Kitabı oku: «Seewölfe Paket 29», sayfa 25

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Mac warf einen giftigen Blick zu Paddy hinüber.

„Dieser Mister Rogers ist ein stoffeliger Einfaltspinsel“, erklärte er wütend. „Außerdem frißt er zuviel, und darum ist sein Gehirn verfettet.“

Bei Jack Finnegan, der seinen Freund Paddy stets verteidigte und nicht aufs Maul gefallen war, kam er damit schlecht an.

Ziemlich scharf sagte Jack: „Fragt sich nur, wie stoffelig einer ist, der uns hier was von magischen Kontakten vorschwafelt. Du hast mit diesem Unsinn angefangen, Mister Pellew, dann wundere dich also nicht, wenn andere darauf reagieren. Wenn bei Paddy das Gehirn verfettet, sein soll, dann scheint mir deins eher an der Auszehrung zu leiden!“

Bevor Mac loslegen konnte, dröhnte der Profos: „Nachdem das geklärt ist, bitte ich Old Donegal um Fortsetzung der Geschichte! Ihr hattet also leere Taschen, was bedeutet, daß ihr beklaut wurdet.“

„So ist es“, sagte Old Donegal, „und ich weiß sehr genau, daß ich einige Talerchen eingesteckt hatte, bevor wir an Land gingen. Als der Gnom nun merkte, daß wir nicht berappen konnten, fing er an zu lamentieren. Und plötzlich stand so ein Riesenaffe vor mir …“

„Vor mir auch!“ ereiferte sich Mac. „Meiner war noch größer als deiner!“

„Aber meiner hatte ’ne Glatze!“

Es war zum Auswachsen mit den beiden, und damit sie sich nicht wieder über die Einzelheiten in die Haare gerieten, sagte der Profos schnell: „Die haben euch bedroht, eh?“

„Bedroht ist gar kein Ausdruck“, sagte Old Donegal, „bei meinem hatte ich Angst, daß ich dem unter der Nase hänge, wenn er Luft holt.“

Mac packte noch drauf. „Meiner hatte einen Nacken wie zwei Ochsen, Muskeln so prall wie Mehlsäcke und Finger so dick wie mein Oberschenkel!“

Der Profos war beeindruckt – mit der Einschränkung, daß es so schlimm nicht gewesen sein konnte, denn die beiden Landgänger zeigten keine Beschädigungen und waren heil und in einem Stück. Anders ausgedrückt: Senge hatten sie demnach nicht bezogen.

„Wir hatten also“, fuhr Old Donegal fort, „kaum eine Chance, mit diesen beiden Ungetümen fertigzuwerden …“

„Überhaupt keine“, redete Mac wieder dazwischen.

„Sagte ich doch“, knurrte Old Donegal.

„Du sagtest ‚kaum‘“, nörgelte Mac.

Jetzt wurde auch der Profos grantig. „Mac, sabbel nicht dauernd dazwischen, laß Old Donegal endlich mal ausreden, sonst stehen wir morgen früh hier noch rum!“

„Dann sage ich gar nichts mehr.“

„Sehr gut“, lobte der Profos, „erzähl weiter, Donegal.“

Der Alte räusperte sich. „Ich schätze, diese beiden Kerle waren so etwas wie Geldeintreiber. Der Gnom hätte uns nicht gefährlich werden können. Aber ich hatte den Eindruck, daß da noch mehr Typen darauf scharf waren, sich mit uns anzulegen. Die hielten uns wohl alle für so ’ne Art Zechpreller.“ Old Donegal grinste. „Und daß wir keine Muselmännchen sind, werden sie wohl auch bemerkt haben. Nächstes Mal setz ich ’n Fez auf und zieh mein Nachthemd an, wenn ich an Land gehe.“

Es wurde wieder heiter bei den Arwenacks, denn sie stellten sich vor, wie ihr Old Donegal mit Fez und im Nachtgewand aussehen würde.

„Du gibst bestimmt ein prächtiges Muselmännchen ab“, bestätigte der Profos grinsend.

„Siehst du“, sagte Old Donegal, „und man fällt nicht so auf. Aber zurück zu unserer Geschichte. Uns blieb nur der Rückzug, bevor es uns an den Kragen ging. Ich stieß also meinem Gegenüber die Zwinge der Krücke auf die Zehen, und Mac verpaßte seinem Riesenaffen einen saftigen Tritt vors Schienbein. Einem anderen Kerl, der mich anspringen wollte, schlug ich mit der Krücke die Beine weg. Mac und ich zeigten die Hacken. Dann versteckten wir uns in einer Türnische. Die vier Kerle, die uns verfolgten, ließ ich über meine Krücken stolpern, wir klopften ihnen was an die Köpfe und verdrückten uns. Das war’s auch schon. Eins steht fest: Da waren Langfinger am Werk, und die haben uns satt ausgenommen.“

„Während ihr abgelenkt wart, weil ihr Fatima zuschautet“, sagte Hasard junior.

