Kitabı oku: «Theorie U - Von der Zukunft her führen», sayfa 4

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Reintegration von Geist und Materie

Drei Metanarrative durchziehen dieses Buch – und mein Leben:

•Das erste ist der Feldgang: Als ich aufwuchs, machten meine Eltern sonntags häufig einen Spaziergang mit mir und meinen Geschwistern über die Felder und Äcker unseres Hofes. Dieses Buch handelt von einem Gang durch das soziale Feld, bei dem wir – wie damals auf dem Bauernhof – den Zustand des Bodens erforschen.

•Das zweite Metanarrativ ist die Wiedervereinigung von Geist und Materie: In Kapitel 3 erzähle ich eine Geschichte über Meister Nan in China, der behauptete, dass es nur ein wirkliches Problem in der Welt gebe: die Wiedervereinigung von Geist und Materie. Dieses Buch untersucht diese Frage: Wenn die Probleme, die wir auf der Oberfläche sehen können (die drei Klüfte), das Ergebnis einer Spaltung auf einer wesentlich tieferen Ebene sind, wie können wir sie wieder zusammenbringen? Können wir tatsächlich »Geist« und »Materie« im Kontext kollektiver sozialer Felder wieder miteinander verbinden?

•Das dritte Metanarrativ ist die Geschichte des Feuers in Kapitel 1: Es ist die Geschichte eines einschneidenden Erlebnisses – der Erfahrung, dass etwas zusammenbricht, dass man eine bestimmte Welt und Realität loslassen muss, um eine neue Welt kommen zu lassen und in sie einzutreten. Diese Geschichte spielt sich heute auf vielen Ebenen des disruptiven Wandels ab, von der lokalen bis zur globalen Ebene.

Wie hängen diese drei Metanarrative zusammen? Die drei sind eins – es sind drei unterschiedliche Aspekte desselben tieferen Wandels. Die Kultivierung des sozialen Feldes zielt darauf, Geist und Materie auf der kollektiven Ebene zu reintegrieren (siehe Ebene 4 in der Matrix der sozialen Evolution; Tabelle V.1). Herzstück des Prozesses ist, durch die tiefste Stelle des U zu gehen, das heißt, durch eine Erfahrung des Loslassens alter Muster und des Kommenlassens einer entstehenden Zukunft, die weiterhin auf uns angewiesen ist, um Wirklichkeit werden zu können.

Aktionsforschung

Durch Aktionsforschungsinitiativen lernen wir immer mehr über die Bedingungen und Fähigkeiten, die für die Führung eines profunden Wandels notwendig sind, wie in meinem gemeinsam mit Katrin Käufer verfassten Buch Von der Zukunft her führen dargelegt (Scharmer & Käufer 2017). Hier ein paar Beispiele, von denen viele zum Zeitpunkt dieser Niederschrift (Anfang 2016) noch im Entstehen begriffen sind.

Schottland

Die schottische Regierung nutzt den U-Prozess und insbesondere den U.Lab-MOOC, um einem neuen, stärker partizipatorischen Ansatz beim Gemeinschafts-Empowerment den Weg zu bahnen und bessere Ergebnisse zu erzielen. Im Januar 2015 schrieben sich fünf schottische Staatsbedienstete in den MOOC des U.Lab ein und empfanden die Erfahrung als transformierend. Unter Anwendung der Prinzipien des U-Prozesses organisierten sie öffentliche Events mit dem Ziel der gemeinsamen Intentionsbildung für die nächste U.Lab-Reise (siehe Kapitel 21 für ausführlichere Informationen zur gemeinsamen Intentionsbildung); landesweit sollten Bürger in Gemeinden überall im Land U-basierte Methoden und Tools erlernen, damit sie ihre Veränderungsideen in die Tat umsetzen konnten.

