und er reagierte prächtig, indem er sich nicht umwandte.

„Was gibt’s?“ entgegnete er mit ebenfalls leiser Stimme.

„Plymmie wittert etwas. Wir sollten so tun, als ob wir nichts mitgekriegt haben.“

Smoky und Matt Davies waren mit dem Vorschlag des Seewolf-Sohnes sofort einverstanden. Old Donegal und der Kutscher waren ausreichend in ihr spezielles Thema vertieft, und im übrigen konnte man so tun, als widme man seine ganze Aufmerksamkeit dem Flammenschein über der Stadt. So, wie es auch die Deckswachen auf den übrigen Schiffen taten.

9.

Süleyman Ayasli empfand keine Kälte mehr.

Das Wasser war zu seinem Element geworden, in dem er sich wohl fühlte. Denn es war das Element, das ihm den Sieg bringen sollte. Den Sieg zu guter Letzt. Die überragende Macht. Die Gewißheit, allen anderen überlegen zu sein.

Nur noch fünfzig Yards war er von der Dubas entfernt. Die Gestalten an Deck zeichneten sich deutlich vor dem Flammenschein am Nachthimmel ab. Vielleicht war der Olivenhain in Brand geraten. Die knorrigen alten Bäume boten den Flammen gute Nahrung.

Nun, wenigstens hatten die Neugierigen dann mit dem Löschen zu tun, statt herumzustehen und zu gaffen, wie sie es auf den Schiffen im Hafen taten.

Wohin Ayasli auch blickte, es war überall das gleiche. Die Deckswachen stierten sich mit nicht nachlassender Neugier die Augen aus dem Kopf. Dabei hatten sie nicht die geringste Chance, durch Blicke herauszufinden, was sich abspielte. Das Geschehen war viel zu weit entfernt.

Wahrscheinlich, so dachte er grinsend, würden die meisten in dieser Nacht kein Auge mehr zukriegen, ehe sie nicht wußten, was die Explosion zu bedeuten hatte.

Auf geradem Kurs schob er das kleine Floß vor sich her. Die Schwimmbewegungen liefen wie von selbst ab. Er wußte nun, daß er genügend Ausdauer hatte, auch den Rückweg ohne Mühe zu bewältigen.

Zwei der Christenbastarde auf der Dubas palaverten. Ayasli konnte nur Wortfetzen verstehen. Weitere Gestalten sah er auf dem Achterdeck. Die beiden, die sich auf der Kuhl befanden, marschierten auf und ab. Die eigentlichen Wachen?

Ayasli entschied, sich dem Bug des Zweimasters zu nähern. Er begann, einen weiten Bogen nach rechts zu schwimmen, um der Dubas dann schräg von vorn entgegenzustreben. Die beiden Redseligen auf dem Vordeck konnten ihn unmöglich entdecken, denn der Bug ragte hoch genug auf. Auch auf den übrigen Schiffen an der Pier galt alle Aufmerksamkeit dem fernen Flammenschein.

Der Höllenfürst frohlockte, als er den Bogen fast vollendet hatte. Hoch und düster sah er den Bug des Zweimasters nun zum Greifen nahe vor sich. Die Stimmen waren klarer zu vernehmen, türkische Stimmen von den kleineren Seglern, englisch von Bord der Dubas, irgendein wirres Zeug über das Verhalten von Hunden.

Ayasli hielt das Floß fest, damit es nicht mit Schwung gegen die Außenbeplankung prallte.

Plötzlich hörte er ein heiseres Grollen, das aus keiner menschlichen Kehle ertönte.

Das Gespräch an Bord brach ab.

Dem Grollen folgte Gebell, furchterregend wildes Gebell. Das war kein Straßenköter, der da kläffte. Nein, die Stimme dieses Hundes klang machtvoll und gefährlich.

Ayasli wollte sich herumwerfen, er fror auf einmal. Und erschrak über sich selbst, als ihm klar wurde, daß er drauf und dran war, seine Unterwasserbombe einfach zu vergessen.

Plymmie hatte sich losgerissen.

Mit schleifender Leine und zornig bellend jagte die Wolfshündin über die Kuhl nach vorn, vorbei an Old Donegal und dem Kutscher. Die Zwillinge rannten hinterher. Hasard junior stieß einen Fluch aus, den er in Gegenwart seines Vaters niemals riskiert hätte. Smoky und Matt Davies waren ebenfalls auf dem Weg zum Bug.