Old Donegal runzelte die Stirn. „Was soll das heißen?“

„Ganz einfach“, erwiderte Hasard junior, „das ist ’n uralter Trick, ’ne abgekartete Sache.“

„Was verstehst du Hüpfer denn davon?“ schnappte Old Donegal.

Der Junior feixte seinen Großvater an. „’ne ganze Menge, Granddad, genau wie Phil.“ Er schaute zu seinem Bruder. „Zeig ihm mal, was du Mister Carberry aus der Hosentasche geholt hast!“

Grinsend langte Philip in die eigene Tasche und zog eine Geldkatze hervor, ein Ledersäckchen mit Talern.

„Und das hier“, sagte Hasard junior und brachte einen zusammengerollten Ledergürtel zum Vorschein, „habe ich mir erlaubt, Mister Tucker aus den Schlaufen zu ziehen, während er wie ihr alle Mister Pellew beim Bauchtanz zuschaute!“ Mit einer leichter Verbeugung gab er dem riesigen Schiffszimmermann den Gürtel zurück. Der sah ziemlich dumm aus.

„Da soll doch gleich der Teufel dreinfahren!“ wetterte der Profos. „Dieser Spitzbube! Langt einem ehrlichen Seemann in die Tasche und klaut ihm die Talerchen!“

„Nur zur Demonstration, Mister Carberry“, sagte Philip, „und zum Beweis, daß du abgelenkt warst, genauso wie Granddad und Mister Pellew, als sie Fatima bewunderten.“

„Ich laß mich doch von so einem Weibsbild nicht ablenken“, sagte Old Donegal empört. „Wer bin ich denn!“

„Aber deine Taschen sind leer“, sagte Hasard junior.

„Fatima ist kein Weibsbild“, maulte Mac Pellew.

„Eine Schlange ist das“, zischte Old Donegal. „Aber du mußtest dich auch noch vordrängeln, um sie besser beglotzen zu können!“

„Du hast genauso geglotzt“, sagte Mac hitzig.

„Wie sieht diese Fatima eigentlich aus?“ fragte Hasard junior sachlich. „Gibt’s da irgendwelche besonderen. Merkmale?“

„Ob sie ’n Leberfleck auf dem Busen hat, hab’ ich nicht gesehen“, sagte Old Donegal brummig, „so was weiß auch dieser Mister Pellew immer besser, woanders guckt der ja nicht hin.“

„Da war kein Leberfleck“, sagte Mac Pellew.

„Das meinte ich nicht“, sagte Hasard junior und war darum bemüht, ernst zu bleiben. „Ich wollte wissen, wie sie sonst so aussieht.“

„Schlampig“, sagte Old Donegal abfällig. „Die müßte mal ihre Bluse waschen oder sich ’ne neue kaufen.“

Hasard junior räusperte sich. „Hat sie vielleicht zufällig eine Nase?“

„Natürlich hat sie eine – dämliche Frage!“

„Dünn, dick, gekrümmt, gerade?“ fragte Hasard junior beharrlich.

„Weiß ich nicht“, sagte Old Donegal muffig.

Mac wußte es auch nicht.

„Aha“, sagte jetzt der Profos und grinste wieder. „Wie ihr Busen aussieht, wißt ihr ziemlich genau, aber von ihrem Gesicht habt ihr keine Ahnung – mithin wart ihr also doch abgelenkt.“

Die beiden Bauchtanz-Beschauer schwiegen verdrossen.

Philip fragte: „Könntet ihr denn den Liliputaner beschreiben?“

„Der war klein“, sagte Mac sofort.

„Hätte ich mir fast gedacht“, sagte Philip trocken.

Mac biß sich auf die Lippen – er hatte begriffen, daß seine Antwort nicht sehr geistreich gewesen war.

Old Donegal sagte: „Der Gnom hatte im Verhältnis zu seiner Zwergenhaftigkeit einen ziemlich großen Kopf mit vorragender Stirn und breiter, eingesunkener Nase sowie abstehenden Ohren.“

„Und krumme Beine“, sagte Mac.

