Kitabı oku: «Theorie U - Von der Zukunft her führen», sayfa 2
Bilder von Kelvy Bird

Bild 1: Die Schwelle überschreiten
Stell dir vor, du springst von deinem gegenwärtigen Selbst zu deinem entstehenden zukünftigen Selbst. An dieser Schwelle (vor dieser Kluft, diesem Abgrund, dieser Trennung) stehen wir auf allen Ebenen und in allen Bereichen: als Individuen, Gruppen, Organisationen und als globale Gemeinschaft. Wie können wir die tieferen Ebenen unserer Menschlichkeit aktivieren, um diese Kluft zu überbrücken und zu überqueren? Das ist die Frage, die den Aufbau und den Weg dieses Buches bestimmt.

Bild 2: Eisbergmodell
An der Oberfläche drei Gräben: die ökologische, die soziale und die spirituelle Kluft. In der Mitte: systemische Entkopplungen, die dazu führen, dass wir immer wieder Ergebnisse hervorbringen, die keiner will. Auf der tiefsten Ebene finden sich die ursächlichen Probleme: die Denkmodelle, Paradigmen und die Quelle, von der aus wir handeln. Durch jede Ebene »lenken wir die Linse, den Strahl unserer Beobachtung zurück auf uns selbst«, um die Qualität unserer Aufmerksamkeit zu verändern - »von ego zu öko«, von ich zu wir …

Bild 3: Disruption
Die Probleme im Außen sind ein Spiegel der Probleme im Innern. Während der U.School-Ecology-Meetings im Jahr 2015 in Berlin entwickelte sich ein hitziges Gespräch über die Schattenseiten der Gesellschaft, so als klopfte die Disruption persönlich an die Tür unserer Aufmerksamkeit. Um den Zusammenbruch zu steuern und zu halten, ließen wir uns durch das Öffnen unseres Denkens, Fühlens und Wollens auf das Unbehagen ein und machten es nutzbar …

Bild 4: Intention
Wir reagieren auf krisenhafte Zusammenbrüche (Disruption), indem wir uns durchwurschteln, uns getrennt und voneinander wegbewegen oder aber gemeinsam aufeinander zubewegen. Keine der beiden Kurven - Absencing und Presencing - existiert ohne die jeweils andere. Es ist der anhaltende Kontakt zwischen den beiden, nicht ein Hin- und Herpendeln, sondern eine Integration, die unsere Aufmerksamkeit neu ausrichtet und mit unserer tieferen Intention in Einklang bringt …

Bild 5: Inversion
»Jeder neue Gegenstand, wohl beschaut, schließt ein neues Organ in uns auf.« Goethe wusste um die tiefe Verbundenheit zwischen dem Innen und dem Außen. Um als Instrumente für echte transformative Veränderungen zu wirken, müssen wir den Strahl der Aufmerksamkeit zurück auf das beobachtende Selbst richten und dadurch dem System helfen, sich selbst zu sehen und zu fühlen …

Bild 6: Soziale Felder
Wir sind Teil einer globalen Bewegung, die die Ströme von Zivilgesellschaft, Achtsamkeit und Aktionsforschung zusammenbringt, während gleichzeitig der Boden des sozialen Feldes kultiviert wird, was im Kern einen Aufmerksamkeits- und Bewusstseinswandel »von ego zu öko« aktiviert. In diesem Bild können wir uns selbst aus der Sicht des Ganzen heraus sehen. Unter Einbeziehung zentraler Themen der Online- und Offline-Erfahrungen haben wir die Kamera zurück auf unseren eigenen Prozess und die Reise des U.Lab gelenkt …

Bild 7: Earth Rising – Erdaufgang
Wir können die Zukunft zwar fühlen und erspüren, aber wir können nicht genau erkennen und erklären, was sie ist. Doch die Verbindung zu diesem Raum ist die wichtigste Lebensader. Während einer Übung mit der Kunstform des Social-Presencing-Theaters, an der 40 Vertreter der U.School Ecology teilnahmen, sagte die Person, die die Rolle der Erde verkörperte: »Ich bin, und ich werde sein« und brachte damit das veränderte Bewusstsein zum Ausdruck, mit dem wir auf das Anklingen der Zukunft lauschen: Die Welt, die entstehen will, klingt an, und wir hören den atmosphärischen Ton, die Stimme der Erde und was sie uns zu tun aufträgt …

Bild 8: U.School Ecology
Hier sehen wir die Fußabdrücke und die Essenz eines U.School-Ecology-Meetings in Berlin. Am deutlichsten sticht der blaue Fluss hervor: Das Wasser der drei Ströme scheint in ein Delta des offenen Denkens, Fühlens und Willens zu münden, sich zu vermischen und strömt dann hinaus, bahnt sich einen Weg an einen unbekannten Ort der Berufung, als folgte es den Gesten oder der Anleitung der Erde selbst. Links: Woher wir kommen. Mitte: Unsere derzeitige Arbeit der Kultivierung des sozialen Bodens. Rechts: Wohin wir gehen, eine Sphäre des Möglichen – Erdaufgang.