Plymmie verharrte bei der Bugverschanzung, vorgeneigt, die muskulösen Läufe gegen die Planken gestemmt. Nur noch ein tiefes, heiseres Grollen drang jetzt aus ihrer Kehle.

Hasard junior war als erster zur Stelle, und er packte ihre Leine. Was sich auch abspielen mochte: wenn die Hündin über Bord sprang, geriet sie ins Hintertreffen. Verglichen mit einem Menschen, war sie im Wasser unbeholfen und konnte sich nicht so geschickt bewegen.

Philip erreichte die Bugverschanzung und spähte auf die Wasseroberfläche.

„Ein Kerl mit einem Floß!“ rief er, und bevor einer der anderen auch nur eine Silbe von sich geben konnte, schwang er sich nach außenbords.

Ein heiserer Wutschrei empfing ihn.

Mit senkrecht gestreckten Beinen tauchte Philip unter. Da waren Hände, die nach ihm greifen wollten. Doch er war schneller unter Wasser, als der Kerl vermutlich erwartet hatte. Wie ein Stein ließ er sich sacken, und dann strebte er mit drei, vier kraftvollen Zügen zur Mitte des Bugs hin, wo er das Floß gesehen hatte.

Jemand sprang. Philip hörte den klatschenden Aufschlag auf die Wasseroberfläche mit vervielfachter Lautstärke. Es war nicht Plymmie, das hörte er an den Bewegungen. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, daß es nicht sein Bruder war. Denn der mußte ja die Hündin zurückhalten. Wenn es ihm nicht gelang, war die Wolfshündin verloren. Denn der Kerl im Wasser hatte garantiert ein Messer.

Philip tauchte auf.

Nur um Handbreite vor seinem Gesicht war das Floß.

Es war Smoky, der gesprungen war. Deutlich erkannte Philip die Riesenfäuste des Decksältesten, wie dieser auf den Schwimmenden eindrang. Der Kerl stieß heiseres Wutgeschrei aus und versuchte immer wieder, die Hiebe des muskulösen Mannes an Bord der Dubas abzuwehren. Es gelang ihm nur unvollkommen. Mehrmals wurde er getroffen, versank, schluckte Wasser, stieg wieder hoch und versuchte, die Flucht zu ergreifen.

Aber Smoky holte ihn jedesmal mit schnellen Schwimmzügen wieder ein. Und der Kampf begann von neuem. Wasser spritzte hoch, wenn der Fremde ins Leere hieb.

Philip hatte Zeit, sich mit dem Floß zu befassen.

Er betastete es, und als erstes fiel ihm das lange dünne Rohr und die herausragenden Eisendorne auf.

Über der Bugverschanzung erschien die Silhouette von Matt Davies.

„Laß die Finger davon!“ rief der Mann mit der Hakenprothese warnend. „Komm an Bord, wir kümmern uns darum.“

„Vielleicht ist es dann zu spät“, entgegnete Philip, den bereits eine deutlich umrissene Ahnung beschlich.

Matt Davies schleuderte ein Tau in die Richtung, in der Smoky mehr und mehr die Oberhand über den Mann gewann, der nur der Höllenfürst sein konnte.

Philip schob sich mit den Unterarmen auf das Floß, so daß er sich die Schwimmbewegungen ersparen konnte. Er hielt ein Ohr an die Kisten.

Und erschrak.

Etwas zischte.

Auf einmal wurde ihm die Bedeutung des langen Rohrs klar. Ohne zu zögern, riß er es heraus. Nach kurzem Tasten fand er den Deckel des Behälters zwischen den beiden großen Kisten. Er fetzte das Ölpapier weg. Seine Fingerkuppen stießen in Fett, aber darunter fühlte er den Deckelrand. Er klappte ihn auf.

In dem Behälter zischte es, und die Glut war weißlich.

„Philip, verdammt noch mal!“ brüllte Matt Davies.

Und dann verstummte er, denn der Sohn des Seewolfs tat, was einzig getan werden konnte.

Mit der freien Hand schöpfte er Wasser in den Behälter.

Die Lunte zischte heftiger, weißer Qualm stieg auf. Philip packte zu, riß die helle Schnur heraus und tauchte sie unter Wasser. Minutenlang.

Kein weiteres Zischen war zu hören.

An Bord der Dubas holten Matt Davies und die anderen das Tau ein, an dessen Ende Smoky den mittlerweile bewußtlosen Höllenfürsten „belegt“ hatte.