Das kleine Kernteam in der Regierung hielt zunächst eine Informationssitzung mit Staatsbediensteten ab, gefolgt von drei ganztätigen, für die schottische Öffentlichkeit zugänglichen Gemeinschaftsevents, woraufhin tausend schottische Bürger im September 2015 an dem U.Lab-MOOC teilnahmen. Die Teilnehmenden organisierten sich selbst in mindestens 70 sogenannten Action-Learning-Hubs, von denen jeder lokale Gemeinschaften oder Interessengemeinschaften aus ganz Schottland zusammenbringt, die eine Vielzahl von Veränderungsaktivitäten unterstützen – von Bemühungen, den globalen Klimawandel zu bekämpfen bis hin zur Verbesserung von Dienstleistungen und der Schaffung von Arbeitsplätzen an bestimmten Orten.

Brasilien

Vor zwei Jahren nahm Denise Chaer, eine junge Brasilianerin, an einem einwöchigen Gründungsprogramm zum U-Prozess in Sao Paulo teil. Danach erklärte sie: »Während dieser Woche nahm eine Idee, die ich fühlen, aber nicht in Worte fassen konnte, allmählich Gestalt an.« Ihre Vision war, die Muster des Konsums und der sozialen Beziehungen in Brasilien zu verändern und dafür den U-Prozess zu nutzen.

Heute leitet Denise eine sektorenübergreifende Dialogplattform, um eine soziale Innovation namens Novos Urbanos zu fördern, die sich bis dato auf einen bestimmten Aspekt des Konsumverhaltens – nachhaltige Lebensmittel und Ernährung – für Sao Paulo, Rio de Janeiro und andere Teile Brasiliens konzentriert hat. Novos Urbanos hat vierzig Organisationen und Menschen aus allen Bereichen der Ernährung zusammengebracht, einschließlich großer multinationaler Lebensmittelhersteller, Wissenschaftler, Basisorganisatoren und Vertreter von städtischen und nationalen Regierungen, um gemeinsam neue Prototypinitiativen zu gestalten und diese komplexe systemische Herausforderung in Angriff zu nehmen.

Zwei der Prototypen befinden sich in Capao Redondo (einem von 96 Bezirken von Sao Paolo mit etwa 275.000 Einwohnern), das in der Vergangenheit als eine der gewalttätigsten Gegenden der ganzen Welt galt. Sie sind darauf ausgerichtet, Nahrungsmittelsouveränität zu schaffen und zur Beseitigung sogenannter »Food Deserts« (»Lebensmittelwüsten«, deren Bewohner kaum Zugang zu bezahlbaren und gesunden Lebensmitteln haben) beizutragen, die in verletzlichen Gemeinschaften besonders verbreitet sind. Ein weiterer Prototyp ist eine Advocacy-Kampagne, die Verbraucher dazu motivieren will, mehr Obst und Gemüse auf den Märkten zu kaufen. Novos Urbanos hat ein Video über gesunde Ernährung für Kinder erstellt, das an den ersten fünf Tagen, an denen es online war, 120.000 Mal aufgerufen wurde.4 Schon seit Anfang 2016 unterstützt die größte Einzelhandelskette Brasiliens, Grup Pao de Acucar, diese Kampagne in 195 Geschäften in Rio und Sao Paulo. Novos Urbanos ist außerdem Teil des brasilianischen National Food Communication Network, einer vom Ministerium für soziale Entwicklung veranstalteten Gruppe, der Vertreter aus Zivilgesellschaft und Bundesregierung angehören, die sich Gedanken über die Rolle der Kommunikation bei der Lebensmittelsicherheit und -souveränität in Brasilien machen.

Finance Lab: »Just Money« (Nur Geld) – Bankgeschäfte so betreiben, als ob die Gesellschaft wichtig wäre

Als Vermittler in unserer Wirtschaft spielen Banken eine wesentliche Rolle in der Gesellschaft, wie man während der Finanzkrise von 2007/2008 gesehen hat. Nicht immer werden die Banken dieser Rolle auf verantwortungsbewusste Weise gerecht. Ihr Versagen kann das gesamte Wirtschaftssystem und damit die Gesellschaft als Ganzes niederreißen. Die Zuweisung von Kapital ist einer der größten Einflussfaktoren dafür, wie unsere künftige Gesellschaft aussehen wird. Entscheidungen darüber, wer einen Kredit erhält und wer nicht oder wer Beteiligungskapital verdient und wer nicht, beeinflussen die Zukunft, die wir erschaffen.