Hinweis zu den Bildtafeln
Alle hier wiedergegebenen und im Vorwort zur Neuauflage beschriebenen Bilder sind ursprünglich in sozialen Live-Kontexten als Mittel der Gefäßbildung und Reflexion entstanden und mit Whiteboard- oder Kreide-Markern auf 2,5 x 9 m große Flächen aufgetragen worden.
Weitere Informationen zum Kontext und zu der Reise, die zu diesen Bildern führte, sowie Versionen mit hoher Auflösung sind verfügbar und können heruntergeladen werden unter: https://www.presencing.org/resource/images.
Für weitere Informationen über Kelvy Bird und ihre Arbeit siehe: http://www.kelvybird.com/.
Vorwort zur Neuauflage: Zehn Jahre später, Erdaufgang
Als dieses Buch im Jahr 2007 erstmals veröffentlicht wurde, war unsere Tochter Hannah neun Jahre alt. Beim Erscheinen der zweiten englischen Ausgabe war sie neunzehn. Beim Nachdenken über das dazwischen liegende Jahrzehnt und die ihm vorausgehenden zehn Jahre, die ich brauchte, um Theorie U zu schreiben, wird mir das Ausmaß der Veränderungen bewusst, die sich im Laufe dieser zwanzig Jahre vollzogen haben. Die Welt hat eine bedeutsame Schwelle überschritten – und überschreitet sie noch immer.
Was für eine Schwelle meine ich? Eine Schwelle persönlicher, beziehungsmäßiger, institutioneller und globaler Art. Auch Sie können sie vermutlich spüren. Meine Kollegin und Mitbegründerin des Presencing Institute, Kelvy Bird, die die wunderbaren Zeichnungen am Anfang dieses Buches geschaffen hat, hat den Zustand der Schwellenüberschreitung eingefangen (Bild 1).

Auf Bild 1 sehen wir eine Kluft, einen Abgrund. Ein Teil unseres Selbst steht auf der linken Seite – in der gegenwärtigen Realität – und schaut in den Abgrund. Der andere Teil, unser im Entstehen begriffenes Selbst, wirkt bereits auf der anderen Seite – der Seite, die uns mit der Zukunft, die entstehen will, verbindet. Beide Teile gehören zu uns: Der Teil, der ängstlich in den Abgrund starrt, und der Teil, der bereits vom Feld der Zukunft aus handelt – denn die Zukunft ist bereits da.
Und was liegt zwischen diesen beiden Elementen unseres Selbst? Nichts. Gar nichts. Wie wir diese beiden Teile unseres Selbst verbinden und dazu bewegen, einander zuzuhören, ist die Essenz der Theorie U – und die Essenz dieses Buches. Das alte Selbst muss die Kluft überwinden, eine Brücke über den Abgrund schlagen – eine Brücke zwischen dem alten und dem neuen Selbst, eine Brücke, die die tieferen Ebenen unserer eigenen Menschlichkeit aktiviert, die tiefen, schlummernden Ebenen unseres entstehenden Selbst.
Wohin wir auch gehen, an jedem einzelnen Tag stehen wir vor diesem Abgrund – als Individuen, Teams, Organisationen und als globale Systeme. Die Theorie U beschreibt eine Methode – einen Weg –, der uns auf allen Ebenen, in allen Situationen hilft, uns immer weiter in diese Kluft hineinzulernen und sie zu überbrücken.