Philip ließ die Lunte los. Sie hatte sich mit Wasser vollgesogen und versank. Es schien keine Gefahr mehr zu drohen. Trotzdem wollte er ganz sicher sein. Gründlichkeit war das oberste Gebot – in diesem wie in vielen anderen Fällen.

Er zog sein Entermesser und hebelte die Kistendeckel auf, die ebenfalls wasserdicht verschlossen waren. Kurz nacheinander fielen beide Deckel weg. Philip schob sich ein Stück höher und linste in die Kisten.

Pulversäcke. Sorgfältig geschichtet.

Es gab nur noch das eine.

Philip packte die Kistenränder, ließ sich fallen und brachte das Floß zum Kentern. Mit einem Schwall strömte das Wasser in die Kisten und durchtränkte die Pulversäcke.

Wasser – das einzige Mittel, um Schwarzpulver so wirkungslos werden zu lassen wie Mehl.

Die Männer hievten erst den Höllenfürsten an Bord. Danach, nachdem Philip den Tampen um das Floß geschlungen hatte, beförderten sie auch die Unterwasserbombe des Höllenfürsten an Deck. Philip folgte ohne Hilfe. Mit katzenhafter Gewandtheit enterte er an Steuerbord auf.

Der Seewolf und seine Männer erreichten die Pier.

Hasard erfaßte als erster, was sich an Bord der Dubas abspielte.

Der Mann, der auf den Planken lag, schnellte plötzlich hoch. Er mußte seine Bewußtlosigkeit in den letzten Sekunden nur noch gespielt haben. Keiner an Bord war reaktionsschnell genug, denn es geschah in dem Moment, in dem sie das Floß mit den Kisten über die Verschanzung wuchteten.

Auch Plymmies alarmierendes Gebell half nichts mehr.

Hasard wußte sofort, daß es der Höllenfürst war, der da über Bord sprang.

Der Seewolf zögerte keinen Augenblick. Vor dem Bug, wo sein Sohn eben erst die Unterwasserbombe entschärft hatte, tauchte er mit flachem Sprung ins Wasser. Mit kraftvollen Zügen katapultierte er sich durch das schwarze Naß. Auch beim Auftauchen hielt er nicht inne.

Er sah, daß der Fliehende dem jenseitigen Ufer des Hafenbeckens zustrebte. Sein Ziel schien die Werft zu sein. Dort mußte er die Höllenmaschine zu Wasser gelassen haben. Aus einem irrwitzig versteiften Entschluß heraus mußte er sich genau jene Stelle jetzt als Fluchtpunkt ausgesucht haben.

Vielleicht, weil es die einzige Stelle im Hafen war, die er gut genug kannte.

Hasard schätzte den Abstand auf zwanzig Yards, kaum mehr. Und der Höllenfürst war kein geübter Schwimmer.

Zügig holte der Seewolf auf. Schon in der Mitte des Hafenbeckens hatte er den Vorsprung Ayaslis auf zehn Yards verringert. Dessen Arme peitschten das Wasser in wildem Rhythmus. Längst hatte er begriffen, wer ihm im Nacken saß. Und längst wußte er, daß er diesmal kein so leichtes Spiel haben würde.

Niemand von Bord der Dubas war gefolgt. Selbst Smoky, der wegen ihrer Unaufmerksamkeit am meisten fluchte, wußte, daß es für Hasard eine Beleidigung gewesen wäre, ihm nicht zuzutrauen, den Höllenfürsten allein zu stellen.

Er erwischte ihn im seichten Uferwasser.

Nahezu gleichzeitig richteten sich die beiden Männer im knöchelhohen Schlamm auf. Nur zwei Yards trennten sie voneinander. Hasard sprang. Ohne Mühe überbrückte er die Distanz.

Ayasli wollte sich nach vorn werfen. Er schaffte es nicht mehr rechtzeitig. Hasard erwischte ihn an den Schultern. Aber seine Hände glitten an dem nassen Rücken des Höllenfürsten ab.

Dennoch stürzte Ayasli. Mit ausgebreiteten Armen fiel er nach vorn. Er stieß einen gellenden Wutschrei aus. Im nächsten Moment verstummte er, als er mit dem Gesicht im Schlamm landete.

Reaktionsschnell warf er sich herum und entglitt den erneut zupackenden Fäusten des Seewolfs nach rechts. Ayasli zog die Beine an, stieß sich ab, kam halb hoch und stolperte vorwärts.

Hasard war im selben Augenblick auf den Beinen.