Das Finance Lab, geleitet von der Mitbegründerin des Presencing Institute, Katrin Käufer, ist eine Kooperation zwischen dem MIT Community Innovators Lab (CoLab)5, der Global Alliance for Banking on Values und anderen Partnern aus dem Feld sozial verantwortungsbewusster Investitionen und Bankgeschäfte. Unter Verwendung des U-Prozesses unterstützt das Finance Lab Banken, die mit diesem Bewusstsein arbeiten und sich bei ihren Kredit- und Investitionsentscheidungen am Dreisäulenmodell (»triple bottom line«) der nachhaltigen Entwicklung orientieren und Mensch, Planet und Profit gleichermaßen berücksichtigen.

2015 umfasste die Arbeit des Finance Lab einen einjährigen, U-basierten unternehmensweiten Strategieerneuerungsprozess für wertorientierte Banken in Europa. Eine der beteiligten Banken, die GLS-Bank, schuf Prototypen in Bezug auf neue Finanzprodukte, startete eine Initiative für Qualitätsjournalismus und hielt ein Forum für sozial orientierte Unternehmer ab. Diese Initiativen spiegeln die neue strategische Rolle der Banken wider, die sich ihrer sozialen und ökologischen Verantwortung bewusst sind; in dieser Rolle beschränken Banken sich nicht allein aufs Finanzieren, sondern ermitteln auch soziale Erneuerer und helfen ihnen, ihre Innovationen auf Gemeinschaftsebene auszuweiten und zu verbessern. Das Finance Lab hat außerdem Lerngemeinschaften aus jungen Führungskräften sozial verantwortungsbewusster und »grüner Banken« zum Thema Arbeit geschaffen.

China

Begleitet von Lili Xu Brandt wuchs die chinesische U.Lab-Gemeinschaft in weniger als einem Jahr aus dem Nichts auf über 8300 U.Lab-Teilnehmende, über 100 Hubs in 25 Städten und eine organisationale Beteiligung an, die große globale Unternehmen wie Alibaba, staatseigene Großunternehmen wie ICBC ebenso wie Provinzregierungen und äußerst innovative zivilgesellschaftliche Organisationen wie A-Dream umfasst. Ein starker Antrieb für dieses Wachstum war der U.Lab-MOOC. Zur Arbeit im Jahr 2016 gehörten:

− eine einjährige sektorenübergreifende Innovationsreise zur Neuerfindung von Shanghai (gesponsert von der Provinzregierung Shanghai)

− eine einjährige sektorenübergreifende Innovationsreise zur gemeinsamen Gestaltung der Jingjinji-Vision, eine Initiative für eine zukunftsfähige Megametropolregion mit 110 Mio. Einwohnern (gesponsert von der Zentralregierung)

− eine einjährige sektorenübergreifende Innovationsreise zur Neugestaltung der Rolle der Philanthropie (des menschenfreundlichen Denkens und Verhaltens) und der Zivilgesellschaft in China

Die Bronx

Das MIT Community Innovator’s Lab (CoLab) befindet sich am MIT-Fachbereich für Urban Studies and Planning. Es setzt Methoden und Tools der Theorie U ein, um zum Empowerment urbaner Erneuerungsinitiativen wie der Bronx Cooperative Development Initiative (BDCI) beizutragen. Inspiriert von der Mondragon-Genossenschaft im spanischen Baskenland konzentriert sich die BCDI auf eine lokale Wirtschaft, die einen gemeinsamen Wert bzw. Nutzen (»shared value«) für Unternehmen und Gesellschaft schafft und sich am Gemeinwohl in der Bronx orientiert.