Zwischen den späten 1990ern (als ich anfing, dieses Buch zu schreiben) und heute ist etwas Profundes und Subtiles geschehen. Das vorliegende Buch spürt einigen ersten Ansätzen eines weltweiten Erwachens nach – einer von Menschen, Beziehungen und Bewusstsein ausgehenden Bewegung.
Doch was genau hat sich zwischen damals und heute verändert? Lassen Sie mich versuchen, diese Frage zu beantworten, indem ich von fünf Beobachtungen berichte, die meiner Ansicht nach Dimensionen eines tieferen Wandels verkörpern, der unsere Welt weiterhin umformt.
Beobachtung 1: Der Aufstieg von Achtsamkeit und Spiritualität
Die erste Beobachtung betrifft den Aufstieg der Achtsamkeit. Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte hat die Achtsamkeit, die vorher eine eher marginale Rolle spielte, in vier professionellen Anwendungsbereichen eine ziemlich zentrale Bedeutung gewonnen:
•Kognitionswissenschaft: Die Entdeckung der Gehirnplastizität hat dazu geführt, dass sich das Forschungsinteresse in Neurowissenschaft und Neurophänomenologie häufiger auf das Thema Achtsamkeit konzentriert. Beispielhaft hierfür sind die bahnbrechenden Arbeiten von Tanja Singer zum Mitgefühl oder von Richard Davidson zur Neuroplastizität.
•Gesundheit: Der von Jon Kabat-Zinn und seinen Mitarbeitern entwickelte Ansatz der Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (MBSR, Mindfulness-Based Stress Reduction) bietet wirksame Hilfe für Menschen, die unter Schmerzen oder Krankheitszuständen leiden, die in herkömmlichen Einrichtungen schwer zu behandeln sind. Seit Einführung von MBSR im Jahr 1979 ist diese Methode weltweit in über dreißig Ländern von zahllosen Ausbildern eingesetzt worden. Die Zahl der Forschungspublikationen zum Thema Achtsamkeit ist von praktisch null im Jahr 1980 auf 15.000 im Jahr 2013 gestiegen.
•Bildung: Daniel Golemans Arbeit zur emotionalen Intelligenz setzt ein neues Verständnis des sozial-emotionalen Lernens (SEL) in Schulen um und hilft Schülern, besser mit Gefühlen umzugehen, Empathie zu entwickeln und Beziehungen aufzubauen.
•Führung: Achtsamkeitspraktiken in der Ausbildung von Führungskräften werden nicht nur in Technikgemeinschaften, sondern auch in den meisten zukunftsorientierten globalen Unternehmen angewandt. Ich habe Achtsamkeitspraktiken (und Presencing-Praktiken) in traditionellen Branchen (Autobranche), Technologieunternehmen (Google, Alibaba), multilateralen Organisationen (UN), für Regierungen (etwa die chinesische) und riesigen staatseigenen Unternehmen (Industrial and Commercial Bank of China, ICBC) eingesetzt. Es ist bemerkenswert, wie weit die Tür für Achtsamkeitsund Presencing-Methoden heute in Organisationen geöffnet ist. Der fehlende Widerstand ist mitunter fast schockierend. Wenn man es richtig macht (das heißt Achtsamkeit nicht als Ideologie, sondern als Tool fördert), erhält man eine starke positive Reaktion, insbesondere bei der neuen Generation der Führungskräfte.
Achtsamkeit ist die Fähigkeit, auf die eigenen Erfahrungen zu achten und gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf die eigene Aufmerksamkeit zu richten. Sie erfordert einen Wechsel der Wahrnehmung zu einer höheren Ebene – dass man sich selbst vom Ganzen her wahrnimmt.
In einer Welt, in der eine kulturelle ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung) immer stärker um sich greift, unterstützt durch unsere zahllosen Apps und elektronischen Geräte, die uns zunächst begeistern und dann versklaven (wenn wir sie nicht mehr bewusst nutzen), wird die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung immer entscheidender. Trotz des ganzen Geredes über Multitasking ist wissenschaftlich belegt, dass dieses gar nicht existiert. Was hingegen sehr wohl existiert, ist eine Verkürzung der Aufmerksamkeitsspanne.