Der Höllenfürst behielt die Balance. Es gelang ihm, seine Schritte zu beschleunigen.

Aber der Seewolf setzte sofort nach. Ayasli war unmittelbar vor ihm. Der Boden wurde fester und stieg schräg an.

Der Höllenfürst packte einen Karren, der plötzlich im Weg stand. Er verschaffte sich einen geringen Zeitvorsprung.

Mit knapper Mühe konnte Hasard dem klobigen Ding ausweichen, das ihm auf einmal entgegenrollte. Im nächsten Moment verharrte er.

Ayasli war herumgewirbelt. In seiner Rechten blitzte ein Messer. Seine Augen glühten haßerfüllt, die Furchen seines Gesichts formten eine teuflische Fratze.

Der Seewolf hielt die leeren Hände vom Körper weg.

„Spiel nicht verrückt, Ayasli“, sagte er ruhig. „Du hast keine Chance mehr. Sei so vernünftig, dich der Gerechtigkeit zu stellen.“

„Du kennst meinen Namen?“ zischte der Höllenfürst.

„Allerdings. Dein Gehilfe Öbül hat ein Geständnis abgelegt. Du solltest es ihm nachtun.“

„Niemals!“ schrie Ayasli. „Stell dich zum Kampf, Christenhund! Damit ich dich töten kann! Glaube nur nicht, daß ich dir nicht ebenbürtig wäre. Mich schüchterst du nicht ein, Ungläubiger!“

„Ich will dich lebend“, sagte der Seewolf kalt. „Ich will, daß du deinen Richtern gegenübertreten mußt.“

„Damit sie mich aufhängen?“ kreischte der Höllenfürst. „Oder vierteilen? Wenn ich mich darauf einließe, müßte ich verrückt sein.“

Hasard sah ein, daß es keinen Sinn hatte. Er zog das Entermesser. Die schwere Klinge in der Rechten, trat er einen Schritt auf Ayasli zu und verharrte erneut.

„Wehre dich!“ schrillte die Stimme des Höllenfürsten. Seine Nervenstränge mußten dem Zerreißen nahe sein.

Jäh schnellte er auf den Seewolf zu.

Hasard blockte ihn ab. Das Mondlicht genügte ihm, um einen präzisen Hieb zu landen.

Der Höllenfürst schrie markerschütternd, als ihm das Messer aus der Hand gewirbelt wurde. Mit der Linken umklammerte er das schmerzende Gelenk. Er krümmte sich und wankte zurück. Sein Schrei ging in ein schmerzerfülltes Gurgeln über.

Hasard ließ das Entermesser sinken und wollte mit einem Satz auf den Taumelnden zu.

Ayasli kippte hintenüber und verschwand im schwarzen Nichts.

Sein Schrei dauerte nur einen winzigen Moment. Dann wurde der Schrei von einem dumpfen Aufschlag ausgelöscht.

Hasard schob das Entermesser in die Scheide und trat an den Rand des Docks. Er brauchte eine Weile, bis sich seine Augen an die Dunkelheit in zehn Fuß Tiefe gewöhnt hatten.

Ayasli war mit dem Schädel gegen eine der Schrägverstrebungen jener mächtigen Böcke geprallt, auf denen der in Reparatur befindliche Einmaster ruhte.

Doch er hatte schon einmal ein Täuschungsmanöver in die Tat umgesetzt.

Hasard kehrte um und betrat das Dock von der flachen Einmündungsseite her. Augenblicke später kniete er neben dem reglosen Körper, der so schwarzgrau war wie das Pulver, mit dem er ständig hantiert hatte.

Diesmal war es keine Täuschung.

Hasard sah die blicklosen Augen.

Der Höllenfürst hatte sich das Genick gebrochen.

Als er sich abwandte, sah er seine Söhne. Sie waren mit dem Beiboot der Dubas zur Stelle, um ihn abzuholen.

Schon am nächsten Tag wurden der Seewolf und seine Gefährten in einem Saal des Yildizpalasts empfangen. Ihnen zu Ehren gab es ein großes Festessen.

„Es ist nur ein bescheidenes Zeichen meines Dankes“, sagte Münnever Yildiz, die den Platz neben Philip Hasard Killigrew eingenommen hatte. „Sicher werden uns unsere Wege nie wieder zusammenführen, aber ich werde Sie stets in guter Erinnerung behalten. Sie und Ihre Freunde haben ermöglicht, daß ich das Vermächtnis meines Mannes erfülle. Jetzt kann ich mit meiner Arbeit fortfahren. Dort, wo Kemal jetzt ist, wird er stolz auf mich sein.“

Hasard konnte sich nicht entsinnen, jemals so viel Mühe gehabt zu haben, die aufwallende Verlegenheit zu unterdrücken. Den Arwenacks erging es nicht anders, und so wechselte Hasard rasch das Thema, indem er die vorzüglichen Speisen aus der Küche des Hauses Yildiz rühmte.