Durch die direkte Nachbarschaft zu Manhattan schwimmt die Bronx in gewissen Formen von Reichtum. Sie ist reich an intelligenten, kreativen und ehrgeizigen Menschen. Örtliche Museen, Universitäten und Krankenhäuser geben jedes Jahr Milliarden für Beschaffung, Vermietung und Einrichtungen aus; viele soziale, kulturelle und kommunale Organisationen beleben die Gemeinschaft. Doch trotz all dieser Aktiva ist die Bronx der ärmste Stadtbezirk in den USA, gemessen am Vermögen der privaten Haushalte. In punkto Bildung und Gesundheit gibt es hier einige der schlimmsten Ergebnisse im ganzen Land.

Der Schlüssel zu einer positiven kollektiven Wirkung liegt in einer besseren sozialen und ökonomischen Koordination. Unter Verwendung von Strategien des Stakeholderengagements, die auf der Theorie U aufbauen, entwickelt die BCDI eine Vielzahl von Koordinationsmechanismen; dazu gehören:

•eine Schulungsreihe in den Bereichen Ökonomie und Demokratie, durch die die Bürger lernen, wie sie die Zügel der lokalen Wirtschaft wieder selbst in die Hand nehmen können

•ein Netzwerk von Gemeinschaftsunternehmen, das die lokale Planung, gemeinsame Nutzung von Ressourcen und die Entscheidungsfindung antreibt

•eine Onlinebeschaffungsplattform, die kleine und von ethnischen Minderheiten geführte Unternehmen mit den Beschaffungsströmen großer Institutionen verbindet

•eine Anstrengung zur Verringerung von Atemwegserkrankungen und zur Senkung der Gesundheitskosten durch die Ermittlung und Sanierung »kranker Gebäude«, deren Bewohner wiederholt in den Notaufnahmen der Krankenhäuser landen

•ein auf Kirchen und Mehrfamilienhäuser zielendes Projekt für höhere Energieeffizienz, das geschäftliche Möglichkeiten für lokale Auftragnehmer bietet

In den kommenden Jahren werden diese Mechanismen die Anwohner bei ihren Anstrengungen um die Neugestaltung einer (Gemeinwohl-)Ökonomie, die zum Wohle aller Bürger des Bezirks wirkt, unterstützen.

Eileen Fisher und das Global Wellbeing Lab

Im Jahr 2013 unternahm Eileen Fisher, Gründerin und Vorsitzende der Firma Eileen Fisher Inc., einer US-Damenbekleidungsmarke, eine U-Prozess-Reise durch das »Global Wellbeing Lab«.6 Auf dieser Reise kamen 25 Changemaker aus unterschiedlichen Bereichen und Ländern zusammen, die sich dafür interessierten, neue Methoden des Messens und Erzeugens von Glück zu erforschen, zu fördern und gemeinsam zu gestalten. Kernstück des Programms ist eine U-basierte Reise nach Bhutan, die dem »Eintauchen« dient und die Teilnehmenden in Kontakt mit den Praktiken bringt, die Regierung, Wirtschaft und Gemeinschaften in diesem Land am Fuß des Himalaja zur Förderung des »Bruttonationalglücks« einsetzen.

»Vor der Reise«, erklärte Eileen, »wusste ich, dass ich in meinem Unternehmen etwas ändern wollte. Ich war mir nur nicht ganz sicher, was oder wie. Die Erfahrung in Bhutan ließ mich über die wahren Quellen individueller Kreativität und ihre Rolle in der Geschäftswelt nachdenken ebenso wie über die Rolle, die die Geschäftswelt in der Gesellschaft spielt.« Eileen tat sich mit Marcelo Cardoso, einem weiteren Teilnehmer aus dem Lab, zusammen, damals Senior Vice President von Natura, einem in Brasilien ansässigen Kosmetikkonzern, der eine Vorreiterrolle in Sachen unternehmerische Nachhaltigkeit einnimmt. Cardoso half Fisher und ihrem Unternehmen, sich auf eine neue, transformierende Reise einzulassen, die darauf ausgerichtet ist, die persönliche Transformation als Ausgangspunkt für einen institutionellen und systemischen Wandel zu nutzen.