„Aha“, sagte Philip und wechselte einen Blick mit seinem Bruder. Dann fragte er: „Gab’s einen Unterschied zwischen den beiden Riesenkerlen, die vor euch auftauchten? Granddad sprach davon, seiner habe eine Glatze gehabt.“

„Meiner war zwar auch ganz kahl“, sagte Mac, „aber in Schädelmitte hatte er einen geflochtenen langen schwarzen Zopf.“

„Woher wißt ihr, daß die Bauchtänzerin Fatima heißt?“ fragte jetzt Hasard junior.

„Weil der Gnom sie ansagte oder so ansprach“, erwiderte Old Donegal. „Könnt ihr mir mal verraten, was die ganze Fragerei soll?“

„Weil wir was vermuten“, sagte Hasard junior geheimnisvoll.

2.

Die Zwillinge hatten eisern geschwiegen und nicht verraten, was sie vermuteten. Das Palaver war noch eine ganze Weile weitergegangen, und die beiden bestohlenen Landgänger hatten zum Schaden auch noch den Spott geerntet, am meisten allerdings der grämliche Mac Pellew wegen seines „magischen Kontakts“, den er angeblich zu Fatima, der Blume von Istanbul, hergestellt hatte.

Philip Hasard Killigrew hatte herzlich gelacht, als er die Geschichte hörte, und seine Arwenacks gewarnt, beim Landgang schärfer aufzupassen. Am Binnenhafen traf man auf ein ziemlich gemischtes Volk und mußte immer damit rechnen, ausgenommen zu werden.

Im übrigen würden sie noch zwei, drei Tage am Goldenen Horn bleiben – die Stadt war viel zu interessant, um sie unbeachtet zu lassen. Sie machten also sozusagen Urlaub vor ihrer Weiterfahrt ins Mittelmeer. Nach dem Verlust ihrer „Santa Barbara“ auf dem oberen Tigris, dem Marsch zum Schwarzen Meer und der Suche nach einer Durchfahrt zum Mittelmeer hatten sie sich ein paar faule Tage auch verdient.

Am Spätnachmittag des nächsten Tages meldeten sich Hasard und Philip – wie sich das gehörte – beim Profos von Bord. Der staunte nicht schlecht, denn die beiden Junioren hatten sich türkisch gewandet und waren kaum von den Einheimischen zu unterscheiden. Allenfalls fiel das intensive Blau ihrer Augen auf, das durch die Bräune ihrer Gesichter noch gesteigert wurde. Aber wenn es dunkler wurde, würde das nicht mehr so deutlich sichtbar sein.

„Aha, Tarnung, eh?“ fragte der Profos wohlwollend.

„So ist es, Sir“, erwiderte Hasard junior.

„Darf man fragen, wohin die Gentlemen ihre Schritte zu lenken gedenken?“

„Och“, sagte Philip, „mal sehen. Was Besonderes haben wir eigentlich nicht vor.“

„Ein bißchen bummeln“, ergänzte Bruder Hasard.

„Soso, ein bißchen bummeln.“ Der Profos räusperte sich. „Ähem – ähem! Ich warnige euch vor – ähem – schlechten Weibern!“ Er sagte „warnige“, der Profos, weil er das für eine Steigerung von „warnen“ hielt.

Die Zwillinge wußten das, aber deswegen zogen sie nicht die Augenbrauen hoch.

„Sir?“ fragten sie unisono.

„Ähem.“ Der Profos hatte es momentan in der Kehle. „Schlechte Weiber sind Lotterweiber, verstanden?“

„Aye, Sir. Und woran erkennt man die?“ fragte Philip mit ernstem Gesicht, das auch sein Bruderherz aufgesetzt hatte.

Zur Abwechslung hustete jetzt der Profos, und seine Gesichtsfarbe wurde etwas dunkler.

„Ähem!“ brachte er nach dem Husten heraus. „Lotterweiber sind solche, die euch Liebe verkaufen wollen, klar? Und die können – ähem – ansteckende Krankheiten haben …“

„Aye, Sir“, sagte Hasard junior, „zum Beispiel die Französische Krankheit. Aber Phil und ich haben nicht die Absicht, zu solchen Frauen zu gehen.“

„Nicht? Soso – ähem, aha!“ Der Profos war sich absolut im unklaren darüber, ob ihn diese beiden Kerle überhaupt ernst nahmen – ganz abgesehen davon, daß sie bestens Bescheid wußten, jawohl, die wußten haargenau, was Lotterweiber waren, diese Spitzbuben! Ah, das war das Stichwort.

„Wollt ihr etwa klauen gehen?“ fuhr er sie an.