»Das ist der Feind!«, so der junge Hacker Neo im Science-Fiction-Film Matrix, als er das »System« kennenlernt. Jede echte Kreativität, jede bedeutsame Innovation und jede tief greifende gesellschaftliche Erneuerung entspringt derselben Quelle, nämlich der Fähigkeit zu nachhaltiger Aufmerksamkeit – der Fähigkeit, uns selbst auf etwas einzulassen, dabei zu bleiben und dann schließlich – wenn wir Glück haben – den Funken der Inspiration einzufangen und eine Bewegung zu vollziehen, durch die wir das Neue – frei nach Martin Buber – »so verwirklichen, wie es verwirklicht werden will«.
Bild 2 veranschaulicht dieses tiefe Veränderungsterrain in Form eines Modells, das die Problemsymptome an der Oberfläche zeigt und darunter die tieferen Problemursachen, die Wurzeln und Quellen, aus denen sie hervorgehen. Um die drängenden Herausforderungen unserer Zeit auf der Quellebene in Angriff zu nehmen, müssen wir »die Linse zurück auf uns selbst richten«, indem wir den U-Prozess durchlaufen – das heißt, indem wir das Bewusstsein, von dem aus wir handeln, verändern.
Beobachtung 2: Der Aufstieg der Disruption
Die zweite Beobachtung betrifft den Aufstieg der Disruption (engl. disruption für »Störung, Unterbrechung, Bruch, Spaltung, Zerrissenheit, Zerrüttung«) oder der krisenhaften Zusammenbrüche. Technik, Terrorismus, Trump. Klimakatastrophe. Konfliktzonen. Polarisierung. Wir leben in einem Zeitalter der Disruption. Jede Überprüfung der grundlegenden Antriebskräfte überzeugt uns davon, dass das Tempo der Disruption weiterhin zunehmen und nicht abnehmen wird. Bei einigen dieser Kräfte und Trends ist es zu spät, um die Entwicklung umzukehren. Wenn wir also das Tempo der äußeren Disruption nicht steuern können, was können wir dann, wenn überhaupt, steuern?
Das Einzige, was wir wirklich kontrollieren oder gestalten können, ist unsere innere Reaktion: Wie wir damit umgehen, wenn die Disruption zuschlägt.
•Erstarren wir und halten an bestehenden Mustern (»Durchwurschteln«) fest?
•Verschließen wir uns und kehren wieder zu alten, intuitiven Verhaltensweisen zurück (bewegen uns rückwärts)?
•Oder öffnen wir uns und lehnen uns in das, was entstehen möchte, hinein (bewegen uns vorwärts)?
Die Zukunft unserer sozialen Systeme, Gesellschaften und des Planeten als Ganzen hängt in nicht geringem Maße von den Entscheidungen ab, die wir in diesen Momenten treffen:
•Die erste Reaktion (Durchwurschteln: mehr vom Selben) erzeugt noch mehr Chaos, Zusammenbrüche und Leiden.
•Die zweite Reaktion (Zurückbewegen: dichtmachen) erzeugt sogar noch schlimmere Ergebnisse wie Rassismus oder Faschismus.
•Einzig die dritte Option (Vorwärtsbewegen: sich öffnen) schafft Raum für das gemeinsame Erspüren dessen, was geschieht, einen Raum zum Loslassen des Alten und gemeinsamen Gestalten des Neuen.
Bild 3 stellt diese Situation dar. Was also ist der Schlüssel? Was bestimmt darüber, ob wir auf eine Disruptionssituation reagieren, indem wir uns 1) durchwurschteln, 2) rückwärtsbewegen oder 3) vorwärtsbewegen?

Der Schlüssel liegt darin, die Worte über der Zeichnung zu verstehen: Die Probleme im Außen sind ein Spiegel der Probleme im Innern. Dieser Satz fasst die neue Arbeit der Führenden und Veränderungsakteure zusammen – und er fasst auch das Terrain zusammen, das wir durch dieses ganze Buch erforschen werden. Bei der neuen Arbeit der Führungskräfte geht es darum, einen inneren Raum des Haltens zu entwickeln – einen Raum, der uns inmitten widerstreitender Informationen und Interessen, inmitten der Konfusion, die Menschen zu Zorn, Angst und Verzweiflung treibt, unseren Kurs finden lässt.