Zu Beginn ihrer Reise konzentrierten sich Fisher und Cardoso auf die individuelle Transformation und auf die Erkundung unterschiedlicher Transformationsund Veränderungsansätze. Im Eileen-Fisher-Unternehmen beginnt zum Beispiel jedes Teammeeting mit einem Moment der Stille, um sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Im weiteren Verlauf der Reise bezogen sie viele Stakeholder mit ein, um eine neue Vorstellung von der Zielsetzung und der Vision des Unternehmens zu entwickeln, die sie im Wesentlichen mit dem Wohl der Mitarbeiter und des Ganzen verknüpften. Davon ausgehend richteten sie die Strategie und Struktur des Unternehmens neu aus, indem sie das Wohl des gesamten Ökosystems stärker ins Zentrum ihrer Geschäftspraktiken rückten. Die Folge war, dass das Unternehmen eine sogenannte Certified-B-Corporation wurde, sich also bestimmten sozialen und ökologischen Standards bzw. einer Dreisäulenphilosophie verpflichtete, derzufolge das Wohl der Mitarbeiter neben dem Einsatz ökologischer Materialien, fairen Löhnen in der Lieferkette und Umsatz/Profit zu einem der vier Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators, KPI) wurde. Dieses Modell unterstützte die ehrgeizigen ökologischen und sozialen Ziele des Unternehmens für das Jahr 2020 und darüber hinaus. Eileen verpflichtete sich dazu, sich gemeinsam mit Zulieferern, Marken und anderen Stakeholdern in der Modebranche für eine branchenweite Transformation einzusetzen.

Eileen Fisher ist ein neuer Unternehmertypus, der den Sinn und Zweck von Unternehmen anders auffasst: nicht nur – oder nicht einmal in erster Linie – als einen Mechanismus, um Profit zu erzeugen, sondern im Wesentlichen als ein Mittel zum Aufbau einer Bewegung, zur Freisetzung und Verwirklichung menschlicher Kreativität, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Die U-Prozess-Methodik ist Teil des Betriebssystems, das diesen Transformationsprozess ermöglicht.

IDEAS

Zu einem weiteren wirkungsvollen Zusammenfluss verschiedener Strömungen ist es durch das IDEAS-Programm des MIT gekommen. IDEAS ist die Abkürzung für Innovative Dynamic Education and Action for Sustainability. Vor zehn Jahren machte ich mich gemeinsam mit Peter Senge und Dayna Cunningham daran, eine bunt gemischte Gruppe junger Changemaker mit wichtigen institutionellen Akteuren aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Regierung zusammenzubringen. Ziel dieser neunmonatigen experimentellen Reise war nicht die Lösung von Problemen, sondern die Organisation von Kooperationsmöglichkeiten: Wir wollten die Ränder unseres Systems und unseres Selbst erforschen, um neue tief reichende Vorgehensweisen hervorzubringen.

Anstatt Menschen zu sagen, was sie tun und worauf sie sich konzentrieren sollen, versuchten wir etwas anderes: Wir wollten Menschen zusammenbringen und sie auf eine Reise schicken, die sie mit einigen reinen, ungefilterten Erfahrungen der heutigen Welt in Berührung brachte. Wir boten ihnen Methoden, um diese Erfahrungen zu verarbeiten – Methoden des Zuhörens mit weit geöffnetem Denken und Fühlen, und wir lieferten ihnen Tools, um die beiden Grundfragen der Kreativität zu beantworten: Wer bin ich? Was ist meine Aufgabe? Dann fingen sie an, gemeinsam Plattformen zu gestalten, um sektorenübergreifend Prototypen zu schaffen und durch konkretes Tun zu lernen.

Zehn Jahre später ist mir klar, dass diese Initiative, die in keiner Hinsicht von einem einzelnen Problem angetrieben wurde, sondern aus einer Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung (Frustration über einen Mangel an systemischer Veränderung) hervorging, bis dato wahrscheinlich eine der beiden einflussreichsten Initiativen meines Lebens war.

Warum?

Weil sie ein machtvolles Feld inspirierter Verbindungen anschaltete – Menschen, die sich miteinander auf ganze neue Weise um reale Fragen herum verbanden.