„Wir doch nicht, Sir“, sagte Hasard junior prompt. „Haben wir das nötig?“

„Schießt an Land“, sagte der Profos ein bißchen geschafft. „Wenn ihr bis zehn Uhr nicht zurück an Bord seid, soll euch der Teufel holen!“

„Zehn Uhr heute abend oder morgen vormittag?“ fragte Philip grinsend.

„Zehn Uhr heute abend!“ donnerte der Profos. „Als ich so alt war wie ihr jetzt, durfte ich überhaupt noch nicht an Land!“

„Das waren auch noch andere Zeiten, Sir“, sagte Philip. „Stell dir mal vor, was du alles versäumt hast!“

„Den ganzen schönen Rum“, sagte Hasard junior.

„Und die Keilereien in Plymsons ‚Bloody Mary‘ in Plymouth“, fügte Philip hinzu.

Carberry wurde nervös.

„War da nicht auch mal eine gewisse Kellnerin namens Maggy in der ‚Bloody Mary‘?“ fragte Hasard junior gedankenvoll.

Der Profos zuckte etwas zusammen und sagte hastig: „Wolltet ihr nicht an Land, was, wie?“

„Das wollten wir, Sir“, sagte Philip, „aber wir dachten, du wolltest mit uns ein bißchen plaudern, und da ist es ungehörig, nicht Rede und Antwort zu stehen.“

„Unschicklich ist das“, bestätigte Hasard junior. „Ist sonst noch etwas, Mister Carberry, Sir?“

„Nein, nein – äh, der Kapitän ist mit eurem Landgang einverstanden?“

„Aye, Sir“, erwiderte Hasard junior, „er sagte nur, wir sollten uns bei dir von Bord melden, was wir hiermit gehorsamst noch einmal tun.“

„In Ordnung, danke.“ Der Profos hielt rechten Zeigefinger und Mittelfinger an die Schläfe und zirkelte einen Gruß.

Die beiden Jungen grüßten genauso, straff und gerade und bereits ein wenig größer als der Profos. Sie würden so groß wie ihr Vater werden, das stand mal fest. In der Breite der Schultern hatten sie auch zugelegt.

Sie wandten sich der Stelling zu, doch da pochte Old Donegals Holzbein über das Deck.

„Ihr wollt an Land?“ fragte er barsch.

„Aye, Sir.“

„In dem Aufzug?“

„Wir gehen als Türken, Sir“, erwiderte Philip. „Die Idee stammt von dir.“

„Äh – von mir, aha“, brummelte Old Donegal, „gut-gut. Und wo wollt ihr hin?“

„Bißchen bummeln, Sir“, sagte Hasard junior.

„Bummeln? Ihr wollt die Bauchtänzerin begaffen!“

„Hast du doch auch getan“, sagte Philip kühl.

„Stimmt genau“, sagte der Profos grinsend, „und beim Gaffen wurden deine Taschen immer leerer. Du hättest nicht mal gemerkt, wenn dir jemand dein Holzbein geklaut hätte.“

„Lächerlich! Diese beiden Burschen wollen sich an Land herumtreiben und mit liederlichen Weibern amüsieren!“ fauchte Old Donegal. „Als ich in dem Alter war, habe ich um diese Zeit in der Bibel gelesen oder Flöte gespielt!“

„Ach du lieber Gott“, sagte der Profos, „man hört’s, bei dir piept’s immer noch!“

Old Donegal ging nicht darauf ein.

„Ihr bleibt an Bord!“ fuhr er die beiden Junioren an. „Soweit kommt das noch, daß solche Hänflinge an Land schießen und den Weibern nachstellen! Das gab’s zu meiner Zeit nicht! Da herrschte noch Sitte und Anstand! Aber das hier ist ja das reinste Sodom und Kamarra!“

„Gomorrha“, verbesserte Philip.

„Wie?“

„In der Bibel steht ‚Sodom und Gomorrha‘, Sir“, sagte Philip, „aber vielleicht fehlte die Seite in deiner Bibel, in der du gelesen hattest, als du noch in unserem Alter warst.“

„Was hast du denn auf der Flöte gespielt, Sir?“ erkundigte sich Hasard junior interessiert. „Hirtenlieder oder Schlafliedchen oder was? Konntest du gut spielen?“

„Vielleicht sollten wir Granddad von Land eine Flöte mitbringen, damit er uns mal was vorspielen kann“, schlug Philip vor. „Hirtenlieder höre ich sehr gern.“

„Oder Liebeslieder“, sagte Hasard junior.

„Ich werde euch was anderes flöten!“ wetterte Old Donegal, und er hatte rote Ohren.

„Ich glaube, er kann gar nicht Flöte spielen“, sagte Philip.