Sie hatten Öbül, den Gehilfen des Höllenfürsten, den zuständigen Behörden von Istanbul übergeben. Da es einen Mehmet Küzürtüsi und seine Machenschaften nicht mehr gab, war auch die Macht seiner Gefolgsleute gebrochen. Es würde ihnen nicht mehr gelingen, Öbül aus dem Gefängnis zu befreien.

Seiner Strafe konnte er nicht entgehen. Er hatte ebenso gemordet wie Süleyman Ayasli. Auf Öbül wartete nichts anderes als jene Todesstrafe, der sich der Höllenfürst durch einen Zufall entzogen hatte.

Hasard hatte Münnever Yildiz den Schatz des Süleyman Ayasli ausgehändigt, und sie entsprach noch am Nachmittag desselben Tages der Bitte, die der Seewolf und die Arwenacks einmütig an sie gerichtet hatten.

Die Münzen aus Gold und Silber wurden an die Armen verteilt.

Münnever überwachte das stundenlange Verteilen persönlich, und auch die Männer von Bord der Dubas waren dabei. Für jeden der armen Leute gab es zwei Münzen, eine aus Gold und eine aus Silber.

Es dunkelte bereits, als Ayaslis Schatz für einen guten Zweck vollständig aufgeteilt war …

ENDE


1.

Auch vor Mac Pellew tauchte so ein Ungetüm von Muskelgebirge auf, bestimmt die fünffache Portion vom Zweitkoch der Arwenacks, der ja eher als hager zu bezeichnen war.

Macs Ungetüm gab ebenfalls ein „Uhh!“ von sich und rollte dazu mit den Augen. Dazwischen keifte der Liliputaner und schien sich zu erregen. Der Grund dafür war zu erraten: Die beiden Giaurs hatten Fatimas Bauchtanz zwar begierig zugeschaut, aber für ihre Schaulust zu bezahlen, daran dachten sie nicht.

Mac krempelte hastig seine Hosentaschen um, aber davon wurden die auch nicht voller. Ein bißchen packte ihn die Panik, zumal ihn ein schneller Blick belehrte, daß das Ungetüm vor ihm langsam die Pranken zur Faust schloß.

Ogottchen! schoß es ihm durch den Kopf. Was für Fässer!

„Wir müssen hier weg!“ zischte er Old Donegal zu. „Die hauen uns zu Mus!“

Und Mac dachte mit Schaudern daran, daß Old Donegal mit seinem Holzbein keineswegs einer der Schnellsten war – was sich kurz danach als Irrtum herausstellte.

Jedenfalls war Old Donegal zu der gleichen Ansicht wie Mac gelangt, daß sie beide rein kräftemäßig kaum eine Chance hatten, einen Kampf gegen diese Muskelgebirge zu bestehen. Im übrigen schienen sich da noch mehr finstere Kerle zusammenzurotten, in der Absicht, sie durchzumangeln.

„Rückzug!“ sagte Old Donegal mit knirschenden Zähnen und stieß seinem Gegenüber die Zwinge der rechten Krücke mit Wucht auf die Zehen.

Der Kerl riß den Kopf in den Nacken und jaulte den Nachthimmel an.

Sekunden später stimmte auch Macs Ungetüm in die Jaulerei ein. Mac hatte ihm einen Stiefeltritt ans Schienbein verpaßt, so richtig aus dem Hüftgelenk heraus und ziemlich explosiv.

Zwei Davids gegen zwei Goliaths. Und die Goliaths hüpften.

Mac und Old Donegal gaben Fersengeld, wobei es Old Donegal sogar noch gelang, einem dritten Kerl, der ihn anspringen wollte, mit der Krücke die Beine wegzuschlagen. Der Kerl fiel platt auf den Bauch und küßte das Kopfsteinpflaster, was ihn einen Zahn kostete. Nun wurde im Trio gejault.

Als sich die anderen Kerle von ihrer Verblüffung erholt hatten, waren die beiden Arwenacks bereits in einer Gasse verschwunden. Doch drei oder vier setzten ihnen nach.