Beobachtung 3: Der Aufstieg des Absencing
Die dritte Beobachtung betrifft das Phänomen des Absencing. Jeder Ansatz oder jedes gesellschaftliche Bezugssystem, das den massiven Anstieg des Fundamentalismus und des Absencing in unserer Welt nicht berücksichtigt, geht an den Kräften vorbei, die unsere Realität mitgestalten.
Was mich in den letzten zehn Jahren überrascht hat, ist, dass zwar sehr viele Menschen das Konzept des Presencing (das in Teil I und II dieses Buches behandelt wird) aufgegriffen haben, aber fast niemand mit dem korrespondierenden Konzept des Absencing (das in Teil III entwickelt wird). Es ist tatsächlich nicht möglich, das eine ohne das andere zu verstehen. Unsere derzeitige Realität ist voll von eindrucksvollen Beispielen für Presencing ebenso wie Absencing. Lassen Sie mich erklären:
Abb. V.1 zeigt das Aufeinanderprallen zweier Denkwelten, die jeweils zu einer anderen Dynamik und einem anderen sozialen Feld führen: Presencing – der Zustand des gemeinsamen Erspürens und Gestaltens der entstehenden Zukunft, indem wir unsere inneren Wissensinstrumente öffnen; und Absencing – der Zustand der Loslösung von anderen (Nichtsehen, »Entfühlen«) und von uns selbst, der zur Zerstörung anderer und schließlich zur Selbstzerstörung führt. Im Zustand des Presencing wirken wir gestützt auf eine Öffnung von Denken, Herz und Willen. Im Gegensatz dazu handeln wir im Zustand des Absencing unter den entgegengesetzten inneren Bedingungen: Wir stecken in einer Wahrheit fest, in einer kollektiven Haut und in einem fanatischen Willen.
Abb. V.1: Zwei Zyklen, zwei soziale Felder: Absencing und Presencing
Lassen Sie uns mit diesen Gedanken im Hinterkopf nochmals zu den drei Reaktionen auf disruptive Situationen zurückkehren und sie im Kontext der inneren Bedingungen betrachten, die in Abb. V.1 wiedergegeben sind. Ob in den beiden Teilen Amerikas, in Afrika, Asien, Australien oder Europa – die öffentliche Debatte über alle großen Probleme – einschließlich Klimawandel, Flüchtlingskrise, Terrorismus und viele andere – fällt tendenziell immer in eine der drei folgenden Reaktionskategorien:
1) Durchwurschteln: Diese Reaktion bezeichne ich häufig als Downloading oder Runterladen. Alles geht so weiter wie immer – mehr Meetings, mehr Erklärungen, mehr leere Worte. Denken Sie an die Gipfel über Flüchtlinge, Armut, den Nahostkonflikt, Klimawandel und die meisten anderen Themen, die globale Gemeingüter betreffen.
2) Auseinanderbewegen: Im Raum des Absencing erkennen wir den Zusammenbruch des Systems und die Tatsache, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher. Doch aus unserer Sicht sind nicht »wir«, sondern »die anderen« (»sie«) das Problem. Also errichten wir eine Mauer um uns, um »sie« fernzuhalten. Die Errichtung einer Mauer, die uns von den anderen trennt, ist buchstäblich das, wofür die meisten republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten und alle Parteiführer der extremen Rechten in Europa in der jüngeren Geschichte plädiert haben; historisch betrachtet, ist die Reaktion der Bush-Regierung auf 9/11 (»Bombt sie zur Hölle!«) ein weiteres Beispiel. Die Ergebnisse, zwölf Jahre und vier Billionen Dollar später, nach zigtausend Toten und dem Versinken einer ganzen Weltregion im Chaos, werden uns weiter heimsuchen, da der sogenannte Islamische Staat (IS oder ISIS für Islamischer Staat im Irak und in Syrien) und andere Vertreter des Terrors fest in der Feldlogik des Absencing verhaftet sind.