„Und in der Bibel hat er auch nicht gelesen, sonst wüßte er, daß es ‚Gomorrha‘ und nicht ‚Kamarra‘ heißt“, sagte Hasard.

Jetzt war Old Donegals ganzes Gesicht dunkelrot, während Carberry bis zu den Ohrläppchen grinste, denn die beiden Enkelchen hatten das Großväterchen ziemlich schnell entlarvt, so mal eben im Handumdrehen. Und sie heizten ihm mächtig ein, dem alten Zauselchen.

„Gut, wir bringen ihm eine Flöte mit“, sagte Philip, „da kann er Klein-Edwin-Shane, der unser Onkel ist, lustige Weisen vorflöten, wenn der am Plärren ist.“

„Da plärrt unser Onkel noch lauter, Phil“, sagte Hasard, „was ich gleichfalls tun würde, wenn mir einer falsche Töne ins Ohr bläst.“

„Hast du auch wieder recht, das können wir unserem Onkel nicht zumuten“, meinte Philip.

„Unserer Großmutter Mary ebenfalls nicht“, erklärte Hasard, „sie würde hysterisch reagieren, schätze ich.“

„Ihr bleibt an Bord!“ brüllte Old Donegal. „Unverschämte Lümmel!“ Er stampfte mit dem Holzbein auf.

Carberry schaltete sich ein. „Jetzt hör mir mal zu, Mister O’Flynn: Hier an Bord hat der Kapitän das Sagen, und der Kapitän hat den beiden Junioren den Landgang genehmigt, da kannst du dich auf den Kopf stellen oder dein Holzbein auffressen – die beiden gehen an Land, basta!“

„Unerhört! Was ist das für eine Erziehung!“ tobte Old Donegal. „Und wer trägt die Verantwortung?“

„Die beiden selbst“, erwiderte der Profos, grinste und fügte hinzu: „Sie sind ja schließlich keine Wickelkinder mehr wie ihr Onkel.“

„Hört endlich auf, dauernd diesen Onkel herauszukehren!“ erboste sich Old Donegal.

„Ach ja? Wer ist denn für diese verrückten Familienverhältnisse verantwortlich?“ fragte der Profos. „Habe ich vielleicht Klein-Edwin-Shane auf Stapel gelegt? Kann ich was dafür, daß die Neffen älter als ihr Onkel sind?“ Der Profos schnaufte erbittert. „Aber du scheinst die Neffen dauernd mit ihrem Onkel zu verwechseln und sie für Windelpisser zu halten.“

„Jedenfalls verbiete ich, daß sie an Land gehen.“

„Das hast du Flötenspieler gerade zu bestimmen!“ höhnte der Profos.

„Ich werde beim Kapitän Einspruch erheben“, verkündete Old Donegal und schwang drohend die Faust. „Hier geht es schließlich um Zucht und Ordnung, um Sitte und Moral!“

„Einspruch abgelehnt“, ertönte hinter ihm eine Stimme.

Er drehte sich um, und da stand Philip Hasard Killigrew. Er winkte seinen Söhnen zu und sagte: „Ihr könnt abziehen, Gentlemen.“

Das ließen sich die beiden „Gentlemen“ nicht zweimal sagen – das Palaver hatte ja auch lange genug gedauert. Sie schoben ab und schlenderten am Kai entlang.

„Es ist unerhört!“ sagte Old Donegal keuchend.

Hasard nickte. „Da stimme ich dir zu. Es ist wirklich unerhört, wenn einer hier was von Sitte und Moral predigt, der sich beim Busenbegaffen einer Bauchtänzerin das Geld aus den Hosentaschen klauen läßt, was wohl klar beweist, wie hingerissen der Betreffende gestarrt haben muß. Im übrigen sind Hasard und Philip Killigrew vollwertige Mitglieder dieser Crew und haben die gleichen Rechte und Pflichten wie alle anderen auch. Zu ihren Rechten gehört folglich – jedenfalls nach meiner Logik – unter anderem der Landgang. Bei diesem Landgang steht es ihnen, völlig frei, was sie tun. Das ist ihre Privatsache. Daß sie sich mit liederlichen Weibern amüsieren oder ihnen nachstellen – wie laut genug zu hören war –, ist eine böswillige Unterstellung nach dem Motto: Was ich denk und tu, das trau ich auch dem anderen zu. Ferner hatten die beiden meine ausdrückliche Genehmigung zum Landgang. So ist denn zu fragen, ob du jetzt hier an Bord darüber befindest, wer an Land geht und wer nicht. Ich schätze, als Kapitän dieser Mannschaft habe ich wohl ein Recht, diese Frage zu stellen. Also, ich höre!“