Auch sie wurden von Old Donegal abgefangen. Er lauerte mit Mac in einer Türnische. Als die Kerle vorbeistürmten, hielt Old Donegal seine eine Krücke dazwischen. Es gab einen Massensturz, den die beiden Arwenacks hurtig in einen allgemeinen Langschlaf umwandelten. Noch bevor sich die Kerle aufrappeln konnten, verteilten Old Donegal und Mac Kopfnüsse von der harten Sorte. Old Donegal klopfte mit der Schmalseite der Achselstütze seiner Krücke und Mac mit den Knauf seines Messers.

Das Klopfen wurde von Ächzen und Seufzen begleitet, dann war Stille. Mac und Old Donegal lauschten, grinsten sich an und verdrückten sich in eine weitere Gasse.

Ihren Landgang konnten sie in den Schornstein schreiben: ohne Geld kein Amüsement. Gerade Mac war so richtig spitz darauf gewesen, sich unterm Kinn kraulen zu lassen. Und Old Donegal war auf der Suche nach einer Wahrsagerin gewesen, von der Nils Larsen berichtet hatte.

Der war am gestrigen Abend in dieser Gegend – zusammen mit Sven Nyberg – auf die Alte gestoßen, und die hatte aus der Hand von Nils geweissagt, er werde fünf Töchter und fünf Söhne haben. Bei Sven war das Ergebnis magerer gewesen: er würde es nur zu drei Töchter bringen.

Nils Larsen war über seinen künftigen Kinderreichtum entzückt gewesen. Bei Sven Nyberg war das Gegenteil der Fall. Er nannte die Wahrsagerin eine verdammte alte Schleiereule, die weiter nichts als Kohl rede und sich diesen Kohl auch noch teuer bezahlen ließe. Er und Nils hatten je fünf Taler berappen müssen.

Für nichts und wieder nichts! hatte Sven gewettert, was von Nils nur mit einem Grinsen quittiert worden war. Sicher, drei Kinderchen waren eben weniger als zehn, nicht wahr?

Darum also war Old Donegal mit Mac losgezogen – in froher Erwartung, vielleicht von der Alten zu erfahren, daß auch ihm noch weitere Vaterfreuden ins Haus standen. Immerhin war er der Großvater der beiden Killigrewjunioren und Vater von sieben Söhnen und einer Tochter. Und Mary Snugglemouse, seine zweite Frau, hatte ihm noch einen achten Sohn geschenkt – den kleinen Edwin Shane O’Flynn.

Ha! Das sollte ihm mal einer nachmachen!

Also: Mac würde an diesem Abend auf Liebesfreuden verzichten müssen und Old Donegal auf die frohe Kunde, daß der Klapperstorch noch weitere O’Flynnchen bringen werde. Auf einigen Umwegen kehrten sie zu der Pier zurück, an der die Dubas im Binnenhafen auf der Westseite des Goldenen Horns vertäut war.

Natürlich mußte ihnen ausgerechnet Carberry über den Weg laufen, als sie an Bord gingen.

„He, Mackilein, was ist denn mit dir los?“ dröhnte er und starrte grinsend auf die beiden Säcke, die Mac links und rechts aus der Hose hingen.

Mac stopfte sie hastig zurück und murmelte etwas Unverständliches. Old Donegal war auch nicht sehr redselig. Er sah ziemlich muffig aus.

Carberry kombinierte richtig: den beiden mußte eine Riesenlaus über die Leber gekrochen sein, sie waren außerdem stocknüchtern, und Mac hatte leere Hosentaschen. Wieso das?

„Bist du blank, Mackilein?“ erkundigte sich der Profos wohlwollend.

„Ja.“ Das klang recht einsilbig.

Carberry wußte genau, daß der gute Mac und Old Donegal voller Tatendrang an Land gezogen waren. Old Donegal hatte die Absicht gehabt, sich von der alten Zigeunerin etwas aus den Handlinien vorlesen zu lassen und Mac hatte mit türkischen Ladys schäkern wollen. Aus beiden Absichten schien nichts geworden zu sein.

Carberry wunderte sich. Mac war blank, aber eingekauft hatte er auch nichts. Jedenfalls war nichts sichtbar.

„Warum bist du denn blank?“ fragte der Profos.

Da ließ Mac es raus. „Bin beklaut worden – Donegal auch!“

„Waaas?“ Der Profos stemmte die Fäuste in die Hüften und legte den Kopf schief. „Ihr habt euch beklauen lassen? Das gibt’s doch gar nicht. Seid ihr überfallen worden?“

Sie schüttelten beide die Köpfe.