IDEAS hat ein einflussreiches globales Ökosystem von Projekten, Prototypen, lebenden Beispielen und inspirierten Netzwerken erzeugt, die weiterhin neue Initiativen und Ideen hervorbringen. Nichts deutet darauf hin, dass das aufhört. Zwei der einflussreichsten Ergebnisse dieses generativen Ökosystems sind die Programme und Praxisgemeinschaften von MIT-IDEAS Indonesia7 und MIT-IDEAS China.

IDEAS China befindet sich noch in den Anfangsstadien; entstehende Geschichten und Auswirkungen finden sich in meinem Blog (Scharmer 2015a). In Indonesien umfassen die derzeitigen Prototypinitiativen:

1) eine marktgetriebene Transformation der Lieferkette für Meeresfrüchte mit dem Ziel einer nachhaltige Fischerei

2) die gemeinsame Entwicklung eines nachhaltigen Tourismus auf Kaledupa Island im Regierungsbezirk Wakatobi mit dem neuen Direktorium in Indonesiens Tourismusministerium.

Diese Prototypen verkörpern beide zentrale Ziele der Coral Triangle Initiative (CTI), einer Partnerschaft von sechs Staaten zum Schutz der marinen Biodiversität im sogenannten Korallendreieck.

Namibia

Unsere Arbeit am Gesundheitssystem in Namibia begann als Partnerschaft zwischen dem Synergos Institute, McKinsey & Company und dem Presencing Institute. Im Herbst 2010 führte ich einen dreitägigen Workshop mit dem Kabinett von Namibia durch. Am ersten Tag erklärte mir ein Kabinettsmitglied, wie sich das Hauptproblem, mit dem sie konfrontiert waren, aus seiner Sicht darstellte: »Wir müssen unseren politischen Prozess wieder mit den realen Bedürfnissen der Gemeinschaften verbinden. Im Moment ist unser politischer Prozess größtenteils losgelöst von den tatsächlichen Bedürfnissen in den Dörfern.«

Alle führenden Regierungsvertreter im Raum waren sich einig, dass diese Trennung das zentrale Problem war, vor dem sie standen: die fehlende Verbindung zwischen ihren Regierungsroutinen und Dienstleistungen einerseits und den tatsächlichen Bedürfnissen der Dorfgemeinschaften andererseits. Sie beschrieben weitere Herausforderungen: Eine Trennung zwischen sich selbst und den Staatsbediensteten und das allgegenwärtige »Silo-Denken«, das die Arbeit von Regierungsstellen an vielen Orten aufsplittert. »Das Silo-Problem fängt gleich hier an – zwischen uns«, sagte eine Teilnehmerin und sah ihre Kollegen an. »Weil wir nicht wirklich offen miteinander reden. Bei uns fängt es an, und dann repliziert sich dieses Verhalten in all unseren Ministerien.« Das Silo-Problem behindert die Kommunikation zwischen Ministerien ebenso wie innerhalb der Ministerien.

Unsere Arbeit mit dem Ministerium für Gesundheit und Soziales bestätigte die Existenz dieser Trennungen. Wir begannen mit einer gemeinsamen Einschätzung der Situation und ermittelten: schwache Führung; in Silos getrennte Arbeitsprozesse; dysfunktionale Strukturen; keine strategische Planung; keine vernünftige Datensammlung; keine klaren Ziele; keine Weichenstellungen für die Millenniumentwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDG).

Nach vierjähriger Zusammenarbeit sind mehrere dieser Probleme erfolgreich angepackt worden, auch wenn vieles noch weiterer Arbeit bedarf, die jetzt von einem lokalen Team, das wir ausgebildet haben, unterstützt wird. Diesen ganzen Prozess hindurch hat sich allerdings etwas sehr Wichtiges verändert. Die namibischen Führungskräfte haben angefangen, ihre eigene Rolle in den anhaltenden Problemen zu erkennen und sind bereit, an innovativen Lösungen zu arbeiten.

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