„Ich bin der Großvater“, trumpfte Old Donegal auf, „und habe als solcher die Pflicht, mich um die Erziehung meiner Enkel zu kümmern.“

„Da bin ich dir sehr dankbar, Donegal“, sagte Hasard ein bißchen hintergründig, „nur sind diese beiden Knaben inzwischen siebzehn Jahre alt und stehen bereits ihren Mann – ob im Gefecht, im Sturm, oder was weiß ich wo. Über das, was sich zwischen Frau und Mann abspielt, sind sie aufgeklärt. Das Thema wird ja hier häufig sehr drastisch behandelt. Erfahrungen, mein lieber Donegal, haben sie gefälligst selbst zu sammeln. Ich stehe als Vater nicht an, sie bis ins Bett ihrer Geliebten zu begleiten und auch dort noch zu bevormunden!“

Der Profos grinste unverhohlen. Old Donegal hingegen wirkte ziemlich verdattert.

„Oder“, fuhr Hasard fort, „war dein Vater dabei, als du die Liebe kennenlerntest? Wie alt warst du da eigentlich?“

„Ich – ich“, stotterte Old Donegal, „äh – das weiß ich nicht mehr!“

„Dann sollten wir darauf einen trinken“, sagte Hasard grinsend und holte die Flasche aus der Jacke.

Die Beule in der Jacke war dem Profos eh aufgefallen. Das war vielleicht ein Kapitän – Himmel-Arsch-und-Bauchgewackel …

Fatima, die Blume von Istanbul, tanzte wieder.

Der Platz war günstig gewählt, nämlich in unmittelbarer Nähe des Anlegers von Cibali auf der Westseite des Goldenen Horns, jener tiefen und langen Bucht, die Istanbul in zwei Hälften teilt.

Vom Anleger Cibali aus fuhren Fähren im Pendelverkehr hinüber zum Anleger von Kasimpasa am Ostufer des Goldenen Horns. Die Fähren waren ständig in Betrieb und bildeten eine Art Brücke zwischen den beiden Stadtteilen. Istanbul war und ist wahrscheinlich die einzige Stadt der Welt, die auf zwei Erdteilen zugleich liegt – der Bosporus bildet die Nahtstelle der beiden Kontinente.

Auch an diesem Spätnachmittag im November 1597 herrschte am Anleger von Cibali emsiger Betrieb. Fähren legten ab, andere kamen von Kasimpasa herüber, vertäuten und entließen schwatzende und drängende Pulks von Menschen in bunter Mischung – Händler mit allen möglichen Waren, Bauern, die auf den Basaren Naturalien verkaufen wollten, Kauflustige von drüben, die auf dieser Seite des Horns die größere Auswahl hatten, Soldaten, Fischer, Wanderhandwerker, Moscheenbesucher oder auch einfach nur Stadtbummler.

Es ging zu wie in einem Ameisenhaufen.

Wer zu den Basaren in Hafennähe oder zum Kapali Carsi, dem Großen Basar im Stadtkern wollte, der passierte jenen Platz am Anleger, auf dem das Tamtam eines Tamburins und die Zupfklänge ertönten, zu denen die Blume von Istanbul tanzte.

Verschleierte Frauen eilten gesenkten Kopfes an dieser Stelle vorbei – was bei ihnen verschleiert war, zeigte Fatima in aller Offenherzigkeit.

Um so neugieriger verhielten sich die Mannsleute. Sie hingen in dichten Trauben um die etwas überhöhte Rundplattform, trampelten sich gegenseitig auf die Füße und taten ansonsten nur eins: sie glotzten – dies natürlich in verschiedenen Variationen. Die einen grinsten lüstern, andere spitzten die Lippen, wieder andere hatten Augen, die jenen eines Frosches nicht unähnlich waren. Und da gab es auch einige, die empört taten, aber dennoch stierten.

Hasard und Philip standen etwas abseits „in Luv“ eines emsigen und schwitzenden Mannes, der auf einem Holzkohlenrost kleine Fische grillte und lauthals zum Verkauf anpries. Sein Geschäft ging gut.

Daß die beiden Junioren „in Luv“ standen, hatte den Vorteil, daß ihnen der Fischbratdunst nicht unmittelbar in die Nase stieg. Außerdem hatten sie durch den Fischbrater und die Käufer ganz gute Deckung zur Plattform hin.

Sie hatten zwar nur etwas Bestimmtes vermutet oder auch nur geahnt, aber es war doch fast wie ein Keulenschlag gewesen, daß Vermutung und Ahnung zutreffend gewesen waren.