„Wir haben Fatima zugeschaut“, knurrte Old Donegal.

„Fatima?“

„’ne Bauchtänzerin“, erklärte Mac. Sein Essiggurkengesicht hellte sich etwas auf, und damit der Profos auch erfuhr, was „’ne Bauchtänzerin“ war – obwohl ihm das sehr genau bekannt war –, ließ der dürre Mac seine Hüften kreisen und mimte Bauchtänzerin. Zweifellos waren Fatimas Darbietungen wesentlich eindrucksvoller, und an Busen hatte Mac auch nichts vorzuzeigen.

Carberry grinste bis zu den Ohren über sein bauchtanzendes „Mackilein“. Den Mannen, die sich um die beiden versammelt hatten, erging es genauso. Macs Bauchtanz war eine Clownsnummer.

„So hat sie getanzt“, sagte Mac und war etwas aus der Puste.

„Ja. Und dann?“ fragte der Profos. „Hat sie sich entschleiert?“

„Entschleiert?“ Mac schüttelte den Kopf. „Du meinst, ob sie dann nackicht war?“

„War sie nicht!“ fuhr Old Donegal dazwischen. „Nur ihre Bluse war offen – bis zum Bauchknöpfchen. Da steckte ’ne Kirsche drin!“

„’ne Kirsche?“ fragte Carberry verblüfft.

„Keine Kirsche, ’n Rubin“, verbesserte Mac.

„’ne Kirsche“, beharrte Old Donegal.

„Was soll denn ’ne Kirsche im Bauchknöppchen!“ ereiferte sich Mac.

„Ha! Und was hat da ’n Rubin zu suchen?“ setzte Old Donegal dagegen.

Mac winkte überlegen ab. „Rubine sind Liebessymbole! Je röter sie sind, desto heißer entbrennt die Liebe. Bei Fatima war der Rubin glutrot. Sie hatte mich gesehen und war entflammt!“

Old Donegal starrte Mac an, als habe er Rubine in den Nasenlöchern. Was Mac da behauptete, verschlug ihm schier die Sprache. Und die Mannen konnten wieder ausgiebig grinsen. Allerdings neigte der gute Mac in letzter Zeit immer häufiger dazu, sich einzubilden, daß es die Ladys stets nur auf ihn abgesehen hätten. Er stilisierte sich selbst zum Hahn im Korbe, als den Liebling aller Frauen und großen Herzensbrecher.

Old Donegal fand seine Sprache wieder.

„Was hat Fatima?“ schnappte er. „Dich gesehen? Die hatte gar keine Zeit dazu beim Bauchwackeln. Außerdem hingen ihr die Haare vor den Augen. Und ganz vorn standen wir auch nicht.“

Old Donegal wurde mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Von oben herab erklärte Mac: „Davon verstehst du nichts. Fatima brauchte mich gar nicht zu sehen, nicht mit den Augen – wir standen mit unseren Herzen in magischem Kontakt, das ist es!“

Old Donegal schnappte nach Luft.

Carberry hingegen beugte sich vor und fragte besorgt: „Mackilein, bist du ganz in Ordnung?“

„Natürlich. Warum soll ich nicht in Ordnung sein?“

Old Donegal ächzte. „Dieses Luder hat ihn verhext! Darum hält er die Kirsche auch für ’nen Rubin!“

„Es war ja auch einer!“ fauchte Mac. „Glutrot …“

„… und flammend“, sagte der Profos.

„Genau. Woher weißt du das?“

„Hab ich mir gedacht“, sagte der Profos, „weil du das so bildlich beschrieben hast.“

„Magischen Kontakt!“ sagte Old Donegal erbost. „Herzen! Du hast ja ’n Hai verschluckt, Mister Pellew! Und es war doch ’ne Kirsche!“

„War es nicht!“

„War es doch!“

Sie stierten sich an wie zwei Kampfhähne, die gleich wieder hochspringen, um sich mit den Sporen zu bearbeiten. Carberry schob sich dazwischen.

„Nun mal Ruhe, Leute“, sagte er, „und immer ein Bein vors andere. Ihr habt also Fatima zugeschaut …“

„Der Blume von Istanbul“, unterbrach ihn Mac.

„Gut, der Blume von Istanbul. Und dann?“

„Was dann?“

Carberry schickte einen Blick zum Himmel. Mac war heute abend wohl doch etwas bescheuert.