3) Gemeinsam bewegen: Im Raum des Presencing hingegen werden die Mauern eingerissen, und eine neue Architektur der Kollaboration und Verbundenheit nimmt Gestalt an. Beim Umgang mit jeglicher komplexen Herausforderung unserer Zeit wird einem sehr schnell klar, dass es nichts gibt, was ein einzelnes Unternehmen oder eine einzelnes Land allein tun könnte. Deshalb müssen nachhaltige Lösungen ein gesamtes globales Ökosystem von Partnern und Akteuren umfassen. Damit uns das gelingt, müssen wir uns unserer eigenen Rolle bei der gemeinsamen Verursachung des Problems bewusst werden und dann antreten, um gemeinsam andere Vorgehensweisen zu gestalten. Im Fall der europäischen Flüchtlingskrise zum Beispiel haben Angela Merkel in Deutschland, Stefan Löfven in Schweden und viele Bürger und Nichtregierungsorganisationen (Non-Governmental Organizations, NGOs) mutige Schritte in diese Richtung getan. Doch wie die innenpolitischen Gegenreaktionen zeigen, ist die Realität voller Widersprüche und stellt uns alle durch ihre Entwicklung immer wieder vor neue Herausforderungen.
Die Realität schreit förmlich nach einer dritten Haltung, nach Presencing. Die erste Haltung, Downloading, versucht den Zusammenbruch des Systems zu leugnen. Die zweite Haltung, Absencing, sagt: »Okay, das System ist zusammengebrochen, aber das liegt nicht an uns.« Nur Presencing bietet einen gangbaren Weg, um die umfassende Disruption, vor der wir stehen, anzugehen.
Ich erinnere mich, wie ich einmal einen Außendienstmitarbeiter eines US-Autokonzerns interviewte, der für Kundengespräche über Reparaturen und Rückrufaktionen zuständig war. Ich bat ihn, mir zu schildern, wie das funktioniere. Er sagte: »Na ja, es ist immer dasselbe.« Dasselbe was? »Es gibt immer dieselben drei Stadien«, erklärte er:
»Stadium 1: Die Techniker im Unternehmen streiten ab, dass überhaupt ein Problem vorliegt. Sie behaupten, die Kunden lägen völlig falsch. Dann kommen immer weitere Informationen rein. Wenn es unmöglich wird, die Augen weiterhin vor dem Problem zu verschließen, wechseln sie in das 2. Stadium, in dem sie akzeptieren, dass das Problem existiert, es aber auf eine andere Abteilung schieben. Dann, nach einem weiteren längeren Zeitraum, in dem das Problem verheerende Ausmaße annimmt, sind sie allmählich bereit für das 3. Stadium: In Stadium 3 hören die Leute auf, sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe zu schieben und sagen: ›Okay, wir haben tatsächlich ein akutes Problem, das wir so schnell wie möglich lösen müssen. Wie stellen wir das an? Wer kann welchen Beitrag leisten?‹«.
Zu dieser Abfolge der Stadien 1 bis 3 kommt es nicht nur in Autokonzernen, sondern auch in unseren großen öffentlichen Systemen. Praktisch alle großen Herausforderungen, vor denen unsere Welt steht, werden auf diese Weise gehandhabt. Doch in Anbetracht der Dringlichkeit dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, wie wir den Prozess, der uns in Stadium 3 bringt, beschleunigen können. Wie kommen wir von Leugnen und Absencing zum Presencing?
Der Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass die Linie zwischen Presencing und Absencing nicht zwischen uns und den anderen verläuft. Sie verläuft direkt durch jeden Einzelnen von uns. Sie repräsentiert den Abgrund, vor dem wir Tag für Tag, auf allen Ebenen, von Mikro bis Mundo, stehen. Angesichts des Abgrunds müssen wir innehalten und in den Spiegel schauen, wo wir erkennen, dass die Probleme im Außen widerspiegeln, was in unserem Innern ist. Deshalb müssen wir den inneren Standort, von dem aus wir handeln, verändern.
Wie machen wir das? Indem wir in den Spiegel sehen und unsere Aufmerksamkeit und unsere wahre Intention wieder in Einklang bringen. Bild 4 zeigt, wie ein Teil dieser Neuausrichtung stattfindet.