Sie feierten nach zehn Jahren ein Wiedersehen, nein, kein stürmisches, sondern ein sehr verhaltenes und zurückhaltendes Wiedersehen, von dem die anderen allerdings nichts ahnten. Das Wiedersehen war einseitig.

Sie waren beide ziemlich erschüttert. Kein Wunder, wenn man bedenkt, daß sie die Jahre ihrer Kindheit – bis sie sieben wurden – bei Menschen verbracht hatten, die plötzlich und unerwartet wieder leibhaftige Wirklichkeit wurden.

Ende März 1587 in Tanger hatten sie diese Menschen zuletzt gesehen oder zu ihnen gehört. Dort in Tanger war der wohl wichtigste Einschnitt in ihrem jungen Leben erfolgt, denn der Zufall hatte sie wieder mit ihrem Vater zusammengeführt, der durch eine falsche und darum teuflische Information geglaubt hatte, sie wären nicht mehr am Leben. Er hatte nicht gezögert, sie zu sich an Bord der „Isabella VIII.“ zu holen.

Kurz und gut, die beiden Junioren waren hier am Anleger von Cibali auf Kalibans Gauklertruppe gestoßen, mit der sie einst als Jungen durch die Lande gezogen und in der sie selber mit zum Teil faulen Tricks aufgetreten waren.

Kaliban, der große Zauberer, hatte ihre verblüffende Ähnlichkeit dazu benutzt, um dem Publikum schier übernatürliche Kunststückchen vorzuführen. Ja, sie waren im wahrsten Sinne des Wortes „benutzt“ worden, nämlich dazu, dem großen Zauberer und seiner Truppe die Kasse zu füllen und zum Wohlleben zu verhelfen.

Sie hatten bei Kaliban durch eine harte Schule gehen müssen, obwohl der Begriff „Schule“ hier unangebracht ist. Er hatte sie nämlich unter anderem darin unterrichtet, wie man mit spitzen, langen und schnellen Fingern Kleider- und Hosentaschen entleert und darüber hinwegzusehen hat, daß man eine ungesetzliche Eigentumsveränderung vornimmt. Denn anfangs hatten sie sich gesträubt, in die Taschen fremder Menschen zu langen. Da hatte er sie die Knute spüren lassen. Oder – fast noch drastischer – er hatte sie auf eine Hungerration gesetzt.

Diese kleinen Kerle hatten gelernt, sich durchzubeißen. Eins war Kaliban nicht gelungen, sie nämlich zu verderben. Um zu überleben, hatten sie sich angepaßt. Aber sie waren entschlossen gewesen, eines Tages, wenn sie älter waren, auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.

Kaliban hatte ihnen weismachen wollen, ihr Vater zu sein. Auch das war ihm nicht gelungen. Sie hatten lediglich Respekt vor seiner harten Hand – das war ihre einzige Beziehung zu ihm, und die war von einer Sohn-Vater-Liebe weit entfernt.

Außerdem: Kinder sahen ihren Eltern zumeist irgendwie ähnlich, aber daß sie von diesem Zickenbart mit dem Habichtgesicht abstammen sollten, das wollte ihnen nicht in den Kopf. Es wurmte sie sogar. Sie hatten sich damals oft gefragt, woher sie die blauen Augen hatten – im Gegensatz zu den verschlagenen, dunklen Augen Kalibans. Die Antwort war ihre Begegnung mit ihrem wirklichen Vater gewesen. Vor zehn Jahren.

Damals hatte die Gauklertruppe ein großes Zelt mit einer Bühne und vielen Requisiten gehabt, und wenn sie von einem Ort zum anderen gezogen waren, hatten sie eine kleine Karawane gebildet.

Gab es das alles nicht mehr?

Fatima hatten sie sofort erkannt, allerdings eine Fatima, die sie niemals als „Blume“ ansprechen würden. Sie war damals schlanker und hübscher gewesen. Heute wirkte sie schlampig und heruntergekommen. Ihre Figur war auseinandergegangen. Was Mac an ihr fand, war den beiden Junioren ein Rätsel. Außerdem tanzte sie geradezu ordinär, was jedoch von der Mehrzahl der Kerle begrüßt wurde.

Im Bauchnabel hatte sie tatsächlich einen Rubin, da war Mac scharfäugiger als Granddad gewesen. Von einer Kirsche konnte überhaupt keine Rede sein. Na ja, und so spitzbusig war sie nun auch wieder nicht. Sie hatte zwar eine Menge zu zeigen, aber damals war das alles straffer und knackiger gewesen.