„Was ist dann passiert? Ihr seid doch beklaut worden!“

„Ach so.“ Mac schielte zu Old Donegal. Aber der war wieder oder immer noch muffig. Der vertrug’s eben nicht, wenn auch mal andere magische Kontakte aufnahmen. „Ja.“ Mac kratzte sich hinterm Ohr. „Da stand plötzlich so ’n Liliputaner vor uns, so ’n Wurzelzwerg, verstehst du?“

Carberry nickte. „Verstehe, ein Gnom, was, wie?“

„Genau, ein richtiger Gnom. Und der hielt uns ’n Topf hin …“

„Kupferschale“, verbesserte Old Donegal.

„Erzähl ich hier, oder erzählst du?“ fuhr ihn Mac an.

„Du. Aber es war ’ne Kupferschale, kein Topf. Genauso wie der Rubin ’ne Kirsche war.“

„Es war ein Rubin!“ brüllte Mac hysterisch. „Keine Bauchtänzerin steckt sich Kirschen ins Bauchknöppchen. So ein Scheiß! Sollen da Kirschbäume aus den Bäuchen wachsen?“

Ausnahmsweise blieb Old Donegal ganz ruhig. Und er ging auch gar nicht weiter auf das Problem – Kirsche oder Rubin – ein.

Er sagte: „Der Gnom wollte bei uns kassieren, klarer Fall. War auch sein gutes Recht. So ein Bauchwackeln siehst du nicht jeden Tag, ich kann das beurteilen. Fatimas Busen wackelte auch. Mann-Mann! Ganz spitz! Ich langte also in die Tasche, um für die ganze Wackelei zu berappen. Erst in die eine, dann in die andere. Beide Hosentaschen waren leer …“

„Genau! Meine auch!“ Und wieder zerrte Mac seine Taschensäcke aus den Hosen und zeigte deren Leere.

Old Donegal warf ihm nur einen schiefen Blick zu und räusperte sich. Als er fortfahren wollte, fragte Paddy Rogers: „Und Fatimas Busen war ganz spitz?“

Mac ruckte herum und zischte: „Das hat dich überhaupt nicht zu interessieren, Mister Rogers! Fatima ist mit mir verlobt!“

Paddy Rogers, sonst mit dem Denken um Stunden oder noch länger zurück, fragte schlagfertig: „Ach – müßt ihr heiraten?“

Die Mannen hielten die Luft an.

„Heiraten? Wieso das denn?“ fragte Mac verdattert.

„Weil ihr schon magischen Kontakt hattet“, sagte Paddy treuherzig und fügte etwas verlegen hinzu: „Bei magischem Kontakt – hab’ ich mal gehört – sollen Frauen sofort gesegnet ten Leibes sein.“ Und Paddy kriegte einen roten Kopf.

Was auf der Dubas der Arwenacks einschlug, war eine Lachbombe. Sie explodierte mit infernalischem Getöse. Und die Arwenacks hielten sich die Bäuche oder betrommelten ihn und hüpften, genauso wie der richtige Arwenack, der sich in diesem Moment freute, weil sich seine Leute freuten. Fehlte nur noch, daß sie keckerten, die Zähne fletschten und einen Kobolz schossen.

Einzig Mac Pellew stand da wie eine Trauerweide im Spätherbst und bei Nieselregen. Der fand das überhaupt nicht lustig. Die wieherten auf seine Kosten. War wohl doch keine gute Idee gewesen mit dem magischen Kontakt. Und der Himmel sei davor, daß jene Folgen eintraten, die dieser Mister Rogers, dieser Blödmann, angekündigt hatte!

Mac schüttelte sich. Und er sah vergrämt wie eh und je aus. Dabei hatte ihn Fatima, die Blume von Istanbul, tatsächlich entflammt. Vielleicht würde er ihr morgen abend seine Reverenz erweisen und sie zu einem Spaziergang einladen. Ei-ei!

Holde Tulpe von Istanbul, würde er sagen, deiner Knospen Pracht hat; mich … Scheiße! Um das zu sagen, mußte er Türkisch sprechen. Vielleicht sollte er Hasard und Philip ins Vertrauen ziehen und sich von ihnen das Passende übersetzen lassen. Das würde er üben müssen. Außerdem konnte er mit den Händen reden …

Es kehrte wieder Ruhe ein.

„Ja, Mackilein“, sagte der Profos immer noch grinsend, „da wird man plötzlich Papa und weiß gar nichts davon, eh?“