Am Rand der Plattform saß Batula und beklopfte das Tamburin. Batula war damals der Feuerschlucker in der Truppe gewesen. Offenbar hatte er den Beruf gewechselt. Das Zupfinstrument bediente Kiki, der Liliputaner mit dem Kretingesicht. Hinterher sammelte er laut Macs und Old Donegals Aussage das Geld ein. Auch er schien einen Berufswechsel vorgenommen zu haben. Früher war er als Männchen mit den Gliedmaßen aus Gummi aufgetreten, hatte sie verbogen und verdreht oder war herumgehüpft und hatte Saltos geschlagen. Auch auf dem Seil war er spazierengegangen wie Hasard und Philip.

Unübersehbar als mächtige Muskelkolosse ragten Baobab und Mehmed Bulba hinter der Plattform auf, die beiden riesigen Gorillas, die Ketten sprengten, Eisenstangen verbogen oder für Schaukämpfe zuständig waren. Jetzt schienen sie weiter nichts als Aufpasser zu sein. Und vermutlich gingen sie Kiki „zur Hand“, wenn sich einer der Schaulustigen vorm Berappen drücken wollte.

Kaliban hätten Hasard und Philip nicht auf Anhieb erkannt. Er hatte früher fast nur einen spitzen und hohen Hut, eine Art Tüte, auf dem Kopf getragen. An der Tüte hatten funkelnde Metallplättchen geklimpert und geklirrt. Für die beiden Jungen war das damals ein gewohnter Anblick gewesen – und so existierte Kaliban in ihrer Erinnerung.

Aber jetzt trug er einen gewöhnlichen Turban, und sein Ziegenbart war grau geworden, etwas kürzer und zerfranster. Er hielt sich auch nicht sehr gerade und mimte auf alter Mann, denn er benutzte einen Krückstock.

Im übrigen befand er sich mitten zwischen den Schaulustigen, von denen er sich mit Turban und Burnus in nichts unterschied.

Wenn er damals aus seiner Tüte Tauben gezaubert oder sonstige Zauberkunststückchen vorgeführt hatte, so war auch das ein ferner Traum oder eine Fata Morgana. Hier jedenfalls widmete er sich mit Eifer und Fleiß jener verabscheuungswürdigen Tätigkeit, die darin besteht, in fremde Taschen zu langen.

Gelernt war gelernt. Er tat es mit jener Unverfrorenheit und Geschicklichkeit, die nun einmal den guten Taschendieb auszeichnen. Er hatte sich einmal in eitler Selbstgefälligkeit als den „König der Taschendiebe“ bezeichnet, und das stimmte wahrscheinlich, denn Hasard und Philip konnten sich nicht erinnern, daß er ein einziges Mal erwischt worden wäre.

Aus Erzählungen der anderen in der Truppe wußten Hasard und Philip, daß Kaliban der Sohn eines Taschenspielers und Beutelschneiders war. Er war bei seinem Vater schon als Knirps in die Lehre gegangen. Allerdings hatte man den Vater in Beirut um Haupteslänge verkürzt, nachdem er dreimal hintereinander als Taschendieb entlarvt worden war. Das hatte Kaliban noch vorsichtiger werden lassen.

Weil Taschendiebe geschickt mit den Fingern sind, hatte Kaliban dann das Nützliche mit dem Praktischen verbunden und sich zum Zauberer und Magier mit eigener Truppe hochgearbeitet. Unbestritten war er ein Künstler seines Fachs, besser gesagt, seiner Fächer. Als Zauberer war er genauso genial wie als Taschendieb.

Und noch drei Langfinger waren am Werk – Achmed Ali, der Messerwerfer, Muzaffer, der Jongleur, und der fischige Hassan, der seinerzeit so eine Art Mädchen für alles gewesen war. Mit ihm hatten die Zwillinge damals in ständiger Fehde gelegen. Er hatte sie herumkommandiert beim Zeltauf- und -abbau, beim Packen der Requisiten, beim Bekochen der Truppe, beim Holzsammeln, bei der Versorgung der Tiere, beim Putzen von Gemüse – kurz bei allem, was den Tagesablauf der Gauklertruppe irgendwie betraf.

Sie waren Handlanger, Putzer und Laufburschen gewesen, und der fischige Hassan hatte sie beaufsichtigt. Und er hatte jede Gelegenheit wahrgenommen, ihnen die Ohren langzuziehen, sie zu piesacken und zu verdreschen.

Ihn entdeckten Hasard und Philip ganz zuletzt, und da beklaute er gerade einen alten blinden Mann, der am Straßenrand saß, bettelte und vier oder fünf Münzen in dem Fez zwischen den Beinen hatte, der ihm als Almosenschale diente.